5 - eiskalt
,Niemand ist ohne Grund eiskalt zu dir. Du musst nur hinter die Fassade schauen.'
...
Mein Herz schlägt mir bis in den Hals hoch und meine Adern fühlen sich so an, als wären Sie gefroren. Der Blick von dem Mann jagt mir einen kalten Schauer über den Rücken und ich presse Noah noch näher an mich.
„Wie schüchtern, ist das nicht süß?", fragt er in die Runde mit einem fiesen Lächeln auf dem Gesicht.
Panisch schaue ich ihn an und meine Augen fangen an Louis zu suchen, jedoch finde ich ihn nicht. Ich schiele seitlich rechts rüber und sehe nur noch kurz einen Fuß, der hinter einer weiteren Kiste verschwindet.
Er hat es geschafft, er wurde nicht gesehen und versucht sich zu verstecken. Ich freue mich für ihn, aber andererseits heißt das, dass wir jetzt auf uns alleine gestellt sind und das macht mir Angst.
Bevor ich etwas sagen kann, packt mich der Mann am Arm und zieht mich nach oben in so einer Schnelligkeit, dass ich kurz aufschreie.
Es herrscht eine angespannte Stille zwischen uns und als ich Noah zu mir ziehen will, schlägt er meinen Arm weg und gibt mir anschließend einen Tritt in den Bauch, sodass ich auf dem harten Boden lande.
Keuchend rapple ich mich wieder auf und habe kurz das Gefühl, nicht mehr Atmen zu können.
„Nick, was hast du dazu zu sagen?", schreit er durch den Gang des Zuges.
Der Mann, der uns vorher fast hat sterben lassen, tritt durch die Türe und erst jetzt kann ich wirklich wahrnehmen, wie er aussieht. Einzelne Strähnen seiner braunen Haare fallen vereinzelt auf seine Stirn und er ist ziemlich gut gebaut. Seine Lippe ist jedoch aufgeplatzt, wahrscheinlich von dem Schlag vorhin.
„Was soll ich schon großartig dazu sagen?", erwidert er und schaut weiter starr nach vorne. Wie kann ihn das so wenig interessieren?
Ich schaue besorgt zu Noah rüber, der hoffentlich nicht auf die Idee kommt zu mir zu rennen, denn so bekomme vielleicht vorerst nur ich die Schläge ab.
Der muskulöse Mann geht zu Nick und legt ihm einen Arm um die Schulter.
„Also, was machen wir mit ihnen?", fragt er ihn.
„Ich weiß nicht Boss, dass entscheidest du", antwortet Nick. Der Boss also? Kein Wunder, es kam schon so rüber, als hätte er das Sagen hier.
„Deinetwegen muss ich hier gerade meine wertvolle Zeit investieren und du bist schließlich schuld daran, dass sie überhaupt noch hier sind", meint der Boss.
„Du weißt, was zu tun ist", ergänzt er, als Nick ihn fragend anschaut.
Ich stehe hier einfach nur hilflos da und kann mich nicht bewegen, da ich wirklich Angst habe, das Falsche zu machen oder zu sagen.
„Du da, komm mal hier rüber", sagt der Boss auf einmal und ich runzle meine Stirn.
„Ja, ich meine schon dich, komm her", fügt er hinzu.
„Hey, das heißt bitte!", ruft auf einmal mein Bruder von der Seite und ich zucke zusammen.
„Was heißt bitte?", antwortet der Boss belustigt.
„Es heißt, komm her bitte", sagt Noah. „Das Zauberwort", fügt er hinzu.
Tränen steigen in meine Augen, als er das sagt, denn er ist einfach nur ein Kind. Sowas hat er nicht verdient.
Ich hatte gehofft, bei dem Boss wenigstens einen Funken von Mitleid zu spüren, aber das ist nicht der Fall.
Nick schaut uns auch ganz normal an, jedoch ist seine Stirn in Falten gelegt, als würde er nachdenken.
Als sich die beiden Männer kurz anschauen ergreife ich meine Chance, renne zu Noah und schnappe ihn mir, bevor sie ihm etwas antun können.
Ich nehme ihn auf meinen Arm und flüstere ihm ins Ohr, dass er jetzt bitte nichts mehr sagen soll und komme den beiden ein Stück näher.
