Kapitel 10
Vor uns erhob sich mal wieder das Schloss der Kriegsnymphenfamilie. Obwohl Sirius und ich noch einige Meter zum Gehen hatte, bevor wir in den Innenhof kamen, hörte man jetzt schon die kleineren Kinder, welche zusammen dort spielten. Bei dem Wetter bot es sich natürlich auch an, noch die Zeit bis zum Bett an der frischen Luft zu verbringen.
Als wir den Innenhof betraten, waren wir sofort von der kleinen Rasselbande umgeben. Sie wollten uns alle gleichzeitig hallo sagen und von irgendwelchen Dingen erzählen. Ich ging mal wieder überfordert hinter meinen Vater in Deckung, um ein wenig diesem Massenauflauf zu entkommen. Jetzt gerade würde ich gerne wieder in eine ruhige Ecke fliehen. So wie auch schon an Weihnachten.
Ein Pfiff war zu hören, weshalb alle aufmerksam zum Eingangsportal des Schlosses guckten. Vivienne stand in der Tür und sah mit einem strengen Blick die Kindergruppe an.
„Lasst Sirius und Patricia mal hereinkommen", wies Marlons Mama die Kinder an, welche uns tatsächlich Platz machten. Dankbar für die Fluchtmöglichkeit lief ich zu der Grauhaarigen, welche mir liebevoll über die türkisfarbenen Haare strich.
„Bonjour, Vivienne", murmelte ich, was mit einer mütterlichen Antwort beantwortet wurde.
„Chiot, es ist sehr schön, dass du wieder hier bist. Hat dir das Elternhaus von deinem Vater gefallen?", wurde ich freundlich gefragt.
„Das Grandmonster hat ein Porträt von sich mit einem Dauerklebefluch festgehext und schreit herum, wenn jemand klingelt. Ich mag sie nicht", erzählte ich von dem schreienden Bild. Vivienne sah sofort besorgt zu Sirius herüber.
„Kommst du damit klar?", wurde mein Vater besorgt gefragt, weshalb er leicht nickte.
„Eigentlich hatte ich gehofft, ich wäre die alte Sabberhexe los. Zum Glück schläft sie die meiste Zeit, wenn nur die Leute aufhören würden zu klingen", murrte der Flüchtige, weshalb ich wieder nach seiner Hand griff. Vielleicht sollte ich ihm die Freude machen und einen Weg finden, dieses verdammte Porträt abzunehmen. Da mir das Grandmonster ebenfalls mehr als unsympathisch war, würde ich sie nur zu gerne abfackeln. Auch wenn ich wahrscheinlich nie wieder Sirius Elternhaus betreten durfte. Vermutlich würde mein leiblicher Vater versuchen, mir jetzt eine Ganztagsbetreuung in diesem Schloss zu vermitteln. Und einen Schlafplatz für uns beide auch, schließlich hatten wir die Abmachung, nur vorübergehend bei meiner leiblichen Familie zu wohnen.
„Jetzt kommt erstmal herein", bat uns Vivienne. „Wir sitzen im Salon zusammen. Susanne plant gerade im Alleingang, dass sie mit dir zum dunklen Lord kommen will."
„Das kann sie nicht", bestimmte ich. „Man wird niemals glauben, dass sie sich gegen euch stellt. Außerdem muss sie auf die anderen Nymphen aufpassen. Kira und Mary wollen zwar jetzt endlich Selbstverteidigung lernen, aber ich glaube, es wäre trotzdem gut, wenn jemand auf sie aufpasst."
„Wenn du es ihr sagst, wird sie bei deiner leiblichen Familie einziehen, um Kira und Mary zu bewachen", versprach mir Vivienne, weshalb ich lächeln musste. Ja, das dachte ich mir auch. Wenn ich Susannes Platz in dem Zaubererkrieg bestimmen würde, würde sie dem definitiv folge leisten. Die Frage war eher, ob ich jetzt wirklich den Platz des Oberhauptes in der Kriegsnymphenfamilie einnehmen wollte. War ich dafür wirklich bereit? Konnte ich hier nicht doch mal die Alterskarte spielen? Jetzt gerade hatte ich doch das Gefühl, erst fünfzehn zu sein.
Wir kamen am Salon an. Vivienne öffnete die Tür, weshalb man die ganzen Erwachsenen dort drin sehen konnten, die zusammen saßen. Die Jüngste hier war eindeutig Roux, was mich ein wenig wunderte. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass man die Jüngeren nicht aufklären würde. Allerdings war diese Sitzung natürlich auch, damit wir zusammen planen konnten, wie es ab jetzt weitergehen sollte. Dafür waren die kleinen Kinder vermutlich doch viel zu aufgedreht.
