Kapitel 20 - Alles Walzer
Sollte er nun erleichtert oder besorgt sein? Ehrlich gesagt, wusste er es nicht. Es war verständlich, dass Sylvia schockiert auf die unfreiwilligen Enthüllungen seine Person betreffend reagiert hatte. Trotzdem hatte er die Hoffnung genährt, sie würde die Wahrheit einfach akzeptieren, ihn als das annehmen, was er war.
Ja, was war er denn eigentlich? Kein richtiger Gott mehr, aber auch noch kein echter Mensch. Was, wenn Mr. Z noch irgendein Ass im Ärmel hatte, mit dem er Armand eines auswischen würde, wenn der Moment der Wahrheit käme? Was, wenn er ihm nicht mal ein Leben als Sterblicher gönnen würde als Strafe für seinen Ungehorsam? Nein, daran durfte er nicht mal denken. Er würde sich nicht so runterziehen lassen. Er war jetzt hier auf der Erde und das Götterleben oben in Wolkenstadt betraf ihn nicht mehr. Hier auf der Erde hatte Mr. Z nichts zu melden. Er würde ein letztes Mal mit seinen Freunden feiern und dann würde er all seine Energien darauf verwenden, Sylvias Herz zu erobern.
„Hey, ihr zwei Turteltäubchen." Natalia tänzelte ihnen auf halbem Weg zum Haus entgegen, während hinter ihr auf der Terrasse schon ein langer Tisch aufgebaut worden war, komplett mit Marmorstatuen, Blumengirlanden, Lichterketten —, obwohl es gerade mal Mittag war — und allem was das göttliche Arsenal an Dekoration so hergab. Aus den Lautsprecherboxen wummerte der Bass. Klar, dass Tark mal wieder für die Musik zuständig war. Da war wohl ein Wörtchen fällig, denn ein Blick auf Sylvia neben ihm bestätigte ihm, dass Heavy Metal nicht zu ihren bevorzugten Musikrichtungen zählte.
„Alles geklärt?", trillerte Natalia und hakte sich bei ihm unter, während ihr Blick von Sylvia zu ihm wanderte.
„Vorläufig", sagte er mit einem vorsichtigen Blick auf Sylvia. Wenigstens hatte sie ihre Hand nicht von seiner weggezogen. Das sollte er wohl als positives Zeichen sehen, auch wenn die Anspannung in ihrem Körper so offensichtlich war, dass sie förmlich unter seine Haut kroch wie ein morgendlicher Nebelhauch.
„Es gibt noch so einiges, was ungeklärt ist, aber wenigstens weiß ich jetzt, dass ich mir all diese Spezialeffekte von dir und Armand nicht eingebildet habe." Sylvia lugte an ihm vorbei zu Natalia.
„Spezialeffekte? Oh, du meinst das Leuchten und die glühenden Augen und all das?"
Sylvia nickte.
„Manche von den Dingern sind bloß nette Zusatzeffekte, die selten ihre Wirkung bei den Menschen verfehlen, aber das Licht, das jeder von uns in seiner Brust trägt, ist die wahre Quelle unserer Macht."
„Heißt das, dass du das dann verlieren würdest?" Sylvia richtete ihren Blick auf ihn.
„Das ist wahrscheinlich, aber es liegt an Mr. Z — das ist unser Boss —", fügte er erklärend ein, „wie mein Schicksal letztendlich aussieht." So offen ausgesprochen hörte sich das gar nicht gut an. Was, wenn der Verlust dieser Macht mit dem Verlust seines Lebens einherginge?
Sei doch nicht so pessimistisch, Armand! Du tust ja geradezu so, als stünde dir deine persönliche Götterdämmerung bevor.
„Jetzt lasst uns erstmal feiern und nicht an den alten Griesgram denken", warf Natalia ein und lotste sie zur Terrasse.
Genau. Hör auf Natalia, sonst wirst du noch selbst zum alten Griesgram.
Der würzige Geruch nach Gegrilltem mischte sich mit dem süßen Duft nach frisch Gebackenem. Vanille und Zimt eiferten mit Thymian und Rosmarin um die Wette. Sylvia neben ihm sog tief die Luft ein und die Spannung schien etwas aus ihren Schultern zu entweichen. „Das duftet ganz ausgezeichnet", sagte sie und ihre Nase kräuselte sich auf diese typische Art und Weise, die es in seiner Brust ganz warm werden ließ. Dieser Anblick war mehr wert als sämtliche unendlichen Lebensjahre zusammen.
