Francesco
Als ich jünger war, hatten mir meine Eltern mal etwas im Streng-Geheimen gesagt. Aber jeder von ihnen hatte mir was eigenes anvertraut, ohne zu wissen, dass der jeweils andere auch etwas gesagt hatte. Früher dachte ich sie hatten sich ausgesprochen, denn Beide kamen am selben Tag zu mir und beide Aussagen hatten den Satz ,,Falls uns etwas passieren sollte..." enthalten.
Mein Vater sagte mir: ,,Mein Sohn, falls uns etwas passieren sollte, dann musst du wissen, dass wir trotzdem immer für dich da sein werden. Egal was ist, sprich zu uns. Egal wo wir sind, komm zu uns. Egal worum es geht, vertrau dich uns an."
,,Mein Schatz, falls etwas sein sollte, dann will ich, dass du so weiter machst wie gerade. Ich möchte nicht, dass du etwas aufgibst, nur wegen uns. Leb dein Leben und wenn wir eines Tages nicht mehr da sein sollten, lebe für uns", waren meine Mutter ihre Worte.
Eine Woche später fand man ihre Leichen in einem Autowrack.
Damals hielt ich mich noch an ihre Worte. Im Heim war es die Hölle, weshalb ich so gut wie nie darüber spreche. Ganz allein der Friedhof war mein Wohlfühlort. Manche mögen es dort schrecklich und unheimlich finden, aber ich genoss die Stille, auf der Bank vor den Gräbern meiner Familie. Ich sprach mit ihnen und stellte mir dann vor was sie antworten würde. Ich lebte mein Leben einfach weiter.
Wahrscheinlich ist es sehr verdächtig, dass meine Eltern so Zeitnah von ihren Aussagen gestorben sind. Und selbst als die Polizei gesagt hatte, dass keine Spur von Manipulation oder sonstiges war, aber es Selbstmord gewesen sein konnte, glaubte ich ihnen nicht. Eine Familie, die nach Hause zu ihrem Sohn wollte, damit sie traditionell Freitag Abend eine Pizza bestellen und ganz viele Filme bis in die Nacht schauen konnten, würde nicht mit Absicht zerbrechen.
Andererseits machte es Sinn. Wieso diese bedeutenden Worte eine Woche davor? Wieso hatten sie mir gesagt, was ich tun sollte wenn sie weg sind? Ich konnte und wollte den Tatsachen nicht glauben, aber mir blieb keine Wahl. Auch mein damaliger Therapeut redete mir ein, dass ich es einfach nur akzeptieren sollte, damit ich abschließen konnte.
Und ich schloss auch damit ab. Ich schloss mit allem ab, was mich an meine Erzeuger erinnerte, denn ich fühlte mich hintergangen. Ich machte nun das Gegenteil von dem was sie mir geraten hatten. Zu meinen Eltern ging ich ganze drei Jahre nicht. Ich schloss mich einer kleinen Gang an, die jetzt mir gehörte und brach somit auch den Schwur an meine Mutter so weiter zu machen wie immer. Wie immer bedeutet, dass ich weiterhin gut in der Schule sein sollte, damit ich meinen Medizinstudium machen konnte. Aber wie man merkt hatte ich das ja nicht getan.
Erst als ich volljährig wurde, merkte ich wie schwachsinnig mein Verhalten war. Klar, sie ließen mich mit fünfzehn ganz allein in einer mir noch nicht so gut bekannten Welt. Sie verschwiegen mir, dass ich noch lebende Verwandte hatte, die mich aus der Zeit im Heim rausholen konnten. Es gab keinen Grund ihnen zu verzeihen, außer der, dass sie mich mehr oder weniger auf alles vorbereitet hatten.
Nur Tommy und Ryan wussten über meine tiefsten Gedanken bescheid. Schließlich waren sie meine besten Freunde, die immer an meiner Seite standen, wenn ich sie brauchte.
Aber jetzt, jetzt gab es mehr Personen, denen ich mich anvertrauen würde.
Carter, Logan, Levi und Livia waren mir ebenso wichtig und wenn die Zeit gekommen war, würde ich auch ihnen erzählen, was ich seit sechs Jahren auf dem Herzen trug.
,,Hey, du da!", rief mir plötzlich eine weibliche Stimme entgegen.
Verwirrt drehte ich mich in die Richtung, wo her die Stimme kam.
Ein Mädchen, circa im Alter von Livia (Gott verfluche meine ständigen Gedanken an sie), kam auf mich zugelaufen, während sich ihre schwarzen Haare in einem Zopf hin und her bewegten.
Als sie vor mir stand musterte sie die Garage, hinter der unsere Drucker mal standen.
,,Hast du zufällig einen Job, den du mir anbieten kannst? Sieht hier nach 'ner Werkstatt aus."
Werkstatt konnte man das ja nicht nennen und Geld konnte ich ihr auch keines geben. ,,Nein, tut mir leid."
Sie ließ die Schultern sacken und schien zu überlegen. ,,Naja, auch egal. Weißt du wo ich hier etwas finde?"
Sie schien hier neu zu sein weshalb ich ein paar Stellen aufzählte, aber dann unterbrach mich das Mädchen mit den blauen Augen.
,,Mein Gott, ihr habt echt keine Stelle in eurer Gang frei?" Geschockt wusste ich nicht was ich sagen sollte. ,,Woher-" ,,Ja, ja, ich weiß alles, mein Lieber. Außer deinen Namen."
Ich spürte Vertrautheit zu ihr. Ganz so als hätten wir etwas gemeinsam und wir würden uns schon bald sehr gut verstehen. ,,Francesco."
,,San Francisco? Du kommst aus San Francisco? Oh, da war ich auch schon. Geniale Partys und geiler Alkohol."
Wie zum Teufel war sie jetzt auf eine Stadt gekommen, wenn sie mich nach meinem Namen gefragt hatte?
,,Nein, Nein. Ich heiße Francesco", klärte ich sie mit einem Schmunzeln auf.
,,Oh... Ich bin Lyanna. Hast du denn jetzt einen Platz für mich frei?"
,,Kannst du überhaupt mit Waffen und so umgehen?" So klein wie sie war bezweifelte ich, dass ihre Finger überhaupt an den Lauf der Pistole kamen.
Mit einer Handbewegung hatte sie eine der Sicherheitswaffen, die hier rumlag in der Hand und zielte auf etwas hinter mir.
,,Ihr solltet eure Waffen nicht so offensichtlich rumliegen lassen."
,,Hast du das in einem Film gelernt, oder wieso hebst du das denn jetzt wirklich richtig?"
,,Oh Mann... Bist du der Anführer? Wenn ja, dann musst du dringend Mal jemand neues wählen, du bekommst ja nichts auf die Reihe."
***
Ich lebe noch, keine Sorge
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