Kapitel 18

Ich kehre in den Saal zurück und gehe zumTisch, auf dem die Bowles stehen. Vielleicht würde es mir guttun, wenn ich mich an den von Ephraim aufgepeppten Getränken versuche. Ich gebe mir Mühe, meine Augen nicht über diese Ironie zu verdrehen und schenke mir ein halbes Glas des Mojito-Mixes ein. Exe ihn. Und verziehe mein Gesicht, weil mir das Getränk sofort in den Kopf schlägt. Oh Gott, Ephraim hat gar nicht versucht, den Alkohol subtil reinzumischen. Dieses Zeug ist unendlich stark und ekelhaft. „Ich rate dir nicht an, das zu wiederholen", gluckst der Schwerverbrecher höchstpersönlich, als er neben mir zum Stehen kommt. Ich erkenne nur die Lachfalten um seine Augen, weil alles andere an ihm perfekt geschminkt ist. „Willst du jetzt schon ein Update?", frage ich und sehe ihn skeptisch an. Gerade wollte ich den Abend nutzen, um zum ersten Mal seit langem wieder etwas Spaß zu haben. Mich von meiner Mission abzulenken. Ephraim schüttelt den Kopf und hält mir eine Hand hin.

„Tanz mit mir", raunt er. Er ist mir plötzlich so nahe, dass ich seinen Atem auf meinem Gesicht spüre. Dank den hohen Schuhen bin ich fast auf Augenhöhe mit ihm. Ich schließe für einen kurzen Moment die Augen. Jetzt wird mir auch klar, was mit Dayna und den beiden Jungs geschehen ist. Ephraim hat tatsächlich Zaubertränke kreiert, die ihn seinen Willen erlangen lassen. Ich verbiete mir, die Berührung unserer Hände schon wieder zu analysieren, weil dahinter nichts steckt. Ephraim scheint mein Zögern als Zustimmung zu deuten, denn ich werde wirder in die tanzende Menge gezogen.

Der Ballsaal ist mit Spinnennetzen, einer Fotostation und einem Buffet, das an der Wand steht, geschmückt. In der Mitte ist inoffiziell die Tanzfläche, während auf der Bühne zwei DJs aufgestellt sind. Ein neues Lied beginnt zu spielen, während die Scheinwerfer, die an der Decke befestigt sind, für eine eigene Lichtshow im Beat sorgen. Es wirkt so anders als vorher, wo Aidan noch bei mir gewesen ist. Bei ihm musste ich nämlich Angst haben, dass er mir die Gefühle gesteht, die ich bereits erahnt habe. Bei Ephraim wirkt alles so einfach, weil ich mir sicher bin, dass er nie so etwas Unsinniges machen würde. Zwischen uns sind nämlich keine Gefühle. Außer vielleicht unsere ständige Wut und manchmal auch ein brennender Hass. Zwischen uns existiert nur der Moment, das Hier und Jetzt. Ich muss nicht zurückschauen und meine Handlungen bereuen oder mir wünschen, dass die Dinge anders gelaufen wären. Es folgt einfach ein Moment auf den nächsten.

Wir beginnen etwas zögerlich zu tanzen, vor allem weil es so ungewöhnlich ist, dass wir uns nahe sind, ohne uns an die Gurgel zu gehen. Aber bald legen sich seine Hände an meine Hüften und wir bewegen uns passend zur Musik. Meine Hände sind um seinen Hals geschlungen, während ich mich in einem weiteren Moment verliere. „Tut mir leid, dass ich dein Kleid ruinieren muss", murmelt mir Ephraim ins Ohr und lässt seine Hände wandern. Ich blicke etwas benommen auf den Stoff und sehe, dass er überall schwarze Spuren hinterlässt. Mir war gar nicht bewusst, dass er mit dieser Art von Schminke bemalt wurde, aber wenn ich es richtig deute, dann ist das gar keine richtige Schminke, sondern Kohle.

Vermutlich markiert der Dämon so sein Revier. Ich verziehe das Gesicht ein wenig, aber meine betrunkenen Gedanken sind eben merkwürdig. Solange ich keinen einzigen davon laut ausspreche, ist es ja kein Problem. Eine Hand wandert zu meinem Becken und ich werde gegen Ephraim gepresst. Ich schnappe nach Luft und bohre meine Finger in seine Schultern. Es fühlt sich gut an, wenn wir uns so nahe sind. Ich spüre die Wärme seines Körpers, seine lasziven Bewegungen und seine Hände, welche wortwörtlich Spuren hinterlassen, aber immer auf der Grenze des Anstands bleiben. Ich genieße die Fingerspitzen sogar, die über meine Schulterblätter, meinen Rücken, meinen Hals fahren. Es fühlt sich alles so neu an, so gut, dass ich nicht anders kann als die Augen zu schließen.

