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➷ 𝟷𝟶. 𝙽𝚘𝚟𝚎𝚖𝚋𝚎𝚛 𝟸𝟶𝟷𝟹
「 ⓟ🅞🅘ⓝⓣ 🅞🅕 ⓥⓘ🅔🅦:
𝐓𝐬𝐮𝐤𝐢𝐬𝐡𝐢𝐦𝐚 𝐊𝐞𝐢 」
[ Notiz: falls ihr es nicht gemerkt habt, wir sind um ein ganzes Jahr gesprungen! ]
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Es ist genauso, wie ich es vorraus gesehen habe. Ich habe zwar nie wirklich danach gefragt, was damals eigentlich mit Yamaguchi war, aber es steht fest, dass es sowieso nicht mehr wichtig ist. Es ist ein ganzes Jahr vergangen, seit er so komisch drauf war, und ab seinem Geburtstag hat sich alles wieder irgendwie eingekriegt, er ist genau wie vorher. Alles nimmt wie gewohnt seinen Lauf, das Training, die Schule, eben einfach alles. Ich hätte es wissen müssen, dass ich mir damals umsonst so viele Gedanken für nichts gemacht habe. Gut, so viele waren es ja doch nicht, aber für meine Verhältnisse waren es mehr, als ich mir jemals machen würde. Ich sollte den letzten Rest meiner Empathie wohl langsam einstellen. Ich bin manchmal echt armselig, muss ich mir gestehen. Ich weiß so vieles, aber über so etwas wie Liebe und Freundschaft weiß ich nur Fakten aus Filmen oder so, ich weiß nicht, warum mir alles in Richtung zwischenmenschlich so schwer fällt. Ich kann nicht einmal mit mir selbst ehrlich sein, dabei ist man selbst doch eigentlich die einzige Person, der man vertrauen kann, schließlich hast du dich im Idealfall 80 Jahre am Hals und selbst wenn alle weg sind, hast du noch immer dich. Ich versuche, die Gedanken daran loszuwerden, weil ich sonst wieder an der Stelle rauskommen würde, an der ich mich frage, wieso ich so viel denke. Es gibt andere Dinge, worüber ich nachdenken muss. Zum Beispiel darüber, dass heute Tadashis siebzehnter Geburtstag ist. Dieses Jahr hat Akiteru darauf bestanden, dass er auch etwas zu seinem Geschenk beisteuern möchte und dazu durfte ich wunderschöne Minuten des Schweigens mit ihm verbringen, in denen wir gemeinsam überlegt haben, was man ihm denn schenken könnte. Er würde sich vermutlich über alles Mögliche freuen, aber dieses Jahr meinte Akiteru, dass wir ihm etwas schenken sollten, das hochwertiger ist, etwas, mit dem er lange etwas anfangen kann. An der Stelle war ich dann erstmal raus, ich hatte gar keine Idee, was da in Frage kommen würde. Allein schon wegen des Wortes "hochwertig". Ich hatte sofort Angst um mein Taschengeld. So viel habe ich nicht, dass ich so was kaufen kann, zumal ich auch schon fast die Hälfte für Yamaguchi vorher ausgegeben habe, habe ich geantwortet, dann kam er damit, dass er doch etwas beisteuert und das das Ganze vereinfachen würde. Da hat er mich gefragt, welche Hobbys Tadashi denn sonst so verfolgt, welche Talente er hat und was seine Interessen sind. Dass er Klavier spielen kann, wusste Akiteru ja schon seit dem letztem Jahr, als sich das Ereignis im Wohnzimmer abspielte. Ich wusste zwar nicht, ob ich das raushauen darf, aber ich habe ihm auch erzählt, dass Tadashi seine Werke ab und zu auch hochlädt, wie ich erfahren habe. Ich weiß, dass er es geheim halten wollte, aber als wir am Sonntag dann seinen Geburtstag nachgefeiert haben, kam es direkt raus. Seine Ungeschicklichkeit ist und bleibt wohl einfach unverbesserlich. Aber was ich auch noch erzählt habe, war, dass ich finde, dass er auch eine schöne Singstimme hat. Diese beiden Informationen haben ihn dann auf die Idee gebracht, ihm ein USB-Mikrofon zu besorgen, damit er das auch qualitativ hochwertig aufnehmen kann. Ich wusste nicht so, was ich von der Idee halten sollte. Ich fühlte mich, als würden wir ihn damit immer weiter ins Rampenlicht drängen und ihn in eine Rolle zwingen, für die er nicht geeignet ist und in die er gar nicht erst möchte, weil ich ja weiß, wie viel Angst er schon bei kleinsten Dingen haben kann. Aber Akiteru meinte, dass es völlig okay sei und nur sein Selbstwertgefühl aufbessern würde und ihm einen Weg frei machen könnte, seine Talente zu benutzen, sie zu teilen und andere profitieren zu lassen und davon leben zu können, schließlich wächst er mit jeder Veröffentlichung weiter und verdient sich schon ein "kleines Taschengeldchen" dazu. Tja, und obwohl er sich mir überlegen fühlt, ist er in Wahrheit derjenige, der mir schon längst zehn Kilometer vorraus ist. Und so kam es dann dazu, dass er tatsächlich ein riesiges Mikrofon besorgt hat. 192 KHz, 24Bit, eines Tages stand der Karton in der Küche und ich habe meine wohlverdienten 6.000¥ dafür hingebrettert. Wehe, Tadashi benutzt es nicht. Nein, so kann man das auch nicht sagen, aber es wäre schade um mein Geld, zumal ich vorher schon ein paar Kleinigkeiten im Wert von zusätzlich 4000¥ ausgegeben habe. Anfangs habe ich mich gefragt, wozu ich das eigentlich mache, aber mir war schon klar, dass man so etwas unter Freunden wohl füreinander tut. Wobei, theoretisch ist es nur ein hin- und herschieben, weil unsere Geschenke meist den gleichen Wert haben, aber es zählt vermutlich eh nur der Gedanke. Komische Welt, aber na ja, was soll's.
Jedenfalls, so kommt es dazu, dass ich jetzt mit Akiteru in der Küche sitze, auf dem Tisch so viele Geschenke liegen, dass man meinen könnte, wir hätten alle drei Geburtstag und eigentlich gar nichts tun, außer zu warten. Da heute Sonntag ist, hat Tadashi hier übernachtet und wir haben ein wenig reingefeiert. Na ja, wobei man mit mir in einem Raum wohl eher nicht in Partystimmung verfällt, aber eigentlich war der Abend doch ganz angenehm. Im Moment schläft Yamaguchi noch oben, sodass ich mit Akiteru den Geburtstagtisch vorbereitet habe und mit beim Frühstück geholfen habe. Gott sei Dank muss ich das nicht jeden Tag machen. Dass mein Bruder das freiwillig jeden Tag machen kann, ist mir ein Rätsel. Doch viel mehr frage ich mich etwas anderes, schließlich ist es ja nicht so, als wäre Akiteru noch in der Blüte seiner Jugend.
"Wann ziehst du eigentlich aus?"
"Hmm? Warum?"
"Weil du zweiundzwanzig Jahre alt bist und noch immer hier wohnst."
"Na na, nun werd' aber mal nicht frech, immerhin läuft ohne mich hier gar nichts, also freu dich lieber darüber."
"Doch, klar, die Spülmaschine und die Waschmaschine laufen auch ohne dich. Ich, Mama und Papa können die genauso gut betätigen."
"Ha ha, Clown gefrühstückt? So gewitzt am frühen Morgen, unfassbar, dass ich das nochmal erleben darf."
"Ich bin seit dreißig Minuten wach, das Durchschnittsgewicht eines Mannes in unserem Umkreis liegt bei 70 Kilo, minus das Gewicht vom Skelett 61,6 Kilo, ein Mensch kann allerhöchstens ein bis zwei Kilogramm auf einmal zu sich nehmen, ich persönlich sogar noch weniger, Flüssigkeiten miteinberechnet, also ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich heute einen Clown gefrühstückt habe, nicht nur sehr gering, sondern unmöglich."
"Wow, da hat jemand seine Hausaufgaben gemacht. Aber so viel Mathe auf einmal halte nicht aus."
"Wow, du bist so schlau, Tsukki!"
