8. Vor Gericht
Der Gerichtssaal war leerer als bei der Verhandlung nach der Schlacht um Hogwarts. Nur das Zauberergamott und Zeugen schienen geladen worden zu sein. Die Öffentlichkeit und die Presse waren ausgeschlossen. Er setzte sich auf den Stuhl des Angeklagten. Eisenketten schnellten aus den Armlehnen hervor und fesselten ihn. Bei seiner ersten Verhandlung hatte er noch überrascht aufgeschrien, doch dieses Mal war er darauf vorbereitet gewesen. Einmal hatte ihn der Einfluss seines Vaters vor Askaban retten können, doch der war schon lang verflossen.
Er kannte das Prozedere.
„Mr. Draco Lucius Malfoy, sie werden angeklagt sowohl Cormac McLaggen als auch Hermione Jean Granger hinterrücks angegriffen und anschließend ein gesetzeswidrigen Duell im Ministerium begonnen zu haben. Wollen sie uns ihre Version der Ereignisse schildern?", fragte der Vorsitzende des Gamotts. Draco schüttelte nur den Kopf. Es spielte keine Rolle, was er sagen würde und ändern würde es sowieso nichts.
Der Vorsitzende schien damit nicht besonders glücklich zu sein. Dennoch wandte er sich an eine Reihe Zauberer und Hexen, die in einer Bank aufgereiht saßen um ihre Aussagen zu tätigen. „Dann bitte ich den ersten Zeugen seine Aussage zu machen."
Draco warf einen kurzen Blick auf diejenigen, die dort saßen. Er wusste, dass abwechselnd je ein Ankläger und ein Fürsprecher ihre Aussagen tätigen würden. Die ersten beiden ließen ihn bereits in kalten Schweiß ausbrechen. Harry Potter und Hermione Granger. Sein Magen verkrampfte sich. Wenn der Goldjunge Potter gegen ihn sprach, war er verdammt. Und Granger... ihm wurde beim bloßen Gedanken schon schlecht, sie sehen zu müssen, wie sie ihn hier und jetzt verdammte.
Er atmete ein paar Mal tief durch, bevor er aufsah. Potter war als erster in den Zeugenstand gegangen und hob gerade mit seiner Rede an.
„Mein Name ist Harry James Potter. Der Name wird ihnen allen nicht unbekannt sein, da ich maßgeblich daran beteiligt war, den Krieg gegen Tom Riddle zu beenden." Leises Lachen war zu hören und Draco wünschte sich, diesem Narbengesicht wenigstens einmal die Fresse polieren zu dürfen.
„Wie ihr wohl ebenfalls alle wisst, war Draco Lucius Malfoy in diesem Krieg auf der Seite der Todesser." Ein Raunen war zu vernehmen. Potter wartete ab, bis es verklang, bevor er fortfuhr. „Und genau das ist auch der Grund, warum ich heute hier als Vertreter der Aurorenabteilung stehe. Ich möchte klarstellen, dass der Krieg in der Vergangenheit liegt, genau wie meine Rolle als Held und Mr. Malfoys Rolle als Todesser. Und obwohl wir uns dessen vollkommen bewusst sind, haben wir Vorurteile. Vorurteile die uns dazu bewegen, an das Gute in dem Einen und an das Schlechte in dem Anderen zu glauben. Viele der von mir bewerteten Zeugenaussagen waren zweideutig und haben genau diese Vorbehalte widergespiegelt. Bei einer erneuter Befragung wurden diese Aussagen zurückgezogen. Aus diesem Grund bitte ich die Richter, über die Vergangenheit hinwegzusehen und ein gerechtes Urteil für das hier und jetzt zu finden. Es darf nicht sein, dass Personen die von einem Gericht bereits freigesprochen wurden, unter anderen Vorwänden immer wieder der Prozess gemacht wird. Deswegen spreche ich mich hier und jetzt für den Freispruch von Draco Malfoy aus. Denn das ist die einzig logische Schlussfolgerung, welche das Studium der ihnen vorliegenden Akten zulässt."
Draco sah auf. War das Potters Scheiß-Ernst? Er laberte von Schlussfolgerungen aufgrund von Aktenbasis? Andere würden Augenzeugenaussagen machen, anstatt zu behaupten ein paar verdammte Blätter gelesen zu haben. Wenn das seine stärkste Verteidigung war...
