Im Verdacht
Triggerwarnung für dieses Kapitel: körperliche Gewalt, Schläge
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Jisung Pov:
Aber genau dieser eine Blick erschütterte mein Innerstes zutiefst und brachte die letzten gut behüteten Mauern zum Einsturz, die mich davor bewahrt hatten, die Realität zu erkennen. Zunächst riss ich meine Augen auf und dann schnappte ich völlig entsetzt nach Luft, als ich nach unten in das Tal der Könige sah.
Ich taumelte zurück und spürte schlussendlich den warmen Fels in meinem Rücken. Er gab mir gerade den nötigen Halt, den ich brauchte. Meine Beine zitterten stark und mein Kopf dröhnte, während mein Herz das Blut ungesund schnell durch meine Adern pumpte, als würde es damit erreichen wollen, dass ich all meine körperlichen und geistigen Kapazitäten darauf verwendete, die Wahrheit, die so unmissverständlich und offenkundig vor mir lag, zu verstehen. Stattdessen wurde mir fast schwarz vor Augen und meine Sicht verschwamm. Als letzten Ankerpunkt tastete ich verzweifelt nach meiner Kette und wimmerte leise, als ich sie nicht fand.
Das konnte nicht wahr sein. Nein, das durfte nicht wahr sein. Sowas passierte nicht. Niemals.
Dennoch wurde das Zittern meines Körpers stärker, als ich an den Anblick dachte, der sich mir da unten gerade geboten hatte. Anstatt der zahlreichen Touristen, die in ihren bunten Kleidern umherwuselten und wie üblich mit Kamera und Handy jeden Moment ihres Besuches im Tal der Könige festhielten, hatten dort dutzende von Männern gearbeitet. Aber sie hatten nicht wie ein modernes Ausgrabungsteam Sandanhäufungen und Geröll fortgeschafft, sondern riesige Steinquader behauen, Felsblöcke gezogen oder anderes Baumaterial herangetragen. Und sie alle waren spärlich bis gar nicht bekleidet – ganz ähnlich zu dem Mann, der mir im Grabschacht entgegengekommen war.
Das konnte doch nicht sein, oder? Sowas konnte man nicht einfach faken.
Was war hier los? Wo waren all die neugierigen Touristen?
Aber wie lange durfte ich meine Augen noch vor dem Unvermeidlichen verschließen? Schon der Zugang zum Grabgang war anders als in meiner Erinnerung. Ein Gerüst war direkt um das Plateau herum errichtet worden und ein breiter Holzsteg führte sicher hinüber zu dem Weg, den man vom Tal hinaufkam. Genau diesen Pfad nahmen gerade mehrere Männer. Sie liefen in zügigem Tempo in meine Richtung, oder besser gesagt zum Eingang des Schachts. Sie sahen ebenfalls aus wie einfache Arbeiter, sie hatten nur einen Lendenschurz um und die altertümlichen Arbeitsgeräte bei sich, die zum Abbau von Gestein dienten.
Fieberhaft überlegte ich, was ich nun tun sollte, um kein Aufsehen zu erregen, denn eines war klar, ich fiel hier auf wie ein bunter Hund. Am liebsten wäre ich wieder zurück in den Tunnel gekrochen, doch da hatten mich zwei der Männer bereits entdeckt und starrten mich ähnlich verwirrt an, wie ich sie. In diesem Augenblick wurde mir bewusst, dass ich in einer unglaublich schlechten Situation feststeckte und das mein Auftauchen vollkommen unerklärlich war. Wenn ich wirklich gerade dort war, wo ich zu sein glaubte, musste mein Anblick verstörend und beängstigend zugleich wirken.
Alles an mir musste für diese Menschen genauso seltsam aussehen, wie alles an ihnen für mich. Obendrein hatte ich keine Möglichkeit, ihnen plausibel zu erklären, weshalb ich hier war.
Ich blickte etwas panisch in sämtliche Himmelsrichtungen und spürte ein ungutes Schwindelgefühl, als mir keine Möglichkeit in den Sinn kam, mich dieser Situation zu entziehen. Als dann unvermittelt meine Beine unter mir nachgaben und ich kraftlos am Felsen zusammensank wie ein nasser Sack, sprang einer der Arbeiter auf mich zu und tätschelte mir sanft die Wange. Er redete in einer rauen, abgehackten Sprache auf mich ein und rief den anderen etwas zu, von denen sich einer nun entfernte und ins Tal zurücklief. Währenddessen wurde mir ein Trinkschlauch an die Lippen gehalten und ich schluckte das warme Wasser, das dennoch eine belebende Wirkung auf meinen Geist hatte.