Augenblicklich drehe ich mich um und erblicke Tadashis verschlafenes Gesicht direkt vor mir. Ich habe ihn gar nicht kommen gehört, kein Wunder, er ist still und ich abgelenkt. Ich weiß nicht, wie ich von mir aus jetzt reagieren soll, aber zum Glück befreit mich Akiteru aus dieser Lage.
"Na, sieh mal einer an, das Geburtstagskind ist wach! Alles Gute, Tadashi!"
Dann nimmt er ihn in den Arm, als wäre das ganz normal. Während Tadashi es nicht sieht, wirft mir Akiteru einen so strengen Blick zu, dass ich sofort weiß, dass er das Selbe von mir erwartet. Um Himmels Willen, muss ich da wirklich durch? Und dann auch noch von mir aus? Es nützt ja nichts, ich beiße die Zähne zusammen. Es ist nicht schlimm, das ist nur mein bester Freund. Ich packe das schon.
Als Akiteru ihn loslässt, hebe ich einfach meine Arme, gehe einen Schritt auf ihn zu und tue meinem älteren Bruder nach. Ich merke sofort, wie wenig beide von ihnen damit gerechnet haben. Die Umarmung an sich ist nicht schlimm, aber diese Bewegung auszuführen um diese einzuführen, war unfassbar unangenehm. Ich weiß auch nicht, wann ich loslassen soll. Sofort danach sieht echt komisch aus und ist unangenehm, zu lange aber genauso. Also einige ich mich, die Umarmung für sieben Sekunden zu halten und lasse ihn dann wieder los. Wie gesagt, es war nicht schlimm, aber von mir aus zu beginnen und zu beenden fällt mir einfach schwer.
Ich weiß nicht, wieso diese simple Tat so unendlich viel in ihm auslöst, aber er steht da und lächelt so breit, wie ich es lange nicht mehr gesehen habe. Rot ist er dazu auch. Bin ich vielleicht warm? Oder war ihm das unangenehm?
"Na na, wenn du das schon als so großartiges Geschenk erachtest, was sagst du dann zu all dem Kram auf dem Tisch?", fragt Akiteru ihn und Yamaguchis Blick gleitet rüber zu dem Tisch, auf dem neun Pakete ordentlich angeordnet liegen. Sein Blick zeigt pure Überraschung und Freude, für jeden ist sichtbar, wie er sich gerade fühlt. Er ist so durchschaubar, dass ich fast ein wenig neidisch bin. Ich habe all diese Gesichtsausdrücke nicht drauf. Ich kann sie vorallem nicht von mir aus aufsetzen, das wäre das letzte, das mir in einer Situatuon einfallen würde. Wieder stehe ich ihm nach. Ich schnaube leise, damit es niemand merkt.
"Aber das Größte davon darfst du erst zum Schluss aufmachen!", weist Akiteru ihn an.
Während er die ganzen Geschenke öffnet, sagt niemand etwas außer er, der sich für alles einzeln bedankt und einfach wunschlos glücklich aussieht. Ich erwische mich, wie ich schon wieder etwas unangebrachtes denke. Ich kann vor anderen keine Geschenke öffnen, das ist mir unangenehm, er kann das, als wäre es ganz normal. Ich könnte mir gern eine Backpfeife geben. Es ist mir immer egal, was andere von mir denken, aber wenn es zu meinem Selbstbild kommt, werde ich abtrünnig. Ich hasse mich selbst nicht und ich würde mich auch nicht als jemanden beschreiben, der ein Ranguntester ist oder sich damit zufrieden geben würde. Aber doch erwische ich mich immer dabei, wie ich mich mit Yamaguchi vergleiche, bemerke immer öfter, wie weit er mir eigentlich vorraus ist und bin dann wütend, weil ich sowas denke.
Nun kommt das letzte Geschenk an die Reihe. Ruhig warten wir darauf, dass das Papier ab ist, um dann seine Reaktion einzufangen.
Zunächst starrt er das Ding dann ungläbig an.
"Ihr seid doch verrückt, das... Das ist doch viel zu viel und viel zu teuer! Wieso...?"
