Sandras Point of View

"Oh. Mein. Gott!", kreischte meine beste Freundin Dora mir ins Ohr. Ich hielt das Telefon beinahe einen Meter von meinem Ohr weg, um keinen Hörschaden zu bekommen.

Ich hatte ihr soeben erzählt, was die Sun geschrieben hatte, und sie war vollkommen ausgetickt. Ob ihre Reaktion jetzt positiv oder negativ war, hatte ich noch nicht heraushören können. Dora hatte eine geteilte Meinung über das Model, seit sie wusste, dass Niall die Neunzehnjährige bereits gedatet hatte - diesen Umstand damals aber abgestritten. Dora war sich unsicher, was sie denken sollte. Niall mochte Ilenia und wir waren uns beide sicher, dass unser Lieblingsire keine falsche Schlange an sich heranlassen würde. Andererseits hatten wir sie bei GNTM miterlebt und wussten, dass sie zickig und alles andere als nett war. Was glauben? Dora ihrerseits hatte sich dafür entschieden, ihre Meinung der Situation anzupassen. Manchmal mochte sie das Model nun, und manchmal eben nicht.

"Die macht sich ernsthaft an die Jungs ran!", empörte ich mich. "Und vor allem an Niall!"

"Sie scheint sich aber auch mit Perrie und El ganz gut zu verstehen", ergänzte Dora. Noch immer kannte ich ihre momentane Meinung zu Ilenia nicht. "Ich glaube, Niall und sie würden gut zusammen passen. Er wirkte in dem Café wirklich glücklich."

"Ist das dein Ernst?!" Sie konnte sich doch jetzt nicht ernsthaft auf die Seite des Models schlagen! "Sie ist eine eingebildete Zicke! Niall hat gesagt, er datet keine Models. Außerdem ist sie größer als er, und das mag er bei Frauen nicht!", legte ich die Fakten auf einen imaginären Tisch.

"Wenn die beiden verliebt sind, ist das doch schön." Dora blieb ruhig und klang leicht verträumt. Nach dem ersten Schock war sie jetzt wohl vollkommen auf der Seite dieser Zicke. Wieso hatte ihre Meinung sich geändert?

"Wie kannst du sie mögen?", wollte ich entsetzt wissen.

"Das habe ich nicht gesagt. Aber wir kennen sie nicht, vielleicht ist sie ganz nett", überlegte meine Freundin.

"Nett? Reden wir von derselben Person? Dora, dieses Mädel hat alle bei GNTM fertig gemacht, ohne mit der Wimper zu zucken!" Dora blieb jedoch bei ihrer Meinung, und ich legte irgendwann genervt auf. So konnte ich einfach nicht mit meiner besten Freundin diskutieren.

Stattdessen ging ich auf Twitter online und suchte nach Ilenia Green. Tatsächlich fand ich sie, gefollowed von vielen berühmten Persönlichkeiten, allerdings war ihr Account nicht zertifiziert. Ihr folgten sowohl Heidi Klum, Lena Gehrke, Maia und einige andere Models früherer Staffeln, als auch ganz One Direction, Eleanor Calder und Perrie Edwards. Ich hätte alles dafür getan. Plötzlich hatte ich das Gefühl, ihr Glück zerstören zu wollen, ihr perfektes Leben kaputt zu machen. Schnell las ich mir einige kurze Tweets ihrerseits durch, alle sehr knapp gehalten, was mir unsympathisch erschien, und versendete kurz darauf meinen aller ersten Hate-Tweet. Nachdem ich auf Senden gedrückt hatte, bereute ich es bereits. Was, wenn sie das wirklich las? Ich hatte dann eine meiner selbstaufgestellten Regeln verletzt. Niemals jemanden wirklich zu haten und das demjenigen auch zu zeigen.

Was hatte ich getan? Schnell schickte ich einen Tweet mit einer Entschuldigung hinterher, dass die Beleidigungen aus dem ersten nicht so gemeint hatten und ich das abgeschickt hatte, ohne nachzudenken. Ich war einfach nur eifersüchtig auf sie gewesen, wie sie ihr Leben meisterte, und trotz ihres Charakters tolle Menschen kennenlernte, die sie liebten. Das musste toll sein.

