| 33 | I shall not bow

Kill me if you must, but I shall not bow to a king who wears a crown studded with the jewels of every life he has ended. -Unknown

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- Victorine -

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Ich wurde quer durch das Schloss gezerrt. Man zog mich über Flure und Treppen hinunter. Alle bisherigen Fluchtversuche waren auf dem bisherigen Weg gescheitert. Ich hatte mich nicht zwischen den Füßen aus der Formation heraus rollen können. Ich hatte einem der Männer zwar sein Schwert abnehmen können, war aber nicht schnell genug gewesen, es durch den Schlitz in seinem Helm zu stoßen.

Gewaltsam wurde ich eine weitere Treppe herunter gezerrt. Eine Steintreppe, die an einem dunklen Gang mit steinernen Wänden endete. Einer der Soldaten entzündete sich eine Fackel und leuchtete uns den Weg. Ich überlegte, sie mir zu schnappen und mir irgendwie zunutze zu machen. Aber uns trennten noch zwei weitere Soldaten, die sich zwischen uns befanden.

Als links und rechts Zellen auftauchten, die von Metallgittern umschlossen waren, konnte ich es nicht mehr leugnen. Wir waren im Kerker.

Wenn ich erstmal hinter Gitter war, würde ich nicht mehr dort rauskommen. Dem war ich mir vollkommen sicher.

Wir gingen ein paar weitere Schritte. Ich versuchte, die halb abgemagerten Menschen hinter den Gittern neben mir außer Acht zu lassen. Mein Blick war starr nach vorne gerichtet, während ich meine Kräfte sammelte.

Die Zellen wurden nun immer größer. Folterzellen. Zum foltern brauchte man Platz.

Die Männer blieben stehen. Einer holte einen klimpernden Schlüssel heraus. Doch als spürten die Soldaten, dass ich etwas plante, griffen sie mich nun viel fester. Links und rechts hatte jeweils einer meinen Arm umschlossen. Ich konnte mich kaum bewegen und konnte nur mit stolpern, als sie mich nach vorne schubsten.

Dann befand ich mich schon in der Zelle. Ich drehte mich wieder um, versuchte, mir den Weg frei zu rammen und nach dem Schlüssel im Schloss zu schlagen, damit er abbrach und man mich nicht einschließen konnte.

Aber ich wurde einfach wieder nach hinten gestoßen. Ich stolperte über meine eigenen Füße und landete mit einem krachenden Geräusch auf dem Boden. Die Gittertür vor mir  zugeschlagen und abgeschlossen.

„Wir haben sie nicht gefesselt", entgegnete einer der Soldaten und klappte nun den Gesichtsschutz seines Helmes hoch.

„Ich bin froh, dass das Weib überhaupt endlich mal hinter Gittern ist", giftete ein anderer zurück. „Ich geh also bestimmt nicht rein, um sie zu fesseln. Hol ein Kind."

Ein Kind? Verdutzt rappelte ich mich auf und ignorierte die Schmerzen meines gesamten Körpers. Ein Kind sollte mich fesseln?

Zwei Soldaten lösten sich aus der Gruppe. Ich trat näher an das Gitter heran und beobachtete, wie sie den Gang zurück gingen. Sie blafften ein paar Kommandos, dann hörte ich, wie sich eine Zellentür öffnete.

Die Soldaten schleiften einen Jungen heran. Sein Gesicht war dreckverschmiert. An der Schläfe war getrocknetes Blut und ein riesiger blauer Fleck. Protestierend, mit Wut in den Augen, versuchte er sich aus dem Griff der Soldaten zu befreien. Ich zuckte zurück, als die Männer den Jungen vorwärts schubsten und er gegen die Gitterstäbe knallte.

„Zieh die Rüstung aus!", bellte einer der Männer nun.

Mein Herz pochte. Ich brauchte mehr Zeit zum denken.

„Na los! Oder ich schlitz ihm die Kehle auf!", rief einer der Soldaten und presste den Kopf des Jungen gegen das Gitter. Die Stäbe pressten sich in das Fleisch seiner Wange. Mit einem flackernden Auge sah der Junge mich an. Die Verzweiflung, die ich in seinem Blick spürte, ballte mir die Hände zu Fäusten.

„Einverstanden", presste ich unter zusammengebissenen Zähnen hervor. „Aber wenn ihr dem Jungen ein Haar krümmt werde ich überhaupt nichts mehr machen. Dann werdet ihr zu mir reinkommen müssen." Meine Drohung hallte von den Wänden des Kerkers wieder.

Die Soldaten antworteten mir zwar nicht, verletzten den Jungen jedoch glücklicherweise nicht weiter. Langsam nahm ich den Helm ab, woraufhin die Soldaten auf meinen kahlen Kopf starrten. Ich drehte mich um und zog mir die Brustrüstung aus. Dann setzte ich mich auf den Steinboden und schnallte mir den Beinschutz ab.

