Kapitel 15: Unfall
„Meinst du, du wirst sie je richtig kennenlernen, dieses Bastardkind?" Rief Ken, als ich und mein Vater gerade am Hausausgang standen. Marcy hörte augenblicklich auf zu weinen und sah gebannt, zitternd zu ihrem Mann. Mein Vater versteinerte und ich verstand gar nichts. Meinte er mich mit Bastardkind?
Mein Vater spannte sich an, drehte sich aber nicht zu ihm um. Seine Stimme wurde sehr tief, als er sagte: „Ken, unterstehe dich! Ich würde mir meine Worte jetzt mit bedacht auswählen."
Ken lachte tief und es jagte mir einen Schauer über den Rücken.
„Ach so, sie weiß es gar nicht."
Jeder Muskel meines Vaters war angespannt und er sah mich fast flehentlich an. Mein Vater setzte an: „Tilda, lass uns gehen."
Er drängte mich Richtung Tür doch Ken war schneller.
„Du hast ihr also nicht gesagt, dass sie nicht eure Tochter ist!"
Mir wurde schlecht!
Der Blick meines Vaters oder des Mannes, den ich siebzehn Jahre für meinen Vater gehalten hatte verriet mir das es wahr war. Die Luft wurde dünn und meine Atmung beschleunigte sich. Bevor jemand reagierte rannte ich aus der Türe.
Es folgte mir so schnell keiner aber ich sah auch nicht zurück. Ich konnte nicht weinen, ich hörte nichts mehr und meine Blutbahnen schienen nur noch aus Adrenalin zu bestehen. Blind vor Emotionen rannte ich auf die Straße zu.
Blind rannte ich ohne aufzupassen auf die Betonfläche, bis mich etwas zurück warf. Ein harter Gegenstand erfasse mich und riss mich zu Boden.
Alles geschah in Zeitlupe.
Das Fallen war ganz sanft. Ich bemerkte wie mein Körper den Boden berührte. Dort blieb ich regungslos liegen. Ich wollte aufschreien oder die Augen öffnen, doch mein Körper gehorchte mir nicht.
Langsam kamen verzerrte Stimmen zurück. Jemand schrie aber für mich klang es eher wie ein lautes Summen. Ich konnte nichts verstehen.
Die Menschen waren zu leise, nichts war mehr zu verstehen.
Ich wollte sie bitten lauter zu reden, aber meine Stimme gehorchte mir nicht mehr.
Ganz langsam drifte ich in die Bewusstlosigkeit und ich konnte nichts dagegen machen! War das hier mein Ende?
**
Das leise regelmäßige Piepen, der Maschine neben mir war das Erste was ich wieder hörte. Ich öffnete meine Augen vorsichtig, sie waren verklebt und die helle Deckenleuchte machte es mir schwer etwas zu erkennen.
Ich stöhnte leise, denn mein Kopf fühlte sich an als ob ich mit voller Wucht gegen eine Betonwand gelaufen wäre.
Sofort kam jemand und fühlte meinen Puls. Als die Augen ganz öffnete erkannt ich einen fremden Arzt neben mir stehen. Er untersuchte mich vorsichtig und sprach mich dann das erste Mal an:
"Tilda Lee, ich bin Mr. Jonas Black, dein Arzt. Kannst du dich erinnern was passiert ist?"
Ich versuchte angestrengt nach zu denken, aber bis auf ein schwarzes Loch war da nichts.
Mein Gehirn versuchte zu rekonstruieren was an dem Nachmittag alles passiert war. Eric und ich hatten uns gestritten und ich musste mich entschuldigen. Nein, er sollte sich entschuldigen.
Schmerzverzerrt kniff ich meine Augen zusammen.
Everil war da gewesen!
Ken hatte meinen Vater angegriffen.
Doch dann kam die schmerzlichste Erinnerung von allen zurück. Meine Eltern hatten mich all die Jahre angelogen. ICH WAR NICHT IHR LEIBLICHES KIND!
Mein Kopf tat weh, aber trotzdem konnte ich meine Tränen nicht zurückhalten. Was jedoch danach geschah, war mir ein Rätsel. Der Arzt sah mich weiter an. Deswegen schüttelte ich auf seine Antwort hin nur leicht meinen Kopf.
