Kapitel 36 - Dritte Aufgabe

Während Shota wieder rasch auf die Beine kam, wirkte Hizashi alles andere als gesund. Dank der Blutspende wirkte er zwar nicht mehr so bleich wie zuvor, allerdings war er weiterhin bewusstlos und hatte keine sonderlich gesunde Gesichtsfarbe. Nachdem Aizawa von Toshinoris Rücken geklettert war, hatte er gemeinsam mit Mezo die Aufgabe übernommen, die Trage zu tragen. Schließlich hatte Ochaco es lange genug ausgehalten, ihn schweben zu lassen, und hatte eine Pause verdient.

Die hatten sie sich tatsächlich alle verdient. Auch wenn sie nur mehr wenig Proviant übrig hatten, wollten sie das wenige unter sich aufteilen und wieder zu Kräften kommen. Mittlerweile schien sich das schlechte Gewissen unter den Schülern etwas gelegt zu haben. Schließlich sprachen und scherzten sie schon wieder miteinander.

Shota bedankte sich bei Shoji, nachdem sie Hizashi abgesetzt hatten, und ging neben dem Blondschopf in die Hocke, um ihm vorsichtig über die Wange zu streichen und seine Stirn zu fühlen. Schweiß klebte in dem leblosen Gesicht des Voiceheros, und seine Stirn wirkte tatsächlich etwas erwärmt. Aizawa hoffte, dass geholfen hatte, sein Blut zu teilen, und es dadurch Hizashi bald besser ging, anstatt schlechter, auch wenn es im Moment eher nach letzterem aussah.

Plötzlich öffneten sich Hizashis Augenlider flatternd und seine grünen Augen sahen müde zu ihm auf. „Deine Hände sind kalt", formten seine Lippen, doch kein Ton folgte den Bewegungen, wie er verzweifelt feststellte und panisch nach seinem Hals griff. Vorsichtig versuchte der Blonde sich aufzurappeln, doch Shota hielt ihn zurück. Außerdem hielt ein stechender Schmerz in seiner Körpermitte ihn ebenso davon ab, sich weiter aufzurichten.

„Bleib bitte ruhig liegen und überanstreng dich nicht", bat Shota ihn, und drückte ihn sachte zurück auf die Liege, „das Ding hat dich schwer verletzt und du hast deine Stimmbänder überstrapaziert." Besorgt musterte er das Gesicht seines Freundes, der sich vorsichtig den Hals rieb. Seine Hand zitterte dabei so heftig, dass Aizawa nach ihr griff, um sie festzuhalten und sachte zu drücken.

Obwohl Hizashi versuchte, gefasst zu bleiben, lösten sich Tränen aus seinen Augenwinkeln. Shota wusste, wie schwer es den Blonden traf, dass er wahrscheinlich seine Stimme und somit seine Macke verloren hatte. Erneut versuchte er sich aufzusetzen, doch diesmal fehlte ihm die Kraft dazu. „Mir geht es gut", versuchte Yamada zu sagen, doch erneut kam nichts über seine Lippen außer Stille.

Glücklicherweise hatte Shota schon früh gelernt, Lippen zu lesen. Das hatte ihm oft einen Vorteil verschafft, wenn er seiner Arbeit nachgegangen war und Schurken oder potenzielle Kriminelle aus der Ferne beobachtet hatte. Und weil sie beide schon länger die Vermutung hatten, dass Yamada einmal stumm werden könnte. „Tut es nicht", murmelte er daher als Antwort. Jeder konnte deutlich sehen, dass es Yamada nicht gut ging. Wenn es erst einmal so weit war, dann war es wirklich schlimm. Aizawa kannte seinen Freund gut genug, um zu wissen, dass er normalerweise gut überspielen konnte, wenn es ihm nicht gut ging. Manchmal war er darin sogar besser als Shota selbst. Im Moment jedoch schaffte er es nicht einmal ansatzweise ihn vom Gegenteil zu überzeugen, oder auch nur ein Lächeln aufzusetzen.