„Alles hier vor die Tür legen, auch die Schuhe", kommandierte einer der Soldaten mit Blick auf meine Rüstungsteile.

Zögernd starrte ich auf das Metall, wohlwissend, dass sich noch mindestens zwei Dolche in den Beinschützern befanden. Aber ich wollte die Sicherheit des Jungen nicht riskieren.

Seufzend stand ich auf. Der Boden war eiskalt unter meinen Socken. Ich trug eine enge, lederne Hose und ein verschwitztes, dünnes Oberteil. Schon jetzt begann ich zu frösteln. Langsam ging ich zum Gitter und legte meine gesamte Rüstung ab.

„Gut. Jetzt zurückgehen und die Hände anketten."

Kalter Schweiß bildete sich in meinem Nacken. Ich war vollkommen verloren. Wenn Nicolas und die anderen es nicht schaffen würden, mich zu befreien oder Cephas zu töten, dann würde ich hier nie wieder rauskommen.

Trotz diesen Wissens versuchte ich, die Ruhe zu bewahren. Am Ende des Raumes legte ich mir die Handfesseln an, welche an Ketten mit der Steinmauer verschmolzen. Die Zellentür ging auf und ein Soldat kam herein. Er kontrollierte, ob ich noch Waffen bei mir trug, und streifte dabei an meinen Beinen rauf und runter. Am liebsten hätte ich die Eisenketten um seinen Hals gewickelt und fest zugedrückt, aber der Junge wurde noch immer vorne ans Zellengitter gepresst. Ein Soldat hatte sogar einen Dolch gezogen und hielt ihn warnend an seinen Nacken.

Als der Soldat mit der Kontrolle fertig war verließ er die Zelle und die Tür wurde wieder abgeschlossen. Sie brachten den Jungen unverletzt wieder in sein Abteil zurück. Drei der Soldaten blieben zur Wache zurück, die anderen verschwanden schließlich.

Erschöpft lehnte ich mich an die Steinmauer und ließ mich zu Boden sinken. Das alles war sehr, sehr schlecht gelaufen. Aber wer hätte damit gerechnet, dass sie mich statt Nicolas gewollt hatten? Und wieso? Ob Crescentia etwas damit zutun hatte?

Ich legte meinen Kopf auf meine an mich gezogenen Knie und versuchte, mich ein wenig auszuruhen, obwohl die bittere Kälte bis in meine Knochen drang. Die engen Fesseln um meine Handgelenke schmerzten.

Nach einiger Zeit hörte ich irgendwo eine Tür aufgehen. Die Wachen, die zuvor leise miteinander geflüstert hatten, waren abrupt verstummt.

Mein Kopf schnellte hoch. Ich hörte schwere Fußschritte, die immer lauter wurden. Sie näherten sich.

Ich ahnte, wer das war. Langsam rappelte ich mich auf und nahm einen festen Stand ein. Ich starrte nach vorne, bis ein Mann in mein Sichtfeld trat.

Seine eisigen Augen blickten mir entgegen. Aber statt einem kalten Schauder überkam meinen Körper eine hitzige Welle aus Wut. Das war der Mann, der meine Eltern ermordet hatte. Das war der Mann, der so vielen Menschen und magischen Wesen Leid gebracht hatte.

Das war der Mann, den ich brennen sehen wollte.

„Wen haben wir denn hier?", schnitt Cephas' amüsierte und dennoch eisige Stimme durch den Raum. „Die erste Königstochter von Spero. Solltest du nicht eigentlich schon tot sein?" Ein Lächeln lag auf seinen Lippen, welches ich nicht einschätzen konnte. War er wirklich interessiert? Konnte ihn wirklich auch nur irgendetwas außer ihn selbst auch nur ansatzweise kümmern?

Aber nein, ich war nicht tot. Jedoch bezweifelte ich nicht, dass ich es bald schon sein würde.

Der König schloss das Gitter auf und trat ein, gefolgt von zwei bewaffneten Wachen, die ihre Schwerter gezückt hatten. Vorsichtig linste ich zu meinen Ketten herunter. Mit denen würde ich nur maximal zwei Schritte nach vorne machen können.

„Aber vor mir musst du dich nicht schämen. Ich kann deine Feigheit verstehen. Wer würde denn nicht in die Sicherheit flüchten, während seine Eltern abgestochen werden?", kam es zwischen Cephas Lippen hervor, die noch immer zu einem falschen Lächeln verzogen waren.