„Glaub mir, es schmeckt noch viel besser als es riecht." Natalia ließ seinen Arm los und schnappte sich plötzlich Sylvia, um sie im Eilschritt zum Tisch hinzuführen. „Du hast doch nichts dagegen, wenn ich deine Freundin kurz entführe?" Sie grinste ihn mit erhobenen Augenbrauen an. „Du hast sie ja dann ohnehin für dich allein."
Keine Ahnung warum sich Natalia dessen so sicher war. Er war jedenfalls momentan weniger optimistisch, dass Sylvia je so etwas wie seine Freundin sein wollen würde. Geschweige denn mehr.
Da sich jedoch auf Sylvias Gesicht bereits ein kleines Lächeln zeigte und sie bereitwillig Natalias Hand nahm, sagte er nur: „Ja, schon okay. Mach du nur. Ich werde mal kurz mit Tark die Musikauswahl besprechen." Das Dröhnen war so laut, dass die Holzdielen der Terrasse zu vibrieren schienen und die Blumen auf den Girlanden geradezu panisch im Takt wippten.
Während Natalia mit Sylvia im Schlepptau zu der üppig gedeckten Tafel trabte, schlenderte er zu Tarkov, der sich in der Ecke der Terrasse mit seinem überdimensionierten DJ-Equipment zu schaffen machte.
„Hey, Alter, gratuliere. Die Kleine ist echt süß, wenn auch ein wenig schüchtern, aber die sind ja oft die wildesten im Bett", begrüßte ihn Tarkov mit einem anerkennenden Nicken, während er an den Knöpfen seines DJ-Controllers herumfummelte.
„Tark, da gibt es noch gar nichts zu gratulieren." Er bedachte ihn mit einem scharfen Blick, froh, dass die laute Musik wenigstens verhindern würde, dass Sylvia etwas von dem Gespräch mitbekäme. „Ich bin mir nicht sicher, dass sie überhaupt an einer Beziehung mit mir interessiert ist, schon gar nicht, nachdem sie jetzt über mich Bescheid weiß."
Tarkov sah ihn ungläubig an, was ihm in etwa das Aussehen eines Bären, den man den Honigtopf weggezogen hatte, verlieh. „Was gibt es denn an dir nicht zu mögen? Du bist der netteste Kerl, den ich kenne. Glaub mir, die wird das noch bald genug merken."
„Tja, so einfach ist es leider nicht. Nett alleine reicht da nicht. Die Liebe ist eine komplizierte Angelegenheit."
„Na, du musst es ja wissen. Ist ja schließlich dein Fachgebiet." Er schob einen Regler nach dem anderen in Position. „Aber ich hab vollstes Vertrauen in deine Fähigkeiten. Wenn einer das Herz einer Frau erobern kann, dann du."
„Wir werden sehen. Aber erstmal müssen wir die Musikauswahl ändern." Er deutete mit seinem Kopf auf Sylvia, die zwischen Natalia und Maurizio ziemlich verloren wirkte, auch wenn Maurizio sich um ein angeregtes Gespräch zu bemühen schien und mit einer ausladenden Geste auf die Speisen zeigte. „Wir brauchen etwas, was sich dezent im Hintergrund hält und ein wenig romantische Stimmung verbreitet, nicht etwas, womit Sylvia die Ohren abfallen."
„Oh", sagte Tarkov und kratze sich kurz an seinem bärtigen Kinn. Er fuhr sich über sein Nirvana-T-Shirt und hob dann seinen Zeigefinger. „Wie wärs mit Ed Sheeran? Ich hab gehört, auf den fliegen die Mädchen hier unten."
Armand zuckte mit den Schultern. „Klingt gut, solange du mir versprichst, nicht was von Metallica dazwischen zu mogeln."
Tarkov hob eine Hand und legte die andere auf sein Herz. „Gamer-Ehrenwort. Ab jetzt gibt es nur mehr romantische Musik für dein Mädchen und dich."
Zu den sanfteren Klängen einer Popballade machte sich Armand auf, Sylvia aus den Fängen von Maurizio und Natalia zu retten, bevor Esteban, der gerade mit dem Dekanter hantierte, ihm noch dazwischenfunken konnte.
