20. - Ein verDAMMtes Problem
Nico's PoV
Noch nie in meinem ganzen Leben hatte ich so viele Kerzen gesehen. Hunderte von den kleinen Lichtern schwebten über unseren Köpfen und erhellten jeden Winkel der großen Halle. Die Decke über ihnen, die den nun dunklen Nachthimmel wiederspiegelte, war fast noch beeindruckender, aber mein Blick hing an den Kerzen. Was wohl auch daran lag, dass ich noch nie auch nur eine einzige schwebende Kerze gesehen hatte, eigenartig eigentlich, wenn man bedachte, dass mir schon die komischsten fliegenden Dinge untergekommen waren. Ein Schwein, unter anderem.
„Beeindruckend, nicht?", wisperte Percy, der meinen Blick bemerkt hatte. Seit wir das Schloss betreten hatten, kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus: egal ob sprechende Gemälde oder lebendige Treppen, an dieser Schule gab es die allerlei einzigartige Dinge. Und nach dem was Percy uns über die Zauberer erzählt hatte, waren diese Menschen selbst auch nicht weniger ungewöhnlich.
„Eins muss man diesen Leuten lassen, Stil haben sie", gab ich zu und lies meinen Blick über die Halle schweifen. Mittlerweile hatten viele der hunderten Schüler den Saal bereits verlassen und nur noch vereinzelt saßen sie in kleinen Gruppen zusammen. Anders als vor einer Stunde noch, als es im Raum nur so von den jungen Hexen und Zauberern gewimmelt hatte.
„Und sie können kochen", mischte Thalia sich ein und schob ihren nun endlich leeren Teller von sich weg. Nach der unglaublichen Menge die sie gegessen hatte, könnte man meinen sie hätte seit Tagen nichts mehr zu essen bekommen.
„Genau genommen machen kleine Hauselfen das Essen", schmunzelte Percy und lehnte zurück.
„Hauselfen?", wiederholte Thalia und schenkte unseren Bruder einen ungläubigen Blick.
„Keine Ahnung wirklich. Sie machen auch die ganze Hausarbeit im Schloss..."
„Warum überrascht mich das überhaupt noch?"
„Was haltet ihr von einem kleinen Abendspaziergang?", Percys Blick wanderte zu den paar wenigen Lehrern, die noch mit uns am Tisch saßen und man musste kein Genie sein um zu verstehen, dass er den lauschenden Ohren entgehen wollte.
Die Augen von so manchen Schüler und Lehrer rasteten auf uns, als wir die Halle verließen und einen weiten Gang betraten. Viele der Bilder an den Wänden schienen zu schlafen und ich hätte schwören können mindestens zwei schnarchen zu hören, wobei das hier wahrscheinlich gar nicht so abwegig war.
„Also, was gibt's neues, Fischgesicht?", wollte Thalia wissen, als wir in einem verlassenen Korridor abbogen. Ihre Jägerinnen hatten sich schon bald nach dem Essen verabschiedet, um am Waldrand ein Lager zu errichten, während meine Cousine beschlossen hatte bei uns zu bleiben.
„Nicht hier, die Wände haben Ohren", murmelte Percy und sah die vermeintlich schlafenden Abbildungen finster an. Danach führte er uns durch ein Labyrinth aus Gängen und Treppen, wobei ich mir sicher war, dass wir mehrmals im Kreis gingen, bis wir vor einer dunklen Holztür zum Stehen kamen.
Dahinter erwartete uns der Nachthimmel. Ein leichter Wind zog an meinen Kleidern, sobald wir auf den kleinen Balkon traten und als ich mich umsah, stockte mir der Atem. Wir befanden uns auf einem der höchsten Türme der Schule, unter uns erstreckte sich der klare See, auf dessen Oberfläche das Licht der Sterne zu tanzen schien.
Percy schwang sich über das Steingeländer, landete sanft auf dem Schrägdach unter uns und bedeutete Thalia und mir das Gleiche zu tun. Nicht halb so anmutig folgten wir ihm, was trotzdem noch recht elegant war.
„Nun?"
„Das Ganze ist schwieriger als gedacht", seufzte Percy und streckte sich der Länge nach aus, die Arme hinter seinem Kopf verschränkt.
„Ist es das nicht immer?", warf ich ein.
„Das halbe Kollegium vertraut mir nicht, mindestens eine Professorin würde mir bei Gelegenheit ein Messer in den Rücken rammen und ich habe das Gefühl, dass mir die verdammten Bilder nachspionieren."
„Das klingt wie ein verDAMMtes Problem", murmelte Thalia und grinste.
„VerDAMMt richtig", erwiderte mein Bruder feixend, wobei ich nicht wirklich verstand was so witzig war. Irgendetwas an dem Wort ‚verdammt' fanden die Zwei aus mir unerklärlichen Gründen unglaublich lustig und obwohl ich schon mehrmals nach der Ursache gefragt hatte, fanden meine Geschwister es erheiternd mich im Dunkeln zu lassen.
„Könnten wir uns Bitte konzentrieren?", warf ich ein, woraufhin sie synchron die Augen verdrehten.