Er machte sich ein paar Notizen und stellte mir anschließend weiter Fragen.
Wie alt ich war, wie meine Eltern hießen, wo ich wohnte, und welches Jahr wir hatten. Ich konnte alles zu seiner Zufriedenheit beantworten.
"Du hattest großes Glück Tilda, dass dein Kopf nicht viel abbekommen hat. Du wurdest von einem Auto angefahren, als du über die Straße gelaufen bist. Aber wie durch ein Wunder, hast du bis auf ein paar Prellungen und wahrscheinlich einer Gehirnerschütterung, nichts erlitten.
Aber wir wollen dich auf jeden Fall noch ein paar Tage im Auge behalten, um Sicher zu gehen, dass mit deinem Gehirn alles in Ordnung ist."
Ich nickte schwach.
"Gut soll ich irgend jemanden für dich holen?" fragte er mich freundlich.
Ich überlegte kurz, obwohl ich die Antwort kannte.
"Nein!" antwortete ich fest.
Er zog die Augenbrauen hoch.
"Wirklich? Es ist die letzte Chance bevor die Besucherzeiten enden!"
"Ja, ich bin mir sicher!" wiederholte ich im gleichen Tonfall.
Der Arzt verabschiedete sich und verließ mein Zimmer. Ich wollte einfach niemanden sehen, denn das nächste was ich tun wollte, war mich in Selbstmitleid zu ertränken.
Ich rutschte wieder runter und zog mir die Decke über meinen Kopf. Jetzt konnte ich meinen Tränen freien Lauf lassen.
**
Die nächsten Tage erlebte ich im Schnelldurchlauf. Ich bekam nicht wirklich viel mit. Den darauffolgenden Tag kamen natürlich meine Eltern vorbei. Meine Mutter redete auf mich ein und versuchte alles zu erklären und mein Vater unterstützte Sie.
Ich sah sie leer an und antwortete ihnen auch nicht. Ich wusste nichts, was ich ihnen zu sagen hätte.
Vielleicht, dass ich enttäuscht war, verletzt und mich betrogen fühlte.
Sicher, genau das fühlte ich aber ich wusste, das sie sich dessen längst bewusst waren.
Meine Mutter versuchte ihre Gefühle unter Kontrolle zu bekommen, doch meistens weinte sie bevor sie und mein Vater sich von mir verabschiedeten.
Meg und Lenny besuchten mich auch ein paar Mal. Aber auch mit den beiden konnte ich nicht viel reden, obwohl sie tolle Freunde waren. Meg versuchte mich abzulenken, indem sie mir ein paar ihrer neuen Designs zeigte und mir erzählte was sie in den Aufsatz für die Uni schreiben wollte.
Lenny entschuldigte sich erstmal, dass sie mich auf der Party im Stich gelassen hatte. Er hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen. Doch ich nahm es ihm direkt. Ich wollte nicht das er sich schlecht fühlte, ich war froh das er und Meg sich gefunden hatten.
Es war schön sie so verliebt zu sehen, aber gleichzeitig versetzte es mir einen Stich, weil ich das nicht hatte und wahrscheinlich auch nie bekommen würde. Aber jedes Mal, wenn ich wieder alleine war, fragte ich mich wer meine richtigen Eltern waren. Was mit ihnen wohl passiert war und ob sie mich einfach so weg gegeben hatten.
In dieser Zeit konnte einfach keiner nachvollziehen, wie ich mich fühlte.
Von den anderen ließ sich nicht einer die Tage blicken. Etwas enttäuscht war ich von Blake, bei den anderen wunderte es mich nicht wirklich.
Ich sah aus dem Fenster.
Dichte Wolken hingen über dem Himmel und verdeckten die Sonne. Genauso schwer fühlte sich mein Herz an. Es sah so aus, als ob sich ein Unwetter zusammen braute. Das Fenster war angelehnt und ein starker Windstoß öffnete es. Der Wind schlug mir ins Gesicht und für einen Moment schloss ich einfach die Augen und genoss das Prickeln auf meiner Haut, das der Wind verursachte.
In diesem Moment nahm ich mir fest vor. Alles über meine Vergangenheit in Erfahrung zu bringen, kostete es was es wolle!
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