XVIII. Kapitel

 

Meine Zimmergenossin schaltet den Herd an

Wenn ich etwas versprach, dann tat ich wirklich alles in meiner Macht stehende um dieses Versprechen nicht zu brechen. Ich war zwar nicht die Freundlichkeit in Person und half in meiner Freizeit gerne in der Suppenküche oder so, aber wenn man mein Wort hatte, konnte man sich darauf verlassen. Das galt übrigens auch, wenn mir selbst ein Versprechen gab. Jedoch war es mir nicht einmal 24 Stunden geglückt, das Versprechen Abstand von Euripides zu wahren zu halten. Geschweige den davon, ihn nicht eines Blickes zu würdigen. Warum? Kurz nach zehn Uhr wurde ich von meiner Mutter persönlich geweckt und zum Thronsaal beordert. Dort stand Euripides bereits an eine Wand gelehnt mit einem ziemlich ernsten Gesichtsausdruck. Wahrscheinlich hatten sie ihm den Kopf gewaschen weil er es nicht einfach abgestritten hatte. Er wich meinem Blick aus. Im Gegensatz zu den Zwölf, die einfach nur auf ihren göttlichen Ärschen saßen und mich mit ihren Blicken durchbohrten. Wahrscheinlich erwarteten sie, dass ich etwas sagte aber ich hatte einfach nur auf dem schlichten Holzstuhl, der in der Mitte des kreisrunden Saals stand, Platz genommen und starrte stur auf die Wand zwischen Heras und Zeus.

Nach gefühlten drei Stunden räusperte sich meine Mutter. „Wir…wir haben beschlossen in Zukunft keine Geheimnisse mehr vor dir zu haben.“

Ich wendete den Blick nicht von der Wand ab und sagte ruhig: „Geheimnisse wie die Prophezeiung? Der seltsame Auftrag? Die Sache mit Euripides? Oder fangen wir ganz vorne an und du erzählst mir, warum du lieber einen reinen Namen haben und mich verleugnen wolltest anstatt mich anzuerkennen?“

Bevor meine Mutter mir antworten konnte schaltete sich Hera ein.

„Mein Mädchen, du vergisst, dass du gerade vor dem Rat sprichst. Ich verbitte mir diesen provozierenden Tonfall.“

Ich sprang auf. „Und ich verbitte mir ständig angelogen zu werden!“

„Beruhig dich.“, sagte eine sanfte Stimme, Demeter. Von Rora wusste ich jedoch, dass Demeter nicht immer nur die liebe, freundliche und fürsorgliche Frau mit Blüten in den Haaren war sondern dieses Verhalten bloß ihr Image aufrechthielt. Sie konnte durchaus ihre eigenen Interessen durchsetzten. So wie eigentlich alle olympischen Götter, wenn ich genau nachdachte.

„Setz dich erstmal. Ich kann verstehen, wenn du dich hintergangen fühlst aber ich verspreche, wir werden dir jetzt alles erklären, angefangen bei dem Auftrag.“

Ich setzte mich. „Da bin ich mal gespannt.“

„Diese Prophezeiung war das letzte, was Euronyme aussprach bevor sie für immer verschwand. Ein Sterblicher namens Homeus hörte sie zufälligerweise mit und schrieb sie auf. Übrigens war es die einzige Prophezeiung, die nicht von dem Orakel von Delphi verkündet wurde, deswegen wurde die Echtheit häufig angefochten. Leider ging das Originalschriftstück vor Jahrtausenden verloren und die Prophezeiung wurde nur noch mündlich übertragen, wobei die letzte Strophe verloren ging. Wir kennen sie schon eine Ewigkeit und warten seitdem darauf, dass sie sich erfüllt. Als Aurora zu uns kam, um uns von ihrem Verdacht zu berichten, du seist Artemis‘ Tochter, beichtet Artemis uns ihren Fehler. Boreas verschwieg sie jedoch. Wir vermuteten, du seist das Mädchen aus der Prophezeiung und wollten sicher gehen. Also schickten wir dich auf einen Auftrag, gemeinsam mit Euripides. Wir wussten tatsächlich nichts von dem Aufenthaltsort des Diadems und  waren überrascht, dass es so einfach war. Euripides hielt uns ständig auf dem Laufenden, durfte jedoch keine Götterkraft anwenden. Schließlich wollten wir deine Art Probleme zu lösen sehen.“ Ihr Blick rutschte etwas über meine Stirn, mir war klar, dass sie das Diadem anschaute. „Wir wussten ebenfalls nicht, dass die Prophezeiung inklusive der letzten Strophe in dem Diadem eingeritzt ist.

Als du zur Eisgöttin wurdest, war es klar. In der Prophezeiung ist von dir die Rede. Der Plan war perfekt. Du hattest deine Treue zum Olymp geschworen, warst mit Euripides zusammen und deine Fähigkeiten sind zwar für eine frischgebackene Nebengöttin beachtlich, aber nicht besonders überdurchschnittlich.“

Sie hielt inne.

Und dann was? Dann kam die blöde böse Jägerin und hat die schöne Sandburg der Lügen mit einer Plastikschaufel zerstört? Böse Jägerin, jetzt gibt es keinen Nachtisch.

