Ch. 65 ➳ Mum
Harry POV
Nachdem wir Louis' Geburtstag noch gut haben ausklingen lassen und uns für den 25. Abends mit unseren Freunden verabredet hatten, schaffte es Louis tatsächlich, mich dazu zu überreden, meine Mutter in der Psychiatrischen Einrichtung besuchen zu gehen.
Bisher hatte ich es oft geschafft, diesen Fakt ganz nach Hinten zu verdrängen und lediglich daran gedacht, wenn Louis mir erzählte, dass er sich besuchen gegangen war. Das jedoch bisher nur drei Mal, da er lediglich einmal im Monat bei ihr vorbei schaute und ihr von Teddy und mir erzählte. Dies bewies mir nur einmal mehr, was für ein toller Mensch er war und das ich mir nichts anderes in meinem Leben wünschen wollte, als ihn.
Bei der Fahrt zur Einrichtung war ich sehr nervös, da ich mich selbst nicht so ganz einschätzen konnte. Ich wusste nicht, wie ich reagieren würde, sobald ich diese Frau wiedersehen würde. Ich hatte mich immer um sie gekümmert, sie lieb gehabt und dafür gesorgt, dass es ihr so gut ging wie es irgendwie nur möglich war. Ich habe den Job übernehmen müssen, den sie sich als Mutter freiwillig ausgesucht hatte und ich nicht. Natürlich wäre ich als Bruder auch für Teddy da gewesen und hätte geholfen, aber definitiv nicht in dem Maße, indem es letztendlich der Fall war. Außerdem hatte sie uns beide, natürlich mehr Teddy, mit ihrem Verhalten in Gefahr gebracht und ich hätte ihr niemals verzeihen können, wenn meinem kleinen Bruder etwas wegen ihr passiert wäre.
Und trotzdem, liebte ich sie. Das war der Grund gewesen, weswegen ich sie vor möglichen Konsequenzen hatte beschützen wollen und ich auf Louis' warten musste, der mir dann endlich die Augen geöffnet hat und mir auf liebevolle Weise bewies, dass dies nicht mein Leben sein sollte und das ich meiner Mutter so nicht helfen kann. Und ja, natürlich hatte er Recht gehabt, aber die Angst davor, was im Ungewohnten auf Teddy und mich Wartete, war einfach noch gruseliger gewesen als unsere sowieso schon abgefuckte Realität.
"Sie ist wirklich eine tolle Frau", Louis' Stimme holte mich aus meinen tiefen Gedanken und seine Hand schnappte nach meiner, die unruhig auf meinem Oberschenkel herum geklopft hatte. "Man merkt ihr an, wie schwer es ihr fällt, dass sie keinen Kontakt zu euch beiden hat und glaub mir, sie möchte das wirklich wieder geradebiegen."
"Ich weiß. Ich..", ich seufzte und drückte die Hand meines Freundes fester, ehe ich meine Augen schloss. "Ich weiß nur nicht wirklich, wie ich mich fühlen soll. Wieso ich jetzt erst komme.. Wenn sie mir Fragen stellt, wo ich nicht weiß, ob sie schon bereit dafür ist, die Antwort zu hören. Ob ich mich zusammenreißen kann, sobald ich sie vor mir sehe.."
Mein Herz raste, bei all den Empfindungen die ich gerade hatte und ich nahm tief Luft, während mein Freund mir gut zuredete und mir dabei versuchte zu erklären, was er durch Gespräche mit Ärzten und meiner Mutter selbst, in den letzten Monaten herausfinden konnte. Das brachte mich zwar tatsächlich etwas runter, linderte aber nicht die Angst, die ich vor meiner eigenen Reaktion hatte.
