Der Tragödie fünfzehnter Teil

Ich schloss die Badezimmertür hinter mir zu und sackte auf den Boden.

In meinem Kopf schrillten sämtliche Alarmglocken und ich stützte meine Stirn in die Hände, während ich darauf wartete, dass der Lärm langsam verebbte.

Sie war hübsch. Sie war viel zu hübsch. Und zwar nicht auf dieselbe Art, wie ich zähneknirschend zugeben würde, dass Tristan gut aussieht.
Mae war attraktiv, und zwar auf die La La Land Weise.

Panik überkam mich erneut und ich stand hastig auf, um mir am Waschbecken Wasser ins Gesicht zu spritzen.
Die Kälte half unerwartet gut und ich beruhigte mich so weit, dass ich wieder einigermaßen klare Gedanken fassen konnte.

Was waren meine Möglichkeiten?

Option 1: Einfach weiter machen wie bisher, Nick die Freundin sein, die er verdiente, und warten bis mein verfluchter Crush auf seine Schwester sich von selbst verflüchtigte. Definitiv die vernünftigste Idee.

Option 2: Nick die Wahrheit sagen und ihm damit das Herz brechen. Definitiv die schlechteste Idee aller Zeiten.

Option 3: Heimlich in die USA auswandern.

Und auch wenn mir Option drei definitiv ziemlich verlockend vorkam, wusste ich, dass Option eins meine einzige Möglichkeit war.
Und neben dem Hauptgrund, dass ich Nick nicht verletzen wollte, könnte ich auch niemals Layla Rieckmann den Triumph gönnen, dass sie recht gehabt hatte und ich wirklich auf Mädchen stand.

Ich gestattete mir zwei weitere Minuten hinter geschlossener Tür, bevor ich wieder runtergehen musste, damit Nick keinen Verdacht schöpfte. Auch wenn ich bezweifle, dass er bemerken würde, wie lange ich weg war.

Nachdem ich im Stillen bis einhundertzwanzig gezählt hatte, griff ich beherzt nach dem Türknauf und öffnete die Tür.
Der Flur vor mir war leer, aber was hatte ich auch anderes erwartet?

Während ich zur Treppe ging, klebte mein Blick förmlich an der Tür, von der ich nun wusste, dass sie zu Maes Zimmer führte. Obwohl ich mich für den Gedanken hasste, würde ich zu gerne wissen, wie ihr Zimmer aussieht.

Mein Gehirn suchte verzweifelt nach einem Vorwand, bei ihr zu klopfen, auch wenn mir natürlich klar war, dass ich niemals den Mut aufbringen würde, dies wirklich zu tun. Vor allem, da ich mich vor gerade mal zwei Minuten dazu entschlossen hatte, ihr aus dem Weg gehen zu wollen!

Ich hasste mein Gehirn noch mehr dafür, dass es diese Einwände ignorierte und sich einfach weiter vorstellte, wie es hinter der geschlossenen Eichentür wohl aussehen könnte.

Mir fiel die Kassette wieder ein, die Nick mir geschenkt hatte, nachdem sie aus seinem Rucksack gefallen war und von der er behauptet hatte, sie würde ihm nicht gehören. War es möglich, dass sie von Mae war?

Ich beschloss, dass ich sie mir zuhause direkt anhören würde. Natürlich rein aus Recherchezwecken.

Ich gab es auf und wand endlich den Blick von der Tür ab, als ich dahinter ein lautes Poltern, gefolgt von einem lauten Fluchen, vernahm.

Das war eindeutig der perfekte Grund, um zu klopfen und sich zu erkundigen, ob alles okay war.

Aber nein, ich war ein schlechter Mensch, weil ich auch nur die Möglichkeit in Betracht zog. Nick war nett. Nick war mein Freund. Und seine Schwester war nur seine Schwester. Punkt.

Wobei, war ich nicht ethisch gesehen verpflichtet, nach ihr zu sehen? Es könnte ja sein, dass sie sich verletzt hatte.