Ich wusste nicht genau, was ich darauf erwidern sollte. Und da Angriff ja bekanntlich die beste Verteidigung ist, sagte ich: „Artemis hatte ihre Jungfräulichkeit und somit einen Schwur gebrochen als auch euch angelogen.“
„Darum haben wir uns schon selbst gekümmert, danke Zoë.“, sagte Hera etwas spitz.

„Genau, wie ihr euch auch darum gekümmert habt, dass ich euch nicht gefährlich werde? Indem ihr mir Liebestrank einflößt und seht, ob ich bei einem Auftrag getötet werde oder nicht? Indem ihr mich anlügt? Indem ihr mich ahnungslos lasst? Ich will gar nicht wissen, was ihr mir noch verheimlicht!“ Dieses Mal blieb ich ruhig auf meinem Stuhl sitzen und obwohl sich meine Stimme fast überschlug bemühte ich mich, keinen von ihnen an die Gurgel zu gehen.

„Versuch dich mal, in sie hineinzuversetzen…Sie wollen nur das Beste. Für alle… Auch für dich.“ Es war das erste Mal das Euripides sich einschaltete. Er hatte sich von der Wand abgestoßen und stand nun mit vor der Brust verschränkten Armen da. Ich stand auf und trat einige Schritte auf ihn zu. Ich hätte mich ohrfeigen können, ausgerechnet in diesem Moment klang meine Stimme schwach und dünn.

„Es war aber nicht das Beste. Ob Trank oder nicht, es hat mir wehgetan. Du hast mir wehgetan.“

Er machte den Mund auf um etwas zu sagen, schloss ihn dann aber wieder.

„Wenn wir dir ein paar Fragen beantworten können, bauen wir dein Vertrauen vielleicht wieder auf.“, schlug Poseidon vor. Ich hätte beinah los gelacht. Wollten sie wirklich versuchen, mein Vertrauen zu erlangen?! Da hatten sie mit ihrem Verhalten bisher aber genau das Gegenteil erreicht.

„Okay. Gut. Von mir aus. Dann erklärt mir mal bitte, warum das Diadem über Jahrtausende angeblich verschollen ist und die Titanenarmee dann, kaum tauche ich auf, es mir auf den Kopf pflanzt. Warum Ate während des Auftrags unser Babysitter war. Warum mir jemand aus den eigenen Reihen steckt, dass ihr mich total verarscht und plötzlich alle von einer höheren Macht reden. Ihr kennt auch nicht alle Antworten! Früher dachte ich, Götter sind unantastbar. Aber das stimmt nicht, ich weiß es jetzt. Ihr seid genauso verletzlich wie jeder andere auch. Ihr mögt zwar etwas bedeutender und älter sein aber trotzdem seid ihr nicht allwissend. Trotzdem seid ihr nicht allmächtig. Ihr habt Angst! Angst, dass euer Zeitalter vorrübergeht! Weil nichts ewig hält. Nichts.“ Niemand traute sich, etwas darauf zu antworten. Weder meine Mutter, noch Euripides, noch ein anderer Gott.

Das tut gut oder? Ihnen zu zeigen, was Sache ist?

Ich hielt inne. Was war das?! Drehte ich durch?

Nicht so bescheiden! Das hast du toll formuliert…da werde sogar ich ein bisschen wehmütig. Nein, tatsächlich! Da redete jemand in meinem Kopf. Und das verrückte: Es war meine eigenen Stimme. Zwar klang sie etwas schwerer und hatten einen seltsamen Unterton aber es war definitiv meine Stimme.

Schätzchen, ich musste mich wirklich zurückhalten, nicht schon früher mit dir zu reden. Aber ich denke jetzt ist der richtige Zeitpunkt.

„Was…wer…?“, sagte ich. Die Götter schauten mich verwundert an.

Oh, sollte ich mich vorstellen? Ich bin Euronyme.

Was sollte das? ‚Hallo, ich bin Euronyme, die Schöpfungsgöttin von der du besessen bist? Wir teilen uns ab heute einen Kopf, ich freu mich dich kennenzulernen? ‘

Panisch schlug ich mir mit der flachen Hand auf die Stirn und sagte im gleichen Moment: „Au!“ Hermes kicherte kurz.

Du hast Recht, wir sind jetzt sowas wie Zimmergenossinnen . Netter Gedanke. Du darfst mir ruhig antworten wenn du möchtest. Wenn nicht, auch in Ordnung. Ich weiß ohnehin alles, was du denkst.

Lass mich!, sagte, ich meine dachte, ich. Das war doch total verrückt!

Du solltest jetzt besser nicht durchdrehen. Beruhig dich erstmal.

Ich ries meine Augen weit auf. Das konnte doch nicht war sein! Die Schöpfungsgöttin, Euronyme, in meinem Kopf! Nein. Nein nein nein. Nein!

Abstreiten ist nutzlos, glaub mir.

„Ich…hasse dich! Du hast alles in meinem Leben kaputt gemacht!“, schrie ich. Mir fiel nicht auf, dass ich laut gedacht hatte und somit jeder im Saal es hatte hören können.