"Du fragst dich bestimmt, wofür du das brauchst oder? Na ja, mein Bruder hat mir erzählt, dass er deine Singstimme mag und du einen Weg als Weltstar angeschlagen hast, also haben wir uns Gedanken gemacht und ich habe entschieden, dass dir das vielleicht eine weitere Tür öffnen könnte. Du musst nur noch die Klinke betätigen, um dich frei in diesem Raum bewegen zu können. Der Schlüssel zu allem liegt dort vor dir."
Noch immer ungläubig sitzt er da, schaut immer wieder zwischen den Geschenken, Akiteru und mir hin und her und lächelt dann einfach. Das reicht auch völlig, Worte wären gerade überflüssig. Irgendwie muss ich auch leicht lächeln. Es freut mich sehr, dass er sich freut, ich weiß nicht wieso.
"Aber...", setzt er an und betrachtet dann den vollen Tisch.
"Wie soll ich das Alles denn nach Hause schleppen?"
Das haben wir nicht bedacht. Na ja, das heißt wohl, dass Akiteru ihn fahren muss, in Raten mitnehmen ist mir zu anstrengend, obwohl ich das nicht einmal schleppen müsste.
"Kein Ding, ich fahre dich heute Abend. Aber jetzt wird es Zeit, dass wir etwas essen, ich habe echt Hunger."
Verdammt, ich bin wohl doch mit ihm verwandt, er liest meine Gedanken.
Also tun wir, was er sagt und beginnen, etwas zu frühstücken.
Akiteru kam erst auf die Idee, Pommes zu machen und sie gezielt labberig werden zu lassen, mein Kommentar war dazu nur, dass er sich das gleich sonst wo hinstecken kann. In diesem Haus werden um neun Uhr morgens definitiv keine Kartoffelstäbchen frittiert und sie werden erst Recht nicht darauf ausgelegt, labberig zu werden. Freundschaft hin oder her, Pommes gehören nicht auf meinen Frühstückstisch. Basta.
"Kei sagt, du verdienst dir schon Taschengeld dazu? Magst du uns genauere Zahlen mitteilen?"
Ach, ist das schön, wenn man einen so aufdringlichen Bruder hat. Wäre es nicht so unangenehm, hätte ich auch mehr Zeit um darüber nachzudenken, dass es mich eigentlich auch interessiert, ich aber nie so gezielt danach fragen müsste.
"Also, die Rechnung ist relativ simpel. Ich kenne die Werte nicht auswendig, aber ich könnte kurz nachschauen. (*) Tausend Aufrufe sind etwa 250 Yen wert. Geld verdienen kann man aber erst ab einem Mindeststand von einhunderttausend Abonnenten. Weil ich die seit diesem Jahr Januar habe, werden die Views der älteren Videos nicht mehr gezählt. In diesem Jahr habe ich insgesamt elf Videos bisher hochgeladen mit einer Gesamtviewzahl von 5,9 Millionen Aufrufen. Das macht 5900 mal 250¥, also in etwa 1,475,000 Yen.
Das ist zumindest die Videofunktion von der Applikation. Die Musikfunktion läuft nochmal anders. Man muss erst hunderttausend Plays für das jeweilige Lied erlangen, dadurch bekommt man das Recht daran, an der Liszenz des Liedes Geld zu verdienen. Da bekommst du für 10.000 Plays des Songs 300¥ und für die Offline-Downloads pro Tausend wieder 100¥. Insgesamt wurden meine Lieder 7,7 Millionen Mal gespielt und 2 Millionen Mal als Offline-Datei runtergeladen. Insgesamt wären das dann zusätzlich 431.000 ¥. Beides zusammen wären dann etwa 1,9 Millionen Yen (*²).
Ab heute ist mein Kanal ein Jahr alt, also darf ich ab heute erst Werbeanzeigen anfragen und dadurch noch mehr Geld verdienen, aber das will ich gar nicht. Ich benutze das Geld sowieso nicht, ich spare das alles und irgendwann spende ich es und lebe von dem letzten Rest in der Hosentasche. Mehr brauche ich auch nicht."
