Kapitel 18

Jade:
Ich starre aus dem, von Dreck beschmutzten, Fenster meiner kleinen Wohnung, während ich mir das Telefon ans Ohr halte. Ich habe mich tatsächlich dafür entschieden, Callum anzurufen. Zu meiner Verwunderung klingt er, als wäre alles normal. Weiß er von meinem Abenteuer in London.
„Ich hab mich gewundert, warum ich deine Nummer gar nicht eingespeichert hab, hast du sie geändert?“, fragte Callum in diesem Moment und reißt mich aus meinen Gedanken.
Ich schüttle den Kopf, obwohl Callum das gar nicht sehen kann. „Nein... Ich rufe dich von einem Prepaid-Handy an. Es ist nicht zurückverfolgbar.“
„Was? Warum das denn? Wo verdammt bist du, Jade?“, fragt er und ich überlege, ob es die richtige Entscheidung war, ihn anzurufen.
„Callum, hör zu, ich will dich nicht in Schwierigkeiten bringen, also lege ich wohl besser auf, du könntest deinen Job verlieren, wenn du mir hilfst und das will ich nicht“, sage ich und möchte auflegen, doch Callum unterbricht mich in meiner Tat.
„Warte, Jade. Erklär mir erst mal, was los ist.“
Ich atme tief ein und aus, dann sage ich: „Nicht am Telefon. Wir könnten abgehört werden. Komm in einer Stunde zu meiner neuen Wohnung. Ich schicke dir eine Nachricht, wo die ist. Komm aber allein.“
„Okay, verstanden.“ Mit diesen Worten legt Callum auf und ich schicke ihm eine verschlüsselte Nachricht, die nur er lesen kann. Dann setzte ich mich zurück an meinen Tisch, wo mein Laptop immer noch aufgeklappt steht, und setze mich daran, eine verschlüsselte E-Mail zu schreiben. Denn diese Wohnung gehört eigentlich einem Freund, der ehemalig beim Geheimdienst war. Und ich brauche ein paar Informationen, die er mir geben soll.
Danach gebe ich in einer Datenbank, in die ich mich dank des Wissens meines Vaters, den ich kurz, bevor ich Callum kontaktierte, angerufen habe, gehackt habe, Projekt C73 ein, in der Hoffnung, dass mein Programm mehr findet. Doch leider steht dazu nichts in der Datenbank. Okay. Dann muss ich halt nach Verbindungen zwischen The Cobra, Meredith, Henry und meinem Ex finden. Außerdem muss ich herausfinden, wer dieser James ist.
Ich gehe Merediths Lebenslauf durch, finde aber keine Gemeinsamkeiten mit Henry oder Valentin, und dieser James taucht auch nirgendwo auf.
Ich finde nur einen anderen Namen, den ich überprüfen muss. „John Pembroke, ehemaliger CIA-Agent, war eine Weile mit Meredith verheiratet, dann trennten sie sich“, lese ich vor und notiere mir den Namen, die Verbindung zu Meredith und seinen Job.
Auch Henry und Marcus überprüfe ich erneut, suche Akten zu Merediths angeblichen Tod heraus und komme schließlich auf den Entschluss: Meredith hat ihren Tod vorgetäuscht, um unterzutauchen. Mit Henry und diesem James planen sie etwas, was sich Projekt C73 nennt. Ob John Pembroke mit beteiligt ist, ist mir noch nicht ganz schlüssig, und auch zu C73 habe ich nichts gefunden. Ich schicke meinem ehemaligen MI6-Kontakt die Namen und meine Vermutung. Vielleicht kann er mehr herausfinden.
In diesem Moment reißt mich das Klingeln der Haustür aus meinen Gedanken. Ich greife mir meine Waffe und nähere mich der Tür. Vorsichtig blicke ich durch den Spion. Es ist Callum!
Langsam öffne ich die Tür einen Spalt und frage: „Bist du allein?“
„Ja, komm runter, Jade!“,  zischt er und ich lasse ihn eintreten. Sobald er durch die Tür ist, schließe ich sie blitzschnell wieder und lege den Riegel vor, um zu verhindern, dass jemand herein kommt.
„Jade. Was zum Teufel läuft hier eigentlich? Erst lügst du mich an, dass du nach Leverkusen zu deiner Familie musst, dabei reist du nach London und jagst Thompson und dann wirst du entführt, konntest dich aber befreien, wer  bist du, Jade?“, fängt Callum sofort an, mich anzumeckern. Ich bleibe ruhig und höre ihm aufmerksam zu. Wer ich bin, das frage ich mich auch manchmal. Ich will nicht Rechtsanwältin sein, nicht mehr. Ich muss die Beweise selbst finden, im Fall drinnen stecken, kann nicht von außen urteilen. Mein Traumberuf ist Polizistin und jetzt bin ich weder das eine, noch das andere. Wer bin ich eigentlich? Eine freie Ermittlerin? Oder ein Niemand?
Ich sehe zu Boden, bevor ich Callum seelenruhig antworte: „Ich bin Jade Harper, Callum. Und ich habe Jura studiert. Aber das war nicht mein Traum. Als ich dreizehn war, brachte mich mein Vater in seine Arbeit als Privatdetektiv ein. Er brachte mir das Schießen und alle anderen Sachen für einen Ermittler bei. Ja, sogar das Kämpfen. Callum, ich habe gemerkt, dass ich besser zur Polizei gegangen wäre, als auf meine Mutter zu hören, die wollte, dass ich Jura studiere. Rechtsanwältin ist einfach nicht der richtige Beruf für mich. Ich muss Beweise sehen, alles verstehen, um urteilen zu können, wer schuldig und wer unschuldig ist. Als Rechtsanwältin muss ich den Angeklagten verteidigen, ob er unschuldig oder schuldig ist. Als Cop könnte ich so viel mehr, verstehst du?“
Callum nickte langsam und griff meine Hände.
