22. Dezember
"Bring die Schubkarre bitte direkt hier an den Tisch, Jos." Smilla fing damit an, alle möglichen mühsam gesammelten Zutaten einfach in die Karre zu kippen. Eine nach der anderen, alles wild durcheinander. Jos verstand erst nicht recht, was hier gerade passierte. Smilla bemerkte das. "Ich habe mich entschieden, das ganze Experiment abzubrechen. Ich bin stolz darauf, es überhaupt mal versucht zu haben. Doch dieser ganze Trubel und Druck wird mir einfach zuviel. Aus dem Alter bin ich wirklich raus." Jos starrte sie nach wie vor etwas entgeistert an. "Es ist vollkommen in Ordnung, mein Junge. Ich weiß was ich tue. Du musst mir nur versprechen, alle Anweisungen, die ich dir gleich geben werde, genauestens zu befolgen. Ich vertraue dir am ehesten, dass du mich unterstützen wirst. Die anderen meinen es sicher gut, doch sie würden meine Entscheidung nicht einfach so akzeptieren. Deshalb musste ich warten, bis sich unsere Freunde schon auf dem Weg zum Festplatz befinden. Denkst du, dass du das hinbekommen wirst, Jos?" Der erwachte jetzt aus seiner scheinbaren Starre. "Ja klar, Tante Smilla. Du kannst dich vollkommen auf mich verlassen. Ich freue mich, dir helfen zu dürfen." Während er das sagte, krempelte Jos schon langsam seine Ärmel hoch. "Gut, dann hilf mir jetzt schnell. Einfach alles da rein." Beide legten nun richtig los. Jos wollte schließlich trotz seiner Hilfe das Feuer nicht verpassen. Mehl, Zitronat, Orangeat, die Zitronenschale, alle Gewürze, die in Rum eingeweichten Rosinen, Zucker und Hefe, einfach alles wanderte nach und nach in die Schubkarre. "Die Kuchenküche soll vollkommen leer und sauber sein. Ich brauche erstmal eine Zeit lang frei. Und danach starte ich noch einmal ganz neu."
Es dauerte nicht lange und die Küche war fertig. Tarwo's Schubkarre stand rappelvoll mittendrin. Oben drauf bildete sich ein richtiger Berg. Jos überlegte schon, ob er das Gerät überhaupt noch von der Stelle bekommen würde. Smilla klatschte einmal in die Hände. "Geschafft! Das war der leichte Teil. Komm, lass uns die Karre zusammen ins Freie schieben." Smilla pustete sich eine Strähne aus dem Gesicht, rückte ihre knallrote Brille zurecht und packte sich den rechten Griff. Sie nickte Jos aufmunternd zu. Der schnappte sich den linken und gemeinsam wuchteten sie das überladene Gefährt nach draußen. Im Hof der Bäckerei drehte sich Smilla zu Jos und schaute im fest direkt ins Gesicht. Smilla wollte sicher sein, dass er sie auch wirklich gut verstehen würde. "Du schiebst jetzt die Karre direkt zum Festplatz. Der Weg ist glatt und leicht abschüssig. Das packst du. Du bist ein kräftiger Kerl geworden. Am Platz angekommen, versteckst du sie erstmal noch, bis das Feuer entzündet wurde und gut im Gange ist." Jos reagierte verwirrt. "Du kommst echt nicht mit?" Smilla lachte leise auf. "Nein Jos, das wird mir wirklich zu peinlich, all diese lieben Menschen zu treffen und jedem Zweiten soll ich mich erklären, warum es keine Plätzchen oder andere Backwaren gibt. Deshalb brauche ich ja dich. Diese enorme Menge Zutaten kann ich nicht einfach bei uns in den Abfall geben. Also, wenn das Feuer gut im Gange ist, schiebst du die Karre mitten hinein. Soweit, wie du dich traust. Und lass dich nicht abbringen davon. Tarwo bekommt