(*) Das aufgeführte System ist frei erfunden, nicht YouTube. Mit YouTube läuft das anders, es ist nicht möglich, so schnell so viel Geld damit zu verdienen. Wenn dann wollen wir schon rein fiktiv bleiben. :D Ist ja auch egal, ich blicke da eh nicht durch. Hier ist es jedenfalls nicht so wie auf YouTube, also kann es mir auch egal sein, wieviel man mit YouTube verdient und wie unlogisch mein System ist. Irrelevant halt.
(
*²) 1 900 000 ¥ = ugf. 15.800 €
"Fast zwei Millionen Yen?!"
Mir bleibt die Spucke weg.
Vor mir sitzt jemand, der in seinem Alter reicher ist, als jeder Normalo meines Alters in unserem Umkreis. Und das hat er sich alles selbst verdient und sich nicht von seinem wohlhabendem Vater in den Hintern stecken lassen, wie all die Söhne von Ärzten, Architekten und so weiter, die behaupten, reich zu sein.
"Und das nennst du 'ein Taschengeld' ?"
"Na ja... Ich habe das doch auch nicht erwartet. Und viel dafür getan habe ich auch nicht."
"Du sagst das so, als könnte jeder das schaffen, aber das ist doch gar nicht wahr! Du hast Talente, Junge! Von nichts kommt bekanntlich nichts.", ruft Akiteru dazwischen.
"Schon... Ich hatte aber einfach verdammt viel Glück. Normalerweise ist es so, dass Künstler gar nicht erst bemerkt werden, obwohl sie viel auffälliger sind als ich und vielleicht irgendwie mit ihrem Aussehen, einem Hund oder sonst etwas punkten können, sodass die Menschen dieser Person nur aus rein objektiven Gründen so viel Geld dafür in die Tasche stecken. Ich weiß nicht, wieso es bei mir so gelaufen ist. Ich kann nicht durch mein Aussehen Aufmerksamkeit erlangen, da ich mich nie gezeigt habe. Meine Stimme kennt niemand bisher und meine Identität kennt auch nur ihr. Alles bekanntliche sind meine eingespielten Melodien, die nichts über mich aussagen. Mein Ruf basiert einfach nur auf extrem viel Glück. Mehr nicht. Und dadurch fühle ich mich schlecht. Ich habe das Gefühl, dass ich mir nicht genug Mühe gebe und ich einfach so-"
"Was für ein Mist!", unterbreche ich ihn. Wie kann er da nur so bescheiden bleiben und immernoch glauben, dass er nichts dafür getan hat?
"Gerade WEIL niemand dich kennt und du durch nichts objektives punkten kannst, ist der einzige Punkt, wodurch du etwas erreicht hast, dein Talent, Tadashi. Weil der Fokus einzig und allein darauf liegt. Es klicken keine 5,9 Millionen Menschen rein zufällig auf deine Videos, wenn ein Lied nicht gut ist, wird es nichts fast acht Millionen Mal gehört und 2 Millionen mal heruntergeladen, das war kein Versehen, dass du innerhalb von zwei Monaten hunderttausend Abonnenten hattest und mitterweile schon der Millionen entgegen gehst, das war kein Glück und erst recht kein Zufall. Das warst nur du. Ganz allein du und dein Talent. Natürlich kannst du es vom Aufwand her nicht mit jemandem vergleichen, der schwere Arbeit hat und damit seinen Körper fürs Leben zerstört, aber es ist nicht so, als würdest du dafür bezahlt werden, dass du gut aussiehst und Mist laberst, denn du hast deine Fähigkeiten eingesetzt. Begreife das doch!"
Vielleicht war das etwas zu laut, aber ich will, dass er es versteht.
Er bleibt still und er schaut mich nur an, man merkt, dass er das von mir absolut nicht erwartet hat. Na ja, ich eigentlich auch nicht.
"Natürlich glaubt man es nicht, wenn man es sieht oder hört und es ist auch der Traum eines jeden Menschen, so schnell so viel Geld zu verdienen, vorallem in so jungen Jahren. Es hat den Anschein einer Illusion, aber so ist es nunmal. Du musst dir nicht die Frage stellen, warum gerade dir das passiert ist. Natürlich passiert das nicht jedem, aber du hast es geschafft, weil du verdammt gut bist und die Leute mögen, was du tust. Du hast nicht Nichts dafür getan.", erkläre ich nun noch einmal ruhiger, ich hoffe einfach, dass er es schnallt. Ich hasse es, dass er sich immer so schlecht macht und sich niemals selbst anerkennt und merkt, wenn er etwas geschafft hat und nicht alles bloß Glück und Zufall ist.
