21 | Du bist ein Nichts für mich.
GÖNÜL
Es regnete, windete, stürmte.
Der Wind peitschte an die Fensterläden, gab säuselnde Geräusche von sich und legte sich in bestimmten Abständen wieder, bis er sein Spiel ungebändigt fortführte. Ergänzend dazu prasselte der Regen sanft auf die Windschutzscheibe meines Autos, verschwomm mir die Sicht auf das weiße Mehrfamilienhaus, vor dem ich in guter Entfernung geparkt hatte.
Irgendwie hasste ich mich selbst für das, was ich hier tat. Allein schon, dass ich hier war und mich schon wieder in der späten Nacht aus dem Haus geschlichen hatte. Ich warf einen Blick in das Obergeschoss des Hauses, in dessen Fenstern vereinzelt noch Licht brannte. Da die Luft sowieso rein war, atmete ich kurz durch, zog mir die Kapuze meiner Strickjacke entschlossen über den Kopf und verließ das Auto.
Mit jedem Schritt, den ich mich dem Wohnhaus näherte, schlotterten meine Knie umso mehr, das mulmige Gefühl in meinem Bauch nahm zu. Ich war gespannt, wie er auf meine Anwesenheit am späten Abend reagieren würde. Er rechnete nicht mit mir. Dennoch malte ich mir im Kopf bereits seine Reaktion aus. Er würde mich mit Sicherheit wieder abweisen und nach Hause schicken, ohne sich das, was ich ihm zu sagen hatte, anzuhören. Aber eigentlich ging es mir auch nur darum, ihn noch einmal zu sehen. Ihm tief in die Augen zu blicken und ihn spüren zu lassen, dass er mir fehlt und ich mich nach einem Leben mit ihm sehne.
Wenige Schritte später erreichte ich die Haustür, die sich unter einer Überdachung befand. Jetzt ging es ans Eingemachte. Die genässte Kapuze meiner Winterjacke konnte ich wieder abziehen. Ich zog das Handy aus der Hosentasche und erhellte damit das Klingelschild, um diesen einen Namen zu suchen. Im Haus lebten vier Familien. Miller, nein. Schneider war es auch nicht. Yılmaz ... aha, da! Yasin, die oberste Klingel. Getrieben von Adrenalin und Ungeduld drückte sie direkt zweimal.
Niemand trat aus dem Mehrfamilienhaus; ebenso ertönte kein Ton, der mich dazu aufrief, das Haus zu betreten. Stattdessen ertönte nach einiger Zeit die Gegensprechanlage. ›Hallo, wer ist da?‹
Adnan. Tatsächlich. Es war seine Stimme. Was ihn auch immer dazu brachte, zu dieser Zeit wach zu sein: die Wahrscheinlichkeit, ihn sehen zu können, stieg signifikant an. ›Wer ist da?‹, wiederholte er seine Worte ungeduldig.
»Ich bin's ...«, flüsterte ich heiser, unterbrach aber, da ich ziemlich aufgeregt war. »Ich bin's ... Gönül. Kannst du kurz zu mir runterkommen, Adnan? Ich muss dich sehen.«
Durch den Lautsprecher vernahm ich ein spürbar entnervtes Seufzen. Er hatte keine Lust, mich zu sehen, ließ wenig später allerdings doch eine Antwort folgen. ›Zwei Minuten.‹
Obwohl ich eigentlich keinen Grund zur Freude hatte – immerhin schien Adnan nicht gut gelaunt zu sein und würde mich für meinen Besuch zurechtweisen –, stimmte es mich positiv, dass er sich die Zeit nahm, um mich zu sehen, um mich anzuhören. Dabei wollte er mit mir nichts zu tun haben. Es waren gerade mal zwei Tage vergangen, seit er mich nachts abgewiesen und mir offenbart hatte, dass es in seiner Welt keinerlei Bedeutung für mich gab.
Tatsächlich ertönten zwei Minuten später schwere Schritte im Treppenhaus. Sie kamen immer näher, bis sie einmal komplett aussetzten. Dann zog sich die schwere Haustür auf und Adnan trat heraus. Er wirkte sichtlich unbeeindruckt, verschränkte die Arme vor der Brust.
