17. Dezember: Inspiration
Heute haben wir einen One Shot von der lieben rainbow_rays euch :-) Lasst ihr ein paar liebe Kommentare da und hinterlasst ihr ein Vote als kleines Dankeschön. Ich danke dir auf jeden Fall sehr dafür, dass du beim Kalender dabei bist!<3
xx Michelle
Wörteranzahl: 2061
Ich lehne mich zur Seite und haue auf meinen Wecker. Ich glaube, das einzige, was ich an meinem Job wirklich nicht mag, ist, dass mein Wecker so unglaublich früh klingelt. Andere Menschen gehen jetzt erst ins Bett und ich muss gleich in der Backstube stehen. Gut, ich habe auch schon um halb zwölf Schluss, das muss dazu gesagt werden.
Eine halbe Stunde später bin ich bei der kleinen Bäckerei angekommen und schließe die Hintertür auf. Meine Kollegin Donna, ist schon hier, aber sie wohnt auch nur eine Etage höher. Ihren Eltern gehört die Bäckerei und vor drei Jahren haben wir gemeinsam unsere Lehre beendet. Im Prinzip führen wir sie, nur auf dem Papier eben nicht.
Dass ich hierher gezogen bin, war eine sehr spontane Entscheidung, aber bisher habe ich es nicht beruhigt. Ich war hier mit ein paar Freunden im Urlaub und habe mich in diesen ruhigen Ort verliebt. Es ist ein kleines Fischerdorf an der Westküste Italiens und inzwischen darf ich behaupten, die Sprache recht gut zu können. Nach fünf Jahren sollte man das allerdings auch. Damals im Urlaub habe ich die Anzeige an der Tür gesehen, dass die Bäckerei noch einen Auszubildenden sucht und da es bei mir Zuhause nicht geklappt hat, habe ich den Geschäftsführer einfach gefragt. Inzwischen ist Angelo zu meiner Familie hier geworden, genau wie seine Frau Monica und seine Tochter Donna.
Die ersten zwei Wochen habe ich sogar bei ihnen auf dem Sofa schlafen dürfen, bevor Sam, der inzwischen mein bester Freund hier ist, durch einen Bekannten, ein kleines, aber sehr gemütliches Apartment klar machen konnte, in dem ich auch immer noch wohne. Es hat sich herausgestellt, dass es dem Bruder von Angelo gehört. Die Miete ist nicht zu hoch, in England würde man dafür wahrscheinlich nicht einmal ein Zimmer bekommen.
Mein Gehalt ist nicht das höchste, aber ich komme gut aus und ich merke, wie viel besser es mir hier geht, als in England. Abgesehen davon, dass die Luft besser ist, ernähre ich mich gesünder. Einmal in der Woche ist im nächsten, etwas größeren Ort ein Markt, wo man alles bekommt, was man so braucht. Die Lebensmittel sind frisch, aus der Region und wenn ich jetzt an die Supermärkte in England denke, und dass alles abgepackt ist, kann ich nur den Kopf schütteln.
Hier kennt man sich. Das war natürlich nicht immer so, aber selbst, als ich nicht einmal einen Monat hier war, und noch nicht genug Geld dabei hatte, haben die Bauern und Fischer auf dem Markt gemeint, ich sollte einfach nächste Woche bezahlen, wenn ich mein Gehalt habe. In England wäre so etwas einfach nicht möglich. In Manchester hätte ich mir das nie vorstellen können.
Hier ist das Leben einfach ruhiger, nicht so hektisch und schnell. Hier ist es gemütlicher, entspannter und fröhlicher. Meine Klamotten bekomme ich bei einem kleinen Laden, der zwei Schwestern gehört. Viel bestellen sie, aber ab und an, gibt es auch selbstgeschneiderte Kleidung zu kaufen, die ich ihnen sehr häufig, sehr gerne abnehme.
Als wir öffnen stehen vier frische Kuchen in der Theke. Jeden Tag sind es andere, aber ich könnte nicht sagen, welchen ich am liebsten mag. Das Brot ist noch warm und als wir die Türe öffnen , strömt der Duft auf die Straße. Es sind jede Woche die selben Leute, die herkommen, häufig kaufen sie das Gleiche, weswegen Donna und ich viele Tüten schon fertig haben.
Heute ist aber etwas anders. Als um neun Uhr die erste Runde Kunden vorbei ist, betritt ein junger Mann den Laden. Donna ist gerade hinten und schaut nach den Beständen und was wir die Tage auffüllen müssen. „Buongiono." lächle ich und frage mich, ob er wohl neu hier ist. Er sieht mich an, nickt kurz und schaut sich dann das Angebot an.
„Mi äh.. avere un pane?" unsicher sieht er mich an und man merkt sofort, dass er kein Italiener ist. „Quale ti piacerebbe avere?" frage ich ihn dann, spreche extra etwas langsamer, aber er sieht mich mit großen Augen an und hat ganz offensichtlich keine Ahnung, was ich gerade gesagt habe. Unschlüssig schaut er auf die Auslage und kratzt sich am Hals.