Ruckartig dreht mich Ephraim, sodass ich nun mit dem Rücken gegen seine Brust gepresst bin. Seine Hände liegen plötzlich auf meinem Bauch und ich schließe die Augen, während mein Kopf auf seine Brust zurückfällt. Es sollte sich nicht so gut anfühlen, verdammt. Meine Haut dürfte nicht unter Strom stehen und in mir dürfte definitiv nichts aufgeregt kribbeln. Die Musik wiegt uns in ein anderes Universum, wo wir mit ihr eins werden, wo jeder Beat durch meinen Körper fährt und in seinem ein Ende findet.

„Oh, Helena", murmelt Ephraim, seine Lippen gefährlich nahe an meinem Ohr. Ich vergesse, wo wir sind, während er mich mit diesen kleinen Gesten verzaubert. Wenn er meinen Namen so sagt, fühlt es sich an, als würde ich ihn zum ersten Mal richtig hören. Als würde er zum ersten Mal richtig ausgesprochen werden. Vielleicht, weil er meinen Namen beinahe nie sagt. Weil er mich unter normalen Umständen nie Helena nennt, sondern nur Birkshire oder Tinkerbell. Es fühlt sich an, als würde er sich meinen Vornamen für die wichtigen Momente aufsparen, weil nur sein Helena direkt in mein Herz fährt.

Es ist alles nur ein Fiebertraum, ein Alkoholrausch, ein Augenblick, das ist mir bewusst, aber dennoch fühlt er sich real an. Ephraims Finger spireizen sich über meiner Magengegend und sorgen dafür, dass ich den Rücken durchstrecke. Es fühlt sich an, als würde ich zum ersten Mal richtig tanzen. Als würde ich zum ersten Mal einem Delirium unterliegen, das von dem dimmen Licht und der Musik in meinen Ohren erzeugt und von Ephraim gelenkt wird. Es fühlt sich so richtig an, dass ich Angst habe, alles falsch zu machen. Meine Atmung geht schwer. Ich frage mich, wie es wohl wäre, das letzte bisschen Abstand zwischen uns zu schließen. Ephraim hat wohl denselben Gedanken gehabt, denn er dreht mich wieder zu sich. Mein Kleid ist mittlerweile grau, wo ich an ihn gepresst gewesen bin, und schwarz, wo seine Hände sich bewegt haben. Und Gott, da ist sind so viele schwarze Spuren auf meinem Kleid, vor allem auf meinem Bauch und in meiner Hüftgegend. Ich erröte und lege meine Hände auf die Spuren, um das flatternde Gefühl in meinem Magen zu ersticken. Gott, Ephraim ist viel zu attraktiv, wenn er als Dämon verkleidet ist. Und er ist definitiv viel zu attraktiv, wenn er mir so nahe ist.

Der Bann zwischen uns wird aber erst endgültig gebrochen, als die Scheinwerfer plötzlich einen Stromausfall erleben. Noch bevor ich blinzeln kann, dreht Ephraim meinen Körper und presst mich nah an seinen. „Man weiß nie, was los ist", murmelt er leise in mein Ohr. Ich sterbe ein wenig, weil es sich so anfühlt, als wollte er mich beschützen, obwohl ihm nicht einmal bewusst ist, was vor sich geht. Ich nicke an seiner Brust, was die Kohle noch in meinem Gesicht schmiert. Ein Raunen geht durch die Menge, als auch die Musik den Geist aufgibt, aber schon wenige Sekunden später wird der Ballsaal von richtigem Licht erhellt. Ein kollektives Stöhnen erklingt und ich presse meine Augen zusammen, während ich gegen das helle plötzlich viel zu helle Licht ankämpfe.

„Tut mir leid, Leute. Es gibt technische Probleme und wie ich leider feststellen musste, scheinen die Dinge langsam aus dem Ruder zu laufen, was ich nicht verantworten kann. Ein Hausmeister hat mir gesagt, dass der Saal in der nächsten halben Stunde leer sein muss, weil ich sonst der Direktion gemeldet werde, da ich mich nicht an die Vorschriften gehalten habe", schneidet Cecilias Stimme durch die Luft. Sie klingt enttäuscht und wütend, worauf ich das Gesicht verziehe. Ich löse mich von Ephraim, der durch seine Getränke-Aufpeppung vermutlich für die Eskalationen verantwortlich ist. Aber es war ohnehin naiv anzunehmen, dass so etwas nicht geschehen würde. Vermutlich war er nicht einmal der einzige, der bei den Bowles mitgemischt hat.