„Welpe!", rief Marlon und breitete seine Arme aus, sodass ich ihm perfekt in die Arme fallen konnte. Nur zu gern kam ich der stillen Aufforderung nach. Zufrieden vergrub ich meine Nase in seinem Hemd, was meinem Onkel-Vater ein leises Lachen entlockte. Seine Brust vibrierte dabei, was ich in meiner Wange spüren konnte. Ein wirklich lustiges Gefühl.
Vorsichtig löste ich mich von Marlon, welcher mich in Richtung des Sofas schob, auf welchem schon Sirius mit einer quatschenden Azura saß. Ich wurde neben meinen Vater gedrückt, bevor sich mein Onkel an Hestia Jones wandte.
„Hältst du dieses Mal vor Jean dicht oder willst du lieber gehen?", fragte er etwas gereizt. Offensichtlich hatte Marlon es der Frau noch nicht ganz verziehen, dass diese ihrer besten Freundin von Sirius Unschuld erzählt hatte, obwohl die Kriegsnymphenfamilie beschlossen hatte, es nicht tun zu wollen. Ich konnte irgendwie beide Seiten verstehen. Hestia konnte mit Sicherheit besser einschätzen, ob Jean nun mit der Information klarkam als die anderen Familienmitglieder. Trotzdem konnte ich auch Marlon verstehen. Bei der Information über Sirius gab es keine negativen Folgen, wenn man mich verriet, konnte es aber ganz anders ausgehen. In dieser Familie gab es mit Sicherheit sehr viele Freiheiten, die man in anderen nicht hatte, doch bei einer Sache kannte sie keine Gnade, bei ihren Geheimnissen.
„Ich habe doch gesagt, es tut mir leid. Wäre ich mir nicht absolut sicher gewesen, dass Jean damit klarkommt –"
„Es kommt aber nicht immer darauf an, ob Jean damit klarkommt", fauchte Marlon wütend. „Die Sachen, die wir hier besprechen werden, wird sie definitiv erfahren wollen. Es wird ihr sehr wahrscheinlich auch viele schlaflose Nächte ersparen. Trotzdem wird sie kein Wort davon erfahren. Du hast dich für die Kriegsnymphenfamilie entschieden, nicht die ihre. Die Interessen sind meistens ähnlich, jetzt aber nicht."
„Marlon, lass Hestia in Ruhe", ging Hestias Freund Margaux dazwischen. „Sie hat einen Fehler gemacht, ja, aber sie hat es nicht böse gemeint und wird es auch nicht noch einmal machen. Bisher konnten wir nun einmal immer mit Jean und ihrer Familie offen über alles reden. Sie hat beim Thema Sirius Black draus gelernt, jetzt hält sie dicht."
„Na hoffen wir es", grummelte mein Onkel mies gelaunt.
„Jetzt komm wieder runter, Marlon", sprang Claire dem jüngeren Paar bei. „Hestia wird unsere Patricia nicht in Gefahr bringen. Man macht Fehler, das ist menschlich. Ich musste mich hier erst einleben, sie ebenfalls. Die Information über Sirius wirkte jetzt wirklich nicht so heikel, dass sie unbedingt verschwiegen werden musste. Da ging es nur um den Schutz von Jean. Jetzt ist es anders und sie hat dazu gelernt. Also können wir endlich anfangen?"
„Ja, ich denke, das sollten wir", mischte sich nun auch Vivienne ein. Marlon gab als Reaktion darauf ein leises Grummeln von sich und zog mich etwas näher an sich. So ganz schien er noch nicht davon überzeugt zu sein, dass es Hestia schaffte, gegenüber Jean ihre Klappe zu halten.
„Patricia, ich halte es für am besten, wenn du selbst erzählst, was du vorhast", forderte mich Marlons Mutter auf von meinem Plan zu erzählen.
„Also – na ja – ich denke, ihr wisst alle von der Prophezeiung über Carolin, Maélys und die anderen Nymphen ihrer Generation." Allgemeines Nicken war die Antwort. Es hätte mich auch sehr gewundert, wenn sie irgendjemand hier im Raum nicht kannte. Dafür war die mystischen Worte viel zu wichtig für diese Familie.
„Ich denke, ich weiß, wie ich den dunklen Lord dazu bringen kann, bei der Auferstehung der anderen Nymphen zu helfen. Wenn man ihm einen Zauber anbietet, der ähnlich zu dem ist, den wir sprechen wollen, wäre es ein Leichtes, ihn bei der Durchführung zu täuschen und einfach den anderen zu sprechen. Am besten einen wirklich Existierenden, falls er ihn überprüfen will.
