Kapitel 22

Der Jubel ist ohrenbetäubend, als ich wir auf dem Rasen landen. Innerhalb kürzester Zeit ist das komplette Spielfeld voll mit unseren Klassenkameraden und ich spüre, wie ich den Boden unter den Füßen verliere, weil ich auf deren Schultern gehoben werde. Ich kann es nicht glauben.

Den Schnatz halte ich noch in der Hand, das Adrenalin pumpt noch immer durch meine Adern und die Rufe, die den Namen unseres Hauses skandieren, nehmen einfach nicht ab – auch nicht, als ich wieder festen Boden unter mir habe.

Ich spüre, wie mir die Schultern geklopft werden, wie mir für diesen Catch gratuliert wird, und doch suchen meine Augen das Spielfeld ab, nach-

Ich entdecke ihn abseits der Menge, wie er sich schwer auf seinen Nimbus lehnt und sich ruhig mit McG unterhält. Seine Handschuhe hat er ausgezogen und er hört ihr entspannt zu. Ich sehe ihn lächeln und am Ende nickt er fast schon erleichtert und reicht ihr die Hand.

Ich löse mich aus dem Pulk und sehe, wie Finn den Blick hebt und mich ansieht. Er lächelt mich knapp an, dann verabschiedet er sich von McG und kommt schwerfällig auf mich. „Gratuliere, Evans", sagt er gedehnt und lehnt sich, wie eben, lässig gegen den Besen. Der Stiel biegt sich fast durch, wenn er nicht aufpasst, bricht das klapprige Ding noch durch.

„Das solltest du nicht tun, McDou..." Tadelnd schüttele ich den Kopf. „Dein Oldtimer franst so nur noch mehr aus..."

Pah." Er verzieht das Gesicht zu einer Grimasse. „Der Oldtimer hängt deine aufgetunte Rennschwuppe jederzeit ab..." Dann verrutscht die Grimasse zu einem lockeren Grinsen und in meinem Bauch ist plötzlich eine ganze Menge los. Ameisen vor allen, Billywigs vielleicht, und auch das Occamy regt sich. Das sollte aufhören.

„Was wollte McGonagall?"

Finn zögert einen Moment und zuckt dann mit den Schultern. „Ach, nichts Weltbewegendes. Ich schreib doch diese Strafarbeit..." Dann grinst er. „Das war ein ziemlich gutes Spiel...", sagt er gedehnt und ich spüre seinen Blick überdeutlich auf mir. Seine leuchtend grünen Augen wandern über mein Gesicht und dann schüttelt er den Kopf. „Dieser Move vorhin... Wo hast du den her?"

Ich hole tief Luft und mein Herz setzt einen Schlag aus. Er redet nicht mit mir. Also werde ich ihm auch nicht erzählen, woher ich „diesen Move" habe.

Sein Blick wird dunkler und streift nur für den Bruchteil einer Sekunde meine Lippen. Vermutlich glaubt er, dass es mir nicht aufgefallen ist. Aber es fällt mir auf.
Weil er mich wegschubst und jetzt wieder so ansieht.

Er darf das nicht. Zu deutlich hängen die letzten Wochen zwischen uns.

Er wollte über neulich reden. Vor dem Spiel.

Ich beiße mir auf die Unterlippe und mein Herzschlag verdreifacht sich. Was wird das hier? Der Knoten in meinem Bauch, das Kribbeln und Ziehen in meinem Bauch wird immer wilder, je länger er mich so ansieht. „Top Secret", sage ich heiser und schlucke, während eine Pause entsteht, die erst gebrochen wird, als mir Olly von hinten auf den Rücken springt. „Jo, Rory!!", brüllt er mir ins Ohr. „Wir haben gewonnen!!! Gegen Slytherin, ey!"

Finn nickt langsam und tritt einen Schritt zurück. „Geh feiern. Genieß das. Wir sehen uns, Evans...", sagt er, schultert den verzausten Nimbus und marschiert wesentlich entspannter als ich es nach dieser Niederlage von ihm erwartet hätte in Richtung Kabinen davon.

In meinem Bauch bleibt das Kribbeln zurück. Das Kribbeln und das Occamy, das nicht mehr in meinem Bauch wohnen sollte.

Wir kommen verschwitzt, ausgepumpt, aber freudestrahlend und überglücklich in die große Halle getaumelt. Es war ein hartes Match, wir haben alle Blessuren. Sander Jacobs hat uns in der Umkleide die Blutergüsse gezeigt, die Slytherins Treiber ihm mit voller Absicht zugefügt haben. Man hätte die beiden wegen übertriebener Härte vom Platz stellen sollen, diese Gorillas! Vor allem dieser Dom Manners ist furchtbar. In dem ganzen Spiel war es nicht darum gegangen, wer die meisten Punkte macht, sondern wer die meisten Fouls erzielt. Manners war ganz vorne dabei gewesen. Madam Hooch hat ihn mehr als einmal abgepfiffen, aber immer weiter spielen lassen. Angeblich waren alle Spielzüge okay. Pah!