Langsam zog Shota das T-Shirt des Verletzten hoch, um nach dem Verband zu sehen, der blutdurchtränkt war. Sofort wandte er sich um. „Nemuri, hilfst du mir, den Verband zu wechseln?", rief er nach der Dunkelhaarigen, die gerade ein paar Wasserflaschen verteilte. „Das tut bestimmt ein wenig weh, aber ich glaube irgendwo war eine Whiskeyflashe dabei, davon darfst du gern etwas trinken", erklärte Aizawa und versuchte Hizashi anzulächeln.

Der reagierte darauf eher verwirrt. Erst jetzt schien ihm so richtig bewusst geworden zu sein, dass Shota anders aussah, als er ihn in Erinnerung hatte, und auch komplett anders klang. „Was ist passiert?", versuchte er tonlos in Erfahrung zu bringen, hob langsam die Hand, um über Aizawas Gesicht zu streichen.

„Das ist eine lange Geschichte", begann Shota und wandte sich an Nemuri, die bleich wurde, als sie den Verband sah und merkte, dass Hizashi keinen Mucks von sich geben konnte. Aizawa versuchte jedoch beide etwas abzulenken, indem er von dem erzählte, was passiert war, während sie den Verband wechselten. „Als wir aufgewacht sind, sahen Toshinori und ich plötzlich so aus. Wir waren in einer dunkeln Höhle, eine leuchtende Wolke hat uns an eine Weggabelung geführt, wo wir drei Möglichkeiten hatten. Der Playmaker wollte sowohl mich als auch Toshinori in eine Falle locken, aber ich war der einzige, der darauf hereingefallen ist", gab er zu und plauderte ungewohnt offen über das, was passiert war. Tatsächlich half es den anderen beiden, sich darauf zu konzentrieren und nicht über die Schmerzen oder die Verletzung nachzudenken.

Shotas Erzählung stockte jedoch, als er den Verband komplett abgemacht hatte, und sehen konnte, dass die Wunde sich entzündet hatte und seltsame dunkle Adern von ihr ausgingen, die sich bereits über den gesamten Unterkörper ausgebreitet hatten. Sein Blick ging kurz zu Nemuri, die ihn ebenfalls ansah und mit ihren Lippen das Wort „Gift" formte. Der Dunkelhaarige nickte vorsichtig und sah zu Hizashi hoch, der wieder eingeschlafen zu sein schien.

„Was sollen wir denn nur tun? Wir müssen hier so schnell wie möglich raus ...", flüsterte Kayama und säuberte die Wunde vorsichtig, damit sie den Verband neu anlegen konnten.

Natürlich kam Shota sofort eine einfache Lösung in den Sinn, doch noch ehe er sich darüber Gedanken machen, oder es laut aussprechen konnte, tauchte erneut ein ungebetener Gast vor ihnen allen auf. Scheinbar hatte dieser jemand nur darauf gewartet, bis sie die Wunde betrachteten und das Gift entdeckten. Dieser Kerl schien jeden Auftritt perfekt geplant zu haben.

„Guten Abend, meine lieben Gäste", verkündete der Playmaker und sah alles andere als erfreut aus sie alle wieder zu sehen, „ich hoffe, dass ihr Lehre aus euren Fehlern gezogen habt. Aber ... ich habe dennoch eine neue Aufgabe für euch. Da ihr noch länger hier verweilen werdet, braucht ihr vermutlich mehr zu essen und auch euer Lehrer hier braucht ein wichtiges Mittelchen, um noch etwas länger durchhalten zu können." Dabei sah er breit grinsend auf den Bewusstlosen hinab und kostete kurz diesen Triumpf aus, während sein Publikum ihn böse anstarrte. „Außer ihr wählt doch die schnellere Lösung. Ihr habt die Wahl!"

„Wir wählen die Aufgabe", antworteten Nemuri und Toshinori gleichzeitig, ehe Shota überhaupt Luft holen konnte. Hatten sie ihm etwa angesehen, worüber er gerade kurz nachgedacht hatte?

Die Antwort gefiel dem jungen Mann natürlich überhaupt nicht, aber er schien sich mittlerweile daran gewöhnt zu haben, dass es nicht einfach werden würde mit seinen Gästen. „Gut, nicht weit von hier werdet ihr vor einem Abgrund stehen. Wenn ihr ihn überwindet, könnt ihr eine Höhle betreten, wo ihr die nötigen Sachen finden werdet. Wähl weise, wer auf diesen Ausflug mitkommt", riet er ihnen und sah Shota kurz an, ehe er sich wieder aus dem Staub machte.