Wenn es so weit ist, sprechen wir einfach den anderen Zauber, welcher die Nymphen wieder auferstehen lässt. Ich habe keinen Hinweis darauf gefunden, dass er ein fotografisches Gedächtnis hat, also wird er sehr wahrscheinlich nicht den Unterschied bemerken, wenn ein bisschen Zeit zwischen den beiden Ereignissen liegt. Und da wir erst die anderen Nymphen dazu bringen müssen, uns zu helfen, wird Zeit dazwischen liegen.
Und ich weiß auch schon, wer Voldemort täuschen kann. Und zwar ich. Er will mich als eine seiner Todesserinnen gewinnen. Laut Dumbledore will er mich als seine rechte Hand. Er denkt, weil wir eine ähnliche Vergangenheit haben und ich noch immer nicht wirklich irgendwo angekommen bin, kann er mich leicht auf seine Seite ziehen. Daher werde ich mich auf seine Seite schlagen, wenn er mir die Gelegenheit bietet."
Ich sah erwartungsvoll in die Runde. Die meisten schienen zwar etwas überrascht aufgrund meiner Entscheidung, aber niemand wirkte wirklich entsetzt. Na ja, niemand bis auf Hestia, welche erst mich mit großen Augen anstarrte, bevor sie zu Sirius sah.
„Und du lässt das zu?", fragte sie entsetzt.
„Glaube mir, Hestia, mir gefällt das überhaupt nicht. Ich sehe aber auch keinen Weg, sie davon abzubringen. Mein Welpe hat sich in den Kopf gesetzt, als Doppelagentin bei Voldemort anzufangen, also wird sie es auch tun. Wir können sie nur dabei unterstützen oder halt aus ihrem Leben verschwinden."
Ich nickte zufrieden. Besser hätte ich meinen Standpunkt zu diesem Thema nicht zusammenfassen können. Entweder würde mich diese Familie hier unterstützen oder mich halt verlieren. A oder B, einen anderen Weg würde ich nicht einschlagen.
„Reicht es nicht, dass Samuel und Jean Patricia einmal verloren haben? Wollt ihr sie jetzt wirklich in dem Glauben lassen, dass sie es ein zweites Mal getan haben?", fragte die Frau verzweifelt in die Runde.
„Sie hat ganz offensichtlich nicht vom letzten Mal gelernt", murrte Marlon neben mir.
„Hestia, Jean und Samuel wurden nie darauf trainiert, ein solches Geheimnis für sich zu behalten. Schon gar nicht, es vor ihrer eigenen Familie zu bewahren. Es wäre zu einfach, in ihren Kopf einzudringen, um die Informationen aus ihnen herauszuholen", sprang Margaux uns bei.
„Aus dem Grund habe ich beschlossen, es ihnen nicht zu sagen. Remus weiß Bescheid, doch er wird stillschweigen bewahren. Ansonsten wissen es die Leute in diesem Raum und Dumbledore. Ich gehe davon aus, Professor Snape wird auch aufgeklärt werden. Mehr Leute will ich erstmal nicht einweihen."
Eigentlich gehörten zu Marlons Großfamilie schon mehr Leute, als ich eigentlich einweihen wollte. Jeder Person war nun einmal ein potentieller Verräter und damit eine potentielle Gefahr für mich.
„Du willst nicht einmal Blaise sagen, was los ist?", fragte mich Sirius überrascht.
„Er hat gesagt, er bleibt der neutrale Punkt, egal, was ich am Ende mache", stellte ich fest. „Daher halte ich es nicht für notwendig, ihn einzuweihen. Vielleicht kommt er einfach selbst auf die Idee, warum ich mich gegen euch stelle, wenn nicht ist es aber auch nicht schlimm."
„Welpe, bei einer Beziehung sind Geheimnisse nicht gerade förderlich", stellte mein Vater fest.
„Der Tod einer Person auch nicht", erklärte ich bestimmt. „In Blaises Kopf kann man viel zu leicht eindringen. Außerdem halte ich mein Doppelagentenleben nicht vor ihm geheim, sondern ich erzähle ihm erst davon, wenn es nun einmal notwendig ist."
Sirius seufzte leise. Das wollte er wohl eigentlich nicht hören, doch ein gutes Argument, um mich vom Gegenteil zu überzeugen, schien er auch nicht zu haben. Stattdessen drückte er mir mal wieder einen Kuss auf die Schläfe, bevor er wieder in die Runde sah. Ein wenig, als würde er hoffen, dort jemanden zu finden, der mich davon überzeugen konnte, sofort mir Blaise zu sprechen.
„Und wenn wir schon alle entsetzt sind, weil Patricia zu Voldemort wechseln will, ist meiner Meinung nach jetzt ein guter Zeitpunkt, um zu erzählen, dass ich mit ihr gehen werde", verkündete in diesem Moment Sue.