»Was fällt dir ein, abends hier aufzukreuzen?«, fing er sofort an zu meckern. »Da bin ich gerade froh, dass meine Mutter schläft, und dann kommst du und klingelst wie eine Verrückte. Was willst du überhaupt hier?«
»Dich sehen, wie schon gesagt.« Ich rieb meine kalten Hände. Klar war aber, dass ich es nicht tat, weil ich fror, sondern weil ich verlegen war. »Tut mir leid, aber es war wirklich wichtig-«
»Ich will dich nicht sehen, Gönül. Mir ist deine Sehnsucht scheiß egal, weißt du das? Würde ich dich ficken wollen, würde ich von allein zu dir kommen. Aber ich will dich nicht. Keiner will dich, weil du einfach nur falsch bist. Und das weißt du auch.«
Seine Worte schockierten mich nicht wirklich. Ich akzeptierte seine verbale Selbstverteidigung und nickte. »Ich weiß, dass du noch sauer auf mich bist«, meinte ich. »Aber Nisan will dich nicht zurück. Dafür ist schon zu viel Zeit vergangen. Außerdem hat sie Interesse an meinem Bruder. Ich gönne den beiden ihr Glück.«
Getroffen strich Adnan sich mit den Handflächen durchs Gesicht. Ich glaube, nun hatte ich ihn am Haken. Adnan brauchte eine Weile, bis er sich gefangen hatte. Was folgte, war ein eindringlicher und appellhafter Blick. »Okay, soll sie doch Interesse an ihm haben, ich kann sie sowieso nicht haben. Aber zerstör ihr das nicht auch noch. Du hast schon genug zerstört.«
»Da gehören immer zwei zu, Schatz.«
»Nenn mich nicht so.«
»Alles wird gut, Adnan«, flüsterte ich. Nun trat ich ein, zwei Schritte weiter an ihn heran, auch wenn sich in ihm eine gewaltige Ladung an geballtem Stress bündelte. Er wirkte so finster. Sein Gesicht wurde nur durch die beiden Wandlampen neben der Tür erhellt. Ich blickte in eine angespannte Miene mit nichtssagenden Augen. Adnan hatte genug von mir, ich musste ihn tatsächlich in die Enge getrieben haben. Es gefiel mir, ihn im Griff zu haben.
Ich hob meine Hände vorsichtig an. Am liebsten hätte ich ihn umarmt, aber die Unwissenheit über seine Reaktion trieb mich regelrecht zur Vorsicht. Meine Hände näherten sich seinem Gesicht, Adnan wiederum rührte sich keinen Zentimeter. Als ich seinen Bart berührte, hielt er still. Es fühlte sich unbeschreiblich gut an, sein warmes Gesicht zwischen meinen Händen zu halten. Viel zu lange hatte ich Adnan nicht mehr berührt. Es verlieh mir das Gefühl von Stärke und Vollkommenheit.
»Wir könnten so glücklich sein«, flüsterte ich, während ich meinem Gegenüber konsequent in die Augen schaute. »Du musst endlich verstehen, dass wir füreinander bestimmt sind. Ich weiß das. Du willst Nisan gar nicht. Vergiss sie und bleib bei mir. Sei für mich ...-«
»Verpiss dich!«, zischte er und schubste mich in den Regen. »Nie im Leben sind wir füreinander bestimmt. Selbst wenn du die letzte Frau auf dieser beschissenen Welt wärst. Und jetzt verschwinde von hier!«
Ich blieb auf der Stelle im Regen stehen und fixierte einen Moment lang den Asphaltboden. Ein schneidender Schmerz fuhr meinen Rücken herab und schnürte mir die Luft ab. »Du hast gezögert«, prustete ich. »Wie du mich angesehen hast ... so verliebt hast du mich damals auch angesehen, da bin ich mir sicher ...«
Er schüttelte den Kopf und kam ein, zwei Schritte näher herangetreten. Seine große, aderige Hand packte mich am Jackenkragen, zog mich näher an seinen Körper heran. »Ich habe dich nie verliebt angesehen, Gönül. Auch eben nicht. Ich musste nur innehalten, weil du eine Frau bist und ich dir keine reinhauen will! Tu mir den Gefallen und verschwinde endlich aus meinem Leben! Dann bin ich besser dran!«
In dem Moment schnellte die Haustür auf und eine junge Frau trat heraus. Adnan ließ sofort von mir ab und schritt zurück, doch zu spät. Sie hatte gesehen, wie nahe Adnan mir gekommen war. »Adi, was ist denn ... was ist hier los?«, fragte sie. Ich nahm an, dass es seine Schwester sein musste, die kleine Hilal. Die kleine Hilal, die in nur vier Jahren zu einer jungen und hübschen Frau herangewachsen war. Sie musterte mich und seufzte ein wenig überrascht. »Bist du Gönül?«
Adnan musste seiner Schwester von mir erzählt haben. Wir kannten uns nämlich nicht wirklich, höchstens vom Sehen. Ihr unschuldiger Blick wechselte in regelmäßigen Abständen von Adnan zu mir, von mir zu Adnan. Dann nickte ich. »Ja, ich bin Gönül«, meinte ich. »Was uns verbindet, muss er dir erzählen. Ich wollte sowieso gerade gehen. Gute Nacht.«
Ich drehte den beiden den Rücken zu. Mir war es mehr als nur unangenehm, dass nun auch noch Adnans Schwester dabei war und unseren Streit mitgekriegt hatte. Es war also höchste Zeit für mich, einen Abgang zu machen, bevor ich mich in noch mehr Stress verwickelte. Aber dafür war es wohl zu spät.