„Aber ich habe auch gemerkt, dass ich allein nicht weiter komme und dass du mir fehlst. Vielleicht hätten wir uns nie kennengelernt, wenn ich keine Rechtsanwältin geworden wäre und das wäre furchtbar.“ Ich sehe ihm tief in die Augen und verdrücke  eine Träne. Callum sieht mich mitfühlend an, dann kommt er mir immer näher, bis wir uns endlich das erste Mal richtig küssen. Ohne das einer wegzieht oder dagegen ankämpft.
Nach einigen Minuten lösen wir uns. Er schließt mich in seine Arme und flüstert: „Ich hab dich so vermisst, Jade Harper. Du bist die mutigste Frau, die ich kenne, und auch die stärkste.“
Ich muss lächeln und bleibe einige Minuten stehen, bis mein Laptop ein Bing! macht, das Geräusch, wenn eine E-Mail eingegangen ist.
Ich löse mich von Callum und laufe zum Laptop. Die Mail ist von meinem Kontaktmann, er hat die Leute überprüft und mir Informationen zu C73 besorgt, schreibt aber dazu, dass die Informationen sehr vage sind.
„Jade, was hast du jetzt vor?“, fragt Callum und tritt zu mir. „Und warum bist du in so einer Bruchbude untergekommen?“
Ich zögere, bevor ich antworte. „Ich bin untergetaucht, damit mich Meredith, Henry und dieser James nicht finden. Dieses Apartment gehört einem Freund von MI6, er nutzt es als Safehouse.“
„Wer ist James?“, fragt Callum und mir fällt ein, dass Callum gar nichts über meine vergangenen Aktivitäten weiß. Also beginne ich, von vorne zu erzählen.
„Vor zwei Monaten ungefähr wurde der Wagen, der auch am Tatort stand, wo Marcus erschossen wurde, eben der grüne Jeep, auf einer Fähre nach London gesehen. Ich bin davon ausgegangen, dass du nichts mehr mit dem Fall zu tun haben willst, also hab ich beschlossen, nach London zu fliegen und zusammen mit meinem Schulfreund Joe den Jeep zu verfolgen. Das hat ganze zwei Monate gedauert, bis wir ihn auf einem Parkplatz fanden. Auf dem Rücksitz lag eine Waffe mit Schalldämpfer, ich habe einen Fingerabdruck genommen, jedoch haben mir die Entführer diesen abgenommen. Ich wurde jedenfalls kurz darauf von Meredith und Henry entführt, bin in einer alten Fabrik aufgewacht und konnte mich befreien. Dann habe ich ein Gespräch belauscht, zwischen Henry und einem James. Sie sprachen über Valentin Corleone, ein Unterweltboss Londons, außerdem über ein Projekt C73. Dann bin ich geflohen und hier her gefahren. Ich schrieb sofort meinen Kontakt an, der mir Informationen zu C73, Henry, Meredith und Marcus beschaffen sollte, außerdem zu einem John Pembroke, der in Merediths Lebenslauf auftauchte und ein CIA-Agent ist. Jetzt habe ich Antwort erhalten.“
„Verstehe.“ Callum sah mich neugierig an. Anscheinend sollte ich laut vorlesen, doch dazu musste ich die Nachricht schnell entschlüsseln. Den Code kannte ich und so encodierte ich die Nachricht.
„Hallo Jade, zu deinem Ex ließ sich leider nur die Verbindung zu Thompson finden, die kennst du ja sicher schon. Meredith ist tatsächlich zurzeit mit ihm zusammen. Vermutlich planen sie etwas großes, denn Meredith ist kein unbeschriebenes Blatt. Es steht vielleicht nicht in den Medien, aber Meredith gab wichtige Informationen an Unterweltbosse wie Valentin Corleone weiter, so haben sie sich vermutlich kennen gelernt. Mit Pembroke war sie verheiratet, der steckt aber auch mit drinnen, denn vor kurzem wurden Thompson, Meredith und er zusammen gesehen. Dieser James heißt mit Nachnamen Porter, er ist Thompsons Handlanger und ist vermutlich der Ersatz für Marcus, der übrigens von Meredith umgebracht wurde, weil er Informationen an Fremde ausgeplaudert hat. Kommen wir nun zu Projekt C73. So viel ich aus einem Kontaktmann rausbekommen konnte, handelt es sich dabei um einen Anschlag auf die CIA, wo die Bande Informationen stehlen wollen. Was für Informationen weiß ich nicht, aber die CIA befasst sich ja mit jeglichen Aufgaben in Sachen Sicherheit in den USA. Jade, ich weiß nicht, worauf du da gestoßen bist, aber wäre es nicht besser, die Polizei einzuschalten? Louis Denver“, lese ich vor.
Callum atmet tief ein und aus und ich erahne schon, was er sagen will. „Vielleicht hörst du auf seinen Rat und weihst die Polizei in alles ein.“
„Nein, Callum, ich stecke zu tief drinnen, als das ich aufhören kann, den Fall zu bearbeiten. Das muss ohne die Polizei funktionieren“, sage ich und stehe auf. Ich sehe ihm tief in seine Augen und frage:
„Es ist gefährlich, vermutlich verstoßen wir gegen das Gesetz, aber wir beschützen die Menschen vor einem Terroranschlag. Also, Callum Baton, hilfst du mir, diese miesen Verbrecher zu stoppen, komme was wolle?“
***
Geschrieben von Alexandra

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