„Nein, wirst du nicht, Susanne", verbot es sofort Claire, weshalb die Angesprochene ihre Mutter herausfordernd ansah.
„Und was willst du machen, um mich davon abzuhalten?", fragte die Perfektionistin.
„Claire wird gar nichts machen. Ich kann dich bei den Todessern nicht gebrauchen. Keinem anderen hier, wird man glauben, wenn er oder sie sich auf die Seite von Hades stellt. Wenn jemand mitkommt, wird Voldemort sofort auf die Idee kommen, dass etwas nicht stimmt. Damit bringt ihr die ganze Mission in Gefahr.
Für euch drei, Sue, Ari und Roux, habe ich eine andere Aufgabe. Ihr müsst auf Harry, Kira und Mary aufpassen. Mary und Kira haben zugestimmt sich ausbilden zu lassen, das müsst ihr ebenfalls übernehmen. Versucht, Harry ebenfalls davon zu überzeugen. Ich werde morgen zu ihm fahren und dann auch das Thema ansprechen. Danach werde ich mich aber wieder mehr von den anderen abkapseln. Das halte ich für besser."
„Ich soll Babysitterin spielen?", fragte Sue wenig begeistert.
„Ja, genau das sollst du."
Die Gleichaltrige schien noch kurz zu überlegen, ob sie nicht noch weiter diskutieren sollte, doch dann ließ sie es. Vermutlich fiel ihr wieder ein, was sie mir seit fast einem Jahr immer wieder sagte. Sie war meine Antheia und damit war es ihre Aufgabe, die Aufgaben zu übernehmen, bei denen ich es nicht konnte.
Bei der richtigen Otrere und der richtigen Antheia war es nun einmal so herum gewesen, dass jeder das Selbstmordkommando anführen konnte, aber nur eine von beiden konnte die Amazonen anführen, ein Kind mit Ares kriegen und später seine Nymphe werden.
Jetzt war es anders herum. Meinen Platz als Nymphe konnte jemand anderes einnehmen. Entweder würde es Kira werden – das hielt ich für unwahrscheinlich, denn könnte man die Nymphe von zwei Göttern gleichzeitig sein, wäre nur eine von uns zur Nymphe geworden – oder eben Luce, welche die nächstjüngere weibliche Verwandte zu Maélys darstellte. Zu Voldemort konnte nur eine Person gehen. Daher würde ich dieses Mal das Selbstmordkommando übernehmen und Susanne würde überleben. Ein kleiner, aber wichtiger Rollentausch.
„Wo wir das jetzt geklärt haben, haben wir noch eine gute Nachricht für dich, chiot", erklärte mir Vivienne. „Wir haben uns ein wenig mit der Rückkehr von Hades beschäftigt. Der Zauber, der ihn zurückholt, ist dem, der die Nymphen zurückholt, sehr ähnlich. Die Worte sind minimal anders, weil man die Tore zur Unterwelt aufstößt und nicht zur Zwischenwelt. Außerdem muss man bei dem Zauber zuletzt jemanden opfern. Genauer gesagt, den größten Feind der Hades Nymphe. Wir denken, er wird Harry opfern wollen."
„Harry? Nein! Auf gar keinen Fall! Wir werden nicht Harry opfern, damit wir die Nymphen wiederbeleben können!", rief Sirius entrüstet, während er von seinem Platz aufsprang.
„Aber deine Tochter willst du opfern?", fragte Hestia entrüstet.
„Wie oft denn noch? Ich bin dafür, dass sie es sein lässt. Wird sie aber nicht", giftete mein Vater zurück. Ich rutschte etwas vor und griff nach seiner Hand, um ihn wieder etwas zu beruhigen.
„Es ist nicht deine Schuld, dass ich mich in Gefahr bringe", versprach ich ihm. „Und Vivienne will auch nicht Harry opfern. Ich glaube, sie wollte mir vorschlagen, den ähnlichen Zauber auszunutzen, aber Harrys Leben zu retten. Deshalb auch die Anmerkung, dass es der letzte Schritt ist. Zauber sprechen und zack, Messer ins Herz, bevor er Harry töten kann."
„Ja, so ungefähr habe ich das gemeint, chiot. Versuche, ihn an einen ruhigen Ort zu locken. Ohne viele Todesser. Damit ihr leichter entkommen könnt."
„Oder sag uns rechtzeitig Bescheid, damit wir Voldemorts kleine Marionetten rechtzeitig ausschalten können, bevor sie euch töten", fügte Marlon noch hinzu.
„Bevor ihr die Rettungsmission plant, müsstet ihr erstmal für mich Tasha finden", stellte ich klar. „Ohne meine kleine Schwester wird es kein Zauber geben. Und verbietet ihr, mir zu folgen. Notfalls sperrt ihr sie hier in den Kerker. Aber macht ihn vorher hübsch und bewohnbar. Sie soll sich wohl fühlen. So wohl, wie man sich gefangen fühlen kann."
