Kapitel 44

Der nächste Tag beginnt. Die Folien habe ich mir angeguckt und bin froh, dass ich die Folien für gestern und heute bekommen habe, denn es ist verdammt viel Stoff. Wichtiger Stoff, vor allem für die anstehenden Physiologie Prüfungen. Dieses Semester besteht nur aus Physiologie und Biochemie und bis 18:00 Uhr in der Uni bleiben. Toll, dieses Studentenleben. Heute geht es mir viel besser, als die letzten Tage. Ich kann laufen, ohne zu schwanken und die Übelkeit ist schon fast verflogen, genau wie das schwarz werden vor den Augen. Ranja hat mir ein Whiteboard gekauft, damit ich all meine Termine im Blick habe. Gerade schreibe ich alle Termine auf, während ich noch kurz in meinem Kopf das Gelernte durchgehe. "So, fertig." Ich lächele zufrieden und hänge es an der Wand auf. Die Prüfungen für den Dezember sind der 1. und der 17. Dezember. Meine Tablette gegen meine Vitamin B-12 Anämie nehme ich ein und muss grinsen, da ich recht hatte. Das Vitamin wird schneller verbraucht in stressigen Situationen, auch während der Schwangerschaft und in der Stillzeit.
Der Tag gestern war schön. Es hat sich zum Guten gewendet, weswegen ich Stück für Stück entlastet wurde. Alles hatte seine Zeit, wir haben ganz in Ruhe geredet, ohne irgendeine Hektik. Es ist alles wieder gut. Ich hoffe einfach nur, dass mir nie wieder so etwas passiert. Ich will nie wieder, dass mein Körper so schwach wird. Ich war doch nie so! Es ist schon fast beängstigend, dass mir das passiert ist. Es war das erste Mal, dass ich in Ohnmacht gefallen bin, das erste Mal, dass ich psychisch kaputt war. Es war kein purer Stress, denn bei Stress spielt der Körper anders. Der Körper schüttet einen wahren Hormoncocktail aus, der Organismus beginnt verstärkt Energie in Form von Zucker und Fette zu produzieren, um kurzfristig leistungsfähiger zu sein. Deswegen hat man auch manchmal regelrechte Heißhungerattacken auf Süßes und Fettiges. Bei mir war es ja das komplette Gegenteil: ich war traurig. Ich habe Trauer verspürt, da ich mich von Can getrennt habe. Lange will ich deswegen auch nicht nachdenken. Ich will es vergessen. Ich war schwach und will es nie wieder sein. Mag sein, dass wir uns wieder vertragen haben, doch ich will kein zweites Mal zusammenbrechen, weil mich jemand - durch meine Entscheidung - verlassen hat. Ich habe mich noch nie traurig gefühlt, falls ich mich mit jemanden gestritten habe, noch nie habe ich getrauert, als ich jemanden oder jemand mir die Freundschaft gekündigt hat. Es war mir egal. Es war mir egal, bis ich entschieden habe, dass Can und ich auf Abstand gehen sollten und es ein Fehler war, da ich krank wurde dadurch. Man sollte mich für eine Studie benutzen, um mehr über den Körper bei Trauer und Verlust herauszufinden.