Verdammt, dabei ist er derjenige, der mich zurechtweisen sollte und ich halte ihm noch Predigt darüber, wie er sein Selbstwertgefühl in den Griff kriegen soll.
"D-danke, Kei. Tut mir Leid."
"Heeeey, ich dulde keine miese Stimmung hier!"
Vielleicht habe ich jetzt wohl die Stimmung kaputt gemacht. Das wollte ich natürlich nicht, später geht das auf meine Kosten, also muss ich wohl alle überzeugen, dass alles in Ordnung ist, über meinen Schatten springen, und mich mal von mir aus entschuldigen.
"Nein, mir tut es Leid, ich hätte nicht so laut werden müssen. Ich meinte es nur gut. Lass uns das vergessen und mit dem Plan für heute fort fahren."
"Nicht schlimm, alles gut.", antwortet er und lächelt dann. Er kann das so einfach. Verzeihen, lächeln, vergessen, als wäre nie etwas passiert. Ich habe es mit ihm so einfach und ich bin so unglaublich kompliziert. Irgendwie ist es nicht fair.
"Na schön, dann lass uns das hier erst aufräumen."
Das ist auch schnell erledigt, mein Bruder bringt das Papier in den Müll, Tadashi bugsiert sein neues Eigentum vom Tisch an einen Ort, wo es nicht im Weg steht und ich räume die Frühstücksutensilien weg. Dann kann der Tag ja losgehen. Auf dem Plan steht ein Tagesausflug durch benachbarte Präfekturen. Meine Idee war das nicht. Aber mein Bruder meinte, dass wir an solchen besonderen Tagen nicht im Haus sitzen sollen, sondern was unternehmen sollen. Da wir Miyagi auswendig kennen, sind Ausflüge hier definitiv tote Hose, also musste ich dem zustimmen. Dabei ist das so gar nicht mein Ding. Rumlaufen, zwischen so vielen fremden Menschen sein, Dinge ansehen, von denen es zig Fotos im Internet gibt, Essen kaufen, das fünf Mal so teuer ist wie in Sendai... Aber das darf ich nicht laut sagen. Tadashi zuliebe. Ich will ihm einmal nicht den Tag kaputt machen, ihn seinen Spaß haben lassen und mich hinterher beschweren, wenn er nicht mehr da ist. Dann schlucke ich erstmal, kotzen kann ich später zu genüge.
Zunächst läuft der Tag auch so ab wie erläutert, wir fahren einfach, steigen aus, sehen uns die wichtigsten, vielleicht für Andere interessanten Dinge, an und fahren dann weiter. Irgendwie macht es sogar Spaß. Ja, es ist schön zu sehen, dass Yamaguchi wirklich Freude daran hat. Am Abend, als die Sonne untergeht, sitzen wir schließlich alle drei an einer Strandbar und essen zu Abendbrot.
"Fahren wir jetzt wieder? Es wird spät.", sage ich, mit dem Gedanken daran, dass morgen Schule ist und Yamaguchi seinen Geburtstag nicht eine Sekunde mit seinen Eltern verbracht hat.
"Ja, wird langsam Zeit."
Wir bezahlen die Rechnung und machen uns dann auf zum Auto, als meinem Vollidioten von Bruder auf einmal etwas auffällt.
"Verdammter Mist. Ich habe den Autoschlüssel verloren."
"Das ist doch nicht dein Ernst."
"Doch. Er ist nicht mehr in meiner Tasche. Ich muss ihn irgendwo fallen lassen haben."
Ich seufze tief. Darauf habe ich jetzt gerade so unfassbar wenig Lust. Ich bin stundenlang gelatscht und will einfach nur noch ins Bett, und der Penner verliert den verkackten Schlüssel.
"Es nützt ja nichts. Lasst uns den Weg nochmal absuchen. Wir waren hier ja nicht allzu viel unterwegs.", schlägt Yamaguchi vor.
