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Liana wurde von einem grellen Schein geweckt, der von Nagis echter Sonne stammte. Erschlagen rieb sie sich die Augen, ehe sie ganz zu sich kam und eilig aufsprang.

„Auf auf, es gibt viel zu tun!", flötete sie sogleich mit heller Stimme durch die Wohnung und verschwand in Richtung Küche. R7 rührte sich. Er schaltete ein kleines Lämpchen bei sich an, an dem man sah, dass er aufnahmefähig war, gab ein paar langsame, leise Piepstöne von sich und drehte sein Kopfteil einmal herum, bevor er aus dem Schrank hopste und zu Liana in die Küche fuhr.

Sobald sie sich umdrehte und ihn bemerkte, musste sie lächeln. „Guten Morgen, Bonnie!"
Er piepte eine traurige Melodie als Antwort.
Liana seufzte. „Du schläfst doch nicht mal richtig!"
Da legte R7 alarmgleichen Protest ein.
„Wenn du müde bist, du weißt ja, wo der zentrale Versorgungsstecker ist."
R7 jammerte zwar noch etwas, kam aber ohne weiteren Protest zu Liana.
Liana seufzte genervt. „Du könntest zum Beispiel schonmal die dreckige Wäsche aus dem Schlafzimmer in die Waschmaschine packen."
Ohne weiteren Kommentar fuhr R7 ins Schlafzimmer.

Wenn Liana sich vorstellte, wie er gerade mühsam verrichtete, was sie ihm gesagt hatte, musste sie lächeln. R7 konnte Aufräumen eigentlich nicht ausstehen. Gerade das Klamotten-Aufheben fiel ihm schwer. Aber er macht es trotzdem, für sie. Das erfüllt sie jedes Mal wieder mit Freude und Stolz. Ja, R7 war ihr in den letzten Tagen und Wochen wirklich ans Herz gewachsen.

Als sie selbst ins Schlafzimmer kam, war R7 unter den Massen an Dreckwäsche, die er auf sich gestapelt hatte, kaum mehr zu erkennen. Liana lachte kurz auf.

„Schon gut, Bonnie, mach' dir nicht so eine Mühe. Geh' schonmal ins Bad und ich komme gleich nach."
Ohne Kommentar fuhr R7 ins Bad.
Als Liana die restliche Dreckwäsche aufgesammelt hatte, stolperte sie ins Bad und ließ stöhnend den Berg auf ihrem Arm auf den Boden fallen.
„Jetzt nur noch sortieren", meinte sie gedankenverloren, während sie sich schon bückte.

Nachdem die Waschmaschine vor sich hin brummte, machte sie sich an die Küche. Sie schaute kurz aus dem Fenster. Eigentlich war das Wetter viel zu schön, um den Tag drinnen zu verbringen...
„Bonnie!", schrie sie durch die Wohnung. „Mach' die Rolläden zu und das Licht an!"
R7 piepste bestätigend und bald war die Wohnung durchflutet von dem grellen, künstlichen Neonlicht. Liana hasste dieses Licht. Lieber ging sie im Schatten der Bäume spazieren, aber nun ja, ihre Wohnung räumte sich nicht von selbst auf.
Sie spülte das Geschirr auf, das sich seit ein paar Wochen neben der Spüle gestapelt hatte.

Als sie damit fertig war, nahm sie die trockene Wäsche aus dem Wasch-Trocken-Apparat und legte sie gewissenhaft zusammen, bevor sie sie im Schrank verstaute. Sie startete erneut eine Maschine und legte um ein weiteres Mal die Wäsche.
Als sie mit allem fertig war, dämmerte es schon. Geschafft ließ sie sich rücklings auf ihr Bett fallen. Plötzlich ertönten leises Bachgeplätscher und zartes Vogelgezwitscher und an den Wandbildschirmen erschienen Stämme mächtiger Bäume. An der Decke tauchte das Kronendach auf, durch das der blaue Himmel blitzte. Vögel kreisten hoch oben und ab und zu ertönte ihr Kreischen. Liana lächelte. R7 rollte zufrieden summend zu ihr ins Schlafzimmer und bewunderte sein Werk.
„Gute Idee, Bonnie", meinte Liana schwach und blickte erschöpft zum Deckenbildschirm.