Nick krempelt seine Ärmel hoch und erst jetzt realisiere ich, dass sie eine grüne Militärs Uniform tragen.
Wieso zur Hölle tragen sie eine Uniform und wollen dann, dass wir sterben?
Es schwirren gerade so viele Fragen in meinem Kopf herum, aber ich will hier einfach nur noch raus.
Langsam kommt er auf uns zu und der Boss grinst wieder, als wären wir eine Art Spiel für ihn.
Nick steht jetzt genau vor uns und ich schaue ihm in die Augen, aber ich kann ihnen nichts ablesen.
Er ist unberechenbar mit seinem eiskalten Ausdruck im Gesicht.
„Bitte tu uns nichts, wir sind noch Kinder", flüstere ich.
Er packt mich an der Schulter und schubst mich ein Stück zurück, sodass Noah mir aus den Armen fällt.
„Bitte, stopp! Was für ein Mensch bist du, dass du so etwas tust?", weine ich.
Kurz lässt ihn das Innehalten, aber er schubst mich nochmal so stark, dass ich zu Boden falle.
Ich bin enttäuscht. Enttäuscht von der Menschheit.
„Was zur Hölle tust du denn da Nick, soll das ein Witz sein oder brauchst du eine Erinnerung, wie man jemanden eine reinhaut?", lacht der Boss.
„Ich mach das schon", erwidert Nick und schmeißt mich erneut zu Boden, als ich gerade aufstehen wollte.
„Also ganz ehrlich, ich mach das einfach selber", ruft der Boss, zieht Harry nach hinten und bevor ich etwas machen konnte, sehe ich eine Faust auf mein Gesicht zukommen und mir wird sofort schwarz vor Augen. Mein Kiefer fühlt sich so an, als würde jeder einzelne Zahn herausfallen und als ich mir an die Nase fasse, keuche ich vor Schmerz. Auf meinen Händen befindet sich jetzt Blut, mein Kopf dröhnt und im Hintergrund höre ich Noah schreien.
Das ist alles der reinste Alptraum.
Als ich wieder einigermaßen sehen kann, muss ich entsetzt feststellen, dass Nick immer noch total desinteressiert schaut und ich frage mich wirklich, wie man so herzlos sein kann.
„Wars das schon? Ich hab noch nicht mal fest zugeschlagen, du solltest mal meinen Kinnhacken sehen", lacht der Boss.
„Oh, ne sorry, du solltest ihn erleben", fügt er hinzu und ich rapple mich so schnell es geht wieder auf, aber komme nicht weit.
Ich sehe nur, wie er wieder ausholt und bereite mich schon auf das Schlimmste vor.
„Stopp!", schreit jemand. „Hören Sie auf, das sind Kinder verdammte scheiße!"
Es ist Louis. Er schiebt gerade einige Kisten vor sich weg und kommt aus seinem Versteck gekrochen. Oh nein, das hätte er nicht tun sollen.
„Hah! Dieser Zug hier steckt voller Überraschungen! Was glaubst du eigentlich, wer du bist?", sagt der Boss und geht auf ihn zu.
Er holt aus und Louis versucht sich zu wehren, aber der Boss schlägt so fest zu, dass ich sogar meine, etwas knacken gehört zu haben.
Also wenn so ein Kinnhaken aussieht, dann will ich ihn nicht erleben.
Auch Nick sieht überrascht aus und fährt sich wahrscheinlich vor Nervosität durch die Haare. Er schaut auf einmal zu mir und ich flehe ihn mit meinem Blick an, etwas zu unternehmen.
Komischerweise hält er den Augenkontakt und ich ziehe Noah wieder in meine Arme, in der Hoffnung, dass das etwas bringt.
„Bitte", flüstere ich ihm zu und schluchze.
Der Boss kommt wieder mit langen Schritten auf mich zu und ich traue mich nicht, etwas zu sagen.
„So jetzt bist du dran kleiner", sagt er zu Noah, reißt ihn mir aus den Armen, hebt ihn weit über seinen Kopf und lacht wieder.
Ich schreie auf, schlage mir die Hand vor den Mund und boxe dem Boss so hart es geht in den Magen, aber er rührt sich nicht einmal vom Fleck.
Oh nein, das hätte ich nicht tun dürfen. Er fängt immer schneller an zu atmen und wird wütender.