Ich rief bei Dora an.

"Hey, ich habe gerade etwas total schlimmes getan." Ich schluckte.

"Was denn?", kam es sofort zurück.

"Ich habe sie gehatet. Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist." Doch, Eifersucht.

"Hast du dich entschuldigt?", wollte Dora sofort wissen.

"Natürlich, nur Sekunden danach", versicherte ich ihr.

"Dann ist das okay", befand sie. "Was hältst du davon, wenn ich zu dir komme und wir einen Klatschabend machen?"

"Das ist eine super Idee", fand ich, und wir verabredeten uns.

Um die Zeit zu vertreiben bis Dora kam, twitterte ich noch ein wenig und hörte dann Musik. Dabei dachte ich nach.

Hatte ich ihr Unrecht getan? Ganz sicher. Schließlich kannte ich sie nicht, da hatte Dora recht. Vielleicht war sie total nett, vielleicht aber auch war sie genau so, wie sie im Fernsehen immer dargestellt wurde. Wer von uns konnte das schon wissen? Einfach niemand. In mit erwachte der Wunsch, sie kennen zu lernen um mit ein eigenes Bild machen zu können, aber das schien unmöglich. Zurzeit lebte sie ja nicht einmal in Deutschland! Würde sie noch in Berlin wohnen, hätten wir sicherlich ihre Adresse herausfinden können.

Es klingelte und ich rannte zur Tür, um Dora in die Arme zu fallen.

"Ich möchte Ilenia mal kennen lernen!", eröffnete ich ihr, ohne sie zu begrüßen.

"Hallo erstmal", lachte meine beste Freundin. "Das freut mich für dich, aber ich glaube, das wird nicht funktionieren." Sie schmiss ihre Jacke in eine Ecke im Flur und trat ihre Schuhe ebenfalls dorthin.

"Sind eigentlich deine Eltern da?"

"Nein, im Reisebüro", antwortete ich. Meine Eltern planten schon seit etwas längerem eine Reise, wohin diese gehen sollte, verrieten sie mir allerdings nicht. Das war mir eigentlich auch ziemlich egal, solange ich Dora mitnehmen konnte, und gegen diese hatten sie rein gar nichts. Dora allerdings freute sich schon total darauf und spekulierte ständig, an welchen besonderen Ort wir reisen würden. "Hauptsache nicht die Faröischen Inseln", pflegte sie zu sagen, woraufhin meine Eltern einfach oft lachten und sich zu zwinkerten. Diese Geheimnistuerei nervte schon ein wenig, aber es war aushaltbar. Ich hatte keine Ahnung, wo die Faröischen Inseln lagen, und noch weniger wusste ich, was Dora gegen diese hatte. Ich war aber definitiv zu faul um zu fragen.

"Cool, ich habe einige neue Filme, die können wir schauen", verkündete sie und deutete auf ihre Tasche.

"Perfekt." Wir gingen in mein Zimmer und Dora setzte sich auf mein Bett, während ich die erste DVD in den Receiver meines Bildschirms schob.

Danach ließ ich mich auf mein Bett fallen.

"Rechts neben dir in dem Regal dürfte noch Schokolade sein, magst du die mal rausholen?", bat ich Dora, die mir die Tafel reichte. So ließ es sich leben. Beste Freundin, Schokolade und ein guter Film. Auch wenn ich One Direction noch nie persönlich getroffen hatte - in diesem Moment war es mir unglaublicherweise egal. Vielleicht sollte das nicht sein, und ich nur ihre Musik und ihr Aussehen toll finden können, nicht jedoch ihren Charakter, den man ja nur kennen lernen konnte, wenn man jemanden bereits getroffen hatte, und zwar nicht nur die Poster desjenigen. Mal abgesehen davon besaß ich ganz schön viele Poster, man sah kaum noch die ursprüngliche Tapete vor lauter One Direction. Mein Vater regte sich regelmäßig auf, wenn er es sah, Mum fand es niedlich und Dora und ich freuten uns immer, wenn ein neues dazu kam.

Ja, wir waren ein wenig verrückt. Aber das machte uns aus, so war es eben. Wer war denn bitte nicht verrückt? Ich kannte niemanden.