„Wie ich sehe, hast du schon mit Maurizios Redeschwall Bekanntschaft gemacht." Er blieb vor ihr stehen, die Hände in seinen Hosentaschen vergraben, und ließ seinen Blick von Maurizios leicht gerötetem Gesicht zu ihrem wandern, auf dem sich immer noch Unsicherheit und Neugierde die Waage zu halten schienen.
Wenigstens sieht sie mich nicht hasserfüllt an. Das ist ja schonmal ein gutes Zeichen.
„Oh, ich habe ihr nur erläutert, warum Arborio die einzige akzeptable Reissorte für die Zubereitung von meinem Risotto ai funghi ist und warum ich für mein Tiramisu nur Rum, der mindestens 500 Jahre alt ist, verwende." Maurizio deutete auf die mit genau diesen Gerichten gefüllten Teller auf dem Tisch.
„Du vergisst, dass nicht jeder deine Leidenschaft für jedes noch so kleine Kochdetail teilt", bemerkte Natalia mit einem Augenrollen.
„Also mich stört es nicht. Ich lerne gerne etwas Neues dazu." Sylvia bedachte Maurizio mit einem kleinen Lächeln, was diesen wie einen schnauzbärtigen Sonnenaufgang erstrahlen ließ.
„Maurizio versteht sein Handwerk", pflichtete Armand ihr bei. „Sollen wir uns ans Essen machen?", schlug er vor in der Hoffnung, dass die Aussicht auf die leckeren Speisen ihre Stimmung weiter anheben würde.
„Okay. Es wäre doch schade, so ein aufwändig gestaltetes Buffet zu ignorieren." Sylvia nickte und ließ sich von ihm zu ihrem Platz neben seinem führen. Maurizio hatte keine Mühen gescheut und sogar passende Tischkärtchen mit ihren Namen und Göttersymbolen gestaltet.
Ein Lächeln zeigte sich auf Sylvias Gesicht, als sie das kleine rosa Blümchen auf ihrem Kärtchen beäugte.
„Ich war so frei, meiner Vorstellungskraft freien Lauf zu lassen", kommentierte Maurizio, als er auf Sylvias linker Seite Platz nahm. „Es ist Frühling hier unten auf der Erde und da dachte ich, du bist wohl irgendwie sowas wie eine Blume für Armand. Du weißt schon, so als Symbol für aufblühende neue Liebe." Maurizio gestikulierte wild herum, während sich Natalia neben ihm niederließ und Esteban, nachdem er alle Weingläser mit einem zweifellos wertvollen Vintage-Jahrgang befüllt hatte, seinen Platz gegenüber von Sylvia einnahm. Wenigstens hatte er nicht den Ambrosia angekarrt. Das würde ihm noch fehlen, hemmungslos betrunkene Götter und Sylvia am gleichen Tisch. Da könnte er wohl gleich seine Koffer wieder packen und auf einen anderen Planeten übersiedeln.
„Hey, wartet auf mich", rief Tarkov von seiner DJ-Ecke, eine Flasche Bier in der Hand. Er ließ sich neben Esteban in den Sitz sinken und zwinkerte Sylvia zu. „Falls du mehr auf Bier stehst, drinnen im Haus ist eine ganze Kiste von dem Zeug. Nur weil Esteban so ein Weinsnob ist, heißt das nicht, dass du das alte Gebräu auch trinken musst."
Esteban bedachte Tarkov mit einem vernichtenden Blick, während er die Serviette neben seinem Teller geraderückte. „Nur weil du keine Ahnung hast von der Qualität des Rebensaftes und dich mit irgendeinem billigen Hopfengesöff zuschüttest, heißt das nicht, dass Sylvia einen so schlechten Geschmack hat wie du. Ich bin mir sicher, Armand —"
„Hey, Leute, schon gut. Kein Grund, einen Streit vom Zaun zu brechen", wiegelte Armand ab. Das wäre ja noch schöner, dass seine Freunde sich hier vor Sylvia in die Haare kriegten und es in einen wahrlich göttlichen Kampf ausarten würde. „Sylvia steht es frei, Wein oder Bier zu trinken, oder auch keines von beiden, wenn ihr das lieber ist."
„Wein ist okay, aber nur wenn er nicht zu säuerlich ist. Bier ist nicht so mein Fall. Nichts für ungut, Tarkov." Armand bemerkte wie sich Sylvias Finger krampfhaft um die Gabel legten.