von mir eine neue Schubkarre. Der wird nicht lange schimpfen." Jos schlussfolgerte korrekt. "Aber dann wird der ganze Teig, also das Gemenge komplett verbrennen!" ..."Ganz genau. Wenn das erste Feuer später heruntergebrannt ist, nimmst du die Karre wieder an dich. Pass aber auf, dass du dich nicht irgendwo verbrennst. Alles wird noch sehr heiß sein. Die Asche fährst du anschließend nach Gnuffelsborg zurück. Sven erzählte mir, dass die Gnuffels immer öfter ihre alten Dinge, die sie am liebsten vergessen möchten, in den stillgelegten Salzstollen schaffen und dort abstellen. Da ich das ganze hier auch vergessen will, stellst du die Karre samt Asche möglichst weit hinten im Stollen ab. Hast du das verstanden?" Jos nickte abwesend. Er war noch bis zu dem Punkt geistig dabei, an welchem er den Teig ins Feuer geben sollte. Inzwischen schwirrte ihm der Kopf und Jos wollte auch zu gerne endlich starten, um doch noch pünktlich am Feuer erscheinen zu können. Der Junge war wirklich ein heller Kopf. Doch was Smilla damit eigentlich erreichen wollte, leuchtete ihm nicht recht ein. "Alles klar, Tantchen. Ich kümmere mich um alles in deinem Sinne, versprochen."
Und damit rannte Jos los. Smilla sah ihm kurz nach. Dann ging sie in ihre leere blitzsaubere Kuchenküche. Sie wollte sich kurz setzen und einmal tief durchatmen, als sie auf dem obersten Regalboden ganz hinten am Ende noch ein Säckchen entdeckte. Sollte ihr Befreiungsschlag gelingen, musste wirklich ALLES weg sein. Schnell sprang Smilla auf wie ein Hase, hinter dem der Fuchs her ist. Sie schnappte sich den Puderzucker und stürzte nach draußen. Smilla rannte so schnell sie konnte hinter Jos her und rief seinen Namen aus Leibeskräften. Der war schon ein gutes Stück vorangekommen und konnte durch das Rattern des Schubkarrenrades nicht gleich hören, dass jemand seinen Namen rief. Nicht weit vor der Siedlungsgrenze stoppte Jos endlich seine wilde Fahrt. Er brauchte eine kurze Pause. Keuchend schnappte er nach Luft, so schnell war Jos unterwegs gewesen. Smilla holte ihn ein und übergab ihm das Säckchen mit dem Puderzucker. "Oh, da haben wir wohl doch etwas übersehen. Ich schütte es am Festplatz in die Mischung. Das dauert jetzt zu lange." Keuchte der Junge und stürzte bereits weiter. Er stopfte sich das Säckchen in die Manteltasche und vergaß es augenblicklich. Jos versuchte die ganze Zeit zu ordnen, was er alles für Smilla machen sollte - 'Teig ins Feuer und dann, wenn alles durch ist, in den Stollen bringen und abstellen. Teig, pah. Wir haben doch noch garnichts verrührt. Obwohl, der Weg ist viel rumpeliger, als erwartet. Dadurch haben sich die Zutaten schon ganz ordentlich vermengt. Na, Tante Smilla wird es besser wissen als ich. Teig ist eben kein Apfel.' Dieses Selbstgespräch in seinem Kopf haltend jagte Jos zum Festplatz. Das Feuer wurde tatsächlich schon entzündet als er ankam. Jos suchte seine Eltern und stellte die Karre genau vor der kleinen Gruppe der Freunde ab. Er hatte bei dem ganzen Streß total vergessen - sollte er die Karre erst verstecken oder sollten ihm alle helfen. Da war doch was mit Hilfe. Jos war sich plötzlich ganz sicher. "Hallo, da bin ich!" Sechs Augenpaare starrten ihn ungläubig an.
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