»Hinterhältige Schlampe«, zischte sie. Adnan drehte sich zu ihr, rief: »Hilal, wie redest du?!«
Hilal fuhr fort: »Ich kenne dich nicht, Gönül, aber mein Bruder hat sich verändert. Er ist nicht der, für den ihr ihn haltet, nein. Adnan ist erwachsen geworden und hat aus seinen Fehlern gelernt ... du hingegen ... na ja, du hast deine beste Freundin auch betrogen. Fühlst du dich denn nicht selbst schlecht? Wie kannst du dich im Spiegel überhaupt ansehen?«
Während Adnan voller Mühe versuchte, seine Schwester zurückzuhalten, ließ ich ihre Worte Revué passieren. Dafür, dass Hilal gerade einmal achtzehn Jahre alt war, besaß sie eine unfassbare Schlagkraft in ihren Worten. Dass sie mit Adnan verwandt sein musste, merkte man daran, dass sie kein Blatt vor den Mund nahm und nicht davor scheute, ihre Meinung zu äußern.
»Süße, hör mal. Weißt du überhaupt, wie es sich anfühlt, wenn deine beste Freundin ohne Mühe den Kerl abbekommt, dem du schon seit Jahren hinterher rennst?«, fragte ich und zog mir die Kapuze über das Haar, das mittlerweile komplett genässt war. »Adnan gehört mir. Er ist mein Nasip, mein Schicksal. Da ist mir alles egal ...«
Hilal schlussfolgerte: »... sogar deine beste Freundin ist dir egal. Echt, spar dir deine Worte, Gönül.« Sie legte die Hand auf die Türklinke. Ich wusste, dass das Gespräch damit nun vorbei sein würde. Doch zum Schluss drehte sie sich nochmal um.
»Lass ihn in Ruhe. Er hat es nicht nötig, sich mit charakterlosen Menschen wie dir abzugeben. Aber ich freue mich schon. Eines Tages wirst du deine Strafe bekommen. Auch du, glaub mir. Gott sieht alles.«
Hilal nickte ihrem Bruder gewissenhaft zu und forderte ihn lautlos dazu auf, wieder rein zu gehen. Letzterer wiederum sah ganz ungläubig auf sie herab, als wenn er nicht glauben konnte, dass sie all das gerade von sich gegeben hatte.. Selbst ich war von ihrem Streitverhalten überaus schockiert. Ohne mich eines letzten Blickes zu würdigen, gingen Adnan und Hilal zurück ins Haus und ließen mich im Regen stehen.
Wahrscheinlich wollte Adnan mich wirklich nicht haben. Andererseits war ich felsenfest davon überzeugt, dass er bei meinem Versuch, ihm näherzukommen, gezögert hatte und beinahe weich geworden war. Nur war uns Hilal in die Quere gekommen. Adnan war sich seinen Gefühlen einfach nicht sicher, das war alles, oder?
Auch wenn ich es mir zunächst nicht eingestehen wollte, nahm mich die ganze Sache ziemlich mit. Es war kein schönes Gefühl, zu sehen, dass die Person, für die ich die Hand ins Feuer legen würde, nicht dasselbe empfand, sondern mich abstieß und ihr Bestes tat, um mir aus dem Weg zu gehen.