„Kein Grund dich zu entschuldigen", winkte Tarkov ab und hob seine Flasche. „Dann lasst uns mal anstoßen. Es scheint ja, dass das das letzte Mal ist, dass wir so zusammenkommen."
Armand langte nach seinem Weinglas. Sylvia neben ihm tat es ihm gleich und dann waren auch die Gläser von Maurizio, Natalia und Esteban erhoben und irgendwas zog sich in seiner Brust zusammen. Kein Wölkchen trübte den hellblauen Himmel und die sanfte Musik tat ihr übriges, um ihn plötzlich mit Wehmut zu erfüllen. Seine Freunde mochten ihn des Öfteren nerven, es würde jedoch trotzdem eine große Umstellung für ihn bedeuten, sie nie mehr wieder sehen zu können.
„Armand, du weißt, ich bin nicht einer, der große Reden schwingt. Trotzdem möchte ich die Gelegenheit nutzen, um dir zu sagen, dass du nicht nur der beste Liebesgott bist — na ja warst —, sondern auch der beste Gaming-Kumpel und dass ich dir nur das Beste wünsche für dein Leben hier auf der Erde. Wolkenstadt wird ein wenig leerer sein ohne dich, aber die Erde hat einen neuen tollen Bewohner hinzugewonnen."
„Auf Armand", sagte Natalia und in ihren rehbraunen Augen schimmerte eindeutig so etwas wie Traurigkeit.
„Auf Armand!", stimmten alle ein, zu seiner Freude sogar Sylvia, obwohl sie es vermied, ihm direkt in die Augen zu sehen.
Er trank einen Schluck und der samtige Rote floss seine Kehle hinunter wie flüssiges Glück. Esteban hatte definitiv ein goldenes Händchen was die Auswahl von Wein betraf.
„Der ist wirklich ganz exquisit", bestätigte Sylvia und leckte sich die Lippen. „Ich bin keine Expertin was Wein betrifft, aber dass das ein ganz besonderer Tropfen ist, merke ich auch."
„Wusste ich es doch, dass du einen ausgezeichneten Geschmack hast." Estebans schwarze Augenbrauen hoben sich anerkennend, während Tarkov neben ihm mit den Schultern zuckte und lakonisch bemerkte: „Ich bleibe beim Bier."
Zu Armands Erleichterung hielten sich seine Freunde aber zurück, was das Argumentieren anging, und nach und nach schien sich auch Sylvia neben ihm zu entspannen und angeregter an den Gesprächen zu beteiligen. Geduldig beantworteten seine Freunde alle ihre Fragen. Armand hielt sich weitgehend zurück und genoss ihre Nähe, während er mehrmals beiläufig mit seinem Knie ihren Oberschenkel streifte oder seine Hand wie zufällig auf der Rückenlehne ihres Stuhles platzierte. Die Tatsache, dass sie sich nicht von ihm wegbewegte, war genug, um sich weiter an die Hoffnung, dass er sie noch nicht ganz verloren hatte, zu klammern.
Letztendlich waren sie nach Diskussionen über Wein und Gaming in Wolkenstadt bei dem Thema Musik und Tanz angelangt.
„Ich wollte schon immer gerne tanzen gehen, aber Edgar war für sowas nicht zu haben." Sylvia zuckte mit den Schultern und verzog ihren Mund, während sie sich ein weiteres Brötchen von der Servierplatte schnappte. „War ihm wohl zu wenig männlich."
Esteban schüttelte den Kopf. „Dieser Typ hat aber wirklich keine Ahnung. Der Tanz ist doch wohl eine der sinnlichsten Art und Weisen um eine Frau zu werben. Seht euch doch nur den Tango an. Dieser Tanz ist Eros pur." Er brachte Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger zu seinen Lippen und deutete einen Kuss an. „Selbst der klassische und oberflächlich so unschuldig wirkende Walzer hat ein nicht zu unterschätzendes Verführungspotential." Er hob sein Weinglas zum Himmel und prostete es den Wolken zu. „Egal ob Astor Piazzolla oder Johann Strauss, die Typen wussten Bescheid."
„Driftest du nicht mal wieder in das Fachgebiet von Frederic ab?" Tark jagte mit seiner Gabel eine sich auf der Flucht befindliche Cocktailtomate über seinen Teller.
