23. Dezember

Tarwo sprach zuerst. "Was machst du mit meiner Karre, Junge?" Sven hingegen achtete fachkundig eher auf den Inhalt. "Was ist das für ein eigenartiger Teig?" Und richtig, durch das ständige, heftige Geruckele der Karre, hatten sich die Zutaten endgültig vermischt und einen schönen gleichmäßigen Teig ergeben. "Das soll ins Feuer, hat mir Tante Smilla aufgetragen." Jos machte Anstalten, die Schubkarre ins Feuer zu schieben. Tarwo bekam einen regelrechten Anfall. "Du kannst doch die wunderbare Karre nicht ins Feuer fahren, Junge!" Klaas stellte sich schützend zwischen seinen Sohn und den erregten Müller. "Der Karre wird schon nichts passieren. Smilla hat dir doch sicher Backformen mitgegeben, oder? Der Teig gehört doch in Formen, wenn er ins Feuer soll?" Sein Blick ging hilfrsuchend zu Sven. Wenn einer in dieser Frage Bescheid wusste, dann doch wohl der Bäcker. "Ich weiß nicht, was Smilla mit Jos besprochen hat. Ich weiß auch nicht, was mit diesem Teig zu tun ist. Sowas hatten wir bisher noch nicht in unserer Bäckerei." Alle blickten wieder erwartungsvoll zu Jos. Der grübelte sehr angestrengt vor sich hin. "Ich weiß es ehrlich gesagt nicht mehr so genau. Ich sollte die Schubkarre hier runter bringen. Smilla war sich sicher, dass ihr alle es gut mit ihr meint und helfen würdet. Der Teig sollte ins Feuer. Irgend etwas stimmt doch da nicht." Nussinda verkürzte seine Überlegungen. "Wir brauchen also Backformen. Bei dieser Menge Teig sogar sehr viele. Na dann los, schaut euch um, was wir benutzen könnten." Die Freunde trennten sich und jeder suchte nach tauglichen Blechformen. Einige Zeit später fand sich einer nach dem anderen wieder ein. Allgemeines Kopfschütteln und gesenkte Blicke.

Einzig Bellinda hatte scheinbar Erfolg. Sie befand sich in Begleitung der halben Rubinaser Brandwehr. Bellinda nahm dem Kommandanten einfach den Helm vom Kopf und zeigte ihn stolz den Freunden. Und richtig, die Helme der Brandwehr wurden aus poliertem Blech hergestellt. Sie hatten eine eigenartige längliche, ovale Form. Sven klopfte den Helm überall prüfend mit dem Finger ab, wog ihn in der Hand und begutachtet alles fachmännisch. Dann reckte er den Daumen nach oben und alle klatschen vor Freude Beifall. "Aber wie soll das denn funktionieren? Die Männer brauchen doch ihre Helme?" Nussinda meldete ernsthafte Bedenken an. Die Brandwehr hatte beim allabendlichen Feuer die Aufgabe, alles im Blick zu behalten. Bei dieser schönen Tradition sollte schließlich niemand zu Schaden kommen. Man muss dabei wissen, dass so ein Sektorenfeuer nicht nur ein Lagerfeuer ist, wie ihr es im Sommer vielleicht an einem Strand entfacht und dann mit Freunden und Gitarre drumherum sitzt. Nein, diese Feuer hatten gigantische Ausmaße. Immerhin sollte man die Flammen noch in Zenordia gut sehen können. Andererseits gab es den Feuerkreis seit unzähligen Jahren. Man hatte also genug Erfahrungen gesammelt, um einen solchen Abend auch ohne eingreifen der Brandwehr erfolgreich feiern zu können. Es war nicht besonders schwer für Bellinda, den Kommandanten zu überzeugen, ihnen die Helme zu leihen. Wer kann schon einer Bonbonfee widerstehen. Sie versprach eine großzügige Spende in Form von Bonbons, Gummitierchen und Pralinen und sicherte gleichfalls zu, die Helme wieder ordentlich poliert in Kürze zurück geben zu wollen.

