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Kapitel: Verlorene Nähe

1 Monat später

Er sitzt vor mir in seiner Häftlingskleidung. Das blasse, sterile Licht des Raums wirft Schatten auf sein Gesicht, und obwohl er versucht, stark zu wirken, sehe ich die Erschöpfung in seinen Augen. Zwischen uns ist ein grobes Netz, kalt und unbarmherzig, ein Symbol für die Barriere, die zwischen uns gezwungen wurde. Mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen, als ich meine Hand auf das Netz lege, genau dort, wo seine ruht. Unsere Finger treffen sich, getrennt durch den kalten Draht, und ich wünsche mir nichts sehnlicher, als ihn wirklich zu berühren.

Die Stille zwischen uns ist fast unerträglich. Es ist nicht die Art von Stille, die beruhigend ist – es ist die Stille, die schreit. Sie schreit all die Dinge, die wir nicht aussprechen können.

Eine einsame Träne rollt über meine Wange. Ich versuche, sie wegzuwischen, bevor sie fällt, aber es gelingt mir nicht. Grayson sieht sie und seine Augen füllen sich ebenfalls. Er hebt seine Hand, um sich schnell über die Augen zu fahren, als wolle er die Tränen zurückhalten, aber ich kenne ihn zu gut. Er ist genauso gebrochen wie ich.

„Es tut mir leid." Seine Stimme ist rau, ein Flüstern, das durch den Raum schneidet wie ein Messer. Diese drei Worte tragen so viel Gewicht, so viel Schmerz, dass ich kaum Luft bekomme.

Ich schließe meine Augen, versuche mich zu sammeln, bevor ich ihm antworte. Aber was soll ich sagen? Dass alles in Ordnung ist? Dass ich okay bin? Es wäre eine Lüge. Nichts ist in Ordnung, und ich weiß nicht, ob es das jemals wieder sein wird.

„Wie lange musst du hier bleiben?" Meine Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern. Es kostet mich all meine Kraft, diese Worte auszusprechen.

Grayson schüttelt den Kopf, seine Lippen zittern. „Ich weiß es nicht," antwortet er schließlich, und ich sehe die Verzweiflung in seinen Augen. „Es könnte Monate sein... vielleicht Jahre."

Ich starre auf den Boden, meine Hände umklammern das Netz, als würde es mich irgendwie halten können. Der Gedanke, dass er Jahre hier verbringen könnte, ohne mich, ist wie ein Schlag in die Magengrube. Wie soll ich ohne ihn leben? Wie soll ich atmen, wenn der Mensch, der meine Luft ist, von mir getrennt wird?

„Was, wenn du nie wieder rauskommst?" Die Worte verlassen meine Lippen, bevor ich sie zurückhalten kann. Sie klingen verzweifelt, und ich hasse mich dafür, dass ich meine Angst so offen zeige.

Er beugt sich vor, so nah wie das Netz es zulässt, und sieht mir tief in die Augen. „Leyla," sagt er, seine Stimme voller Ernst. „Ich hoffe, du weißt, dass ich dich mehr liebe als mein eigenes Leben. Mehr als alles andere auf dieser Welt."

Ich nicke, unfähig zu sprechen, während die Tränen unaufhaltsam fließen. Mein ganzer Körper bebt unter dem Gewicht dieser Worte, unter dem Gewicht seiner Liebe.

„Ich werde dir jeden Tag Briefe schreiben," fährt er fort, seine Stimme wird weicher, aber der Schmerz bleibt. „Ich werde an jeden einzelnen Moment denken, den wir zusammen hatten. Jeden Tag, jede Sekunde, Leyla."

„Wörter können meine Liebe zu dir nicht beschreiben." Meine Stimme bricht, und ich hasse mich dafür, dass ich in diesem Moment so schwach bin. Aber wie kann ich stark sein, wenn mein Herz vor mir sitzt, eingesperrt hinter einem Netz, das ich nicht durchbrechen kann?

Er legt seine Stirn gegen das Netz, als wäre das alles, was er tun kann, um mir nah zu sein. „Mein Schatz, mein Baby, mein Leben, meine Sweety..." Seine Worte sind wie ein Wiegenlied, aber sie bringen keine Ruhe, nur mehr Tränen.

„Mein Ein und Alles," flüstere ich, meine Stimme kaum hörbar.

Ein Wächter betritt den Raum, sein großer, massiver Körper füllt die Türöffnung aus. Er wirft Grayson einen kalten, abwertenden Blick zu, als wäre er nichts weiter als ein Stück Dreck.

„Sie haben noch fünf Minuten," knurrt er, bevor er den Raum verlässt.

Grayson nickt, aber ich sehe den Schmerz in seinen Augen. Fünf Minuten. Wie soll man in fünf Minuten eine Liebe ausdrücken, die ein Leben füllt?

„Wie geht es meiner Mom und meinem Dad?" fragt er, und ich sehe, wie sehr es ihn quält, diese Frage zu stellen.

„Sie sind... verletzt." Meine Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern. „Wütend. Enttäuscht."

Seine Schultern sacken zusammen, als hätte ich ihm den Boden unter den Füßen weggezogen. „Ich wollte nie, dass das passiert. Nie."

Ich nicke. „Ich weiß."

„Und dein Dad?" Seine Stimme ist zögernd, als hätte er Angst vor meiner Antwort.

Ich schließe die Augen, bevor ich antworte. „Mein Dad und dein Dad... sie reden nicht mehr miteinander."

Seine Augen weiten sich, und ich sehe, wie er den Kopf schüttelt, als könnte er es nicht glauben. „Was?" flüstert er.

„Ja," sage ich, und meine Stimme bricht. „Sie... sie geben sich gegenseitig die Schuld."

Er schließt die Augen, sein Atem zittert. „Leyla... ich... ich weiß nicht, was ich sagen soll."

Ich schlucke schwer, meine Hände zittern, als ich sie gegen das Netz presse. „Grayson, es tut mir so leid."

Er hebt seine Hand, unsere Finger verhaken sich durch die Maschen des Netzes. Es ist nicht genug. Es wird nie genug sein.

„Sweety," flüstert er. „Wirst du auf mich warten?"

Ich sehe ihm in die Augen, seine Worte treffen mich tief. „Natürlich werde ich das. Ich werde immer auf dich warten. Egal, wie lange es dauert."

„Versprich es mir," sagt er, seine Stimme flehend.

„Ich verspreche es." Meine Stimme ist fest, auch wenn mein Herz zerbricht.

„Du lebst nur für mich," sagt er, und ich sehe, wie sehr er diese Worte braucht.

„Und du nur für mich," antworte ich, meine Stimme voller Emotionen.

Der Wächter betritt den Raum erneut. „Zeit ist um," sagt er kalt und packt Grayson am Arm.

„Ich liebe dich," flüstert Grayson, während er von mir weggezogen wird.

„Ich liebe dich auch," rufe ich, meine Stimme bricht unter der Last meiner Tränen.

Er dreht sich um, sein Gesicht voller Schmerz, aber auch voller Liebe. Seine Hand drückt sich gegen das Fenster des Polizeiwagens, und ich presse meine Hand auf das Glas, auch wenn es ihn nicht erreichen kann.

Das ist das letzte Mal, dass wir uns sehen.

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