Schwerfällig setzte ich mich wieder auf und nuschelte ein „Danke".
Was hätte ich auch anderes sagen sollen? Und irgendwie schien mein Gegenüber das Wort zu verstehen, denn es bildete sich ein gutmütiges Lächeln auf seinem wettergegerbten Gesicht und schon wieder sprach er in dieser hart klingenden Sprache zu mir. Da ich leider gar nichts verstand, blickte ich ihn weiterhin verwirrt an, doch sein Monolog wurde abrupt unterbrochen, von einem Mann, der in ein weißes Leinengewand gehüllten war und deutlich blassere Haut hatte, zusätzlich trug er eine Rute bei sich, die er demonstrativ schwang. Er lief schnurstracks auf uns zu und brüllte den Mann vor mir an, er solle gefälligst wieder an die Arbeit gehen und drohte ihm sogar mit Schlägen.
Noch absurder als das gewaltbereite Verhalten des Neuankömmlings war aber, dass ich den Mann bestens verstand, das Warum entzog sich dabei vollkommen meiner Kenntnis. Doch nun blickte er verständnislos und kalt auf mich herab, bevor er direkt zu mir sprach.
„Wer bist du und was tust du hier?" Seine Augen glitten irritiert über meine Kleidung und dann hinab zu meinen Schuhen, die ganz sicher nicht der Mode entsprachen, die man gerade trug.
In dieser Sekunde musste ich mich entscheiden, ich musste meine derzeitige Lage anerkennen und rational antworten, sodass ich den nächsten Tag noch erlebte.
„Ich-ich habe mich verlaufen...es tut mir leid, ich werde sofort gehen", nuschelte ich und versuchte sogleich, mich aufzurappeln.
Der Aufseher, oder was auch immer er war, starrte mich – wenn überhaupt möglich – noch ungläubiger an und dann richtete er seine Rute drohend auf mich. „Woher kommst du?", brüllte er schon beinahe und ich hob abwehrend den Arm, in der Angst er würde tatsächlich zuschlagen.
Mir war bewusst, dass mir die Wahrheit in diesem Fall wohl kein bisschen helfen würde, deshalb musste ich mir schnell etwas einfallen lassen. „Ich... ich komme aus einer der Nachbarstädte", brachte ich stockend hervor und versuchte so unschuldig wie möglich auszusehen.
Schneller als ich reagieren konnte, holte der Mann aus und mit einem unangenehmen Brennen traf das biegsame Holz der Rute meinen Unterarm. Ich sog schmerzerfüllt die Luft ein und man erkannte fast sofort einen roten Striemen, der sich auf meiner sonst so hellen Haut abzeichnete.
„Lüg mich nicht an! Du sprichst anders! Woher kommst du, Fremder?!", wurde mir entgegengebrüllt und mir schnürte sich die Kehle zu, weil ich nicht wusste, was ich darauf erwidern sollte.
Oh ja, entschuldigen sie bitte, aber ich komme aus der Zukunft und da gibt es Autos, Flugzeuge und praktische Handfeuerwaffen, die ihnen sicher gefallen würden...
Was konnte ich nur sagen, ohne noch mehr Schläge zu kassieren? Ich brauchte eine möglichst einfache, aber glaubhafte Geschichte.
„Ich- ich komme aus Nubien, ich bin von dort geflüchtet", versuchte ich es mit einer weiteren Lüge und betete stumm, dass diese Aussage zeitlich halbwegs zu den vielen Konflikten und Kämpfen mit dem Nachbarstaat passte.
Diesmal ließ der Mann die Rute etwas argwöhnisch sinken, doch nur um im nächsten Moment einem nahestehenden Mann zuzubrüllen, er solle mich fesseln und zum obersten Aufseher bringen.
Meine Panik wuchs schlagartig, da ich glaubte, einen fatalen Fehler gemacht zu haben und in einem verzweifelten Versuch wegzulaufen, sprang ich auf und wich dem Mann aus, der auf mich zukam, um mich zu fesseln. Aber da spürte ich schon einen brennenden Schmerz in meinem Rücken und schrie gellend auf. Der Schlag mit der Rute war deutlich härter gewesen als der erste und zog sich wie Feuer über meine Haut. Jedenfalls verlor ich das Gleichgewicht und ich stürzte auf meine Knie. Sogleich waren zwei der Arbeiter bei mir und banden meine Hände mit einem rauen Pflanzenfaserseil auf den Rücken.
