Kapitel 9


Um es kurz zu machen, ich habe gelogen.

Ich hatte wirklich kurz mit dem Gedanken gespielt es ihr zu sagen, aber ich bin noch nicht bereit. Die Angst ist einfach  zu groß.

Nachdem wir alles sauber gemacht hatten wollte Maja natürlich direkt wissen was los ist, woraufhin ich ihr gesagt habe, dass ich wohl etwas falsches gegessen habe und daher der kleine Zwischenfall kommt. Sie schien nicht sonderlich überzeugt, aber hat auch nicht weiter nachgefragt, womit das Thema dann beendet war.

Ich habe unglaubliche Schuldgefühle deswegen.

Es tut mir leid sie anzulügen, aber es geht einfach nicht. Noch nicht.

Maja meinte noch, dass sie und Finn eigentlich etwas mit mir unternehmen wollten, es sich aber ja hiermit erledigt hätte.

Durch meine jetzigen Umstände habe ich kaum noch Zeit für die Beiden, jedoch haben sie dadurch auch die Möglichkeit sich näher zu kommen und ich hoffe, das wenigstens diese eine Sache funktioniert.

Letztendlich habe ich mich dann doch abholen lassen, weil es komisch gewesen wäre danach noch in der Schule zu bleiben, außerdem haben Maja und Finn die ganze Zeit auf mich eingeredet.

Mittlerweile sitze ich in meinem Zimmer, um drei Uhr steht der Arzttermin an, also habe ich noch etwas Zeit.

Mom wollte natürlich direkt wissen warum ich schon so früh zu Hause bin und nachdem ich alles erklärt hatte, war ihr Blick alles andere als fröhlich. Um es genauer zu sagen, schreite der Blick förmlich: „Hilfe, meine Tochter stirbt jede Minute etwas mehr."

Es ist schrecklich und einfach nur absolut scheiße. Alles.

Sie hat sich heute extra für den Arzttermin frei genommen und Dad macht auch früher Schluss. Da fällt mir ein, dass ich mich noch bei meiner Mutter für den blöden Spruch heute Morgen entschuldigen wollte. Das war wirklich nicht in Ordnung und ich will gar nicht wissen, wie lange sie danach noch geweint hat und das alles nur wegen mir.

Es muss beschissen sein, seinem eigenen Kind beim Sterben zu zuschauen, wahrscheinlich ist es sogar noch schlimmer als die Person selbst zu sein, die Krebs hat.

Ich stehe von meinem Bett auf und laufe hinunter in die Küche, wo Mama gerade am kochen ist. Sie macht Pfannkuchen, mein Lieblingsessen.

Ich habe den ganzen Tag noch nichts gegessen und das kleine Bisschen, was noch in meinem Magen war, habe ich ausgekotzt, deswegen sollte ich versuchen wenigstens etwas runterzubekommen.

„Ah, da bist du ja schon, würdest du vielleicht schonmal den Tisch decken Spätzchen? Dein Vater müsste auch gleich da sein."

Hatte ich schonmal erwähnt, dass meine Mom die gutherzigste Person auf der ganzen Erde ist? Ich war so gemein zu ihr und sie verzeiht mir einfach so, ohne jegliche Entschuldigung.

„Mom? Ich wollte mich noch entschuldigen... Für heute Morgen. Für das, was ich gesagt habe... Das war wirklich nicht in Ordnung von mir. Es tut mir Leid, dass ich dich verletzt habe."

„Ach Katie, du brauchst dich nicht entschuldigen. Ich weiß doch was du im Moment durchmachst, da rutscht einem halt schon mal ein blöder Spruch raus. Schwamm drüber."

Ich nehme sie ganz fest in den Arm und inhaliere dabei ihren vertrauten Geruch.

Wir stehen dort noch länger so, bis Mom sich plötzlich von mir löst und sich schnell dem schon halb verbrannten Pfannkuchen zuwendet. Dabei entgeht mir jedoch nicht, wie sie sich heimlich eine Träne wegwischt.

Mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen und das Atmen fällt mir wieder schwerer. Man sieht ihr den Schmerz ins Gesicht geschrieben, aber sie versucht stark zu sein. Wahrscheinlich für mich, für Dad und auch für sich selbst.

Wenig später kommt auch mein Vater nach Hause und wir essen gemeinsam. Tatsächlich schaffe ich es einen ganzen Pfannkuchen zu essen, wer hätte es gedacht.