Genau das tat Adnan. Er ging mir aus dem Weg. In seiner Welt gab es nichts außer Nisan. Er versuchte, für sie zu kämpfen, obwohl er wusste, dass es keinen Sinn machte. Dabei verfiel er in eine merkwürdige Art von Selbstlosigkeit, die auf der einen Seite bewundernswert und ein Garant für seinen tollen Charakter war, andererseits aber nur noch mehr Kummer in mir aufrüttelte.
• 23:31 •
Auch in unserem Wohnhaus brannte noch Licht. Insofern versuchte ich gar nicht erst, so zu tun, als sei ich die ganze Zeit brav zuhause gewesen, sondern zog mir in der Garderobe ganz tiefenentspannt die Schuhe aus, hing meine Jacke zu den anderen und begab mich in die Küche, in welcher ich einen Moment lang kraftlos auf der Sitzbank zusammensank. Die unordentlichen Haarsträhnen fielen mir ins Gesicht, welches ich wiederum mit den Händen stützte. Ich kämpfte gegen die Tränen an, konnte sie letztlich aber nicht davon abhalten, über meine Wangen zu laufen.
›Nie im Leben sind wir füreinander bestimmt. Selbst wenn du die letzte Frau auf dieser beschissenen Welt wärst. Und jetzt verschwinde von hier!‹, hörte ich Adnans rauen und tiefen Stimmklang noch immer in meinen Ohren säuseln. Ich konnte sogar noch die Wucht spüren, mit der er mich danach in den Regen geschubst hatte. Mit seiner breitgebauten Statur und den kräftigen Händen war ihm das auch gar nicht allzu schwergefallen.
»Hey, Gönül.«
Regung. Umarmung. Wärme. Es war Nisan, die sich bereits von ihrem Zusammenbruch am Vortag erholt hatte. Dass sie zu dieser Uhrzeit noch wach war, wunderte mich. Sie war vielleicht eine Frühaufsteherin, dafür aber wirklich keine, die sich die Nächte um die Ohren schlug.
»Hallo«, flüsterte ich in meinen Jackenärmel und hoffte, dass sie von meiner Betroffenheit nicht allzu viel mitbekam. »Bist schlaflos, hm?«
Das Licht war gedämmt, als Nisan neben mir Platz nahm. Sie benahm sich so wortkarg, gar nicht kommunikativ, sondern beobachtete mich nur. Doch nach einigen Sekunden des puren Stillschweigens sprudelten die Worte nur so aus ihr heraus.
»Irgendwas ist anders mit dir«, meinte sie. In ihren Händen wog sie eine Duftkerze, was darauf hindeutete, dass ihr etwas quer im Magen lag. »Du gehst mir aus dem Weg, lässt mich mit Onur allein. Dafür gehst du nachts weg und denkst, wir würden nichts merken. Aber Onur macht sich Sorgen um dich. Und ich erst recht.«
Ich seufzte ruhig und ließ Nisans klägliche, doch sonst angenehmen Worte auf mich einwirken. Dabei fühlte ich mich fast noch schlechter, da sie wie immer ehrlich mit mir umging und ich ihr einen gravierenden Einschnitt in ihrem Leben verheimlichte. Gerade jetzt stellte ich mir die Frage, wie ich mich überhaupt als so etwas wie beste Freundin schimpfen konnte.