Mit einem Male wurde mir schlecht. Das hatte ich nicht. Ich war nicht geflohen. Das hatte ich mir zumindest immer zu sagen versucht. Aber die Tatsachen ließen sich nicht ändern. Ich war geflohen, auch wenn ich es nicht gewollt hatte. Aber so hätte das alles nicht geschehen sollen. Ich hatte an diesem Tag mit meiner Mutter sterben sollen. Und wenn nicht zu diesem Tag, dann an dem von Deidamias Tod. Spätestens da hätte ich zusammen mit meiner Freundin sterben sollen.

Stattdessen würde ich heute sterben, durch die Hände von Cephas. Den ich nicht hatte aufhalten können.

Ich kniff die Augen zusammen und biss die Zähne aufeinander. Ruhig bleiben. Ganz ruhig. Cephas provozierte mich absichtlich. Er wollte sich einfach noch eine schöne Zeit mit mir machen.

Als ich die Augen wieder öffnete schritt Cephas langsam und gemächlich hin und her, jedoch noch mit einigem Abstand zu mir. Ich musste wachsam sein. Bei der erstbesten Gelegenheit würde ich versuchen, ihn zu töten. Auch wenn die Chancen dazu momentan eher schlecht standen.

An einer der Mauerwände blieb der König stehen und lehnte sich mit verschränkten Armen an den kalten Steinen an. "Na schön. Kommen wir zur Sache. Ich möchte alles von dir hören, was du weißt. Die Pläne von Nicolas und von deinem großen Bruder. Und ich will wissen, wo das Hexenversteck in den Bergen ist."

Ich unterdrückte den Drang, die Stirn zu runzeln und damit irgendeine Reaktion zu zeigen. Woher wusste er, dass ich den Ort des Hexenverstecks kannte? Cephas Spione hatten mich wahrscheinlich mit Hekate oder Vindicta in Tenebris gesehen. Wusste, dass wir uns mit den Hexen verbündet hatten und vermutete, dass ich ihr Versteck nun kannte.

"Du glaubst wirklich, dass die Hexen einem Menschen ihr Versteck verraten würden?", krächzte ich mit trockener Kehle. In meinem Hals kratzte es, aber ich unterdrückte ein Husten. Unterdrückte jegliches Anzeichen von Schwäche.

"Ich glaube, du weißt mehr, als du zugeben möchtest. Deine Schwester hat mir mal von deiner Fähigkeit erzählt, weißt du? Sehr faszinierend. Wenn du mich damit nicht ausspionieren könntest würde ich dich glatt am Leben lassen und dich unter meine Dienste stellen. Obwohl, vielleicht lasse ich dich für ewig hier im Kerker um dich zu benutzen, wenn es mir passt."

Nein. Dann wollte ich lieber sterben. "Um deine nette Bitte zu beantworten: Nein. Ich werde dir nichts verraten. Niemals."

"Ach, ich habe irgendwie gehofft, dass du so etwas sagen würdest." Zwischen Cephas Fingern blitzte nun die scharfe Klinge eines Dolches auf. Langsam kam er näher.

"Knie", forderte er und blieb zwei Schritte vor mir stehen. Cephas war einen Kopf größer als ich. Selbst seine Ausstrahlung wirkte bereits einschüchternd.

"Nein", entgegnete ich. Töten würde er mich sowieso. Aber ich würde ihm auf keinen Fall diese Genugtuung dabei gönnen.

Cephas schwieg einige Sekunden, während er mich eingehend betrachtete. "Victorine. Willst du wissen, was ich gedacht habe, als ich dich vorhin zum ersten Mal seit langer Zeit gesehen habe?"

Ich antwortete nicht. Sein Blick war zu meinem Kopf gewandert. Ich könnte die Antwort auf seine Frage in seinen Gedanken lesen. Doch obwohl ich seine Augen betrachete hinderte ich mich daran, meine Fähigkeiten einzusetzen. Cephas Seele war die allerletzte, in die ich Einblick erhalten wollte.

Der Blick des Königs wanderte zu dem Dolch in seinen Händen. "Ich habe darum getrauert, dass ich dir nicht an den Haaren ziehen kann. Oder dich daran aufhängen kann. Aber das ist schon in Ordnung so. Ich habe im Laufe der Jahre einige kreative Möglichkeiten entwickelt."

Keine Angst zeigen. Keine Genugtuung gönnen. Bleib stark, Victorine.

"Wenn du nicht freiwillig niederkniest, dann werde ich dich dazu zwingen. Ist dir das bewusst?", fragte der König.

Ich blieb schweigend an Ort und Stelle stehen. Dann sah ich nur noch eine schnelle Bewegung von Cephas Händen. In der nächsten Sekunde fuhr ein ziehender Schmerz durch meinen Oberschenkel.

Diesmal konnte ich eine Reaktion nicht verstecken. Ein Schmerzensschrei entfuhr mir, der in zischendem Ein- und Ausatmen endete, um den Schmerz irgendwie zu verkraften.

Als ich an mir heruntersah, steckte Cephas Dolch in meinem Bein.

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