„Was ist eigentlich mit diesem netten Jungen, Luke oder? Ihr habt euch schon länger nicht mehr getroffen, ich dachte ihr hättet euch sehr gut verstanden..."

Ich hatte sehr gehofft, dass diese Frage nie kommt, aber da im Moment wirklich alles scheiße ist, bleibt mir natürlich auch das nicht erspart.

„Es war erträglich, ja, aber mehr auch nicht."

Schmerz breitet sich wieder in mir aus und kriecht langsam und kühl durch jede einzelne meiner Adern. Meine Kehle wird ganz trocken und mein Herz schwer. Warum muss ich jetzt auch schon wieder daran erinnert werden?

Anscheinen reicht ihnen diese Antwort und sie hacken nicht weiter nach.

Nachdem wir gegessen haben, helfe ich noch beim Abwasch und höre bis es Zeit zum losfahren ist Musik in meinem Zimmer und zeichne etwas. Irgendwie muss ich mir ja die Zeit vertreiben, die mir noch bleibt.

Es ist Zeit für den Arzttermin. Wir sind gerade im Flur und ziehen unsere Jacken an.

Mein Herz schlägt immer schneller und ich muss zugeben, dass ich ziemlich aufgeregt bin.

Das verräterische Flämmchen der Hoffnung brennt immer noch in mir.

Ich hoffe immer noch, dass der Tumor aufhört zu wachsen, die Behandlung beginnen kann und ich es vielleicht schaffe den Krebs irgendwie zu besiegen oder noch besser, alles nur ein böser Traum ist.

Es wird mich wahrscheinlich nur noch mehr verletzten, wenn diese Dinge eben nicht eintreten, aber ich kann nichts gegen die Hoffnung tun.

Ich bin ihr hoffnungslos, was eine Ironie, ausgesetzt und was ich auch tue, egal wie sehr ich versuche die Flamme zu löschen, es gelingt mir einfach nicht.

Mittlerweile sitzen wir im Auto und sind auf dem Weg zum Krankenhaus.

Die Fahrt geht zum Glück schnell vorüber und im Nu sind wir dort angekommen, wo uns auch schon direkt mein Stammarzt Herr Carter begrüßt.

„Hallo Kate, hallo Herr und Frau Mayer.", dabei schüttelt er jedem höflich die Hand.

Ich muss zugeben, dass Herr Carter wirklich sehr nett ist, auch wenn der Grund unsere Bekanntschaft alles andere als das ist.

Mit seinem noch vollen blonden Haar und den wachen blauen Augen sieht er viel jünger aus als er eigentlich ist, eher Mitte dreißig anstatt Ende vierzig. Ob er sich wohl die Haare färbt?

Als wir im Behandlungszimmer angekommen sind, macht Doktor Carter auch schon direkt den Ultraschall um festzustellen ob der Tumor weiter gewachsen ist oder nicht.

Meine Eltern warten derzeit vor der Tür, ich bin schließlich alt genug.

Es fühlt sich sehr eklig und vor allem eiskalt auf der Haut an.

Als der Doc alles gesehen hat, was er sehen muss, wischt er die Stelle ab, sodass ich mein Oberteil wieder anziehen kann und bittet meine Eltern herein.

Sie setzen sich auf die zwei Stühle, die noch im Raum stehen, während ich auf der Liege sitzen bleibe.

„Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass der Tumor weiterhin gewachsen ist. Die Medikamente die du momentan einnimmst, scheinen bei dir nicht zu wirken. Ich würde vorschlagen, dass wir dich auf ein neues, anderes Medikament umstellen und..."

Ab da höre ich nicht mehr zu, selbst wenn ich es wollte könnte ich es nicht, da meine Ohren wie taub sind.

Alles ist gedämpft, ich bin mal wieder wie in Watte eingepackt und es fühlt sich alles überhaupt nicht real an. Wenn es doch bloß auch nicht real wäre...

Warum? Warum, verdammt nochmal?!

Ich starre auf den Fußboden vor mir. Zwischendurch schnappe ich das Wort „Nebenwirkungen" auf, aber warum sollten mich die beschissenen Nebenwirkungen interessieren? Ich werde so oder so bald tot sein, also was soll's?

Eine salzige Träne läuft mir die Wange herunter, aber ich wische sie schnell weg.

Ich darf jetzt keine Schwäche zeigen, ich muss stark bleiben und eigentlich kann es mir doch egal sein.