Deswegen war ich auch immer noch sehr angespannt, als Louis das Auto vor der Klinik parkte und ich noch eine halbe Minute brauchte, bevor ich ebenfalls aus dem Auto steigen und den Blumenstrauß vom Rücksitz holen konnte, den Louis und ich eben noch schnell gekauft hatten. Ich hatte nicht wirklich ein Weihnachtsgeschenk für sie, außer ein Bild, welches Teddy für sie gemalt hatte. Der kleine Mann wollte tatsächlich am liebsten mitkommen und unsere Mutter besuchen, aber ich hatte ihn damit rumgekriegt, dass er doch mit den Zwillingen Weihnachten feiern wollte und natürlich, hatte er da zugestimmt. Immerhin waren die letzten Weihnachten ja auch nicht besonders aufregend und toll gewesen.
"Guten Tag, wir sind hier um Anne Styles einen Besuch abzustatten", lächelte Louis und die Frau an der Rezeption fragte nach unseren Ausweisen, welche wir ihr natürlich sofort Bereitstellten und dann bekamen wir ein Buch, welches die Besucher archivierte.
Die Frau lächelte mich an und schien sichtlich erfreut darüber, dass ich gekommen war, da meine Mutter wohl schon des öfteren nach mir gefragt hatte und es ihr bestimmt gut tun würde, ein wenig Familie und soziale Kontakte um sich zu haben. Ich konnte darauf nicht wirklich was erwidern und lächelte einfach nur gequält zurück, bis Louis und ich in einen Gemeinschaftsraum geführt wurden, welcher erstaunlich offen und freundlich wirkte.
Es dauerte nicht wirklich lange, bis ich meine Mutter an einem Tisch mit drei anderen Frauen sitzen sah, welche zusammen Scrabble spielten. Dieses Bild ließ mich tatsächlich kurz lächeln, da meine Mutter und ich dieses Spiel damals so oft und in den verschiedensten Varianten gespielt hatten, dass es meinem Vater fast aus den Ohren herausgekommen war. Und das, obwohl er es nicht mal gespielt hat.
"Sie hat das Spiel damals geliebt", sagte ich leise und spürte Louis' Lippen, die einen kurzen Kuss auf meinen Oberarm drückten.
"Anscheinend liebt sie es immer noch", seine Stimme war ebenfalls gesenkt und er sah mich mit einem lächeln an, "Sollen wir sie überraschen? Was meinst du?"
Ich nickte als Antwort und wir machten die nächsten Schritte auf den vollen Vierertisch zu, als ein lachen ertönte und dann ein Freudenschrei, bevor sich die bekannten grünen Augen zu mir umdrehten und sofort größer wurden.
"Oh mein Gott", hauchte sie überfordert und schlug sich die Hand vor den Mund, bevor sie von ihrem Stuhl aufsprang und mich sofort in ihre Arme zog, während sie diese drei Worte wie ein Mantra vor sich her sagte.
Es war ungewohnt, sie wieder in meinen Armen zu halten. Sie zu fühlen und ihren Duft einzuatmen, der plötzlich wieder so vertraut wirkte, weil er nicht von Alkohol oder sonstigen Sachen übertrumpft wurde. Es war meine Mutter, die dort in meinen Armen lag und ihren Tränen auf meinen Schultern freien Lauf ließ, während ich mich dazu aufraffte und sie fester an mich drückte.
Wir standen wohl für eine ganze Weile so da, weswegen ich nach einer Zeit eine Hand auf meinem Rücken fühlte, die sofort ein Kribbeln durch meinen Körper schoss, weswegen ich mich langsam von meiner Mutter löste und zu meinem Freund sah, bevor ich der Schwarzhaarigen Frau die Tränen von der Wange wischte.
Sie sah müde aus, aber trotzdem wach. Krank und.. Gesund. Ich konnte mich selbst nicht so ganz entscheiden, aber auf jeden Fall, sah sie wieder mehr wie meine Mutter aus. Wie die Person, die mich damals mehr geliebt hatte, als alles andere auf dieser Welt.