„Mich kotzt diese Überheblichkeit sowas von an", motzte Katsuki drauf los. „Mich ärgert es langsam, dass er immer dann auftaucht, wenn wir eine Entdeckung machen", seufzte Nemuri und sah zu ihrem dunkelhaarigen Freund, „wenn du gehst, komme ich mit."

Nachdenklich kratzte Aizawa sich am Hinterkopf, ehe er den Kopf schüttelte. „Mir wäre es lieber, wenn du hierbleibst. Falls es wieder einen Angriff gibt, kannst du die Angreifer schnell ohne zu zögern ins Reich der Träume schicken", erklärte er. Er würde sich unwohl fühlen, wenn er Toshinori alleine mit den Schülern lassen würde. Die andere Hälfte der Schüler wusste nicht, dass er nach wie vor ohne Kräfte war, und irgendetwas sagte ihm, dass Yagi das peinlich war im großen Kreis bekannt zu geben und sich lieber in Gefahr begab, als untätig daneben zu stehen. „Wenn es möglich ist, werde ich alleine gehen, aber zuerst sollten wir uns diesen Abgrund ansehen", erklärte Shota und begann damit die Schlaufe um seinen Hals zu lösen, die er zuvor für seinen verletzten Arm gemacht hatte, nun allerdings nicht mehr brauchte. Schon zuvor, als er Hizashi getragen hatte, hatte er bemerkt, dass er seinen Arm wieder belasten konnte und seine Schulter nicht mehr schmerzte.

Daraufhin erhob er sich, und nahm die Trage an dem einem Ende, während Nemuri das andere übernahm. Tatsächlich hatte der Playmaker sie nicht angelogen. Es war nicht weit von ihrem momentanen Standort. Hätte er sie nicht darauf hingewiesen, wären sie zweifelsohne daran vorbeigegangen. Der Abgrund war tief, und es war ein weiter Weg zum anderen Ende, da war es einfacher, auf dem normalen Weg zu bleiben. Doch eine Höhle war nicht zu sehen.

„So wie es aussieht kann man an der Wand da drüben entlang klettern", stellte Aizawa nach einer kurzen Untersuchung der Umgebung fest. Die Wand schien hier und da Einkerbungen zu haben, die man zum Klettern nutzen konnte. Außerdem war diese Wand eindeutig anders, als die anderen. Aber woran das lang konnte Shota beim besten Willen nicht beschreiben.

„Es sieht so aus, als ob man da hochmuss. Dort oben scheint es eine Höhle zu geben", stellte Shoji fest, der an einem Ende seiner verlängerten Arme ein Auge geformt hatte, und deutete auf einen schwarzen Punkt weiter oben. Also mussten sie die Wand nach oben klettern, um den besagten Ort zu erreichen und nicht einfach nur rüber auf die andere Seite.

Aizawa seufzte und zog ein paar Fingerlinge aus der Tasche, damit er seine Handflächen nicht zu sehr verletzte an der felsigen Wand. Mit seinem Fangtuch konnte er an der Wand keineswegs arbeiten, als brauchte es normale Muskelkraft. „Ich werde mich dann mal auf den Weg machen, falls ich nicht zurückkomme, geht ohne mich weiter", verkündete er, ohne darüber nachzudenken.

Nachdem er das gesagt hatte und einen Schritt nach vorne machte, merkte er, dass ihn plötzlich jemand festhielt. Als er an seinem Bein hinabsah, blickte er in Eris große Augen, die besorgt zu ihm hochsahen. „Bitte geh nicht wieder weg!", bat sie ihn. Sie erinnerte sich noch zu gut an die Worte, die er von sich gegeben hatte, als er sie in seinen Armen gehalten hatte, während er dachte, sie wäre tot. Aus diesem Grund wollte sie ihn auf keinen Fall allein lassen. Damit er nichts Dummes tun konnte.