Und dann betrat der nächste Zeuge den Zeugenstand. Er wollte nicht hinsehen. Wenn er gekonnt hätte, er hätte sich wie ein kleines Kind die Ohren zugehalten.
„Mein Name ist Hermione Jean Granger", verkündete eine ihm nur zu vertraute Stimme, die ihm die Kehle zusammenschnürte „anders als mein Vorredner war ich Augenzeugin der Ereignisse und sogar in gewissem Maße von ihnen betroffen. Das Einzige, was ich dazu sagen kann ist: Ich bin empört." Er kannte Grangers Tiraden nur zu gut. Gleich würde sie jeden einen Kopf kürzer machen, der nicht ihrer Meinung war. Er blickte sie an, wie sie kochend vor Wut vor den Richtern stand, ihr Haar so aufgeladen von Magie, dass es in alle Richtungen ab stand. Noch vor zwei Wochen hätte er alles für sie getan und nun stand sie hier und würde zu seiner Nemesis werden.
„Hiermit widerspreche ich ausdrücklich des vom Gericht geschilderten Tathergangs." Sie hatte sich in Rage geredet! Er war verdammt. Innerlich wappnete er sich gegen die bevorstehende Schimpftirade. „Ich kann nicht glauben, dass ein Unschuldiger nach Askaban geschickt worden ist, nur, weil man vermutet, dass er etwas getan haben könnte. Genauso entsetzt es mich, dass zur Wahrheitsfindung hier eigens ein Gericht einberufen werden muss."
Er hatte ihre Worte gehört, aber sie ergaben für ihn gerade keinen Sinn. Von welchem Unschuldigen sprach sie? War McLaggen ebenfalls nach Askaban geschickt worden?
„Auch der von ihnen vorgetragene Tathergang suggeriert, dass es sich dabei um einen vielfach bestätigten Tatsachenbericht handeln würde und suggeriert eine Schuld ohne vorherige Anhörungen."
Der Richter unterbrach sie jäh. „Wir haben Herrn Malfoy sehr wohl die Möglichkeit gegeben, seine Version des Tathergangs zu schildern." - „Aber erst nachdem sie einen Hergang geschildert haben, der ihn in ein denkbar schlechtes Licht rückte." - „Die Version wurde aufgrund von Zeugenaussagen erarbeitet." - „Zurückgezogener Zeugenaussagen wohlgemerkt! Die Zeugenaussagen die nicht zurückgezogen wurden, vermitteln ein gänzlich anderes Bild des Hergangs."
Sie verwirrte ihn noch mehr. Aber es könnte positiv für ihn sein, wenn die Anklage mit dem Richter so hitzig stritt.
„Fakt ist, dass wenn Mr. Malfoy nicht so beherzt eingegriffen hätte, der Vorfall eine schlimmere Wendung hätte nehmen können." Sie legte eine Hand auf ihren Bauch. „Denn das, was Mr. Malfoy während der Tat über mich gesagt hat ist wahr. Ich bin schwanger und hätte deshalb nie eingreifen dürfen. Deshalb erbitte ich von diesem Gericht, Gerechtigkeit walten zu lassen und Draco Malfoy umgehend freizusprechen. Viel hätte schief gehen können. Es ist wahrscheinlich, dass dieser Mann ein ungeborenes Leben gerettet hat. Und allein aus diesem Grund heraus, sollte er bereits frei gesprochen werden." Sie fuhr auf dem Absatz herum und rauschte zurück zu den anderen Zeugen.
Draco sah ihr nach. Nur langsam wurden ihre Worte von seinem Gehirn verarbeitet. Sie hatte für und nicht gegen ihn ausgesagt, obwohl eigentlich die Anklage hätte zu Wort kommen sollen. Eine weitere Person löste sich von den restlichen Zeugen. Nott ging in den Zeugenstand, doch noch bevor er anfing zu reden, wurde ihm eine Frage von dem Richter gestellt. „Mr. Theodore Nott, sprechen sie für oder gegen den Angeklagten?"
Nott räusperte sich. „Ich spreche für Malfoy." - „Dann bitten wir sie den Zeugenstand zu verlassen, um der Anklage Platz zu machen."