Es klopft an der Tür, weswegen ich mich erschrecke. Can kommt vorsichtig herein und legt seine Tasche ab. "Hast du gegessen?" Ich nicke. "Du?" Auch er nickt. "War es gut?" Er zieht kurz seine Augenbrauen zusammen. "Die Vorlesungen waren wie immer." "Nein, nein. Ich meine das Essen." Nun zieht er wissend seine Augenbrauen hoch, wobei die Hälfte seiner linken Augenbraue nicht ganz nach oben geht. "Es war okay. Das typische Uni-Essen halt." Ich nicke. "Falls du noch Hunger verspürst, wir haben noch was da", flüstere ich und sehe auf meine Beine. "Okay, danke." Er setzt sich auf mein Bett und sieht mich von der Seite an, während ich weiterhin auf meine Beine schaue und mich darüber ärgere, dass sie dünner geworden sind. Es ist zwar kein gravierender Unterschied, jedoch habe ich die Breite meiner Oberschenkel sehr geliebt. Ich war früher sehr dünn und wollte schon immer zunehmen, was mir dann plötzlich in der Neunten gelungen ist. Es war einfach ein Schub, den ich der Pubertät verdanke. "Was ist los?" Er dreht mich zu sich und fährt mir über meinen Handrücken. "Nichts." Ich streiche mir über meine Oberschenkel. Vielleicht wäre ein Trost ja, dass ich deswegen auf am Bauch abgenommen habe. Meinen Bauch hat es mehr getroffen, als meine Beine. "Sicher?" Ich nicke. "Halb so wild." Nach langer Zeit schaue ich mir wieder seine Tätowierungen an und seufze. Ich liebe sie. "Lost", flüstere ich und fahre dabei über seine Finger. Einen Verlust assoziiert Can mit diesem Tattoo. Tiefgründig. Anscheinend hat er es damit verarbeitet. "Möchtest du noch ein Tattoo?" Er verneint. "Bis jetzt bin ich zufrieden." Ich auch. "Sie sind sehr schön." Ich greife nach meiner Wasserflasche und halte sie Can hin, bevor ich aus ihr trinke. "Du erscheinst mir immer noch bedrückt." Ich zucke mit meinen Schultern. "Ein Schein kann trügen." Er kann so echt sein, wie er will. Am Ende ist es nur ein Schein. "Die Betonung liegt auf kann." Ich nicke. "Entweder er trügt oder er trügt nicht." Can nickt. "Bei dir trügt der Schein nicht." Bei seiner Feststellung muss ich schlucken. Can zieht mich langsam mit meinem Schreibtischstuhl näher an sich und hebt mein Kinn an. "Hast du familiäre Probleme?" Ich schüttele meinen Kopf. "Shana, du kannst mir vertrauen." Tief atme ich ein. Vertrauen. Hinter diesem Wort steckt viel Macht und viel Bedeutung. Du weißt nicht, ob jemand dein Vertrauen missbraucht oder dir damit hilft. "Ich ahne nichts Gutes", flüstere ich. "Was meinst du?" Can sieht mich besorgt an. "Es wird schlimmes passieren, Can." Ängstlich schaue ich ihn an. Einen weiteren Zusammenbruch will ich nicht erleben. "Es wird nichts passieren, Shana." Ich schüttele meinen Kopf. "Das kannst du doch nicht wissen, Can." Wehmütig senke ich meinen Blick. Mein Körper füllt sich mit Angst, die ich verdränge. Ich will morgen ohne viel Negativität die Universität besuchen. "Und woher willst du es dann wissen?" Eine berechtigte Frage, auf die ich mit einem Zucken meiner Schultern antworte. "Ich spüre es." Liegt es einfach daran, dass im Januar die ganzen Prüfungen auf mich draufkommen? In den Ferien darf ich das Lernen nicht vergessen, denn das Physikum steht dann vor der Tür.