Am nächsten Morgen ging Liana zum Haus ihrer Eltern und nahm sogar R7 mit. Auf den unebenen Straßen holperte er neben ihr her. Er hatte sichtlich Schwierigkeiten, aber er hielt tapfer Schritt. Liana war noch etwas skeptisch wegen des Vorhabens, aber sie vertraute ihren Geschwistern, dass sie wussten, was sie vorhatten.
Lianas Wohnung war nur ein paar hundert Meter vom Haus ihrer Eltern entfernt, was im Nachhinein vielleicht auch der Grund war, warum das mit der Distanz nicht so klappte.
Heute hatte ihr Vater sie schon wieder zum Aufpassen und Kochen überredet, aber im Gegensatz zu sonst freute sie sich schon auf die Augen ihrer Geschwister, wenn sie R7 sahen.
Als sie klingelte, öffnete Lianas Vater die Tür, bedachte sie und R7 mit einem abschätzigen Blick und meinte nur: "Komm' schnell rein, wir warten schon auf dich."
Liana seufzte leise und drehte sich weg, um ihre Jacke aufzuhängen und ihre Schuhe wegzustellen und verdrehte dabei heimlich die Augen. "Komme schon!"
R7 piepste leise, sodass nur Liana es hörte. "Da kann ich dir nur zustimmen, Bonnie", seufzte sie.
Im Wohnzimmer saßen Lianas Geschwister schon wie die Orgelpfeifen ungeduldig wartend auf der Couch.
R7 hielt unvermittelt an, als sich ihm die liebliche Szenerie des Wohnzimmers eröffnete (das Chaos von vor ein paar Tagen war nun vertikal an der Wand gestapelt und die Möbel zur Seite geschoben worden), sodass Liana fast über ihn fiel. Als die beiden im Türrahmen für die vier auf dem Sofa sichtbar wurden, sprangen sie auf und rannten grölend auf Liana und R7 zu.
Sie stoppten vor ihnen und hüpften auf und ab.
"Sag' ihm, dass er was sagen soll!", kreischte Sara stürmisch.
Liana grinste. "Nicht so wild!", stoppte sie Sara in ihren ausholenden Bewegungen. "Sonst kriegt er noch Angst."
Sara runzelte die Stirn. "Aber das ist doch eine Maschine, die hat keine Gefühle!"
Sie grinste noch breiter, als R7 lauthals protestierte. Aber es kamen nur Piepser raus und die schnelle, heitere Melodie klang sehr niedlich. "Da würde Bonnie dir jetzt aber widersprechen", belehrte Liana ihre vier kleineren Geschwister, die nun mit großen Augen R7 anstarrten.
"Der klingt wie ein Vogel!", flüsterte Levan erstaunt.
Liana nickte. "Das ist seine Art, sich zu unterhalten."
"Ach, der redet gar nicht richtig?", wollte Sara enttäuscht wissen. Sie sah wirklich bedrückt aus.
"Das ist doch richtiges Reden!", lachte Liana.
Sara zog eine Schnute. "Ich versteh' ja gar nichts!"
Liana spielte mit. "Dann musst du es wohl lernen!"
Sara verzog das Gesicht. "Aber das dauert so lange und ist total langweilig!"

Nach zehn-minütiger Diskussion war es beschlossen: Sara musste wohl oder übel das Gepiepse zu übersetzen lernen, wenn sie sich mit R7 unterhalten wollte. Es war auch nicht weiter schwierig, hatte Liana ihr zugesichert, sie hatte es innerhalb von wenigen Wochen gelernt.
Und so machte sie sich mit Kara als ihr Schatten an die Arbeit. Kara machte ihrer Schwester alles nach und folgte ihr wie ein Hündchen.

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