Dann schaut er zu mir. „Äh... sprechen Sie vielleicht Englisch?" fragt er dann und ich schmunzle. „Tue ich, was kann ich Ihnen geben?" antworte ich und merke, dass er sich wieder entspannt. „Oh, gut. Ich kann eigentlich kein Italienisch und den Satz gerade habe ich von Google-Übersetzer." meint er und ich fange an zu lachen. „Hab ich mir schon fast gedacht, aber so schwierig ist die Sprache gar nicht, wenn man einmal ein Gefühl dafür entwickelt hat." antworte ich ihm und er nickt.
„Gut, was möchten Sie?" frage ich dann. „Ein paar Brötchen und Croissants, und ein Brot, es ist mir eigentlich egal welches, ich verstehe die Namen sowieso nicht." meint er schulterzuckend. „Fünf Brötchen?" frage ich und er nickt. „Ja, danke." Ich packe die Backwaren zusammen und nehme dann ein Brot aus dem Regal, das ich persönlich am liebsten mag.
Dann nenne ich ihm den Preis und er reicht mir das Geld. „Vielen Dank." - „Gerne."
Eigentlich war er ein ganz normaler Kunde, aber trotzdem geht er mir nicht aus dem Kopf. Es kommt nicht oft vor, dass in das Dort jemand aus dem Ausland kommt, schon gar nicht außerhalb der Ferienzeit. Es ist Ende September, keine typische Touristen Zeit. Langsam wird es frisch hier, aber im Gegensatz zu Manchester immer noch angenehm warm.
„Alles gut bei dir?" fragt Donna mich am nächsten Morgen und ich nicke. „Ja, hab wenig geschlafen." antworte ich ihr nur und sie glaubt es mir zum Glück. Die Wahrheit ist aber, dass mir diese meeresblauen Augen nicht mehr aus dem Kopf gehen und ich mich nicht nur einmal gefragt habe, was ihn wohl hierher verschlägt. Entweder er Besucht jemanden, was sich aber schon längst herum gesprochen hätte, oder er hat einen anderen Grund.
Wir haben im Ort nur ein einziges Hotel, was gleichzeitig auch das beste Restaurant der Welt beherbergt, meiner Meinung nach zumindest. Eine Straße weiter gibt es drei Kneipen, dann eine kleine Einkaufsstraße, die an den Hafen führt. Dort ist der Ort schon wieder vorbei. Die meisten hier sind in der Fischerei tätig, ohne die würde es hier nicht einmal ein Haus geben.
Wenn man in die andere Richtung geht, kommt man hinter einigen Straßen mit Wohnhäusern, einem Frisör und dem Rathaus, zu den großen, weiten Feldern der umliegenden Bauern. Von hier bekommen wir auch alles, was wir für die Bäckerei brauchen. Im nächsten Ort sitzt der Arzt, es gibt eine Apotheke und einen kleinen Handwerksbetrieb, sowie einen Metzger.
Ich hatte gehofft, dass der junge Mann wiederkommt, aber ich habe Pech. Der Tag vergeht und ich mache Feierabend. Bevor ich nach Hause gehe, schlendere ich über die Straßen, bis zum Hafen. Dann entdecke ich am Pier einen Kopf mit braunen, verwuschelten Haaren und lächle ein wenig. Er ist es. Fast im gleichen Augenblick dreht er sich um und sieht mich an. Dann spricht mich aber jemand an und danach sehe ich ihn nicht mehr.
Zwei Tage später ist er wieder in der Bäckerei und Donna sieht mich verwirrt an, als ich ihn direkt auf Englisch anspreche, fragt aber nicht, als er mir auf der gleichen Sprache antwortet. Das dürfte auch Erklärung genug sein. Er kauft ein Stück Erdbeertorte, setzt sich an einen der drei Tische und holt ein kleines Notizbuch heraus. Er bleibt bestimmt eine Stunde, dann mache ich Feierabend und als ich mit Donna in das kleine Mitarbeiterzimmer gehe, um meine Schütze abzulegen, fragt sie, „du kennst ihn? Er ist nicht von hier." - „Ich weiß, er war vor ein paar Tagen schon hier. Keine Ahnung, warum er hier ist." meine ich dann schulterzuckend und schaue durch die Runde Glasscheibe zu dem jungen Mann, der gerade das Buch zuklappt und einen Lederriemen darum schließt.
Ich gehe durch die Vordertür raus und sehe, wie er die Straße herunterläuft. Bestimmt wohnt er im Hotel.
Die nächsten Tage sehe ich ihn immer wieder, er kommt fast jeden Tag in die Bäckerei und bleibt dort für einige Zeit. Immer hat er dieses Buch dabei und auch wenn ich es nicht sollte, werde ich neugierig. Dann, Sonntags Abends, laufe ich von der Kneipe nach Hause. Ich habe morgen frei und war heute Abend mit einigen Freunden unterwegs. Dann höre ich etwas. Es ist kein wirklicher Gesang, es ist mehr ein melodisches Murmeln mit ein bisschen Gitarre nebenbei.