"Hey Mum", meine Lippen formten ein leichtes lächeln, als in ihren Augen wieder Tränen erschienen, die dieses Mal jedoch nicht den Weg über ihre Wangen fanden.
"Du siehst so.. anders aus. Ich hab dich so vermisst Hazza", sie fuhr mir durch meine Locken und griff dann nach meiner Hand, um diese fest zu drücken, bevor ihr Blick zum ersten Mal zu meinem Nebenmann fuhr und ihr lächeln noch ein Stück größer wurde. "Hey Louis, es freut mich wirklich, dich hier zu sehen."
Auch mein Freund wurde von ihr noch kurz in den Arm genommen, das jedoch, ohne meine Hand loszulassen und für einen Moment schien es so, als hätte sie Angst, dass ich jeden Moment verschwinden könnte und nicht wiederkomme. Übel nehmen konnte ich es ihr nicht, immerhin war sie seit vier Monaten hier und ich hatte sie bisher nicht ein einziges Mal besucht. Sie war viel alleine gewesen und wenn ich sie mir jetzt so ansah, fühlte ich mich schlecht. Ich hätte hier sein sollen.
Sie führte uns in den Wintergarten, der gerade so gut wie gar nicht besetzt war und wir fanden uns auf einer niedlichen Sitzecke wieder. Meine Mutter schnappte sich sofort ein Kissen und hielt es sich beschützerisch vor die Brust, während Louis und ich vor ihr Platz nahmen und die Hand meines Freundes, in meine fand. In diesem Moment, erinnerte sie mich ein wenig an Teddy, welcher sich ebenfalls den Elefanten an die Brust drückte, jedes Mal, wenn er Unsicher war oder Angst vor etwas hatte. Diese Gemeinsamkeit zu sehen, ließ mich lächeln und plötzlich verstand ich gar nicht mehr, wieso ich im Auto geglaubt hatte, wütend auf sie zu sein. Ja, enttäuscht ein wenig, aber für mich war mein Vater immer noch der wahre Übeltäter.
"Wie geht es dir?", fragte sie mich vorsichtig und ich zeigte ihr mit einem lächeln, dass sie keine Angst haben sollte, weswegen der Griff um das Kissen etwas lockerer wurde.
"Mir geht es gut. Ich habe es tatsächlich nach Cambridge geschafft und Des finanziert mir das Studium. Zumindest bisher, ich habe mir fest vorgenommen, ihm das im Laufe der Jahre zurückzuzahlen", erklärte ich die letzten Monate ganz grob und vermied es bewusst, Des meinen Vater zu nennen, auch wenn ich nicht wirklich einschätzen konnte, was sie jetzt mehr triggern könnte.
"Das klingt toll, ich bin so unglaublich stolz auf dich. Das wolltest du immer und jetzt hast du es tatsächlich geschafft." Das mütterliche lächeln auf ihren Lippen ließ mich stolz fühlen und ich drückte Louis einen Kuss auf die Schläfe, welcher sich nun dichter an mich lehnte und mir somit noch mehr Komfort überbrachte. "Ihr wohnt jetzt also alle bei deinem Vater?"
"Bei ihm und seiner Frau, ja. Naja, teilweise. Teddy wohnt dort und ich lebe unter der Woche in einer WG nahe der Universität, damit ich morgens und nachmittags nicht immer den langen Weg mit Bus oder Bahn bewältigen muss. Ich habe aber auch schon damit angefangen, den Führerschein zu machen, vielleicht bleibe ich dann mal etwas länger und kann dann auch öfter hier her kommen." Bei dem letzten Satz, wandte ich mich an Louis, welcher mich nun anstrahlte und dann einmal küsste, bevor ich wieder zu meiner Mutter sah, welche uns beide grinsend beobachtet hatte. "Und wie geht es dir? Wie läuft die Therapie?"