Ich spüre, wie sich mein Herzschlag beschleunigt. Meine Atmung wird hörbar. Ich mache mir gerade Stress und das ist gar nicht gut. Ich muss aufhören damit! "Shana?" Can sieht mich fragend an. Er bemerkt, dass es mir nicht gut geht. "Hör auf dir unnötig Sorgen zu machen." Ich nicke. "Ich wünschte, es wäre so einfach", flüstere ich. "Wir kriegen das hin." Er nimmt mich in den Arm und sofort beruhigt sich mein Herz und meine Atmung. Mein ganzer Körper entspannt sich und freut sich, Can nah an sich zu haben. "Na sieht du?" Er löst sich von mir und lächelt mich mit seinem hinreißenden Lächeln an. "Geht doch." Er tippt mir auf die Wange, was mich lächeln lässt. "Umarmungen sind soziale Medikamente", murmele ich. "Sie helfen uns, können den Kreislauf regulieren und uns stärken. Umarmungen sind wie Vitamine. Wenn wir sie nicht haben oder nicht kompensieren können, geht es uns schlechter, als anderen. Sie setzen Hormone frei, vor allem Oxytocin. Es wirkt fördernd." Mit einem verträumten Lächeln sieht Can mich an. "Sie sind wirklich effektiv", nuschele ich, da mir Cans Lächeln Herzklopfen bereitet. "Ja, das sind sie." Ich nicke schluckend und sehe auf meinen Tisch. "Wir-, wir sollten etwas lernen. Histologie." Er nickt. "Wo sind wir denn jetzt?" , fragt Can. "Wir sind bei der Haut angelangt." Ich suche mir die Unterlagen raus. "Was weißt du denn darüber?" Ich höre sofort auf und drehe mich zu Can. "Ähm, die Haut, oder auch Cutis genannt, besteht aus der Epidermis - Oberhaut - und der Dermis - Lederhaut. Darunter liegt eine Schicht aus Fettgewebe - Subcutis. Leistenhaut: unbehaarte Haut, die Handteller und Fußsohle bedeckt und dann noch die Felderhaut: Der Rest." Er nickt. Mit den ganzen Unterlagen setze ich mich zu Can aufs Bett und lerne mit ihm. Mit ihm fällt mir das Lernen ungemein leichter und es geht irgendwie schneller in meinen Kopf rein.

Nach einer Stunde beschließen wir Pause zu machen. Es ist schon 19:22 Uhr. "Wann gehst du?" Er zuckt mit seinen Schultern. "Mal sehen, wie weit wir kommen." Er nimmt die Blätter von meinem Schoß runter und fährt mir zärtlich über mein Haar. Diese einfachen Gesten, können mich schmelzen lassen, ist ihm das nicht bewusst? Oder weiß er es und tut es deswegen. "Das Physikum ist schon bald", murmele ich. "Es ist im März, Shana. Wir haben noch Zeit." Am liebsten würde ich alle Prüfungen beiseite schieben und mich nur auf das Physikum vorbereiten. Wenn ich das Physikum bestehe, dann bin ich den vorklinischen Teil los. Ich spiele mit seiner Kette herum und fahre über die Gravurplatte. Schmuck steht ihm total. Ich habe so einige Männer mit Schmuck gesehen - auch hübsche Männer -, jedoch stand es keinem so gut, wie Can. Er könnte wirklich als Model arbeiten, nur wäre es Schade um ihn, da so viele Kollektionen purer Müll sind. Ich verstehe nicht, wie man so etwas kaufen möchte und dafür noch so viel ausgibt. Keiner würde freiwillig so einen Scheiß anziehen. Er könnte ja als Unterwäsche Model arbeiten. Okay, das könnte er wirklich. Ob er es sich schon einmal überlegt hat?