Langsam ging Shota auf die Knie, um mit Eri auf Augenhöhe zu sein. Allein ein Blick in ihr Gesicht ließ ihn bereuen, was er vor wenigen Augenblicken von sich gegeben hatte. „Hizashi geht es nicht gut, ich muss ihm helfen. Ich werde wiederkommen, okay? Diesmal werde ich mein Wort halten", versprach er ihr und hielt den kleinen Finger hoch, „Pinky Promise!" Nach kurzem Zögern hakte sie ihren kleinen Finger ein und nickte. Er hatte ihr bereits oft genug erklärt, dass solche Versprechen nicht gebrochen werden durften. „Außerdem möchte ich, dass falls ich nicht rechtzeitig zurückkomme, du versucht Onkel Hizashi zu helfen, okay?", bat er das Mädchen, das zögerlich nickte. Sein Blick glitt weiter zu Hitoshi, der ebenso nickte. In den letzten Trainingseinheiten hatten die beiden oft miteinander geübt, daher wusste Aizawa, dass die Gehirnwäsche die Macke von Eri beenden konnte. Er verließ sich auf den Violetthaarigen und Eri vertraute ihm ebenso.

„Du glaubst aber nicht, dass wir dich allein losziehen lassen?", meinte Toshinori und gesellte sich neben den Dunkelhaarigen, als dieser an die Wand trat. Auch Izuku war entschlossen an ihn herangetreten.

„Das ist eher ein Job für gute Kletterer", versuchte Shota es ihnen auszureden, „einen anderen Weg gibt es leider nicht." Todorokis Eismacke würde nicht stabil genug sein auf diese Distanz, auch für Ochacos Zero Gravity war es zu weit. Einzig Dark Shadow könnte vielleicht soweit fliegen, allerdings wollte Shota das dem Schüler nicht zumuten, ihn dorthin zu bringen. Unzählige Möglichkeiten hatte er durchdacht, aber er war zu keinem guten Ergebnis gekommen.

„Klettern ist meine Spezialität", verkündete Toshinori breit grinsend. Auf Shota wirkte das allerdings nicht sehr überzeugend, „außerdem ist Unterstützung doch immer von Vorteil, oder nicht?" Aizawa musste sich zusammenreißen, um nicht genervt die Augen rollen zu lassen. Natürlich wusste er, dass Toshinori unbedingt darauf bestand, mitzukommen um ihn nicht allein losziehen zu lassen. Nicht, nachdem was er zuvor miterlebt hatte. Jedoch nervte es Shota, wenn er es so oft betonen musste.

„Ist ja schon gut, dann komm eben mit", erklärte der Dunkelhaarige. „Ähm ... ich würde auch gerne mitkommen ... nur für alle Fälle", meldete sich Izuku zu Wort und versuchte nicht eingeschüchtert zu sein, als Shota ihm einen finsteren Blick zu warf. Doch Midoriya wollte weder seinen Mentor noch seinen Klassenlehrer alleine gehen lassen. Nicht, nachdem er wusste, dass All Might mackenlos war und Eraserheads Leben noch immer auf dem Spiel stand.

Wieso meinte nun jeder, dass er auf ihn aufpassen müsste? Nur weil er in seinem fünfzehnjährigen Körper feststeckte, der vor Unsicherheit nur so strotzte? Wie sollte er so den Mut finden, weiter zu hoffen, dass alles sich zum Guten wenden würde? Allein die Tatsache, dass sie der Meinung waren, dass er Unterstützung brauchte, ließ Aizawa kurz darüber nachdenken, ob es nicht besser wäre, einen Hechtsprung in den Abgrund zu machen, doch das würde Hizashi nicht helfen. „Na gut", murrte Shota also und wandte sich um, „sonst noch jemand?"

„Wenn Sie das ernst meinen, Sensei, dann würde ich ebenso gerne mitkommen. Klettern kann ich ganz gut, quack!", merkte Tsuyu an und trat vor. „Und ich kann mit meiner Verhärtung dafür sorgen, dass wir eine bessere Möglichkeit haben, uns festzuhalten!", verkündete Kirishima und reckte euphorisch seine Faust.

