15. Dezember

Beim Branntmeister standen immer alle Türen offen. Man ging in eine der vielen Hallen hinein, rief laut 'HALLO' und mit Glück hörte man als Echo aus irgendeiner Ecke - 'Komme gleich, Moment bitte.' Der Branntmeister war nicht bei der Feuerwehr. Er betrieb eine Brennerei und produzierte die verschiedensten Dinge, die etwas mit Alkohol zu tun hatten. Er brannte Alkohol für die Apothekerin, den Drogisten, die Wirte der Stadt und eben auch für Bellinda. Die beiden Freundinnen standen nun mitten in der großen Brennhalle, wo zig glänzende Gerätschaften installiert und überall Rohre und Röhren verlegt waren. Das zentrale Element stellten die 3 sogenannten Brennblasen dar, welche nebeneinander aufgestellt die gesamte Fensterseite beanspruchten. Es roch interessant nach altem Holz, Alkohol und allen möglichen Aromen, die sich beim Brennprozess bildeten. Wacholder vom Gin, die Vanille könnte zum Whisky gehören, süßes Obst und und und. Bellinda fasste sich als erste wieder und rief laut "Hallo Branntmeister!" Gleichzeitig guckten sich die Frauen ins Gesicht und sagten ebenfalls im selben Moment "Wie heisst der Kerl eigentlich in Wirklichkeit?" Diese war eine gute Frage. Niemand in Gnuffelsborg kannte den Brenner unter einem anderen Namen als - der Branntmeister. Das hatte sich über die Jahrzehnte so tief in die Sprache der Gnuffelsborger gegraben, dass der echte Name scheinbar in Vergessenheit geraten war. Kichernd überlegten die zwei, wie es wohl mit ihm als Mann zuhause sein würde "Branntmeister, kommst du zum Essen?“ und "Küss mich, Branntmeister!“ Den ersten Satz sprach Smilla mit künstlich hoher und piepsiger Stimme aus, den zweiten gurrte Bellinda in französischem Dialekt. Als plötzlich von hinten eine tiefe Stimme donnerte "Wen soll ich küssen? Ihr macht euch doch bestimmt mal wieder lustig über mich?" Darauf antwortete die Bonbonfee nur "Ach Branntmeister, wir meinen es nicht böse. Du kennst uns doch." Damit hauchte ihm Bellinda einen Flugkuss zu. "Ich wollte heute etwas Kirschwasser bei dir abholen. Ich benötige es für die Füllung meiner neuesten Pralinen-Kreation."

"Das trifft sich gut, ich wollte sowieso gerade ins Flaschenlager gehen." Dabei drehte er sich um und stapfte schon los. "Wieviel brauchst du denn?“ Neben dem Flaschenlager gab es noch ein Rohstofflager und das Fasslager. Bellinda und Smilla folgten ihm. Der Branntmeister benahm sich wie ein gutmütiger alter Bär. Er war riesig in seiner Erscheinung, seine Pranken so groß wie Topfdeckel. Im Inneren aber hatte er einen butterweichen Kern. Obwohl er immer etwas nuschelte, verstanden die beiden Frauen ihn recht gut. Sie hatten über die Jahre gelernt, sein Gebrabbele richtig zu übersetzen. "Vier Flaschen würden mir vollkommen genügen, Branntmeisterchen." Wenn Bellinda damit anfing, Schmeicheleien zu verteilen, bedeutete es lediglich, dass für sie die Preisverhandlungen gedanklich bereits in vollem Gange waren. Im Flaschenlager stapelten sich Regale an jeder Wand bis hoch unter die Decke. In allen Fächern lagerten einzelne Flaschen. Das Kirschwasser, welches der Branntmeister für Bellinda suchte, hatte seinen Platz wohl in einem der oberen Abteile, denn er schnappte sich eine riesige Leiter, legte sie an ein bestimmtes Regal und begann mit dem Aufstieg.

Smilla nutzte diese Gelegenheit und fragte geradezu "Was ist eigentlich aus dem BRUMM geworden?“ Der Branntmeister hielt bei seinem Aufstieg kurz inne. "Dem WAS???“ ... "Na der Brumm, den du aus Bellinda's Zuckerrohr brennen wolltest?“ Nun donnerte von weit oben ein hustendes Gelächter zu ihnen herab. "Sag das nicht noch einmal, sonst falle ich noch von der Leiter herab. Du meinst wohl den RUM?“  Smilla knuffte ihre Freundin derb in die Seite. "Entschuldige, da habe ich sein Nuscheln wohl einfach falsch verstanden." flüsterte diese zurück. Doch davon bekam der Branntmeister nichts mit. Er war bereits wieder beim Abstieg. In einem Korb den er bei sich trug, lagen vier frisch polierte Flaschen Kirschwasser. "Das kannst du gleich selbst herausfinden. Der Rum ist bereits fertig und liegt in Fässern drüben im Fasslager. Ich lade euch auf eine kleine Kostprobe ein."

Also wechselten alle drei ins nächste Lager. Hier stapelten sich riesige Fässer aller Art und Größe. In der Luft lag eine undefinierbare Melange aus allen denkbaren Aromen. Zielsicher strebte der Branntmeister ein bestimmtes Fass an, füllte daraus drei kleine Gläschen und reichte zwei davon den Freundinnen, das dritte behielt er selbst in der Hand. Während Smilla und Bellinda an ihren Gläschen nippten, erklärte der Branntmeister sehr lang und sehr ausführlich, wie es zu dem fertigen Rum im Fass gekommen war. Bellinda dauerte das alles viel zu lange. Smilla hingegen hörte fasziniert zu. "Branntmeister, kannst du mir bitte eine oder eine halbe Flasche davon überlassen? Ich weiß noch nicht was genau ich damit machen werden. Aber das alles klingt ja hochinteressant." Smilla war ehrlich begeistert, Bellinda äffte ihre Freundin etwas nach und verdrehte dabei die Augen "HOCHinteresssssant, bla bla." Dafür erntete sie den nächsten Knuff in die Seite.

Am Ende verließen Smilla und Bellinda gut gelaunt die Brennerei und den Branntmeister. Die eine mit Rum, die andere mit Kirschwasser in ihren Taschen. Auf dem Heimweg trennten sie sich auf Höhe der Ananas, welche von den van Frugterens bewohnt wurde. Bellinda winkte ihrer Freundin zum Abschied zu und rief noch "Bestell Klaas und seiner Familie einen lieben Gruß von mir!“ Damit verschwand sie hinter der nächsten Kurve.

Smilla musste garnicht erst klopfen. Jos hatte sie schon auf der Straße entdeckt und hielt ihr die Türe auf. "Komm rein, Smilla. Das ging ja schnell mit dem Wiedersehen." hörte sie Klaas von drinnen rufen. Smilla trat ein. Am großen Familientisch saß Klaas und paffte an seinem Pfeifchen. Frau van Frugteren stellte gerade ein Tablett mit 4 dampfenden Teetasse darauf ab. "Oh, das ist aber lieb. Ich wollte eigentlich nur schnell eine Kleinigkeit für Jos abgeben."

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