„Frederic?" Sylvia schob sich den Rest ihres Brötchens in den Mund. „Das kann dann wohl nur den Gott der Musik sein, oder?"
Esteban lehnte sich über den Tisch näher zu Sylvia und sagte mit einem verschwörerischen Grinsen. „Ja, genau, aber was der Gute nicht weiß macht ihn nicht heiß. Und schließlich ist es auch für mich als Sexgott von Vorteil in möglichst vielen anderen Fachbereichen versiert zu sein." Er zwinkerte ihr zu, während er betont langsam den Wein in seinem Glas schwenkte. „Hilft bei der Verführung."
„Kann ich mir denken." Sylvia wischte sich mit ihrem Finger einen Fleck Mayonnaise von ihrem Mundwinkel und leckte ihn dann genüsslich ab.
Armand musste sich zurückhalten, um nicht nach ihrem Finger zu greifen und ihn selbst ebenso genüsslich abzulecken. Allein der Gedanke daran bescherte ihm schon einen Ständer. Ein kurzer Blick auf Esteban und seine auf Sylvias Mund gerichteten Augen machte ihm klar, dass es dem nicht anders ging. Zeit, die Initiative zu ergreifen.
Wie auf Kommando erklangen plötzlich die sanften Klänge des Donauwalzers aus den Lautsprecherboxen und Sylvias Gesicht hellte sich auf.
Perfekt!
„Weil wir gerade davon sprechen." Armand erhob sich von seinem Platz und verbeugte sich vor Sylvia. „Darf ich um diesen Tanz bitten?"
Überrascht blickte sie zu ihm auf und er verlor sich in ihren meergrünen Augen, die so endlos weit waren wie der Ozean. Die Sonnenstrahlen ließen ihr offenes blondes Haar leuchten wie flüssiges Gold.
Bitte, sag ja. Nur diesen einen Tanz.
Mit einem aufmunterndem Lächeln hielt er ihr erwartungsvoll seine Hand entgegen.
„Komm schon, tanz mit ihm. Ich garantiere dir, er wird dir nicht auf die Zehen steigen. Armand ist ein äußerst begabter Tänzer", hörte er Natalia hinter seinem Rücken sagen.
Na bestens, jetzt fehlt mir nur noch, dass sie Sylvia erzählt, worin ich sonst noch begabt bin.
Sein ganzer Körper spannte sich an wie ein Bogen kurz vor dem Abschuss und der Wein in seinem Magen schlug bedenkliche Wellen, während ihn Sylvia immer noch schweigend anblickte.
Doch dann legte sie ihre Hand in seine und sagte mit einem Lächeln: „Zu einem Walzer kann ich nicht nein sagen."
Bingo!
Die Spannung entwich aus seinem Körper und der weingesteuerte Sturm in seinem Magen legte sich.
Jetzt schnell, bevor sie es sich doch noch anders überlegt.
Er führte sie von der Terrasse auf den Rasen hinunter und legte seine Hand um ihre Taille, während er mit der anderen ihre Hand umfasste. Sanft zog er sie näher an sich heran, nicht zu nahe, denn ein Walzer war schließlich kein Tango. Vielleicht könnten sie ja später noch einen dranhängen. „Danke, dass du ja gesagt hast."
„Zu dem Tanz." Sie hob eine Augenbraue, als wolle sie ihn warnen.
„Natürlich, das habe ich nicht vergessen."
„Gut." Sie legte eine Hand auf seine Schulter und warf einen kurzen prüfenden Blick auf ihre Füße. „Ich hoffe, der Wein ist mir noch nicht zu Kopf gestiegen, außerdem habe ich schon lange nicht mehr getanzt. Kann sein, dass ich etwas außer Übung bin."
„Keine Sorge. Ich mach das schon für uns zwei." Er zog sie nun doch noch etwas näher an sich heran bis sich ihre Körper in der Mitte berührten und drückte kurz ihre Hand. Ja, so war es perfekt.
Ihr Blick wanderte immer noch unsicher zwischen ihren Füßen, ihren Händen und seiner Brust umher.
„Es ist einfacher, wenn du mir in die Augen siehst, dann können wir besser im Takt bleiben." Er strich langsam mit seinem Daumen über ihren unteren Rücken, wo er unter ihrem dünnen T-Shirt den Bund ihrer Hose fühlen konnte.