Toshinori, der merkte, dass Shota diese Frage eigentlich sarkastisch gemeint hatte, und nicht wirklich erwartete, dass sich jemand meldete, setzte sofort ein breites Lächeln auf. „Dann haben wir ein ausgewogenes Team. Mehr sollten wirklich nicht auf diese Mission aufbrechen, der Rest bleibt hier und hält die Stellung", erklärte Yagi daher rasch, ehe noch mehr auf die Idee kommen konnten, sich zu melden. Er wollte Shotas Geduld nicht überstrapazieren und nicht noch mehr wertvolle Zeit vertrödeln, die Yamada nicht mehr hatte. Also wandte er sich um, und ging auf den Dunkelhaarigen zu, der sich bereits an die Wand begeben hatte, und nach einem guten Haltepunkt suchte. „Bist du dir sicher, dass du wieder fit genug bist für diese Aufgabe? Wie geht es deiner Schulter?", wollte der blonde Junge wissen und sah Aizawa dabei zu, wie er kurz sein Gesicht verzog, als er den rechten Arm nach oben ausstreckte, um sich an einem Felsvorsprung festzuhalten.

„Alles bestens. Wir sollten zusehen, dass wir schnell machen. Bevor es zu spät ist", antwortete er bloß und setzte auch einen Fuß auf einen kleinen Felsenvorsprung. Sie durften keine Zeit mit irgendwelchen Diskussionen vergeuden.

Toshinori seufzte, während Izuku zwischen seinen beiden Lehrern kurz hin und her sah und sich fragte, ob sein Klassenlehrer wohl wieder log, so wie es schon einmal der Fall war. Allerdings wäre es bei so einem Aufstieg viel gefährlicher, wenn er in Ohnmacht fallen würde. Aus diesem Grund hatte Midoriya sich auch gemeldet. Um im Notfall Black Whip zu nutzen, um Aizawa vor dem Absturz zu bewahren. Eijiro ließ sich jedoch nicht beirren und schritt voran, auf die Wand zu, ehe er seine Schuhe und Socken auszog, und Füße und Hände verhärtete, bevor er Shota bat, zur Seite zu gehen, damit er die Vorhut sein konnte und mit ein paar schnellen Hieben ein paar bessere Einkerbung zu schlagen.

Während die vier jungen Männer hintereinander her kletterten und Kirishima versuchte den einfachsten Weg für sie zu hauen, nutzte Asui ihre Froschmacke und lief auf allen vieren einfach an der Wand entlang. Ein wenig beneidete die anderen sie dafür, denn der Weg war weiter als sie angenommen hatten. Auch wenn er den aufkommenden Schmerz in seiner Schulter und dem Arm zu ignorieren versuchte, musste er kurz nach ein paar Metern innehalten, und eine Pause einlegen. Doch da er sich im Moment in so einer ungünstigen Position befand, in der er den schmerzenden Arm nicht entlasten konnte, versuchte er umzugreifen. Allerdings musste er dazu zuerst die linke Hand lösen, und nach einem neuen Punkt greifen. Schweiß bildete sich auf seiner Stirn, während er versuchte die Zähne zusammen zu beißen, und nicht an den Schmerz in seiner Schulter zu denken. Sie hatten kaum die halbe Strecke geschafft, wenn er jetzt schon schlapp machte, hielt er alle nur auf und Hizashi würde sterben.

Als ob dieser Gedanke ein böses Omen wäre, verließ mit einem Mal jegliche Kraft seinen rechten Arm, während er mit der linken immer noch nach einer Möglichkeit suchte, sich festzuhalten. Schneller als ihm lieb war, begann die Schwerkraft an ihm zu ziehen, und er begann abzurutschen. Entsetzt keuchte er auf, doch noch ehe Eijiro, Toshinori oder Izuku reagieren konnten, wickelte sich etwas Rosafarbenes und Klebriges um Shotas Oberkörper und ließ ihn in der Luft schweben. „Alles in Ordnung bei ihnen, quack?", fragte Tsuyu besorgt und zog ihre Zunge etwas näher zu sich.

„Ngk ... ja", meinte Shota und hielt sich die verletzte Schulter, „du hast bereits eine gute Beobachtungsgabe und sehr gute Reflexe." Zumindest schien sie sehr schnell bemerkt zu haben, dass er sich nicht mehr lange halten konnte.