Jetzt sah Sirius wieder zu mir. Er wirkte ein wenig so, als würde er mich gerade das erste Mal richtig ansehen. Kurz schien er erstarrt zu sein, dann ließ er sich wieder neben mich fallen. Ich wurde in eine liebevolle Umarmung gezogen.
„Wir werden sie finden, Welpe. Wir werden sie finden und wir werden auf sie aufpassen. Ich werde sie behüten, als wäre sie mein drittes Babytier", versprach mir mein Vater.
„Sie ist ein Adler-Küken", bestimmte ich. Ein kleiner süßer Adler, welcher frei irgendwo in Amerika herumflatterte.
„Dann werde ich auf das kleine Küken aufpassen, als wäre sie mein kleines leibliches Küken", wurde mir versichert. „Sie wird drei wunderbare Väter kriegen, wenn sie das will. Ihren leiblichen, einen Wuschelhund und noch einen komischen Muggel, der mehr Squib als Muggel ist."
„Ich bin nicht komisch", beschwerte sich Marlon sofort.
„Egal, ob komisch oder nicht. Du musst trotzdem ein guter Muggel-Squib-Vater für sie sein. Und du musst ihr sagen, dass ihre große Schwester sie lieb hat. Rona hat ihre Tyra lieb. Ich – ich gebe euch das Foto von uns beiden. Und nehmt eines von uns drei mit, damit sie weiß, dass wir uns wirklich kennen. Und –"
„Noch bist du nicht weg, Welpe", wurde mir von Sirius versichert, was mich irgendwie überhaupt nicht beruhigte. „Aber wenn du es bist, werden wir es hinkriegen, sie nach Hause zu holen."
Ich nickte zufrieden. Das hörte sich doch gut an. Meine beiden Ziehväter würden alles dafür tun, um meiner kleinen Schwester ebenfalls einen zu Hause zu bieten. Einen sicheren Hafen.
„Mein kleiner Welpe, wir müssen noch eine Sache mit dir besprechen. Wir waren uns immer einig, dass es nur vorübergehend ist bei deiner leiblichen Familie zu wohnen. Daher haben wir uns darüber Gedanken gemacht, was die Alternativen sind."
„Dein Elternhaus oder das Alte von Carolin und dir", stellte ich fest. Das waren die beiden Optionen, ein Dritte gab es nicht. Obwohl Theoretisch konnten wir zusammen nach Frankreich ziehen. Oder wir bauten uns ein Haus, ganz am Rande des Geländes von Kiras Schloss. Sicher vor Fudge und dem Ministerium, sicher vor Todessern, sicher vor allem.
„Ich halte es für unklug Kreacher alleine im Haus zu lassen", gestand Sirius.
„Also ziehen wir in dein Elternhaus, um den Hauselfen zu babysitten", schlussfolgerte ich.
„Nein, Welpe. Ich will nicht, dass du dorthin ziehst."
Nur wenige Sekunden doch mir kam es so vor, als wären es Minuten, während langsam die Worte meines Vaters in meinen Verstand sickerten. Sirius meinte, er musste in sein Elternhaus ziehen. Gleichzeitig wollte er aber nicht, dass ich mitkam. Damit gab es also nur einen Ausgang für diese Situation. Er würde wegziehen und ich – ich blieb alleine zurück.
„Aber –", fing ich an, überfordert herum zu stottern. „Wenn du Kreacher nicht alleine lassen willst und ich nicht mit dir zu ihm ziehen darf – wir bleiben zusammen. Ich will nicht, dass du – du hast mir versprochen, wir bleiben Familie. Du kannst nicht ausziehen. Ansonsten bist du ein Lügner."
„Welpe –", fing Sirius in einem entschuldigenden Ton an, welcher meine Hand nehmen wollte. Automatisch zog ich sie zurück.
„Du hast es mir versprochen!", schrie ich den Mann an und sprang auf.
„Patricia –"
„Nein!", fauchte ich, drehte mich um und rannte aus dem Raum.
Ich hatte mich in meinem Bett zusammengerollt. In meinem Bett, in meinem Zimmer, in Ares ehemaligen Schloss, was wohl gemäß der Erbfolge jetzt meines war. Sollte es sich nicht dann auch wie mein zu Hause anfühlen? Sollte ich mich nicht freuen, wieder hier einzuziehen? Antiope hätte wieder ihr eigenes kleines Zimmer unter der Schräge, ich meine wunderschöne Musikanlage und meine Ecke zum Malen. Und ich konnte Blaise viel besser einen Fernseher zeigen, wenn ich hier wohnte.