„Ey Marcus, ich kümmer mich um sie, du brauchst deine Zeit nicht weiter zu verschwenden", ruft auf einmal Nick und ein kleiner Funke Hoffnung breitet sich in mir aus.
Ich wundere mich, wer Marcus ist, aber als sich der Boss umdreht, wird es mir klar.
„Na dann, sie gehören dir", sagt er und setzt Noah wieder auf den Boden ab. Gott sei Dank.
„Mach es qualvoll", meint er noch und mir läuft ein eiskalter Schauer über den Rücken.
Nick geht auf Louis zu, zieht in zu sich hoch und haut ihm dann wieder eine rein.
Was zur Hölle?
„Das war schon mal nicht schlecht Nick, aber kümmer dich um sie", redet Marcus weiter und betont seine letzten Worte.
Nick schaut ihn an und greift zu seiner Tasche, in der eine Waffe steckt.
Erst als ich die Pistole in seinen Händen sehe, macht es Klick in meinem Kopf und ich verstehe, dass er mit ‚kümmer dich um sie', töten meint.
Nick zieht Louis am Bein mit zu uns, da er sich nicht mehr bewegen kann und sagt: „Na los, ab zur Wand mit euch."
Ich folge seinem Befehl und stelle mich mit Noah an die Seite des Zuges, während ich vor schluchzen kaum noch atmen kann.
Panisch drehe ich mich um und versuche einen anderen Weg hier raus zu finden.
Alles, was mir einfällt, ist zu rennen und genau das tue ich auch.
Ich nehme Noah an die Hand, renne so schnell es geht zur Zugtür, aber ein muskulöser Arm packt mich an der Hüfte und zieht mich zurück.
Nicks Gesicht ist jetzt nur noch wenige Zentimeter weg von meinem und ich sehe die Schweißperlen auf seiner Stirn. Irgendein Problem scheint er mit dieser Situation zu haben.
Ich versuche ein paar Schritte zurück zu gehen, jedoch stoße ich an der Wand an.
Ich schaue ihm tief in die Augen und flehe in ein letztes Mal an:
„Bitte, tu das nicht. Was für ein Mensch bist du, dass du so etwas machst?"
Er schaut mich noch kurz an und ich könnte schwören eine Art Zögern in seiner Bewegung gespürt zu haben, aber alles was er dann sagt ist:
„Marcus, willst du dir wirklich ihr ewiges Gejammer noch weiter anhören?"
Nick lacht, aber es sieht sehr gezwungen aus.
„Nein, da hast du recht, sorg nur dafür, dass du sie danach aus dem Zug wirfst, wir brauchen hier keine Leichen", antwortet Marcus ihm und verlässt den Wagon.
Mein Atem beschleunigt sich und ich sehe, wie Nick die Pistole genau auf uns richtet.
„Hey mein Spatz, ich liebe dich okay? Ich liebe dich so sehr", weine ich Noah ins Ohr und er drückt sich noch enger an mich. Er zittert am ganzen Körper.
„Habe dich auch lieb", bekomme ich die Antwort und ich gebe ihm einen Kuss auf die Stirn.
„Na los, stell dich gerade an die Wand und Arme zur Seite", sagt Nick.
Er deutet mit seinem zitternden Arm, auf den Platz, an den ich mich stellen soll.
Gegen meinen Willen lasse ich Noah stehen und gehe mit gesenktem Kopf zur Wand.
Ich fahre mir einmal durch die Haare und muss einsehen, dass ich aus dieser Situation nicht mehr rauskomme.
Das letzte mal nehme ich all meine Kraft, um Nick in die Augen zu schauen, in der Hoffnung, ihn umstimmen zu können.
Ich will nicht aufgeben.
„Bitte, mach das nicht, du wirst es für immer bereuen", flehe ich ihn an.
Ich sehe sein Auge kurz zucken und er nimmt seinen Arm mit der Pistole runter.
Nick fängt an immer hektischer zu atmen und geht in die Hocke, während er sich durch die Haare rauft.
„Scheiße man!", schreit er.
Danach geht alles viel zu schnell. Er steht wieder auf, schaut mir in die Augen, richtet seine Pistole auf mich und drückt ab.
Ich höre Schüsse und auf einmal spüre einen unglaublichen Schmerz in meiner Brust.
-2055, noch 208 Stunden
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