„Das war verdammt knapp! Ich wusste doch, dass deine Schulter noch nicht wieder in Ordnung ist", begann Toshinori ein wenig erbost Shota zu tadeln. Gerade in solchen Situationen war es verdammt gefährlich, wenn sie einander belogen und nicht ehrlich zueinander waren. Wobei es vermutlich gemein wäre, Shota in diesem Fall einer Lüge zu bezichtigen. Viel eher war es wohl der Fall gewesen, dass Aizawa seine Kräfte und die Strecke unterschätzt hatte, weil er auf Hizashis Wohl bedacht war. Damit war er allerdings kein gutes Vorbild für seine Schüler.

Anstatt jedoch wie so oft eine Diskussion zu starten, nahm Shotas Gesicht einen schuldbewussten Ausdruck an. Es wirkte fast so, als ob er, je länger er so aussah wie sein jüngeres Selbst, wieder ein paar Wesenszüge von früher übernehmen würde. Ob es bei Toshinori selbst wohl auch so war? Um weiter darüber nachzudenken, fehlte ihm jedoch die Zeit, außerdem erinnerte er sich nur zu gut an den Shota aus der dunklen Höhle. Er sollte ihn keinesfalls das Gefühl geben, einen Fehler gemacht zu haben. „Zum Glück ist nichts passiert", meinte Yagi und sah zu Tsuyu hoch, „würdest du es schaffen, ihn weiterhin zu tragen? Oder zumindest ihn festzuhalten?" Das letzte fügte er rasch an, als er Shotas Blick sah.

Dabei war Aizawa nicht wütend auf seinen Kollegen, sondern nur auf sich selbst, weil er so dumm gewesen war. Den Blick aufs Ziel gerichtet, hatte er vergessen darauf zu achten, sich seine Kräfte einzuteilen und rational zu handeln. Er hätte versuchen müssen, auf eine andere Weise zur Höhle zu kommen. So musste ihm erneut ein Schüler aus der Patsche helfen. Langsam begann er sich zu fragen, ob er damals, als er den Posten als Lehrer angenommen hatte, nicht einen Fehler beging. Es war eine Fehleinschätzung gewesen, aufgrund sentimentaler Gedanken das Angebot anzunehmen, dass er durch Nemuri erhalten hatte. Denn dann würden sie sich nun nicht in dieser Lage befinden und er könnte immer noch in Ruhe seiner Arbeit als Undergroundhero nachgehen.

Nach einer kleinen Pause setzten sie ihren Weg fort. Tsuyus Zunge war immer noch um Shotas Oberkörper gewickelt, während er weiter an der Wand kletterte. Eigentlich hatte er vor ihrem Aufbruch noch darüber nachgedacht, dass er die anderen mit seinem Fangtuch sichern sollte, nun war er jedoch froh, es nicht getan zu haben. Am Ende hätte er sie alle mit in den Abgrund gezogen. Der Gedanke ließ ihn bleich werden.

Ohne eine Bitte darum, schlug Eijiro die Einkerbungen näher beieinander, damit Shota nicht mehr so weit greifen musste, und schneller Positionen einnehmen konnte, die seine Schulter entlasteten. Dadurch kamen sie natürlich ein bisschen langsamer voran, doch das Ziel erreichten sie somit sicherer. Als es bergauf ging, war Aizawa über die Unterstützung durch seine Schülerin dankbar. Aus eigener Kraft hätte er es niemals geschafft, sich mit seiner verletzten Schulter hochzuziehen. Obwohl er Schmerzen in seinem rechten Ellbogen bereits gewohnt war, hatte er es bisher noch nie so übertrieben. Er war daher über glücklich, als sich der Rotschopf vor ihm hochzog und auf dem Vorsprung angekommen war.

Auch Tsuyu kam sicher oben an und zog gemeinsam mit Kirishima die Nachzügler hoch. Nun brauchten sie alle erst einmal einen Moment, um zu verschnaufen. Ihre Muskeln brannten und zitterten von der Anstrengung, sodass sie sich erst einmal setzen mussten. Mit schmerzverzerrter Miene wickelte Shota sein Fangtuch erneut um seinen Arm und die Schulter, um seinen Arm festzubinden und zu stützen. Wie er hier wieder runterkommen würde, darüber würde er sich später Gedanken machen.

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