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Sam hatte sich tiefer ins Wasser gleiten lassen, während Angelos am Boden des Badezimmers saß und sich die übrig gebliebenen Häppchen des Abends in den Mund schob. »Ich muss morgen mit den beiden reden« Angelos nickte stumm und rutschte näher an den Wannenrand heran. Er hielt ihr ein Häppchen entgegen und sie biss dankbar hinein. Essen lenkte sie ab. Im Moment war ihr alles willkommen, dass sie ablenkte. Sie zitterte immer noch und Angelos strich ihr einmal über ihr feuchtes Haar. Seine besorgte Miene sprach Bände. Sie wiederholte in ihrem Kopf immer wieder, dass nichts geschehen war, aber es half nichts. In ihrem Knochen saß der Schock zu tief, als das sie zur Ruhe kommen könnte. »Kannst du mir ein Handtuch geben?« fragte Sam. Sie konnte sich zwar nicht vorstellen, dass Angelos gerade heute seine Prinzipien brach, aber sie wollte, sie musste ihn jetzt endlich spüren. Sam schlang sofort das Handtuch um sich, als sie sich aufgerichtet hat. Angelos schloss sie in die Arme und ihre feuchte Haut hinterließ Flecken auf seinem T-Shirt.
»Ich hab die hier noch« flüsterte er schließlich und griff in den Schrank. Sam erschauerte, als sie die kleine Tablettenpackung sah. Ihre eigenen hatte sie in Helens Anwesen gelassen. Dankbar schlossen sich ihre Finger um die kleine Dose. Das würde sie zumindest soweit herunter bringen, dass sie schlafen kann. Gierig fischte sie eine Pille aus der Dose heraus und schluckte sie ohne Wasser hinunter. Angelos Blick folgte ihr schweigend. »Kann ich, während du dich umziehst, kurz zuhause anrufen?« fragte Angelos und musterte Sam noch einmal kritisch. Sie verdrehte ihre Augen und nickte. Die Tabletten wirkten zwar keine Wunder, aber sie hätte auch ohne sie einige Minuten alleine überstanden.
Sie putzte sich im Eiltempo die Zähne und schlüpfte in eines von Angelos T-Shirts. Gerade wollte sie mit nichts in Berührung kommen, dass sie an ihre Pflichten gegenüber Helen erinnerte. Sie vernahm Angelos Stimme aus dem Schlafzimmer. Er hatte sich kaum mehr als 50 Schritte von ihr entfernt. Halbaufgerichtet lag er im Bett und nickte ernst, bevor er in furchtbar schnellem Griechisch antwortete. Als sie Angelos bemerkte, legte sie einen Finger auf ihre Lippen und legte sich zu ihm. Der Vorteil an ihrer Beziehung war, dass niemand den anderen durch die Zweisprachigkeit belauschen konnte. Angelos legte einen Arm um sie, löste sich aber bald wieder, um mit ihren Haaren zu spielen.
Angelos Stimme wehte über sie hinweg wie eine Einschlafmelodie und seine gleichmäßigen Bewegungen in ihren Haaren wogen sie schlussendlich in den Schlaf, noch bevor Angelos aufgelegt hatte.
Sam wurde von ihrer überfüllten Blase wach. Müde wälzte sie sich einmal auf die eine dann auf die andere Seite, bevor sie sich aufraffte und die Augen aufschlug. Die Vorhänge ließen nur einen schmalen Streifen Licht herein. Sam tapste im Halbdunkeln auf die Toilette. Als sie zurückkam, saß Angelos bereits aufrecht im Bett. Murrend ließ sich Sam in die Kissen fallen. »Sollen wir die Schnitte desinfizieren« fragte Angelos vorsichtig. Obwohl Angelos außergewöhnlich gut Englisch sprach, bemerkte sie plötzlich eine gewisse Strenge in seiner Stimme. Seine Stimme hatte eine andere Farbe, wenn er Griechisch sprach. »Sam?« rief Angelos und legte einen Hand an ihre Wange. »Hast du gerade ...?« - »Nein!« Sam traten Tränen in die Augen. Angelos hatte das Gefühl, sie sei ein Junkie. Das hatte sie gut gemacht. Mit einer unwirschen Bewegung rieb sie sich Tränen und Schlaf aus den Augen und rappelte sich auf. Das gestern Abend war seine Idee. Gut zu wissen, was er von ihrer beinahe-Abhängigkeit hielt. »Ich brauche nichts« flüsterte sie und tapste erneut zum Badezimmer.
