1. Kapitel: >>Ich bin Carter Hemmings<<

Carters POV

Settle Church, 15. Februar 2016; Montag; 07:21 Uhr:

„Verdammt!", fluche ich, als ich in den Spiegel gucke. Natürlich musste gerade heute, am Tag der Schülersprecherwahl, ein riesiger Pickel auf meiner Nasenspitze erscheinen. Mit dem Finger tupfe ich auf das Makro-Teil eine enorme Menge Zahnpasta auf. Ja, es hilft nicht in allen Fällen und dauerhaft, aber ich hab echt keine andere Wahl. Denn sonst bin ich nicht die Wahl.

Zur Feier des Tages trage ich heute sogar braunen Lidschatten mit Goldschimmer. Und Maskara, wie eigentlich immer. Meine Augen sind meiner Meinung nach das einzig Schöne an mir. Sie sind Grasgrün und golden und irgendwie besonders. Der Rest von meinem Körper ist eher durchschnittlich. Die Figur, die Größe. Sogar meine Haare sind durchschnittlich hellbraun. Meine Mum hat mir schon vor zwei Jahren bei dem Versuch geholfen, sie auf zu hellen. Ich wollte damals auch so schönes Haar wie sie es hat, blond, ewig lang und glatt. Es endete damit, dass ich mir das Haar bis auf Schulterhöhe abschneiden konnte, eine Tönung gegen den Gelbstich drüber legen musste und mich drei Tage lang weigerte zur Schule zu gehen. Es war eine schreckliche Zeit, und all das Wachsen in den Jahren zuvor war für umsonst. Mittlerweile gehen mir meine Haare wieder bis zur Taille, zum Glück. Und sie hatten wieder ihr langweiliges, helles Braun.

Nachdem auch der letzte Zahnpastarest weg ist bemerke ich, dass meine Nasenspitze komplett rot und der Pickel immer noch vorhanden ist. Verfluchte Entenscheiße! Ja, ich sage immer Entenscheiße, keine Ahnung weshalb. Vielleicht, weil mich als ich fünf Jahre alt war eine Ente mit ihrem Stuhl auf dem Fuß begrüßte, und meine Tante Lisa nur wild fuchtelte und "verfluchte Entenscheiße!" brüllte.

Zu allem Überfluss hat meine kleine Schwester, Juna, auch noch meinen Concealer, und da Mums Hautton viel heller als meiner ist, kann ich auch ihr Make- Up vergessen. Doppelte Entenscheiße! Schnellen Schrittes gehe ich zum Zimmer meiner vierzehnjährigen Schwester und hoffe, auf einen übriggebliebenen Concealer. Ich hämmere so laut an die Tür, dass es selbst unsere Nachbarn hören müssen, doch meine liebste Schwester bemerkt rein garnichts. Wahrscheinlich verschläft sie schon wieder ihren Physikkurs, verübeln könnte ich es ihr nicht. Mr. Bay schlief bei seinem Unterricht ja selbst fast ein, außer natürlich er hatte zuvor seinen Fachmann gänzlich geleert. „Dad? Juna hat meinen Concealer und macht nicht auf!", rufe ich Richtung Küche, in der mein Vater gerade Kaffee trinkt. Fünf Sekunden warte ich, doch es folgt keine Antwort. Anscheinend sind alle Mitglieder meiner Familie schwerhörig. Dreifache Entenscheiße! Stöhnend mache ich mich letzten Endes auf den Weg zu ihm. Er sitzt wie erwartet am Esstisch, seine braunen Haare in alle Richtungen abstehend, und schlürft genüsslich seinen schwarzen Kaffee, während er die Sportshow ließt... Naja, bis er mich bemerkt und zu lachen beginnt. „Was...? Oh Liebes, was ist denn mit deiner Nase passiert?" Ja, ich sehe aus wie ein Clown. Schön, dass auch du es bemerkst, Dad. Ich schenke ihm meinen : Wärst-Du-Nicht-Mein-Vater-Würde-Ich-Dich-Jetzt-Töten-Blick und sein Gelächter verstummt. Meine Mutter betritt derweil die Küche und schaut mich stirnrunzelnd an. In ihrem roten Hosenanzug und dem strengen, ewig langen Zopf ist sie ganz die Geschäftsfrau. Auch wenn sie bereits 42 Jahre alt ist, schaut sie eher aus wie Anfang 30. Ich habe wirklich keine Ahnung, wie Dad sie vor zwanzig Jahren hatte abschleppen können.
„Du bist ja auch endlich in der Pubertät." Nach diesem Satz prustet mein Vater los und beide fangen zu lachen an. Gut, vielleicht verbindet die beiden ihr gemeinsamer Humor, oder wie man es nennen soll. Oder aber ihre fiesen Arten. Was geht in den Köpfen meiner Eltern vor sich? „Haha, wie unfassbar lustig!" Langsam beginne ich wirklich zu verzweifeln! Auf diesen Tag warte ich schon seit Monaten. So viel harte Arbeit steckt dahinter und jetzt habe ich einen fetten, ekelhaften Pickel auf meine Nase. Gerade JETZT. Meine Mutter bemerkt anscheinend, was in mir vor geht, denn ihr Lachen verblasst und sie weist meinen Dad an, ebenfalls aufzuhören. „Es ist doch nichts großes, Car. Das wird schon wieder." Ihre Hände tätscheln meine Schultern. „Nichts großes?! Das Teil ist riesig! Makro-mäßig riesig! Und heute sind doch die verdammten Wahlen!"