„Ich wusste schon von Anfang an, dass da etwas zwischen euch läuft", meint Prudence begeistert, als sie und Chadwick sich zu uns gesellen. Er hat seinen Arm um ihre Schultern geschlungen, während die beiden Ephraim und mich mit einem breiten Grinsen ansehen. „Was läuft denn zwischen uns? Vielleicht wäre es von Vorteil, diese Information mit Birkshire und mir zu teilen, denn ich sehe da definitiv nichts", sagt Ephraim mit einem genervten Gesichtsausdruck. Er meidet meinen Blick und ich verdrehe die Augen. Ich mag ihn definitiv lieber, wenn er die Klappe hält und mit mir tanzt. Ich mag ihn lieber im Scheinwerferlicht, wenn ich mich fühle, als wäre ich in einem Fiebertraum. Aber leider ist das nicht die Realität.

„Glaub mir, Ephraim, es bringt nichts, die Tatsachen verstecken zu wollen. Ich bin kein blinder Kerl, also sehe ich, wie ihr euch mit den Augen auszieht. Ich sage das nicht, um dir auf die Nerven zu gehen." Wir ziehen uns mit den Augen aus? Ich schlucke schwer. Ephraims ganzer Körper scheint sich anzuspannen, während er Chadwick einen scharfen Blick zuwirft. Ich habe ihn bestimmt noch nie mit den Augen ausgezogen, obwohl ich ihn für attraktiv halte. Jede Person mit einem gesunden Verstand und funktionierenden Augen denkt vermutlich, dass Ephraim attraktiv ist. Aber das hält auch nur so lange, bis man ihn dann kennenlernt und herausfindet, dass das für ihn alles nur ein Spiel ist. „Solltest du auch nicht", antwortet der Dämon. Er streitet die Aussage nicht ab. Vielleicht ist das alles Teil seines Plans, wie er später wieder mit Chadwick ins Gespräch kommt, nachdem dieser nach dem Millicent-Speisesaal-Vorfall kaum noch etwas mit der ihm gemacht hat. Natürlich nutzt er jede Möglichkeit, um in unserem Fall vorwärtszukommen. Diese Worte bedeuten ihm nichts.

Mir bedeuten sie aber etwas. Ich verbanne den Gedanken aus meinem Gedächtnis und zwinge mich zur Konzentration. Ich lächle nur schüchtern, als wäre das zwischen Ephraim und mir ein dreckiges Geheimnis, das gerade aufgedeckt wurde. Als hätte ich Schmetterlinge im Magen, als würde meine Haut Kribbeln. Was sie auch tut. Als würde ich nur darauf warten, dass sie uns allein lassen, damit ich ihn endlich küssen kann.

Tatsächlich räuspern sich die beiden und Chadwick wirft Ephraim einen auffordernden Blick zu, während er Prudence einen Kuss auf die Stirn drückt und sich von ihr löst. „Machen wir uns langsam auf den Weg? Ich möchte kein Opfer von Cecilias Zorn werden." Ephraim schenkt ihm ein schelmisches Grinsen, denn ihm ist sehr wohl bewusst, dass sie ihm die Hölle heiß machen wird, wenn sie erfährt, dass er den Alkohol eingeschleust hat. „Natürlich." Er nickt Prudence zum Abschied zu, während er mich ignoriert und ich verdrehe die Augen schon wieder, ehe ich dasselbe mache, und nur Chadwick eine gute Nacht wünsche. Als die beiden gegangen sind, wende ich mich Prudence zu. Mit ihr werde ich heute auch noch Dinge zu besprechen haben, aber es gibt zwei noch Kandidaten, die ich zuerst aufsuchen muss, ehe dieser Abend vorbei ist.

„Ich komme gleich nach, ja? Ich muss noch schnell zu meinem Bruder", informiere ich sie. Prudence nickt und zieht mich in die Arme. „Lass dich nicht von Cecilia auf den Fluren erwischen", sagt sie, ehe sie vorausgeht.

Und für einen Moment konnten sie sich sogar leiden 😭😩

Was hat sich Ephraim da wohl wirklich gedacht?

Vermutungen, was als nächstes geschehen wird?

Ich hoffe, dass euch das Kapitel gefallen hat und wir lesen uns bald wieder 💓

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