Angelos hatte eine ihrer schwarzen Sonnenbrillen unter dem Bett gefunden, die Sam dankbar annahm. »Bist du dir sicher, dass du das schaffst?« fragte Angelos nach. Mit Sicherheit hatte er mitbekommen, dass Helen von Sam verlangte, sich trotz allem zu zeigen. »Du kommst mit, oder?« vergewisserte sie sich und Angelos nickte stumm. Er drückte sie fest an sich und presste seine Lippen auf ihren Scheitel. Sam verschaffte sich unter seinem Arm gerade genug Raum, um sich weiterbewegen zu können. Weiter wollte sie sich von Angelos nicht entfernen.
Als sich die Aufzugtüren öffneten, zückten sofort die ersten Hotelgäste ihr Handy. Sam sah verunsichert zu Angelos auf, der ihr zuerst auf die Nase stupste und anschließend ihre Sonnenbrille herunterschob. So konnte sie zumindest ein bisschen etwas von sich selbst verbergen. Angelos schlang einen Arm um sie und schob sie betont lässig durch den Eingangsbereich, hinter das Büffett und in den angeschlossenen abgetrennten privaten Bereich. Bisher hatte sie diesen Raum noch nie in Anspruch genommen.
»O gios mou« rief eine helle Stimme und Sam hob überrascht den Kopf. Durch Angelos Führung musste sie kein einziges Mal den Blick heben. »Mama« Angelos Stimme klang gedrückt und er drückte seiner Mutter einen Kuss auf die Wange. Sie war um einen ganzen Kopf kleiner als Angelos und ein wenig rundlich. Ihre Haare lagen in wilden Locken um ihren Kopf herum. Sie begann in schnellem Griechisch auf Angelos einzureden. Dabei flog ihr Blick immer wieder zu Sam, als ob sie Bestätigung suche.
»Die Kurzfassung: Mama möchte wissen, ob es uns gut geht« übersetzte Angelos und Angelos Mutter sah überrascht zwischen den beiden hin und her. Sam lächelte schmal. »Ihr redet wirklich nur Englisch miteinander?« fragte sie verblüfft nach und lud die beiden ein, sich zu ihr zu setzen. Ausschließlich würde es Sam nicht nennen, aber die meiste Zeit. Gelegentlich versuchte sie ihr Griechisch mit Angelos zu üben, aber er sprach einen wirklich üblen Dialekt, dass es ihr noch schwerer machte. »Ich muss mich für Angelos Vater entschuldigen - er hat es nicht so gemeint« begann sie und lächelte Sam bedauernd zu. Du bist eine Hure ... Mit Angelos Vater hatte sie anscheinend keinen guten Start. Sam schüttelte nur abtuend den Kopf. Es war natürlich, dass Väter ihre Kinder beschützen wollten. Selbst, wenn Angelos Vater eine sehr eigenartige Auffassung davon zu haben schien.
»Wir veranstalten heute Abend ein Barbecue. Möchtest du vorbeikommen?«»Mama - fall bitte nicht mit der Tür ins Haus«»Lass sie doch selbst antworten«
Sam sah unsicher zu Angelos. Wollte er das? Erlaubte es Tante Helen? War Sam überhaupt schon so weit? Die Fragen wirbelten durch ihren Kopf und Sam griff sich an die Stirn. Sie brauchte eindeutig noch eine Mütze Schlaf. »Sprich mit deiner Tante. Wenn du kommst, freu ich mich« beruhigte sie Angelos und Sam nickte knapp. Sie hätte gerne ohne weiters zugesagt, aber sie brauchte erst einmal Zeit für sich, um sich den Tag durch den Kopf gehen zu lassen.
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