Doch trotzdem liefen mir jetzt stumme Tränen über die Wange. Einen großen Nachteil hatte mein neuer Wohnort allerdings. Sirius und ich würden uns nicht mehr so oft sehen. Wenn ich morgens aufwachte, würde er nicht mehr neben mir liegen, wenn ich nachts schlecht schlief, strich er mir nicht mehr beruhigend über die Haare und beim Frühstückstisch saß er nicht mehr mit seinem wirklich leckerriechenden Kaffee. Ich vermisste das alles jetzt schon.
Gleichzeitig hatte ich allerdings auch das Gefühl, mal wieder einsam und verlassen zu sein. Ganz alleine mit sämtlicher Last dieser Welt auf den Schultern. Hatte Sirius nicht gesagt, er würde bei mir bleiben? Dass Familie niemals enden würde? Dass es nicht nur ein „bis es zu unbequem" war?
Es klopfte an der Tür. Ohne meine Reaktion abzuwarten, wurde diese auch schon geöffnet. Allerdings hätte die Person im Flur auch keine bekommen. Ich hätte sie einfach ignoriert, in der Hoffnung sie würde wieder weggehen.
„Chiot?", fragte mich Vivienne vorsichtig, während sie langsam näher kam und sich schließlich auf meine Bettkante setzte. „Sirius hat dich sehr lieb. Daran ändert auch seine Entscheidung nichts. Er hat nicht beschlossen, dass du nicht mitkommen sollst, um dich zu ärgern, sondern er hat es getan, um dich zu beschützen. Er selbst hat viele schlechte Erinnerungen an das Haus, deshalb findet er den Gedanken unerträglich, dass du mit ihm gehst."
„Das Haus tut mir aber nicht weh", schluchzte ich in mein Kopfkissen. Nein, das tat nur er.
„Ich weiß, chiot. Ich weiß. Das kriegen wir schon wieder hin. Ihr findet eine Lösung, wie ihr beide mit der Situation klarkommt."
„Er darf mich nicht verlassen", bestimmte ich.
„Das tut Sirius nicht, chiot. Er ist weiterhin für dich da", wurde mir versichert, weshalb ich leicht den Kopf schüttelte. Nein, so fühlte es sich gerade nicht an.
„Wie wäre es, wenn du ihm vorschlägst, dass du nur ein paar Tage die Woche bei ihm schläfst und die restlichen hier. Ihr müsst beide eure Dickköpfe ein wenig hinten anstellen", wurde mir erklärt, was mir ein neues Wimmern entlockte. Ich fürchte, im Nachgeben waren wir beide nicht so gut. Obwohl Sirius dabei wohl wesentlich entspannter war als ich.
„Du musst es nicht jetzt entscheiden, chiot. Jetzt darfst du einfach traurig und verletzt sein", wurde mir versichert.
„Bleibst du hier?", fragte ich unsicher. Gerade wollte ich wirklich nicht ganz alleine hier liegen bleiben. Wenn Vivienne hier saß, konnte ich die Last ein wenig teilen.
„Ja, ich bleibe bei dir."
Vivienne Hand, welche noch bevor ich eingeschlafen war, mir den Kopf gestreichelt hatte, war verschwunden. Stattdessen lag mein Kopf jetzt auf der warmen Brust von Sirius – jedenfalls dem Geruch nach zu urteilen – während mich zwei Arme fest umklammert hielten. Langsam schlug ich die Augen auf, weshalb ich meinen leiblichen Vater sah, welcher stumm aus dem Fenster starrte. Den dicken Augenringen nach zu urteilen hatte er noch nicht wirklich geschlafen.
Vorsichtig richtete ich mich auf. Sirius sah zu mir, weshalb ich nun auch seinen Gesichtsausdruck betrachten konnte. Er sah einfach nur schrecklich aus. Seine Miene sprach eindeutig von Trauer und Reue, doch gleichzeitig funkelte da noch etwas in seinen Augen. Entschlossenheit. Es war in Ordnung, dass ich mich dabei stur stellte, als Doppelagent zu Voldemort zu gehen, aber bei seinem Elternhaus erwachte sein Kampfgeist? Die beiden Sachen standen wirklich in keinem Gefährlichkeitsverhältnis.
„Hast du dich umentschieden?", fragte ich trotzdem hoffnungsvoll.
„Ich habe dich lieb, Welpe, aber über den Einzug in mein Elternhaus diskutiere ich nicht", stellte mein Vater klar. „Du wirst nicht einziehen. Tagsüber darfst du mich gerne mal besuchen kommen, aber dein zu Hause wird hier sein."
„Kann ich nicht alle zwei Nächte bei dir sein?", versuchte ich zu verhandeln.