"Was studiert Shevin überhaupt?", frage ich. "Jura." Ich nicke beeindruckt. "Sie hat noch ein Jahr, glaube ich." Er zuckt mit seinen Schultern. "Ist sie schon verheiratet?" Er schüttelt seinen Kopf. "Wird langsam Zeit, sie wird fünfundzwanzig." Ich verdrehe meine Augen. "Hat sie denn schon jemanden?" Er nickt. "Er ist ganz okay." Ich ziehe meine Augenbraue hoch. "Er nimmt mir meine Schwester, als ob ich ihn liebe." Can schnalzt mit seiner Zunge, als wäre es etwas Selbstverständliches. "Also ich bin froh, wenn meine Brüder verheiratet sind", nuschele ich. Diese Trottel haben so viele Beziehungen gehabt, wobei ich mich schon seit Kind auf gefragt habe, wer mit denen freiwillig zusammen sein will. "Und bei Shevin bist du nicht ausgerastet?" Er nickt. "Und wie ich ausgerastet bin. Mag sein, dass sie einige Jahre älter ist, aber ich bin trotzdem ihr Bruder." Da sieht man wieder seine beschützende Art. "Löwe." Ich lächele ihn an. Er ist wahrhaftig ein Löwe; sein Ego, sein Stolz, seine Kraft, alles spricht dafür. "Haben sie schon irgendwie an Heirat gedacht?" Can nickt. "Das Meiste haben wir sogar hinter uns. Gott, sie hat so genervt." Er verdreht seine Augen. "Es geht um ihre Hochzeit", kommt es etwas trotzig von mir. "Ich kann mir vorstellen, dass du alles nachmisst, damit auch alles richtig liegt. Jeder Winkel muss stimmen." Ich schmunzele. "Am liebsten würde ich gar keine Hochzeit feiern." Verdutzt zieht er seine Augenbrauen zusammen. "Ich hasse Hochzeiten." Ich fürchte mich vor dem Tag, an dem ich einen Saal betreten muss. Dieses Feiern ist nichts für mich, auch wenn ich sehr pathetisch sein kann. Man denkt sich das Gegenteil von mir. "Aber da ich - wenn es dazu kommen sollte - es wegen meiner Mutter muss, dann würde ich wirklich alles nachprüfen. Glaube ich zumindest." Wie das dann wohl wäre? Wie es wohl mit Can wäre? Sofort weiten sich meine Augen. An was zur Hölle denke ich da?! Ich sollte meine Gedanke langsam runterschrauben. Sie werden immer durchgedrehter. "Also ich freue mich nur auf die Hochzeitsnacht." Finster funkele ich Can an. "Was?" Ich haue ihn, damit er weiß, was ich davon halte. "Was habe ich jetzt getan?" Wieder haue ich ihn. "Du denkst auch wirklich nur an das Eine! Ich glaube, dein Gehirn ist wirklich in deiner Hose", murre ich zum Schluss. "Dann freue ich mich halt nicht auf die Hochzeitsnacht. Ist Madame jetzt zufrieden?" Ich nicke lächelnd und werde dann an einer Strähne gezogen. "Aber wieso sollte ich mich nicht auf die Hochzeitsnacht freuen? Im Bett mit meiner Frau, da haben wir beide doch etwas." Ich verdrehe meine Augen. "Man erwähnt Heirat und du denkst direkt an die Hochzeitsnacht, dabei konntest du dich schon vor Jahren nicht zügeln." Vielsagend schaue ich ihn an. "Auf meine Hochzeit freue ich mich natürlich auch." Ich nicke augenverdrehend. "Auf deiner Hochzeit wirst du nur deine Augen verdrehen." Ich schmunzele. "Das kann gut möglich sein." Kurz gehe ich in die Küche und komme mit Chips zurück. "Wann hat Shevin vor, zu heiraten?", frage ich. "Ich glaube, nach ihrem Staatsexamen." Mitten im Studium zu heiraten wäre auch ziemlich stressig.

Wir essen schweigend die Chips und schauen dabei - na ja ich schaue dabei - auf die Unterlagen. Da ich keinen Appetit mehr verspüre, lecke ich das Gewürz von meinen Fingern. Ich war nie wirklich der Fan davon, sie mir abschütteln. Konzentriert lese ich, weswegen ich mir beim Ablecken Zeit lasse. "Die Oberhaut hat sieben Schichten", nuschele ich und sehe zu Can hoch. Da mir sein Blick komisch erscheint, lasse ich meinen Daumen los und wische mir den Rest doch lieber ab. Die Tüte lege ich ganz weg und räuspere mich kurz. "Sie ist gefäß- und nervenfrei", nuschele ich. "Aber wieso tut es dann weh, wenn wir und dort verletzen?", frage ich mich und denke kurz nach. "Anscheinend sind die Schichten sehr dünn. Ach ja, die Dermis besitzt ja Nerven und Blutgefäße, hätte ich mir auch denken können." Can lacht leise, weswegen ich ihn fragend ansehe. "Schon gut, es ist lustig dir beim Lernen zuzusehen." Nun ziehe ich meine Augenbrauen zusammen. "Was ist daran so lustig?", will ich wissen. "Du siehst aus wie ein Fisch. Du öffnest und schließt unbewusst deine Lippen, wie ein Fisch." Ich presse meine Lippen aufeinander, um nicht zu lachen. Can tippt mir auf mein Grübchen und schmunzelt. "Mach weiter , du Fisch." Ich nehme das Blatt und setze mich neben ihn, damit er ebenfalls einen Blick auf die Epidermis hat. Nach einer gefühlten Stunde fangen wir an und zu befragen. "Gesundes Epidermis lässt keine Mikroorganismen rein, wegen dem dichten Zellverbund. Deswegen sollte man auch bei Verletzungen die Wunde abdecken und desinfizieren. Das habe ich zwar nie gemacht, aber trotzdem", erzähle ich und kriege von Can ein Nicken, da ich recht habe. Das geht so weiter, bis wir anfangen zu gähnen.