Dazu kam Hector Goldenblatt. Erst hing er auf seinem Besen wie ein betrunkener Affe und dann hat er gespielt wie ein dritter Treiber. Ohne Witz. Sally hat er einmal mit dem Quaffel vom Besen gehauen – und dafür zum Glück gelb gesehen.

Während ich oberhalb des Spielfelds nach dem Schnatz Ausschau gehalten habe, hat Finn über einige Spielzüge nicht ganz glücklich ausgesehen. Ich war mir während des Spiels unsicher, ob er Manners für übertrieben hart hielt, etwas anderes angesagt hatte oder es gerne härter gehabt hätte. Und dann diese Auseinandersetzung mit Hector Goldenblatt. Letztlich glaube ich, dass sich Hector einfach gar nicht an den Spielplan gehalten hat und sein eigenes Ding durchgezogen hat – so sah es zumindest von oben aus.

Sander, Cassie und Sally haben sich jedoch nicht beirren lassen. Sie haben fantastisch gespielt. Gemeinsam haben sie Finn vor seinen Torringen gehörig ins Schwitzen gebracht. Allerdings muss ich auch jetzt nach dem Spiel neidlos anerkennen: Er ist wirklich so gut wie sie alle sagen. Er hält jeden Quaffel. Von den Torschüssen, die durchkamen hat er bestimmt dreimal so viele gehalten.

Mit ein wenig Genugtuung haben wir ihn ausgespielt – Sucher-Tor, das gibts nicht oft. Um ehrlich zu sein,  ist es auch verboten.  Das Tor hst daher ziemlichen Tumult verursucht bis klar war, dass ich den Quaffel nicht einmal betührt habe. Das Tor zählte. Zumindest mit Sucher-Beteiligung.

Ich lächele. Finns Blick war unbezahlbar, als ich unter Sander aufgetaucht bin, der Quaffel an Pam abprallte und im rechten Torring versenkt wurde.

Jetzt steht Finn am Kamin und unterhält sich mit Atticus Flint. Er hat geduscht, seine Haare sind noch feucht, und er hat, wie der Rest der Mannschaft, darauf verzichtet, seine Schuluniform nochmal anzuziehen. Stattdessen trägt er jetzt Jeans und T-Shirt, natürlich ein grünes mit dem Slytherin-Logo darauf. Der Stoff spannt ein wenig an seinem Rücken und dann dreht er sich plötzlich um. Es ist, als ob er spürt, dass ich ihn beobachte, denn sein Blick findet meinen sofort, wie vorhin auf dem Spielfeld, als er noch der Hüter war. Nur diesmal ist er nicht undurchdringlich, nicht hart. Da ist wieder dieser vertraute Ausdruck in seinem Blick, den er hatte, als er vorhin vor mir stand. Wie vor dem Spiel in den Umkleiden. Als würde er die letzten Wochen rückgängig machen wollen.

Aber das Gefühl hatte ich schon öfters. Ich kenne das Chaos in ihm mittlerweile zu gut, dass ich weiß, dass er diese Momente hat, in denen er etwas anderes will als der harte Teil in ihm.

Und so ein Moment war vorhin. Als er mir plötzlich ganz nah war. Bevor Olly mir auf den Rücken gesprungen ist.

Er nickt mir anerkennend zu und lächelt vorsichtig.

Mein Magen verknotet sich umständlich, während es gleichzeitig darin bitzelt und schäumt wie irre. Wie Zischende Wizzbies.

Ich mag ihn viel zu sehr.

Die ganze Fliegerei mit ihm hat das alles nur noch komplizierter gemacht. Ich hätte das nicht tun sollen. Ich hätte es damals gut sein lassen sollen, als er darauf bestand, den Mist alleine zu können.

„Hey, Evans!" Mateo Cooper kommt auf mich zu. „Mega Aktion mit dem Quaffel! Feier ich voll ab! Wie du McDougal den reingedrückt hast! Weltklasse!" Er hält mir die Hand zum Highfive hin und ich klatsche irritiert mit ihm ab. Finn sieht mich immer noch an. Seine Miene hat sich mittlerweile verschlossen und er wendet sich wieder Atticus zu.

Schau mich wieder an, denke ich. Nur kurz. Aber das tut er nicht.

„Danke", gebe ich zurück und atme tief durch. Mein Team ist mittlerweile an den Ravenclaw-Tisch durchgedrungen und lässt sich von den Mitschülerinnen und Mitschülern feiern. Mit gutem Recht. Wir haben den Quidditch-Pokal gewonnen und jeder in diesem Raum weiß es!

McGonagall erhebt sich just in dem Moment vom Lehrertisch, als ich mich zu Vi und Cassie setze. „Sonorus", sagt McGonagall und ihre Stimme schwillt an, während das Gemurmel in der Halle automatisch weniger wird. „Schülerinnen und Schüler, heute weichen wir vom üblichen Prozedere ab und küren vorab den Sieger im jährlichen Quidditch-Pokal. Auf dem vierten Platz", sie rümpft tadelnd die Nase, „Gryffindor."

Vi beugt sich zu mir. „Das ist das schlechteste Abschneiden der Gryffindor-Hausmannschaft seit sechs Jahren. McG is not amused."