„Nein, das kannst du nicht. Meine Entscheidung steht fest. Ich will nicht, dass du in diesem Haus wohnst, also wirst du es auch nicht tun. Du übernachtest da keine einzige Nacht. Wenn du willst, bleibe ich diese Nacht hier, aber wir werden restlichen Sommerferien unter getrennten Dächern schlafen."
„Die Entscheidung ist unlogisch. Von deinem Elternhaus geht keine Gefahr aus, von meinem Doppelagenten leben schon."
„Ich sage zu beidem nein. Bei dem Leben als Doppelagent kann ich es aber trotzdem nicht verhindern. Das wohnen in meinem Elternhaus schon. Deshalb kriegst du für das Erste trotzdem meine Unterstützung und über das Zweite diskutieren wir nicht. Jetzt schlafe weiter."
„Wirst du auch schlafen?", fragte ich.
„Bist du noch sauer auf mich?", wurde ich vorsichtig gefragt.
„Ja, bin ich. Ich will miteinziehen und ich werde weiter darüber diskutieren."
„Ich habe dich auch gerne bei mir, Welpe. Wenn ich eine bessere Lösung wüsste, um Kreacher unter Kontrolle zu halten, würde ich sie nutzen", wurde mir versprochen.
„Du könntest es mir erlauben, mit in deinem Elternhaus zu wohnen. Wir könnten auch Kreacher in den Kerker sperren, damit er nichts mehr mitkriegt und nicht mehr wegapparieren kann", schlug ich vor.
„Nein, das werde ich nicht und bei der zweiten Lösung wird Kira sauer."
„Dann soll sie halt Kreacher babysitten und wir suchen uns ein anderes zu Hause. Ich bin auch bereit, am Rande des Geländes von Kiras Schloss zu wohnen. Wir können uns da ein kleines sicheres Häuschen für uns beide wohnen. Kreacher kann da auch miteinziehen, dann müssen wir nicht putzen."
„Ich werde nicht Kreacher den Aufenthaltsort vom Schloss verraten", stellte mein Vater klar. Ich seufzte leise. Mir war eine Lösung lieber, wo wir den laut Sirius verrückten Hauselfen irgendwo einsperrten, als wenn ich von meinem Vater getrennt war. Für diese Lösung war ich definitiv selbstsüchtig genug.
„Welpe, ich kann gut verstehen, dass du die Lösung nicht gut findest, aber momentan ist es die beste. Wenn der Krieg vorbei ist, darfst du wieder ganz oft in meinem Bett schlafen."
Blöd nur, dass ich das Ende dieses Krieges wahrscheinlich nicht mitbekommen würde. Schließlich begann die letzte Schlacht erst, wenn ich sterben würde. Mal ganz davon abgesehen, nach dem Krieg würde sehr wahrscheinlich jemand anderes meinen Platz in Sirius Bett haben wollen. Erstmal Carolin, was für mich schon Grund genug war, um zu Marlon zu fliehen, und dann hoffentlich irgendwann auch ein neues Babytier. Was es wohl dieses Mal werden würde? Ein Kalb? Ein Fohlen? Hoffentlich kein Heuler, obwohl es sehr lustig wäre, wenn Sirius kleiner Heuler von ihm einen Heuler kriegen würde, weil er Quatsch gebaut hatte.
Und ich konnte Sirius nicht einmal sagen, dass diese Sommerferien wahrscheinlich unsere letzte Chance war, zusammen zu sein. Ob er wohl seine Meinung änderte, wenn ich ihm von meinem baldigen Tod erzählte? Vermutlich würde er allerdings nur noch einmal das Thema Doppelagent überdenken. Schließlich hatte er schon klargestellt, dass er mein Opfer als Preis für die anderen Nymphen als zu hoch ansah.
Ich drehte mich zu meinem leiblichen Vater, welcher mittlerweile eingeschlafen war. Vielleicht sollte ich das Bisschen gemeinsame Zeit, welches wir noch hatten, einfach so gut nutzen, wie ich konnte. Schließlich würden wir bald getrennt werden.
Doch trotzdem verletzte es mich, dass Sirius so einfach beschloss, mich wieder über Nacht bei Marlon zu lassen. Klar, am Anfang hatten wir uns auch nur tagsübersehen können, letzte Sommerferien sogar ein paar Wochen gar nicht, aber wir mussten doch nicht unsere Beziehung wieder verschlechtern, indem er woanders hinzog als ich. Warum hatte er überhaupt nicht mit mir darüber geredet? Selbst wenn er nicht mit mir darüber diskutieren wollte, hätte er mich doch langsam in die Richtung führen können, dass eine Trennung eine Option war.