Wir alle müssen doch früher oder später sterben und bei mir ist es eben der Fall, dass ich früher gehen muss, auch wenn ich nicht will, aber im Leben wird man leider nicht gefragt was man will.

Eine warme Hand auf meiner Schulter holt mich aus meiner Trance.

Ich blicke auf, direkt in Dr. Carters mitleidiges Gesicht. Er drückt einmal sachte zu und verschwindet dann aus dem Raum und ich tue es ihm gleich.

Meine Eltern werden schon alleine zurecht kommen, ich gehe jetzt zum Auto. Ich halte es hier keine Sekunde länger durch.

Hier riecht alles nach Tod und eigentlich wäre es doch passender wenn ein Krankenhaus nicht komplett weiß, sondern schwarz wäre.

Passend zur Trauer, dem Schmerz und dem Leid. Passend zu der Hoffnungslosigkeit und der unendlichen, tiefen, schwarzen Leere, die ich und sicherlich viele andere auch verspüre.

Am Auto angekommen setzte ich mich auf den nassen Boden. Es muss eben geregnet haben.

Ich weiß gar nicht wie lange ich schon dort auf dem Boden sitze, als meine Eltern auch kommen. Ich kann erkennen, dass sie geweint haben.

Beide haben rote, feuchte Augen und sehen ausgelaugt aus.

Meine Mutter hält noch irgendetwas in der Hand, es sieht aus wie eine weitere Packung Medikamente, sicherlich die Neuen, die ich jetzt nehmen soll.

Auf dem Weg nach Hause reden Mom und Dad auf mich ein, mitbekommen tue ich jedoch nichts.

Warum ich? Diese Frage läuft ununterbrochen auf und ab in meinem Kopf, aber ich finde einfach keine Antwort.

Jede Minute komme ich meinem Tod näher. Jede verschissene Minute oder sogar eher Sekunde.

Eigentlich dachte ich, dass ich den Tod von Oma und den meiner Eltern miterleben muss, aber hey, wenigstens bleibt mir diese Sorte von Schmerz erspart.

Ich habe die ganze Fahrt noch keine einzige Träne vergossen. Alles in mir fühlt sich leer und schlaff an, jedoch braut sich Stück für Stück die Wut in mir zusammen.

Sie frisst sich langsam von innen durch jede Faser meines Körpers und will nur noch raus.

Zu Hause angekommen stürme ich in mein Zimmer, schließe die Tür ab und tue das Einzige was in diesem Moment sinnvoll ist.

Ich beginne mit meinem Schreibtischstuhl, den ich umschmeiße, danach landen alle Sachen von meinem Schreibtisch auf dem Boden, wobei die Bilder von mir, meiner Familie und Fawkes zerbrechen. Bald kann ich sie eh nicht mehr anschauen, also scheiß drauf!

Scheiß einfach auf alles! Auf mein „Leben", auf diese beschissene Krankheit, einfach auf jedes Atom auf dieser scheiß Erde!

Ich zerreiße einige Zeichnungen, schmeiße meinen Nachttisch um, zerstöre noch einige andere Dinge, so wie die hässliche Lampe, die ich noch nie leiden konnte und lasse meiner Wut freien Lauf.

Mein Herz rast und ich atme schwer. Ich habe mich schon lange nicht mehr so lebendig gefühlt!

Als ich jedoch wieder in die Realität zurückkehre und mein Adrenalinkick nachlässt, ist diese ganze Lebendigkeit wie weggeblasen.

Bäche an Tränen laufen mir über die Wangen, es ist als wäre mein innerer Damm gebrochen und auch äußerlich breche ich zusammen.

Ich liege zusammengekauert auf dem Zimmerboden, mein Körper wird durch Schluchzer erschüttert.

Die Stimmen von Mama und Papa dringen gedämpft zu mir, jedoch prallen sie an der Außenschicht meiner Blase ab.

Warum kann ich nicht einfach schon tot sein?

Hellouuuu ihr Lieben <3

Ich hoffe ich geht es gut und euch gefällt das Kapitel. Hab eigentlich nicht viel zu erzählen, außer dass Schule scheiße ist, aber wer weiß das nicht?

Glaubt ihr, dass Kates neue Medikamente anschlagen und die Chemo beginnen kann?

Wie hättet ihr an ihrer Stelle reagiert?

Ich schaue am Mittwoch After Passion im Kino, I am soooo exciteeeeeed!!!!!!

Ich wünsche euch eine schöne restliche Woche und bleibt gesund,
Eure Ally🥀

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