Nott nickte und ging zurück zu den anderen. Eine Stille legte sich über das Gericht. Als das Schweigen sich in die Länge zog durchbrach die schneidende Stimme des Richters sie. „Die Anklage bitte in den Zeugenstand!", wiederholte er sich.
Nach ein paar Minuten regte sich Potter und ging erneut mit zackigem Schritt nach vorne. „Es ist keine Anklage vertreten", erklärte er in einem Tonfall, der bar jeder Emotion zu sein schien.
„Was wollen sie damit sagen?"
Potter benahm sich nun so, als wäre ihm die Sache wirklich unangenehm. „Ursprünglich waren die Kläger, Cormac McLaggen, Hermione Jean Granger, Seargent Miller, Obergefreiter Hastings, Gefreite Hazlewood und Gefreiter Swift. Wie sie den Akten entnehmen können, hat Hermione Granger ihrer Anzeige noch am gleichen Tag widersprochen und stattdessen eine Klage gegen Mr. McLaggen eingereicht. Es scheint, als wären bei der ursprünglichen Aussage einige... Diskrepanzen zu dem tatsächlich von ihr geschilderten Tathergang vorhanden gewesen. Miller, Hastings, Hazlewood und Swift haben jeweils ihre Klagen nach eingehender Prüfung der Beweislage zurückgezogen. Übrig bliebe nur Cormac McLaggen, der allerdings wegen in Gewahrsam genommen wurde, da ihm genau der gleichen Vergehen vorgeworfen wurden, die er dem Angeklagten Mr. Malfoy vorwirft. Seine Verhandlung ist für morgen geplant. Die Hauptanklägerin ist Hermione Granger. Allerdings gibt es in diesem Fall noch diverse Nebenkläger und auch Mr. Malfoy kann sich der Klage gerne anschließen."
„Heißt das, wir haben hier einen Prozess ohne Ankläger?"
Auch wenn es dem Richter verborgen war, konnte Draco sehen, wie Potter nervös das Gewicht von einem Bein auf das andere verlagerte. „Wie gesagt, alle Kläger haben ihre Klage zurückgezogen außer Mr. McLaggen, dem ebenfalls vorgeworfen wird diese Taten begangen zu haben."
Wütend erhob sich der Richter. „Es ist noch nie passiert, dass dieses Gericht derart vorgeführt wurde. Wollen sie noch etwas dazu sagen Mr. Malfoy? Ihnen gebührt das letzte Wort."
Alles sprach für ihn. Man musste blind sein, wenn man das alles nicht für eine schlecht eingefädelte Intrige von McLaggen identifizierte. Und dennoch würde das Gericht zu dem Schluss kommen, dass er schuldig war. Viele Unschuldigere waren bereits nach Askaban gewandert. Er wollte den Richtern Verwünschungen an den Kopf werfen. Doch kein Wort verließ seine Lippen. Um irgendwie noch eine gute Figur zu machen, schüttelte er deshalb den Kopf.
„Dann können sie jetzt gehen, Mr. Malfoy. Das Gericht wünscht ihnen allen einen guten Tag." Ohne eine weitere Erklärung marschierte der Richter davon. Die Geschworenen folgten ihm, einer nach dem anderen wortlos.
Die Fesseln um seine Unterarme lösten sich. Also würde man ihn wieder nach Askaban schicken. Der Richter hatte sich nicht einmal bemüht zu sagen wie lange. Hieß das, solange er lebte?
Er hörte wie sich der Raum hinter ihm leerte. Jeden Moment würden ihn die Flüche der Auroren für immer seiner Freiheit berauben. Er schloss die Augen und genoss jede Sekunde, die er nicht in einer Zelle verbringen musste.
Nichts geschah.
Irgendwann öffnete er sie wieder und sah sich um. Seine Wächter waren verschwunden. Es verwirrte ihn. Hatten sie ihn vergessen?
Dann erinnerte er sich an die letzten Worte des Richters. „Sie können gehen." Die Erkenntnis was das bedeutete, durchzuckte seinen Körper wie ein Blitz. Er hatte nicht gemeint, sie können zurück nach Askaban gehen, sondern, sie können nach Hause gehen.
„Auf ein Wort unter vier Augen", erklang eine Stimme, die jede Euphorie in ihm seit jeher zum erliegen gebracht hatte.
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