„Die wirst du auch mit dem Pickel gewinnen! Da bin ich mir sicher. Du hast das alles ganz großartig gemacht!"

„Danke.", gebe ich ihr als Antwort. Wenigstens glaubt sie an mich. Wenn man in Betracht zieht, dass sie meine Mutter ist, ist diese Tatsache allerdings nur selbstverständlich. Und wenn man dann bemerkt, dass sich meine eigene Mutter über mich lustig macht, ist es einfach nur zum Heulen! Und gerade als ich loslegen will, fällt mir der Grund meines Auftretens in der Küche ein. „Kannst du Juna's Tür aufmachen? Du hast doch den Ersatzschlüssel. Sie hat was von mir und macht nicht auf.", wende ich mich an Dad. Dieser blickt von seiner Zeitschrift auf und hebt eine Augenbraue. „Juna hat letzte Nacht bei einer Freundin übernachtet. Sie ist schon auf dem Weg in die Schule. Und den Schlüssel hat sie letzte Woche von mir haben wollen. Sie hat irgendwas von Privatsphäre geredet. "

Vierfache Entenscheiße!

Daemons POV

Settle Church, 15. Februar 2016; Montag; 07:44 Uhr:

Heute ist der erste Tag meines Praktikums an der Settler's High und ich komme wahrscheinlich zu spät. Perfekt. Das ewige Warten auf Melody macht mich so fertig, dass ich keine andere Wahl habe als sie zu suchen. Und wo sollte man eine Achtzehnjährige eher finden, als in der Schule? Also hab ich mich vor einigen Wochen an der Schule beworben und wurde angenommen. Und heute, am ersten Tag nach den Ferien beginnt mein zwölfwöchiges Praktikum. Die Tatsache, dass meine Autoschlüssel verschwunden sind und ich in sechzehn Minuten an der Schule sein soll, macht mich allerdings fertig. Dann muss ich halt mit dem Motorrad fahren. Kommt zwar nicht unglaublich gut rüber, aber ist immerhin besser, als zu spät zu kommen. Kurzerhand beschließe ich, dass diese Idee die beste ist und schnappe mir meinen Helm um los zu fahren.