"Schleppend", antwortete sie nach einem traurigen, langen Seufzer und umfasste das Kissen wieder mehr, als sie durch die großen Glaswände nach draußen blickte. "Die Ärzte meinten, ich befinde mich gerade in der sogenannten 'Entzugsphase', nachdem ich die 'Crash-Phase' hinter mich gebracht habe. Ich bin hier ganz schön zusammengebrochen, ich möchte wirklich nichts verschönern und war sehr Müde und Depressiv. Hauptsächlich wurde ich von Selbstzweifeln und Schlafstörungen geprägt und natürlich weiß ich, dass ich mir das alles selbst eingebrockt habe, aber es war trotzdem verdammt hart und einfacher wird es leider nicht."
Mein Herz tat weh, als ich daran dachte, wie meine Mutter auf dem Boden zusammenbrach und sich womöglich in den Schlaf weinte. Ich hatte das Glück gehabt, dass in meiner Anfangszeit zumindest Louis immer da gewesen war, um mir beizustehen und mich in den Arm zu nehmen, sobald ich das gebraucht hatte; sie war ganz alleine gewesen. Keiner war hier, um sie zu unterstützen und gerade jetzt, hasste ich mich unglaublich dafür.
"Es tut mir leid, dass ich nicht gekommen bin."
Ihr Blick wurde weicher und sie ließ das Kissen los, um über den kleinen Tisch nach meiner Hand zu greifen. Diese überließ ich ihr nur zu gerne und genoss die Art und Weise, wie sie mir beruhigend über den Handrücken strich, um mir zu vergewissern, dass es okay war und sie es Verstehen konnte. Das würde trotzdem nichts an meinen Vorwürfen ändern.
"Momentan bin ich wieder dabei, starkes Verlangen nach dem Kokain zu verspüren und nehme außerdem Antidepressiva gegen meine stark ausgeprägten Depressionen ein. Natürlich gibt es noch fünf Mal die Woche Therapie, wobei man mich meistens dazu zwingen muss, da mir der Antrieb dafür komplett fehlt", erklärte sie weiter und schien dabei nicht halb so betroffen von der ganzen Sache zu sein, wie ich mich gerade fühlte.
"Wie lange musst du noch hier bleiben?", fragte Louis nun und ließ mich dafür für ein paar Sekunden den Blick von meiner Mutter abwenden.
"Sie wissen es nicht genau. Ich muss noch die 'Löschungsphase' überwinden, welche hauptsächlich von Albträumen um und mit Drogen zu tun hat und trotzdem wird es ein immer währender Prozess bleiben. Auch danach muss ich noch weiterhin einen Psychologen besuchen und hin und wieder zur Kontrolle, da die Rückfallquote verdammt hoch ist." Sie lächelte wieder vorsichtig, tat das alles einfacher ab, als ich es mir vorstellte, weswegen ich seufzte.
"Ich werde dich auf jeden Fall ab jetzt unterstützen. Ich weiß, dass du das schaffen kannst."
Wir hatten uns noch ein wenig über die Einrichtung, Freunde und Ärzte unterhalten, bevor Louis und ich aufbrechen mussten, damit wir zu seiner kleinen Party fahren konnten, die unsere Truppe für ihn veranstaltete. Es fiel mir schwer, zu gehen, da ich das Gefühl hatte, so viel mit ihr nachholen zu müssen; gerade, weil ich seit einer Ewigkeit nicht mehr so normal und vernünftig mit ihr hatte reden können. Aber Hoffnung kam in mir auf, als ich daran dachte, dass es nun so bleiben würde und noch besser, konnte es auch nur Louis machen, der mir einen langen Kuss gab, sobald wir die Klinik verließen und mich dann aufrichtig ansah, um mir die nächsten Worte ehrlich ins Gesicht zu sagen.
"Ich bin so stolz auf dich."
[...]
Langes Kapitel mit klärendem Gespräch. War gut, Harry und seine mum mal so zu sehen, oder? Glaubt ihr, dass sie es schaffen wird?
Lots of love ❤️
xoxo Michelle
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