Kapitel 1
"Okay, da wären wir. Sperr dann wieder zu wenn ihr fertig seid. Ich geh jetzt mit Markus raus, Eine rauchen", mit diesen Worten schloss Julian die Tür der Zelle Nummer 13 für seinen Kollegen Peter Meter auf und drückte ihm den Schlüsselbund in die Hand.
Die Insassin der Zelle befand sich erst seit wenigen Minuten dort: Marie Loosink, 33 Jahre alt, die frisch verhaftete Hauptverdächtige im Fall des Mordes an Christoph Baum, der am vergangenen Sonntag geschehen war - der erste Mordfall, an dem Julian mitermittelte und die erste Verdächtige, an deren Verhaftung Julian beteiligt gewesen war - und zufällig auch Peters Exfreundin. Jetzt, wo herausgekommen war dass sie höchstwahrscheinlich in einen Mordfall verwickelt war, wollte Peter natürlich mit ihr reden und sie fragen, was zur Hölle das sollte.
Julian bezweifelte, dass was gutes dabei rauskommen würde - man sah Peter an dass ihm die ganze Sache ziemlich auf die Psyche ging. Das war auch der Grund warum Julian und sein Chef, Inspektor Lilligmousky, ihn nicht auf den Verhaftungseinsatz mitgenommen hatten, obwohl er ebenfalls an diesem Fall ermittelte. Der Inspektor überlegte sogar, den Fall gänzlich an jemand anderen zu übergeben, der nicht emotional involviert war. Denn Peter und Emotionen, das war keine gute Kombi - vor allem wenn er wütend war, verlor er in nullkommanichts die Kontrolle.
Außerdem hatte Julian den leisen Verdacht, dass Peter noch nicht über Marie hinweg war... hoffentlich würde er keine Dummheiten machen!
Peter betrat die Gefängniszelle, und Julian drehte sich weg, im Versuch einen Gedanken zu verdrängen der ihm gerade gekommen war.
Dann machte er sich auf den Weg, um seinen Kollegen und Kumpel Markus, der für die Videoüberwachung zuständig war, aus seinem Büro abzuholen. Julian hatte schon eine nervenauftreibende Verhaftung hinter sich, und Markus hatte den ganzen Tag vor einem Bildschirm gehockt - sie hatten sich beide eine Pause verdient.
Julian klopfte an Markus' Bürotür. "Herein!", ertönte eine gelangweilte Stimme von drinnen. Er betrat den Raum. Markus lümmelte auf seinem Stuhl, die Beine auf den Schreibtisch hochgelegt, kaute Kaugummi und daddelte mit seinem Handy. Den Überwachungsbildschirmen, die über den gesamten Tisch verteilt waren und allesamt leere Gänge zeigten, schenkte er keine Beachtung.
"Ah, Julian!", als er den Raum betrat, erhob sich Markus von seinem Stuhl, "Wurde ja auch Zeit, Kleiner!"
Julian unterdrückte ein Augenverdrehen. Er war einen Kopf größer als Markus, aber dieser hatte einfach einen kaputten Humor und nannte ihn ständig 'Kleiner'.
Markus zog eine Schublade an seinem Schreibtisch auf, holte eine Packung Zigarretten heraus, spuckte den Kaugummi in den Mülleimer neben der Tür und die beiden Männer machten sich auf den Weg nach draußen.
Auf dem Parkplatz des Polizeigeländes gab es nicht sonderlich viel zu sehen. Wie ein großer dunkelgrauer Klotz hob sich das Hauptgebäude gegen den wolkenverhangenen Himmel ab, daneben ein etwas kleinerer grauer Klotz, das Gefängnis, aus dem sie gerade gekommen waren. Man hätte es für ein Schwarz-Weiß-Foto halten können, wären da nicht noch die Autos der Mitarbeiter, die über den mit halb geschmolzener Schnee-Dreck-Pampe bedeckten Parkplatz verteilt herumstanden, und Markus in seinem grünen Anorak gewesen.
Die Männer lehnten sich in einer kleinen Nische an die Wand, Markus holte eine Streichholzschachtel aus seiner Tasche, entzündete zwei Kippen und reichte eine davon Julian. Dann nahm er einen genüsslichen Zug von seiner eigenen.
"Und, wie lief dein Tag? Bei mir ist mal wieder überhaupt GAR nix passiert, keine Ahnung wieso die mich überhaupt hier brauchen, die könnten ihre scheiß Bildschirme genauso gut sich selbst überlassen, hier passiert ja eh nix!", Markus ließ einen vernichtenden Blick über den Parkplatz schweifen. Er hatte Julian einmal erzählt, dass er auch Polizist hatte werden wollen, aber sein Abschluss nicht gereicht hatte. Über Bekannte war er schließlich wenigstens an einen Job auf der Wache gekommen - und als Videoüberwachungs-Zuständiger im Gefängnis geendet. Er langweilte sich halb tot und hatte meistens schreckliche Laune, wenn Julian ihm von seiner Arbeit berichtete.
Was ihn ein wenig aufheiterte, war über die Mitarbeiter zu tratschen: Kommissar Huber, der ständig mit irgendjemandem Streit anfing, Yara Kaifi, die erst vor wenigen Wochen aus Berlin hergezogen war, viermal die Woche ins Gym ging und vor der alle ein wenig Angst hatten, Peter Meter mit seinen ewigen Beziehungsproblemen...
"Alsooo, wir haben Peters Ex verhaftet...", begann Julian zu erzählen. Markus blickte auf und zog die Augenbrauen hoch. "Peters Ex?"
"Jupp", nickte Julian, "Es gab ein paar Beweise, die dafür sprechen dass sie Chris Baum ermordet haben könnte. Wir haben sie heute Früh in Haft genommen und am Nachmittag soll ein Verhör stattfinden. Aber vorher wollte Peter noch mal mit ihr reden, ich hab ihn eben in ihre Zelle gebracht..." "Du hast ihn in die Zelle seiner Ex gebracht?", Markus redete mit übertrieben dramatischer Stimme und wackelte anzüglich mit den Augenbrauen "Julian! Wie konntest du nur? Am Ende machen sie da drin herum und danach lässt er sie frei!"
Julian kicherte: "Selber Gedanke, Mann!" markus zog schweigend an seiner Zigarette, mit einem Gesichtsausdruck aus dem sich nicht schließen ließ ob das eben als Witz gemeint gewesen war oder nicht.
"Nee, das Wetter ist aber echt scheiße oder?", machte Julian nach ein paar Schweigesekunden den Versuch, das Gespräch wieder aufleben zu lassen. Markus brummte zustimmend. "Gestern hats ja noch geschneit, das war schön, aber jetzt...", fuhr Julian fort und machte eine ausschweifende Bewegung über den nasskalten, matschigen Parkplatz, als sich plötzlich zwei Personen in sein Blickfeld schoben.
Peter und Marie. Hand in Hand.
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