"Kannst du noch?", frage ich Can, der nickt. "Dann lass uns mit der Der-," "Pause, Shana." Ich ziehe meine Augenbrauen zusammen. "Nach zweieinhalb Stunden, gönnt man sich eine kleine Pause. Ist gut für das Gehirn. Durch das exzessive Lernen, lernst du vielleicht schneller, dafür schadest du dir jedoch mehr. Du hast noch einen ganzen Monat Zeit, das alles zu lernen und kannst jetzt schon mehr, als die anderen Kommilitonen, da sie alle faul sind." Seine Worte schmeicheln und beruhigen mich sehr. Seine Stimme, die so tief, rau und zugleich so sanft mit mir redet, lässt meinen Bauch beben. Er lächelt mich sanft an und Gott, dieses Lächeln würde ich mir in mein Zimmer hängen. Es strahlt soviel Ehrlichkeit aus. Es gibt mir Kraft und Mut. Ich nicke und nehme ihn in den Arm. Seine Nähe gibt mir so viel Kraft, wie für manch anderer Essen. "Danke, Can", flüstere ich. Ich lehne mich gegen ihn und schließe seufzend meine Augen, genieße seine Wärme und nehme seinen herben Duft auf. Ich fühle mich auf einmal besser und voller Energie. Vielleicht mache ich doch eine Doktorarbeit über etwas psychologisches oder wie Nähe eine Krankheit heilen kann. Dafür muss ich aber noch recherchieren. Doris wäre sicher jetzt aus dem Häuschen, wenn sie uns so sehen könnte und wer weiß? Vielleicht tut sie es gerade. "Kommst du am Sonntag zu uns?" Ich sehe fragend zu Can. "Malik lädt Saliha ein, du kannst ruhig mitkommen." Sofort lächele ich. "Gerne." Ich lege meinen Kopf auf seine Brust und schließe meine Augen. Berührungen haben so viel schönes an sich. Sie beruhigen einen und vermitteln einem das Gefühl, dass man sich wohl fühlt. Allein durch Berührungen, wie zum Beispiel Umarmungen, kann man nonverbal kommunizieren. Wenn dich einer in den Arm nimmt, weil sich einer von euch freut, will er seine Freude mit einem Teilen. Ist jemand traurig und wird umarmt, will der Andere ihm damit sagen, dass er für einen da ist. Umarmungen sind etwas schönes - ich mag Umarmungen. Wir fangen wieder an zu lernen, wobei hin und wieder Can und mir ein Gähnen entflieht, doch keiner von uns hat die Initiative ergriffen, aufzuhören. Wir machen weiter, bis tief in die Nacht.