An der Schule angekommen setze ich meinen Helm ab und fahre durch meine dunklen Haare, bevor ich einen Blick auf mein Handy werfe. Es ist 07: 54. Geht doch! Schnell laufe ich die Schritte zum Eingang und kassiere auf diesem Weg einige ehrfürchtige Blicke. Vor allem die Mädchen scheinen mich zu „mögen". Jeder von ihnen sehe ich hoffnungsvoll in die Augen, doch da ist nichts einzigartiges. Es sind nur Augen. Braune, grüne, blaue. Einige sind wirklich hübsch, auch die Gesichter dazu, aber niemand ist Melody. Seufzend schwinge ich die Tür auf und knalle promt an ein Mädchen. Sie hat welliges, hellbraunes Haar und riecht als sei sie aus einem duftenden Fliederstrauch gesprungen. Ich will schon weiter laufen, aber dadurch, dass ich so viel Schwung drauf habe, landet sie sogleich auf ihrem kleinen Hintern. „Fünffache Entenscheiße!", murmelt ihre zarte Stimme bevor sie ihren Kopf hebt und ich erstarre.

Carters POV

Settle Church, 15. Februar 2016; Montag; 07:55 Uhr:

Da wollte ich einfach nur schnellstmöglich zur Turnhalle kommen und laufe natürlich geradewegs in einen Kerl. War ja klar das das gerade heute passieren musste. Und jetzt steht er vor mir und hilft mir nichteinmal auf. Danke auch! Ich stemme mich mit den Händen hoch und klopfe mir den Dreck vom Hintern. Mr. Superdepp steht immernoch wie gelähmt da und beobachtet mich. Ich wage einen zweiten Blick in sein Gesicht und bemerke, wie er mir starr in die Augen sieht. Er hat schöne, helle Augen. Dazu noch eine gerade Nase und markante Wangenknochen. „Melody?", fragt er zaghaft. Ich brauche eine Weile um mich zu sammeln, bevor ich antworte. „Ähm... Nein... Nein ich bin Carter Hemmings." Kann es sein, dass Mr. Superdepp von meiner Antwort gekränkt ist? Denn so sieht es aus. „Sicher?" Ich wette, das meine Stirn gerade extrem gerunzelt ist. Wahrscheinlich hat ihn der Knall schlimmer erwischt als mich. „Ich weiß doch wer ich bin!", lache ich und sammle meine Tasche und meinen Sportrucksack auf. Als ich ihm nun ein drittes Mal in die eisblauen Augen sehe, bemerke ich Tränen, welche sich in ihnen bilden. Sechsfache Entenscheiße.

„Tut mir Leid.", gibt er benebelt von sich. Mit einer Entschuldigung hatte ich nun wirklich nicht mehr gerechnet. „Schon okay... Ich meine, anscheinend hat es dich sogar schlimmer erwischt als mich. Mir tut's auch Leid. Wer bist du eigentlich? Ich hab dich hier noch nie gesehen." Er atmet tief ein und schließt für ein paar Sekunden die Augen. „Ich heiße Daemon Broke. Wir haben uns damals schon ein paar Mal gesehen." Daemon Broke. Der Name sagt mir nichts. Merkwürdig, dass er sich noch an mich erinnert, aber gut, er sieht auch schon älter aus als ich. Bestimmt war ich damals noch sehr klein. „Das muss aber schon eine Ewigkeit her sein.", lächle ich. Es kommt mir so vor, als würden seine Augen die meinen nahezu verschlingen. Er nickt. „Ja. Damals hab ich dich oft Melody genannt, darum ist das vorhin passiert." So, wie er den Namen Melody sagt, hört er sich irgendwie heilig an. Und warum löst genau dieser Name ein wohliges Kribbeln in meinem Bauch aus? Ich muss dringend auf ein anderes Thema kommen! „Bist du nicht ein wenig zu alt für die High School?" Und daraufhin lacht er. Fragend hebe ich meine Brauen. „Da hast du Recht! Ich mache hier ein Praktikum... Wo ich schon längst sein müsste! Verflucht." Er sieht aus, als wäre er unter Schock und da fällt mir auch mein Sportunterricht ein und die Tatsache, dass ich diesen liebend gern noch weiter hinaus zögern würde. „Ich kann mit zum Direktor kommen und ihm alles erklären. Dann bekommst du keinen Ärger und ich muss noch nicht zu Sport." Er nickt und wir machen uns auf den Weg.

Und gleich noch das 1. Kapitel hinterher :). Das obere Bild stellt Carter dar. Stellt sie euch einfach mit grüngoldenen Augen vor, oder vollkommen anders. 😅

xoxo

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