Am Ende wurden rund 25 Helm-Backformen mit Teig gefüllt direkt ins Feuer gelegt. Sven verfolgte das sehr skeptisch. Er verstand nicht recht, warum Smilla nicht einfach persönlich anwesend war, um das alles ordentlich zu organisieren. Sie musste doch konkrete Vorstellungen haben, wie das hier ablaufen sollte. Er ging noch einmal zu Jos. "So, nun sind die Kuchen im Feuer. Der Teig reicht gut für 3 Backrunden. Was hat dir Smilla den genau aufgetragen? Gab sie dir Angaben zur Backzeit? Wie nennt sie überhaupt dieses Backwerk? Was passiert nach dem Backprozess?“ Jos reagierte sehr verunsichert. Er ärgerte sich sehr, dass er nicht aufmerksamer zugehört hatte. "Ich glaube, also ich meine, äh ich denke, die Kuchen sollen danach in den alten Salzstollen gebracht werden." Sven verstand immer weniger. 'Was soll der Kuchen im Stollen?' Es gab reichlich Redebedarf, für den nächsten Tag. Langsam beruhigte sich alles. Die Freunde hatten Spaß am Feuer. Nach reichlich einer Stunde wurde entschieden, die Kuchen aus dem Feuer zu nehmen. Alle Freunde packten mit an. Die Helme wurden mit kaltem Wasser künstlich abgekühlt. Anschließend holte Sven den gebackenen Teig aus den Formen und legte ihn zum endgültigen auskühlen an den Rand des Festplatzes. Die Reihe wurde immer länger. Ein Laib nach dem anderen wurde abgelegt. Es roch unglaublich lecker. Wobei Sven den neugierigen Menschen am Feuer noch nicht einmal sagen konnte, was hier gebacken wurde. Es gab nun Kuchen, der von der Form her eher wie ein Brot aussah, gefüllt mit saftigen Rosinen und allerlei interessanten Zutaten.

Ala die Helme ein zweitesmal im Feuer lagen, kamen die Freunde bei den fertigen Kuchen zusammen. Sven hielt es nicht länger aus. Er musste jetzt so einen frischen Laib zerteilen und an die Freunde und Gnuffels oder Rubinasen zum kosten verteilen. Im selben Moment erinnerte sich Jos wieder an den Puderzucker in seiner Tasche. "Ach herrje, was mache ich denn jetzt. Das sollte sicher auchnoch in den Teig." Er hielt Sven das Säckchen entgegen. Der griff entschlossen zu und streute den Puderzucker einfach über die einzelnen Stücke drüber. Er sah darin kein Problem. Antje, die ihrem Sohn inzwischen nicht mehr von der Seite wich, sprach aus, was viele der Umstehenden dachten. "Das sieht ein wenig aus, als hätte es geschneit."

Inzwischen hatte sich eine riesige Menschenmenge um die Stelle gebildet, an welcher die Kuchen lagerten. Alle wollten ein Stück probieren. Der erste Kuchen war ratzfatz alle. Sven klopfte Jos fröhlich auf die Schulter. "Du hast scheinbar alles richtig gemacht, mein Junge. Den Leuten schmeckt Smilla's Erfindung. Heute verteilen wir die Proben einfach so. Doch ab morgen haben wir nun tatsächlich etwas zu verkaufen für dieses Jahr und es sind keine Plätzchen."

Während am Feuer fleißig genascht wurde, ahnte Smilla von alledem nichts. Sie konnte nicht wissen, dass Jos ihren Auftrag etwas anders ausgeführt hatte, als von ihr gedacht. Sie ging davon aus, dass ihr Problem erst in Rauch aufging und dann im Stollen verschwand. Dieser Gedanke sorgte bei Smilla für die erste ruhige Nacht seit langer Zeit. Sie träumte sogar. In diesem Traum schwebte Smilla fröhlich summend leicht wie eine Feder über Gnuffelsborg hinweg und winkte allen Gnuffels, die zu ihr hoch sahen.

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