Nein, du denkst jetzt nicht daran wie es wohl wäre, deine Finger genau dort auf Entdeckungsreise zu schicken. Das ist sicher das Letzte, was Sylvia jetzt von dir will.
„Okay", hauchte sie und dann, endlich, blickte sie zu ihm auf.
Er konnte schwören, Sylvia genoss seine sanften Berührungen, auch wenn sie kein Wort darüber verlor und ihn nur schweigend ansah.
Sein Blick blieb an ihren Lippen hängen. Wie gerne würde er sie jetzt einfach küssen, zuerst auf den Mund, um wieder ihren süßen Geschmack auf seiner Zunge zu schmecken, und dann ganz langsam ihren schlanken Hals hinunter, genau dort wo er ihren flatternden Puls spüren würde und dann weiter, wo ihr grünes T-Shirt den Blick auf ihre Schulter freigab.
„Hey, wie lange wollt ihr denn da noch rumstehen? Hast du das Tanzen verlernt, Armand?", rief Tarkov ihnen zu, seine Bierflasche schwenkend.
„Brauchst du vielleicht Unterstützung?", fiel nun auch noch Esteban ein.
Sylvia schielte zur Terrasse und die Röte stieg ihr vom Hals bis zu den Haarwurzeln.
„Ignorier einfach das Publikum", flüsterte er ihr ins Ohr, während ihm ihr verführerischer Duft in die Nase stieg.
„Das ist nicht gerade einfach", bemerkte Sylvia, „vor allem, wenn es Götter sind, die wohl alle begnadete Tänzer sind."
„Da kann ich dich beruhigen. Außer Esteban und Natalia sind von den anwesenden Göttern auf der Terrasse keine nennenswerten Tanztalente dabei. Tarkov tanzt lieber mit seinen Fingern auf der Tastatur und Maurizio, na ja, der zieht ein gutes Essen der Bewegung seiner Beine vor."
Sylvia Nase kräuselte sich, als sich einer ihrer Mundwinkel zu einem Lächeln hob. „Dann sollten wir jetzt wohl loslegen." Sie hob ihren Kopf und streckte resolut ihr Kinn in die Höhe.
„Das sollten wir", pflichtete er ihr bei. Stetig anschwellende Streicherklänge zogen von der Terrasse her und die Luft war mit dem Duft von süßen Frühlingsblumen erfüllt.
Langsam, ganz langsam begann er sich am Platz mit ihr im Takt zu wiegen und zu seiner Freude folgte sie jeder seiner kleinsten Bewegungen. Er lächelte ihr aufmunternd zu und dann begann er sich mit ihr im Kreis zu drehen, führte sie zuerst langsam Schritt für Schritt, damit sie sich in dem Tanz zurechtfinden konnte, bis der Dreivierteltakt sie beide erfasst hatte und Sylvia geradezu in seinen Armen zu schweben schien.
Sie legte ihren Kopf in den Nacken und grinste übers ganze Gesicht. „Ich hatte komplett vergessen, wie viel Spaß es macht, zu tanzen", sagte sie atemlos, während ihre Augen förmlich vor Freude sprühten und ihre Haare im Wind flatterten.
„Dann sollten wir das öfters machen." Er wirbelte sie herum, schneller und schneller im Takt der Musik.
Jeder gemeinsame Schritt, vor und zurück, ihre Beine zwischen seinen, der sanfte Druck ihrer Hand auf seiner Schulter, jede noch so kleine Bewegung ihrer Muskeln brannte sich in sein Gedächtnis ein. Es war ein wunderbares Gefühl, sie so in seinen Armen zu halten, ihre beiden Körper eins in der Bewegung mit der Musik. Die wenigen Male, wo sie unsicher erschien, half er ihr mit ein paar improvisierten Schritten darüber hinweg, bis sie wieder gemeinsam im Takt waren.
Die Musik schwoll an, trug sie hinweg, ließ die Umgebung verschwinden, bis es nur mehr sie beide gab und die ewig vorantreibenden Walzerklänge, die sie verbanden. Vielleicht hatte Esteban ja recht und er konnte er sich seinen Weg in ihr Herz ertanzen. Einen Versuch war es auf jeden Fall wert. Falls es nicht klappte, dann blieb ihm wenigstens die Erinnerung an diesen wunderbaren Moment. Das würde ihm selbst Mr. Z nicht nehmen können.
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