Verwundert laufe ich an der Straße, in die ich einbiegen müsste, vorbei die kleine Promenade entlang, bis ich zu der Mauer am Ende des Hafens komme. Hier stehen die alten Segelschiffe, die nicht mehr benutzt, aber immer noch wunderschön sind. Auf der Mauer sitzt jemand im Schneidersitz, hat eine Gitarre auf dem Schoß und blick auf irgendetwas herab. Er ist es, das Licht der Gaslaternen erleuchtet die Szene ein bisschen und ich sehe, dass er in das Buch blickt, während leise, sanfte Klänge über die Straße zu hören sind.
Ich gehe näher, möchte ihn aber nicht unterbrechen. Erschrocken sieht er auf, als er merkt, dass er nicht mehr alleine ist. Entschuldigend lächle ich und er fahrt sich durch die Haare.
„Hi..ähm?" - „Louis." antwortet er. „Hi, Louis, ich heiße Harry." sage ich schüchtern. „Darf ich mich setzen?" Er zuckt mit den Schultern und nickt dann. Ich setze mich ihm gegenüber auf die Mauer und schaue auf die Seiten vor ihm. Einige Wörter, Zeilen, teilweise durchgestrichen und darüber sind einige einzelne Buchstaben.
„Ist das ein Song?" schlussfolgere ich und er seufzt. „Wird es wohl." meint er und sieht auf das schwarze Meer hinaus, das man kaum noch sieht, aber dessen Rauschen
umso deutlicher zu hören ist. „Das klang schön." antworte ich ihm und er errötet leicht. „Danke." Er korrigiert wohl etwas und zupft an den Seiten der Gitarre. „Störe ich dich?" frage ich vorsichtshalber, aber schüttelt den Kopf. „Uhm.. nein."
„Darf ich fragen, was dich hierher verschlägt?"- „Huh?" - „In diesen Dorf?" Er seufzt und antwortet nach einem Moment, „Wieso bist du hier? Du kommst aus England, das hört man." - „Ich habe hier eine Lehre gemacht, ich war mit Freunden im Urlaub und das Hotel war günstig. Dann bin ich spontan hergezogen, hiergeblieben, wenn man es so will." erzähle ich ihm. „Und du? Bleibst du auch hier?"
„Ich glaube nicht." meint er. „Ich würde gerne, aber eigentlich Verstecke ich mich." gibt er dann zu und verwundert schaue ich ihn an. „Wieso das?" - „Ich komme in meinem Job nicht weiter, ich dachte, ich brauche mal einen Tapetenwechseln, irgendwo, wo mich keiner kennt." antwortet er und irritiert sehe ich ihn an. „Bist du berühmt oder so?" Nun scheint er verwirrt zu sein und ich habe entschuldigend die Hände. „Ich bekomme kaum noch etwas mit, was in der Promi-Welt so passiert." erkläre ich und er schmunzelt. „Naja... ja. Ich bin Sänger." sagt er dann und deutet auf seine Gitarre." - „Und kommst du jetzt weiter?" frage ich. „Hier in dem Dorf?"
Er nickt und lächelt. „Tue ich, auch wenn ich es nicht erwartet hätte." - „Wieso das nicht?" - „Ich hab nach Inspiration für mein nächstes Album gesucht." erzählt er mir. „Und hab mit einem Dartpfeil auf eine Landkarte geworfen." antwortet er dann und ich amüsiert sehe ich ihn an. „Und seit zwei Wochen verstecke ich mich, habe aber gleichzeitig meine Inspiration gefunden." fügt er etwas leiser hinzu und unterbricht unseren Blickkontakt keine Sekunde.
„Ich habe genug Songs, um ein ganzes Album zu füllen." murmelt er dann. „Und?" - „Hier gibt es kein Studio." antwortet er und ich verdrehe die Augen, schmunzle aber. „Das weiß doch keiner. Du meintest doch, du versteckst dich, tu das doch einfach noch ein bisschen länger." erwidere ich und überrascht sieht er mich an.
„Uhm... ja... also wieso nicht.." antwortet er stotternd, fängt dann aber an zu grinsen und nickt noch einmal. „Hast du in der Bäckerei geschrieben?" frage ich ihn dann und überrascht sieht er mich an, nickt dann aber. „Eine Bäckerei als Inspiration?" füge ich verwundert, aber belustigt hinzu. Ja, die Bäckerei ist schön, aber recht schlicht und einfach. „Nicht ganz." sagt er und sein Blick wandert von meinen Augen etwas weiter hinunter. Mein Herzschlag wird schneller und meine Gedanken verschwinden.
„Dann bleib noch hier." antworte ich ohne darüber nachzudenken und als er nickt, lächelt und mich wieder ansieht, beuge ich mich zu ihm, küsse ihn. Ich kenne ihn eigentlich kaum, weiß, dass er jeden Kuchen mag, den die Bäckerei hat und dass er Sänger ist. Er erwidert, nimmt die Gitarre herunter und lehnt sie neben uns an die Bauer, bevor er sich kurz löst, mich ansieht und mich dann erneut küsst.
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