„Was auch immer du sagst, Opa", Percy hatte wieder einmal seinen Kugelschreiber in der Hand, und begann an ihm herum zu spielen (Irgendwann wird er sich mit dem Teil einen Finger abtrennen.), „Seit etwa drei Wochen such ich mit der Unterstützung eines mehr oder weniger freundlichen Werwolf-Zauberers die Umgebung nach Hekate ab, was bis jetzt erfolglos war. Keine Spur der Göttin oder sonst irgendetwas verdächtigen. Und zusätzlich beginnen auch schon die Schutzschilder des Schlosses schwächer zu werden, ein Zeichen dafür das die Essenz ihrer Magie schwindet. Wenn wir nichts unternehmen bleiben uns höchstens ein bis zwei Monate bevor mit dem Nebel dasselbe passiert und weniger als drei bevor er völlig verschwindet."
„Du hast dich mit einem Werwolf angefreundet?"
„Er ist eigentlich ganz nett", Percy zuckte mit den Schultern, bevor er Thalia einen fragenden Blick zuwarf. „Das ist das Einzige, das dir nach meinem Bericht durch den Kopf geht?"
„Nein, aber das war das erste, worüber ich Genaueres wissen wollte. Und da ich jetzt sicher sein kann, dass du in nächster Zeit nicht von deinem Werwolf Freund zerfleischt wirst, können wir zu weniger wichtigen Themen übergehen. Also, was machen wir wegen der Sache mit den Schildern? Und dem Nebel."
„Die magischen Schilder um die Schule habe ich verstärkt, die brechen in nächster Zeit nicht zusammen, der Nebel hingegen ist eine andere Geschichte. Hekates Zauber ist einzigartig und auch wenn ich wüsste wie, könnte ich ihn nicht ersetzten."
Percy starrte gedankenverloren in die Dunkelheit der Nacht. Auch wenn er seine Flügel verborgen hielt, sah er doch nicht ganz menschlich aus. Selbst wenn er sich kaum bewegte, war er von der stillen Eleganz eingehüllt, die nicht einmal die Götter besitzen zu schienen, und die den Prinzen einhüllte. Mein Cousin hatte sich verändert: verschwunden war der mehr oder weniger heitere und sorglose Junge, den ich vor langer Zeit kennen gelernt hatte, an seine Stelle war jemand getreten, der scheinbar ständig die ganze Welt auf seinen Schultern trug und das obwohl diese Welt so selten gut zu ihm war.
Natürlich, nach außen hin schein er weiterhin fröhlich zu sein, aber wer ihn kannte, sah, dass Percys Lachen nie seine Augen erreichte.
„Die Jägerinnen und ich werden Morgen die Umgebung genauer auskundschaften, vielleicht finden wir ja noch etwas", schlug Thalia halbherzig vor.
„Haben wir einen Verdacht, wer dieses Mal die Weltherrschaft an sich reißen möchte?" Am meisten beunruhigte mich, dass es mit Kronos und Gaia ähnlich begonnen hatte. Mein Bauchgefühl sagte mir, das sich etwas großes Anbahnte, etwas das noch einmal um einiges schlimmer werden würde. Und nach dem, was der letzte Krieg mit uns angestellt hatte...
„Nicht die geringste", Percy setzte sich auf und fuhr ich durch die Haare, „Wir haben keinen noch so kleinen Anhaltspunkt, wer auch immer hinter der ganzen Sache steckt ist uns fünf Schritte voraus."
„Zugegeben, es hat bis jetzt nie besonders rosig ausgesehen." Der junge Gott sah Thalia zweifelnd an, bevor er sich aufrichtete.
„Wir haben noch mindestens zwei Monate, bevor wir eine Lösung brauchen und jetzt kommen wir sowieso zu nichts, also können wir genauso gut ins Bett gehen."
„Schlaf klingt gut", gab ich zu und musste unwillkürlich gähnen, „Ich nehme an du hast ein freies Bett für mich?"
„Klar, Neeks", das Algenhirn wandte sich an Thalia und sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an, „Lust auf eine Übernachtungsparty?"
„Danke, ich verzichte. Bevor ich eine Nacht bei euch Idioten verbringe, schlaf ich doch lieber in meinem Zelt im Camp."
Percy streckte ihr die Zunge raus, bevor er die Halbgöttin mit einer Handbewegung verschwinden ließ und (hoffentlich) ins Camp der Jägerinnen teleportierte. Einen Wimpernschlag später war ich wieder im inneren des Schlosses.
„Willkommen in meinem bescheidenen Heim", der Prinz streckte die Arme aus, „Du kannst die Hälfte vom Bett haben, außer du bevorzugst das Sofa." Mein Blick fiel auf das große Doppeltbett und erst jetzt bemerkte ich wie müde ich war.
Gähnend lies ich mich auf die weiche Matratze fallen, oder zumindest hatte ich das vor, denn ein schmerzerfüllter Schrei ließ mich wieder auffahren. Ein kleines Wesen flog vom Bett auf mich zu und ich stolperte beschürzt zurück. Ein silberner Fellball landete in meinem Gesicht und ich brauchte einige Momente um zu begreifen, dass es sich bei dem kleinen Tierchen, das mir jetzt an den Haaren zog, um Nala handelte.
„Okay schon gut, das wollte ich nicht, tut mir leid", fluchend versuchte ich sie abzuwehren, aber das Wesen war zu flink.
„Nala, komm her", die Kleine reagierte augenblicklich und flog auf Percys Schulter, von wo sie mich vorwurfsvoll ansah. Seufzend warf ich mich aufs Bett und schloss die Augen. Ich bemerkte noch wie Percy sich ebenfalls hinlegte, bevor mir die Welt entglitt und ich einschlief.
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