"Gute Idee. Ich gehe die Promenade ab, ihr nehmt euch das Stückchen Strand vor, das wir zum Strandhaus genommen haben."
Ich würde mich gerade am liebsten wie ein kleines Kind bockig einfach auf die Erde setzen und heulen. Es wird schließlich dunkel, ich habe keine Lust darauf. Aber wie gesagt, es bringt ja nichts, der Schlüssel kommt ja nicht von Allein und ohne geht es nicht nach Hause.
Also teilen wir uns auf und suchen dann nach dem Schlüssel. Das einzige Gute ist, dass der Schlüssel an einen fetten Bund hängt und somit unübersehbar wäre. Ich atme tief durch und wir fangen schließlich an, den Strand abzulaufen. Natürlich ohne Schuhe und Socken, Sand kommt meinem Bruder bloß nicht ins Auto. Barfuß spazieren wir durch den Sand, während es immer dunkler und kälter wird. Neben uns schlagen die Wellen auf den Sand ein, der dann locker vergrabene Muscheln freigibt.
"Ach man, kein Schlüssel, nicht mal eine schöne, weiße Muschel. Nur diese kaputten, braunen, hässlichen Teile.", meckert nun auch Tadashi.
"Na ja, man kann nicht immer Glück haben. Vielleicht hat Akiteru ihn ja gefunden."
Schließlich bleibt er sogar stehen. Ich glaube erst, dass es ist, weil er nicht mehr kann, aber es ist wohl doch etwas anderes. Erst schaut er aufs Meer, er scheint die immer wieder durch die Wellen brechende Reflektion des Vollmondes an, dann dreht er sich zu mir.
"Kei, das war wirklich einer der schönsten Tage in meinem Leben. Ich danke euch, dass ihr das für mich getan habt. Es bedeutet mir viel, dass ihr so sehr an mich gedacht habt. Aber jetzt wo du weißt, wie viel ich verdiene: Du bist mehr wert als alles, das ich besitze. Egal, wie reich ich mal werde, das wird dich nicht übertreffen. Geld und Freundschaft sind nicht gleichzusetzen. Wenn ich dir mal eines Tages etwas erzählen sollte, wozu ich jetzt noch nicht bereit bin, dann erinnere dich daran, dass ich das gerade gesagt habe."
Und sowas geht ihm so einfach von den Lippen. Er sagt mir sowas, als wäre es nichts. Wie wichtig muss ich ihm sein, wenn er mir aufrichtig so etwas sagen kann? Ich muss wegsehen, weil ich keine Ahnung habe, was ich jetzt sagen soll.
Als ich so starr nach vorne blicke, sehe ich noch gerade so, wie eine Welle ein weißes Tritonshorn mit sich reißt. Sofort reagiere ich und setze meine Füße ins Wasser, Socken und Schuhe tragen wir ja nicht mehr. Dann bücke ich mich, hole die weiße Muschel raus und reiche ich sie Yamaguchi.
"Wow, du hast echt eine weiße gefunden! Und dann so eine hübsche!"
"Du darfst sie behalten. Ich schenke sie dir, um unserer Freundschaft Willen. Betrachte es als Gegenstand der all das enthält, das ich nicht zeigen und sagen kann und erinnere dich daran, dass egal wie ich zu dir bin, ich immer noch dein bester Freund bin. Wenn du irgendwann bereit für was auch immer bist, erinnere dich daran, dass ich das gesagt habe."
"Na, ihr seit ja fleißige Sucher. Egal, ich habe den Schlüssel, kommt mit!", ruft mein Bruder, was eigentlich unnötig ist, zumal er zwei Meter hinter uns steht und das viel zu laut war.
"Meine Güte, schrei' nicht so."
"Was habt ihr da ausgetauscht?"
"Illegale Substanzen. Meine Güte, lass uns endlich los jetzt. Bitte."
Ich hoffe einfach, das Akiteru nicht gehört hat, was ich da untypisches von mir gegeben habe. Aber es hat sich so angefühlt, als wäre das mal nötig. Auch, wenn ich es wieder bereuen werde, sobald Müdigkeit und meine unüberlegte Offenheit wieder verschwinden. Aber ich habe es sowieso schon gesagt, und so meinte ich es auch.
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