„Du wagst es auch noch wegzulaufen?! Bringt ihn direkt zu Aufseher Kan... der wird ihn mit in die Stadt nehmen, wo er verhört wird. Dann wissen wir bald, ob er ein Spion ist."
Ich bebte am ganzen Körper und konnte immer noch nicht fassen, was mit mir geschah, weshalb ich auch nicht gegen die Fesseln ankämpfte oder dagegen, dass man mich nun aufrichtete und den Pfad hinabführte.
Das konnte nicht real sein. Sowas ging nicht... man konnte nicht in die Vergangenheit reisen.
Wie ein Mantra wiederholte ich die Worte in meinem Kopf und doch setzte ich einen Schritt vor den anderen, während mich die zwei Männer zu einem Zelt an einer Felsflanke führten.
Ungesehen spürte ich die bohrenden Blicke aus allen Richtungen auf mir, alle beäugten mich misstrauisch oder tuschelten halblaut. Und ich... ich verstand die Welt nicht mehr und wäre am liebsten einfach zusammengebrochen. Doch ich wurde mitgezogen wie Vieh und schließlich blieben die zwei Männer vor dem Zelteingang stehen, der geöffnet war, sodass man den spärlich eingerichteten Innenraum sehen konnte.
Einer meiner Aufpasser trat nach vorn zu einem bulligen Mann, der teuren Schmuck und gefärbte Kleidung trug. Er musste derjenige sein, der hier das Kommando innehatte. Als dieser sich nun zu mir umdrehte, wäre ich fast zusammengeschreckt. Quer über sein Gesicht zog sich eine rötliche Narbe und seine dunklen Augen funkelten so grimmig, dass es mir eiskalt den immer noch schmerzenden Rücken hinablief. Auch mein Aufpasser war unterwürfig und sehr vorsichtig in der Gegenwart des Aufsehers und verbeugte sich mehrmals tief, dann berichtete er ihm von mir und ein weiterer, stechend kalter Blick durchbohrte mich, bevor dem Mann ein unwirsches Brummen entfuhr und er zu mir trat.
„Ihr könnt jetzt gehen", teilte er den Arbeitern mit und machte eine Handbewegung, die eindeutig Verschwinde-einfach hieß.
„So, so... du sagst also, du kommst aus Nubien und bist ein Flüchtling. Aber wer sagt mir bitte, dass du kein Spion des Gegners bist?" Unvermittelt drückte er mich vor sich auf den Boden, sodass ich auf die Knie sank. Anschließend hob er unsanft mein Kinn an und schien die Macht zu genießen, die er so über mich hatte. „Jammerschade, so ein hübsches Gesicht als Zielscheibe... möglicherweise sagst du ja die Wahrheit. Immerhin würde sich jeder, der bei klarem Verstand ist, an dein Gesicht erinnern und ein Spion sollte hingegen möglichst unauffällig bleiben."
Ein Hoffnungsschimmer keimte in mir auf, doch wurde sofort wieder zertrampelt, als der oberste Aufseher weitersprach. „Dennoch... gerade solchen jungen Burschen wie dir sollte man nicht trauen. Schon gar nicht, wenn sie in der heiligen Grabstätte unseres Königs herumschnüffeln. Ich werde dich in der Stadt an Changbin übergeben, dann soll er doch entscheiden, wie er dich zum Reden bringt."
Ich ächzte, als seine raue Hand mein Kinn fester packte und meinen Kopf noch ein wenig weiter nach hinten drückte. Mit beinahe schwarzen Augen musterte er mich nochmal eingehend und ein beängstigendes Lächeln bildete sich auf seinen aufgerissenen Lippen.
„Müsste ich raten, dann würde ich sagen, dass du kein Geflohener bist. Zwar scheint dein Körper tatsächlich einige Strapazen hinter sich zu haben, doch deine Kleidung und dein Aussehen sind so auffällig, dass nicht einmal ich dich durchschaue, Kleiner. Und ich möchte dir eines sagen-" Er machte eine Pause und schloss seine Finger eisern um mein Kinn, sodass es zu schmerzen begann. „- das behagt mir nicht. Würde es in meiner Verantwortung liegen, würde ich dich hinrichten lassen, auch wenn es schade um dein unschuldiges Gesicht ist."
Dann holte er plötzlich aus und schon wurde es wieder dunkel.
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Sorry, heute bin ich etwas spät und der arme Jisung wird in diesem Kapitel auch nicht gerade geschont... aber ihr wisst ja, worauf ihr euch einlasst.
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