„Ist sie jetzt reif für die Zwangsjacke?“, fragte Ares teils belustigt, teils ernst.

Bist du dir sicher? Sicher, dass du mich hasst? Gilt dein Hass nicht anderen, den Göttern? Die dich angelogen und benutzt haben? Die dich behandeln als wärst du wenig wert und nur eine Schachfigur? Sie machte eine Pause. Solltest du nicht eher sie hassen?

Ich war verwirrt. Diese Worte, mit meinen eigenen Stimme gedacht klangen so…sinnvoll. Es stimmte.

Ich erinnerte mich an mein Training mit Chione und ließ ein Eisgeschoss genau auf Zeus zurasen. Dieser war für einen Sekundenbruchteil erschreckt, mit einer leichten, routinierten Handbewegung erstarrte es jedoch und zerbrach in hunderte kleine Eisperlen. Alle starrten mich an.

Heiliger Hades, hatte ich tatsächlich Zeus angegriffen?

Und du willst mir erzählen, dass du wirklich wütend bist? Wenn du dich darauf einlässt, kannst du etwas  meine Macht und Erfahrenheit anzapfen. Du musst nur aufhören, dich zu wehren…

Plötzlich zuckte ein Bild in meinem Kopf auf. Das Mädchen, Ich, das die Klippe runtersprang. Dann sah ich wieder die Götter die mich mit einer Mischung aus Entsetzten, Angst und Fassungslosigkeit anstarrten, in der nächsten Millisekunde wieder Ich im freien Fall. Es wirkte wie als würde jemand meine Herdflamme von eins auf neun hochdrehen. Ich sah, wie Poseidon mir eine Welle aus Wasser entgegenschlug, ich hob jedoch nur die Hände, die Fluten verwandelten sich in Eis und ich stoß sie mit einer Machtwelle zurück. Es wurde eisig kalt im Thronsaal. Von einem Augenblick auf den anderen trug jeder Gott seine Schlachtrüstung, nur Euripides stand ein bisschen fehl am Platz an der Seite und schien nicht begreifen zu könne, was passierte. Ehrlich gesagt: Das konnte ich auch nicht wirklich.

Hephaistos ließ Feuer auflodern und sofort wurde es wieder etwas wärmer.

„Zoë, lass es!“, rief Artemis.

Ich dachte nicht mehr nach, sondern ließ mich einfach laufen. Ich handelte ohne zu wissen, was ich tat. Alle Throne fielen gleichzeitig wie auf Kommando um und erneut sanken die Temperaturen beachtlich. Der Atem jedes einzelnen bildete kleine Wölkchen in der Luft. Vor den Zwölf war ein Schutzschild aufgetaucht, aber das hielt mich nicht auf. Eine neue Salve Eiskugeln raste auf die Götter zu. Unglaublich wie einfach es war, Macht zu haben. Es fühlte sich…gut an. Wie war das nochmal mit meiner Macht? Keine Grenzen? Nicht mal der Rat?

„STOP!“ Eine männliche Stimme schallte durch den Saal und plötzlich war es so, als hätte jemand meinen Herd ausgeschaltet.

Nicht schlecht, nicht schlecht…

 Ich brach auf der Stelle zusammen. Es war Euripides gewesen und genau dieser kam als erster zu mir gelaufen.

„Alter Scheiße…was hab ich da gemacht?“, murmelte ich.

Er legte die Hand auf meine Stirn. „Sie ist unterkühlt! Wir brauchen einen Arzt! Apollo!“

Ich kicherte. „Das…das ist witzig. Verstehst du? Witzig. Ich bin die Eisgöttin und unterkühlt.“

„Das ist nicht witzig, Zoë! Gar nicht!“,sagte meine Mutter, die inzwischen auch bei mir war.

Langsam wurden alle Geräusche um mich herum leiser und leiser, meine Lider wurden bleischwer.

„Das war der Beweis. Das war der eindeutige Beweis, Zeus.“, hörte ich jemand sagen.

„Du hast Recht, Athene. Wir ergreifen die Maßnahmen.“

So viel zum Thema schnell updaten… Ich weiß ich weiß ich bin eine schreckliche Autorin :(( In letzter Zeit habe ich irgendwie nur noch wenige Phasen, in denen ich wirklich gut schreibe. Aber trotzdem würde ich mir eher alle Finger abhacken, als diese Geschichte abzubrechen, keine Sorge :D

 

Die Auflösung: Es war Chione, die Zoë als kleines Mädchen besucht hat. Warum? Tja…das werdet ihr im Laufe der Geschichte erfahren. *fieses Grinsen, versucht geheimnisvoll zu sein* :P

Ich hoffe, in diesem Kapitel ging nicht irgendwie alles etwas zu schnell…

 

Wo ich grad schon am Labern bin: Vielen Dank für die unglaublich lieben Kommentare, ich sitz echt jedes Mal mit so 'nem Grinsen vorm Computer! Ich hoffe bloß, dass ich nicht die Hälfte meiner Leserschaft aufgrund der langen Wartezeiten verloren hab :“D

 

xoxo

Paula aka bookaholiker ^^

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