Um Nisan nicht im Regen stehen zu lassen, nahm ich all meine Kraft zusammen und sprach – oder besser gesagt – log: »In letzter Zeit bin ich viel mit Arbeit beschäftigt. Da nutze ich manchmal meine freie Zeit, um mich zurückzuziehen. Gehe schlafen oder fahre spätabends spazieren. Es tut mir leid, falls das falsch rüberkommt.«
»Okay, na dann«, flüsterte sie, ehe sie eine kurze Redepause einleitete. »Gönül?«
»Hm, schieß los?«
»Da werde ich von meinen Eltern verheiratet, von meinem Ehemann schwer verletzt und lebe untergetaucht. Klingt alles wie ein schlechter Film, oder?«
Ich nickte. »Klingt eher traurig. Ich bewundere dich sowieso dafür, dass du darüber reden kannst, ohne zu trauern. Ich wäre am Boden zerstört. Wie kannst du einfach so mit der Gewissheit leben, dass deine Eltern ihre einzige Tochter verkauft haben?«
Auf meine Frage hin zuckte sie nur mit den Schultern und warf ihr Haar voller Verlegenheit zurück. »Ohne die geht es mir doch sowieso besser«, gestand Nisan ohne Hemmungen. »Was bringt mir der Kummer denn? Meine Familie bist du, Gönül. Du hast mich aufgenommen und davor gerettet, auf der Straße zu sitzen. Du hast mir bewiesen, dass ich in besonders schwierigen Zeiten auf dich zählen kann. Ich kann dich zurecht beste Freundin nennen.«
»Du hättest dasselbe für mich getan«, wimmelte ich ihre rührende Dankesrede ab. Wieder haderte ich mit den Tränen; dieses Mal konnte ich sie aber tatsächlich laufen lassen und es fühlte sich sogar gut an. »Tut mir leid, aber ich kann nicht in Worte fassen, wie glücklich ich bin, dass du wohlauf bist. Sag mal ... bevor ich es vergesse ... was wollte Adnan gestern eigentlich von dir?«
Nisan rutschte auf der Sitzbank ein wenig zurück und musterte mich angespannt. Ihr Blick weilte konstant auf mir, ehe sie sich schüttelte und fragte: »Wie kommst du denn jetzt auf den?«
Ich seufzte. »Na ja, das ging alles so schnell. Onur hat ihn reingelassen, ihr habt geredet. Dann bist du zusammengebrochen und Adnan war weg. Was war los?«
»Das hatte nichts mit ihm zu tun«, meinte sie. Ihre Körpersprache verriet mir jedoch anderes. Sie sprach Bände. Die ganze Zeit rieb Nisan mit den Händen über ihre Arme, als wenn sie fror. Oder ... ja, als wenn sie seine Umarmung noch immer auf ihrem Körper spürte. Sein Drang nach Nähe war ihr schlichtweg zu viel geworden, aber ich merkte, dass sie sich insgeheim nach den starken Armen sehnte.
»Hör zu«, meinte ich. »Wenn er dich mit seiner bloßen Anwesenheit ans Ende deines Kreislaufs bringt, solltest du vielleicht daran überlegen, ihn zu meiden. Allgemein.«
Ihre Reaktion konnte ich gar nicht deuten, da sie sich zunächst durch Ausdruckslosigkeit und Schweigen äußerte. Wenig später aber lächelte sie. In ihrem Gesicht fand ich tiefe Grübchen vor, die vom seichten Mondlicht erhellt wurden. »Glaub mir, ich möchte den Kerl einfach nur vergessen, mehr nicht. Wenn du das sagst, muss das schon richtig sein. Du willst ja nur das Beste für mich.«
»Genau!«, rief ich. Gerade noch so gerettet. Alles war gut, bis mein Handy mehrfach vibrierte und Nisan hellhörig wurde. Der Blick auf den kleinen Bildschirm verriet mir, dass ›A❤️‹, also Adnan, mir mehrere Textnachrichten gesendet hatte. Aber Nisan musste verschwinden, damit ich mich voll und ganz den Nachrichten widmen konnte.
»Hör mal Nisan, wie wär's, wenn ... was hältst du davon, wenn ich uns Kakao mache und wir uns einen Film ansehen? Das haben wir schon lang nicht mehr gemacht.«
Zwar verfiel Nisan wieder in tiefes Schweigen, quittierte meine Anfrage letzten Endes aber zügig mit einem neckischen Grinsen. »Aber nur, wenn ich den Film aussuchen darf, ja?«
»Natürlich darfst du«, flüsterte ich.
Ich wartete, bis Nisan die Küche verlassen hatte und kramte als Alibi die Dose Kakao, eine Tüte Milch und zwei Tassen hervor. Die zufallende Tür bildete das Kommando, mein Handy aus der Tasche zu ziehen und zu prüfen, was Adnan mir zu sagen hatte. Aber ich wusste, mich erwartete nichts Gutes. Und genau das attestierte mir in den folgenden Sekunden unser Chat auf meinem Handy.
–A❤️–
• 23:41 •
Halt dich bloß von mir fern,
du schwache Persönlichkeit.
Uns verbindet nichts und ich
bin froh, nichts mit dir zu tun
haben zu müssen.
Was denkst du, wer du bist?
Denkst du, ich gehöre dir und
müsste mir dein Gerede noch
länger geben? Oh, nein.
Du nahmst mir Nisan, nahmst
mir mein Leben. Aber glaub mir:
Nähere dich mir noch einmal
und ich zerstöre dein Leben.
Du bist ein Nichts für mich.
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