Ich lache leise. Die Stimmung am Gryffindor-Tisch ist jedoch im Keller. Sie haben wirklich keine gute Saison gespielt.

„Platz drei geht in diesem Jahr nach Hufflepuff." Frenetischer Jubel bricht bei den Hufflepuffs aus. Die Wahrheit ist: zwischen Platz 1 und Platz 3 liegen am Ende lefiglich drei Tore Unterschied. Es war verdammt knapp. Die Puffs hätten auch gewinnen können.

„Der zweite Platz im diesjährigen Quidditch-Pokal geht an die Mannschaft aus Slytherin." Auch hier fällt die Freude eher verschnupft aus. Lediglich Finneagan McDougal grinst gelassen, was mich ein wenig überrascht. Ich verstehe nicht so recht, warum er so entspannt aussieht.

„Und damit gratulieren wir zum Sieg im Quidditch-Pokal... der Mannschaft aus Ravenclaw!" Sie schwenkt ihren Zauberstab und von den Wänden entrollen sich blau-weiße Banner mit dem Ravenclaw-Wappen. Um mich herum bricht ohrenbetäubender Jubel aus. Mein Team springt auf und grölt und schreit und reißt mich von der Bank hoch. Sally hüpft mit mir im Arm enthusiastisch auf und ab, während Sander und Olly uns gegenüber den Adler schwenken, den die Drittklässler-Mädels Anfang der Saison gebastelt haben. Es ist so leicht, sich von der ausgelassenen Stimmung am Tisch mitreißen zu lassen. Dieser Sieg tut gut. Er fühlt sich nach diesem letzten Jahr so unglaublich an.

Silencio!", schmettert McGonagalls Stimme noch einmal magisch verstärkt durch die Halle und wir halten in unserem Freudentanz inne. „Bevor die Herrschaften mit ihrer Party weitermachen, möchten Madam Hooch und ich die Gelegenheit nutzen, die Aufstellung für die Schulauswahl bekannt zu geben, bevor morgen die Mannschaften aus dem Ausland eintreffen. Ich möchte Sie, liebe Schülerinnen und Schüler zur Gastfreundschaft ermahnen – und seien Sie gute und tadellose Vorbilder für unsere Gäste! Die Ersatzspieler hängen im Anschluss an das Abendessen aus."

„Hört, hört", murmelt Vi. „Tadellose Vorbilder. Da kann sich Slytherin ja mal in der Bibliothek einarbeiten."

„Scht, die Aufstellung!", zischt Cassie.

McGonagall faltet ein Pergament auseinander und rutscht ihre Brille auf ihrer spitzen Nase zurecht. „Madam Hooch hat gewissenhaft alle Mannschaften begutachtet. Das erste Training findet morgen früh Punkt halb sieben Uhr auf dem Quidditchfeld statt." Ich drehe mich zur Empore um und lausche angespannt den Namen, die sie nachfolgend vorliest. Die meisten sind keine Überraschung. Ich hätte das Team genauso zusammengestellt. „Treiber: Atticus Flint und Dom Manners, beide Slytherin." Der Jubel nebenan schwillt noch weiter an. Man könnte fast meinen, Slytherin hätte den Pokal doch gewonnen. Ollys Miene jedoch sinkt ein wenig. Ich verstehe wieso: Nach dem Spiel heute hat er sich mehr ausgerechnet.

„Jäger: Cassie Farinato, Sander Jacobs und-" Sie kommt weder dazu, Ravenclaw zu sagen, noch wer der dritte Jäger ist. Sander fällt vor Schreck rückwärts von der Holzbank. Julian Finchley zieht Cassie in eine euphorische Umarmung und Sally brüllt, als ob man ihr ein Körperteil abgehackt hätte – ich glaube, sie freut sich.

„SILENCIO!", ruft McGonagall erneut. Es wird nur ein wenig leiser, aber immerhin ruhig genug, um zu hören, dass Mimi Smith aus Hufflepuff die dritte Jägerin sein wird. Verdient, wie ich finde. Sie hat eine großartige Saison gespielt.

„SI-LEN-CIO!!!" Okay, das ist dann wohl ein Schweigezauber mit Nachdruck. Ich komme mir plötzlich vor wie auf einer Trauerfeier. Oder wie auf einer Party, der man den Ton abgedreht hat. Alle feiern und freuen sich, weil die Spieler ihrer Mannschaften für Hogwarts spielen werden – nur eben stumm. Abgesehen vom Gryffindor-Tisch, denn da ist es ausgenommen still. Keiner ihrer Spieler wurde bislang nominiert.

Ein gellender Pfiff schneidet durch die Stille und alle Köpfe drehen sich zu McGonagall herum. Madam Hooch steht mit ihrer Trillerpfeife neben ihr und schüttelt den Kopf. „Quidditch", murmelt sie entgeistert.

McGonagall steht noch immer auf der Bühne, den Zauberstab in der einen, ihren Zettel in der anderen Hand, und wartet, dass wir ihr etwas mehr Aufmerksamkeit schenken, als sie fast schon hysterisch brüllt: „Hüter: Frances Fawley, Hufflepuff."




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