Ob Sirius und Marlon ähnliche Gedanken haben würden, wenn sie von meinem Tod erfuhren? Würden sie sich auch fragen, warum ich es ihnen verschwiegen hatte? Vielleicht sollte ich ihnen erklären, weshalb ich es nicht getan hatte. Ich könnte ihnen einen Brief schreiben, welchen sie nach meinem Tod lesen könnten. Einen Abschiedsbrief. Ja, das war eine gute Idee.
Leise stand ich von meinem Platz auf und schlich zu meinem Schreibtisch, wo ich die Lampe anstellte, Ich sah noch einmal zu Sirius herüber, doch dieser schlief noch immer tief und fest. Sehr gut, schließlich hatte er furchtbar müde ausgesehen.
Liebster Sirius, liebster Marlon, meine liebsten Väter, begann ich auf ein Blatt Papier zu schreiben.
Wenn ihr diesen Brief in der Hand haltet, ist vermutlich der 2. Mai 1998, vielleicht auch ein Tag oder eine Woche später. Ich weiß nicht, wie lange die letzte Schlacht dauert, doch ich bin mir sicher, ihr habt sie überlebt und gesiegt. Jetzt seid ihr frei, um euer Leben zu leben.
Sirius, ich hoffe, du bist mit Carolin wieder glücklich auf der Erde vereint. Wahrscheinlich wohnt ihr nun wieder bei Kira und ihrer Familie, schließlich bin ich nicht mehr da, als Grund nicht zu ihnen zu ziehen. Eine glückliche große Familie, wie sie eigentlich auch die letzten siebzehn Jahre hätte bestehen müssen. Hoffentlich kriegt ihr jetzt noch die Kinder, welche eigentlich schon damals auf Kira und mich folgen sollten.
Aber bitte nenne keines der neuen Tierbabys Heuler, dass erinnert in der Zaubererwelt nur an den blöden Brief und nicht an ein süßes Robbenbaby. Ich fände Piepser sehr lustig, das sind die Babys von Wachteln, oder Frischling, das sind Wildschweinbabys.
Marlon, bei dir habe ich jetzt, wo ich diesen Brief schreibe, keine Ahnung, ob du nicht in den folgenden drei Jahren noch jemand kennengelernt hast. Hoffentlich eine nette Stieftanten-Mama für mich. Falls nicht versuchst du es wahrscheinlich noch einmal mit Maélys, so wie du es angekündigt hattest. Vielleicht kriegst du mit ihr doch noch ein Kind, noch ein weiteres kleines Tierbaby. Du darfst dein Kind auch Heuler nennen. Ich gehe sehr stark davon aus, der Heuler wird hier geschützt in diesen Mauern aufwachsen, also wird niemand es ärgern, weil es wie ein Brief genannt wird. Es wird nur eine kleine Babyrobbe sein.
Ich hoffe wirklich vom ganzen Herzen, dass ihr eine wunderschöne Zukunft habt. Mit noch sehr vielen glücklichen Momenten und ganz ohne die dunklen, die sich die letzten Jahre gehäuft hatten.
Ich hoffe auch, ihr leidet nicht zu sehr unter meinen Tod, denn das wäre vollkommen unnötig. Ich wusste, dass ich diesen Krieg nicht überleben würde. Es war mein Schicksal und ich würde lügen, wenn ich jetzt behaupten würde, dass es mich belastet hätte. Ehrlich gesagt, war es sogar ziemlich befreiend, zu wissen, wann ich sterben würde.
Ich habe überlegt, euch davon zu erzählen, dass die Prophezeiung meinen Tod voraussagt. Ich habe wirklich darüber nachgedacht, doch am Ende hatte ich Angst, das es auch belastet, oder noch schlimmer, ihr mich davon abhalten würdet, als Doppelagent zu Voldemort zu gehen. Deshalb hielt ich es für klüger, stillschweigen zu bewahren, um noch möglichst viel unbeschwerte gemeinsame Zeit zu haben, bevor ich dann endlich meinen Frieden finde.
Versteht mich nicht falsch, ich war sehr gerne bei euch. Ich bin sehr gerne eure Tochter. Ich habe euch so unendlich lieb, aber ich weiß auch, was auf der anderen Seite auf mich wartet. Ich bin jetzt bei Mama und Papa. Dort warte ich auf euch. Ich warte darauf, dass ihr mir eines hoffentlich weit entfernten Tages folgt. Auf diesen Tag freue ich mich schon. Auf den Tag, an dem ich wieder all meine Eltern um mich herum habe.
Ihr braucht keine Angst um mich zu haben. Ich werde schon nicht in der Unterwelt bei Hades aufwachen, sondern im Himmel. So ein schrecklicher Mensch war ich doch nicht, dass meine Seele in der Unterwelt landet. Am Ende sehen wir uns wieder. Versprochen.
In unendlicher Liebe,
euer kleiner Welpe
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top