"Shana." Ich brumme. "Aufstehen, du Troll." Das kann nie im Leben Ranja oder Saliha sein. Verwirrt öffne ich meine Augen und sehe Can vor mir stehen. Ich liege in meiner Decke eingekuschelt und es ist dunkel. "Wie viel Uhr haben wir?", murmele ich. "07:09 Uhr." Meine Augen weiten sich. "Du warst die ganze Nacht über hier?" Ich richte mich auf und strecke mich, während Can nickt. "Gott, konntest du gut schlafen? Wo hast du überhaupt geschlafen?" Etwas verlegen zeigt er auf mein Bett. Wir haben zusammen geschlafen. "Ouh, und du hattest genügend Platz?" Er schwingt seinen Kopf leicht hin und her. "Es war okay." Waren wir auch zusammen unter der Decke? "Hattest du genügend Decke?", nuschele ich beschämt. "Ja." Er lächelt und hält mir seine Hand hin. Ich habe mit ihm in meinem Bett geschlafen. "Komm, das Frühstück steht bereit." Mit einem beschleunigten Herzschlag nehme ich seine Hand und folge ihm in die Küche. Ranja und Saliha bemerken meine Präsenz und fangen krankhaft an zu grinsen. Das hat mir noch gefehlt. "Gut geschlafen?", fragt Ranja und verkneift sich ein prusten. "Natürlich, sie strahlt förmlich", sagt Saliha und fängt mit Ranja an zu lachen. Peinlich berührt halte ich mir meine Hand vor mein Gesicht und schüttele den Kopf. "Ignoriere sie, bitte." Ich schaue beschämt zu Can hoch, der mich anschmunzelt und nickt. "Shana, dein Kommilitone kann besser als du kochen." Kommilitone betont Ranja extra provokant und grinst. "Ich weiß, er kann besser, als wir alle drei zusammen kochen", seufze ich. Wir setzen uns hin und fangen in Ruhe an zu frühstücken. Natürlich spüre ich die Blicke meiner Freundinnen auf mir. "Leute", mahne ich sie. "Was denn? Wir wundern uns nur", sagt Saliha und versucht neutral zu klingen. Ich weiß aber, dass in ihrem und in Ranjas Kopf die perversesten Dinge vor sich gehen. "Ja, ich wundere mich auch, wieso du letztens um 01:00 Uhr Mitternachts nach Hause gekommen bist. Zufälligerweise, war Malik an diesem Tag auch nicht zu Hause." Vielsagend schaue ich Saliha an, die anfängt zu husten. Ranja klopft ihr mit einem dreckigen Grinsen auf den Rücken. "Du bist so eine Bitch", hustet Saliha, die knallrot angelaufen ist. Ich schiele kurz zu Can, der das Ganze schmunzelnd mitverfolgt und seelenruhig frühstückt. "Shana, du hast ja jetzt zwei Mitfahrgelegenheiten." Ranja wackelt grinsend mit ihren Augenbrauen. "Ich fahre mit Can, um meine Nerven nicht weiter strapazieren zulassen." Zynisch lächele ich Ranja an, die schelmisch weiter isst. "Du bist bald fertig mit deinem Studium, nicht wahr?", frage ich Ranja. "Ja, ich glaube ich mache ein Praktikum. Dieses Gesundheitswesen ist zwar interessant, aber-, keine Ahnung, ich habe meine Meinung letztens geändert. Das Studium mache ich zu Ende und dann fange ich im Büro an." Ich ziehe meine Augenbrauen hoch. "Okay", murmele ich. Hoffentlich passiert mir das nicht, dass ich plötzlich das Interesse an der Medizin verliere.

Als ich schließlich im Auto von Can lande, fahren wir los. Das Frühstück war mehr als peinlich und ich weiß ganz genau, dass ich heute mit Fragen beworfen werde. Sie werden mir so dreckige Fragen stellen, dass ich mich fragen werde, an was sie den ganzen Tag denken. "Interessant, wie sie so ticken." Ich hebe leicht verzweifelt meinen Kopf an. "Can", flehe ich, was ihn schmunzeln lässt. "Ich sag ja nur", lacht er. "Es kommt ja schließlich - hoffentlich - nicht oft vor, dass jemand bei dir übernachtet." Ich brumme. "Das erste Mal." Es wäre auch komisch für mich, wenn Can nicht der Erste gewesen wäre. "Das höre ich gerne", säuselt er. "Geht es dir denn auch besser? Hast du die Tabletten eingenommen?" Ich bestätige es ihm. Seine Sorge um mich finde ich total süß. Es schmeichelt mir regelrecht. Vielleicht wird doch nichts Schlechtes passieren. Vielleicht bilde ich es mir ja nur ein.

Aber nur vielleicht.

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