Die Entscheidung wurde mir abgenommen, als in dem Moment die Tür aufflog und Mae fluchend aus ihrem Zimmer stolperte. Mit der linken Hand umklammerte sie ihre rechte.

Ich wollte „Oh Scheiße, hast du dich etwa verletzt?" sagen, realisierte dann jedoch, dass das ja ziemlich offensichtlich war und entschied mich dazu, lieber etwas ein wenig cooler klingendes wie „Bist du okay?" zu fragen. Unglücklicherweise lief irgendwas auf dem Weg von meinem Gehirn zu meinem Mund falsch.

„Oh Scheiße, bist du etwa okay?"

Mae bleib stehen und sah mich perplex an. „Bitte was?"

„Was? Nein! Ich wollte ...", ich stolperte über meine eigenen Worte. „Ich wollte ... also ..."

„Komm mit", sagte sie und setzte ihren Weg zum Bad fort. Verunsichert folgte ich ihr.

Dort angekommen hielt sie ihre Hand unter den Wasserhahn.

„Mir ist ein verficktes Buch auf die Hand gefallen", erklärte sie.

Ich fragte mich, wie einem ein Buch auf die Hand fallen konnte, entschied mich jedoch dafür, dass es gerade nicht der richtige Moment war, um sie das zu fragen.

„Gib mir mal bitte ein Handtuch", forderte sie mich auf. Ich sah mich um. „Im Schrank, Tammy."

„Macht Sinn." Ich öffnete den Schrank und zog das erstbeste Handtuch heraus, das ich finden konnte, und reichte es ihr.

Mir kam die Frage in den Sinn, ob sie eigentlich wusste, dass mein voller Name Themis war, sie aber absichtlich die Kurzform benutzte, oder ob Nick immer nur als Tammy von mir gesprochen hatte.

Sie hob eine Augenbraue, während sie es entgegennahm und es auseinanderfaltete. „Interessante Wahl."

Erst jetzt als man es in voller Größe sah, wurde mir klar, dass das Handtuch von einer ihren Zauberstab schwingenden Tinkerbell geschmückt wurde.

„Ich dachte, du könntest jetzt ein bisschen Feenstaub vertragen", versuchte ich zu scherzen.

Sie lächelte matt. „Vermutlich sollte wohl eher ich mich rechtfertigen, dass so etwas hier überhaupt rumliegt."

Ich schüttelte denk Kopf. „Wir haben zuhause auch solche. Ich glaube, ich trockne mir die Hände häufiger an irgendwelchen Glücksbärchis ab als an einfarbigen Handtüchern."

„Soso, gut zu wissen."

„Yeah", ich trat angespannt von einem Bein auf das andere.

Mit der unverletzten Hand strich Mae sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Eine der grünen.

„Ich mag deinen Style", sagte ich.

Augenblicklich schossen ihre Augenbrauen in die Höhe. „Bitte was?"

Ich sah sie verunsichert an. „Habe ich was Falsches gesagt?"

Sie beäugte mich misstrauisch. „Du bist wirklich straight, oder?"

Meine Verunsicherung wuchs ins Unermessliche. Wie zur Hölle kam sie jetzt da drauf?

Ich nickte.

„Okay", sagte Mae und entschied sich dann doch dazu, mich aufzuklären. „Das war so ne Art Erkennungs- oder besser gesagt Anmachspruch unter queeren Mädchen."

„Ernsthaft?", ich sah sie mit aufgerissenen Augen an. „Fuck das wusste ich nicht."

„Schon okay", sie grinste. „Aber solltest du nicht langsam mal wieder runter? Nicht dass ich dich von Nicky-Boy fernhalte."

Ich nickte.

Sie blinzelte. Ich blinzelte.

„Okay bye", sagte ich und verschwand, um mir mit Nick weiter die Dokumentation anzusehen.

Es wurde noch ein sehr langer Abend und diesmal tauchte Mae nicht auf, um mich zu verabschieden.

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