Kapitel 39
"Du?!"
Ich stolperte vor Überraschung zwei Schritte zurück und ließ einen zweiten Feuerball in meiner Hand erscheinen. "Warum verfolgst du mich?"
Jackie, die Sklavin, die ich bei unserem letzten Stop in einer Stadt von widerwärtigem Sklavenhandel befreit hatte, hob die Hände.
"Ich will dich nicht verfolgen. Ich will dir helfen. Lass das Feuer verschwinden und ich sag dir, wo deine Freunde sind."
Ich legte misstrauisch den Kopf schief. "Warum solltest du mir helfen wollen?"
Jackie lachte. "Wieso so misstrauisch? Du warst es doch, die einem fremden dreckigen Mädchen geholfen hat."
Die Art, wie sie mit mir sprach, reizte mich. "Woher willst du wissen, wen ich suche? Ich habe dir nie erzählt, dass ich nicht allein bin."
Sie antwortete nicht, sondern zog ein großes zerknittertes Plakat aus ihrer Tasche. Sie drehte es um und las vor: "Dako, Nelio, Philo und Draco. Gesucht wegen näherem Umgang mit Lichtbringer. Belohnung: 10.000 Taler. Außerdem habe ich dich gesehen, wie du vorhin weinend im Sand zusammen gebrochen bist und ihre Namen gestammelt hast."
Sie hielt mir die Anzeige hin.
Irgendwie war es mir peinlich, dass sie mich gesehen hatte, doch ich ließ mir nichts anmerken, nahm missmutig das Blatt und kontrollierte es. Die Gesichter meiner Freunde waren schmerzlich vertraut und stimmte mich traurig. Schnell packte ich es weg.
"Warum weißt du wo sie sind und nicht ich?", fragte ich sie.
Jackie legte den Kopf schief. "Warum du das nicht weißt, weiß ich nicht. Ich weiß es, weil ich, bevor du mich befreit hast, bei Nevarians Untertanen gearbeitet habe."
"Na schön. Und wo sind sie?"
"Gefangene von Gorkas"
Ich hielt den Atmen an, mein Herz schlug schneller.
"Wie... Wie weit ist die Höhle von hier entfernt?", fragte ich sie vorsichtig, zu viel Angst hatte ich vor der Antwort.
"Einen Monat Fußmarsch.",sagte sie und deutete nach Westen.
Jetzt wurde mir zugegeben schlecht. Ich stöhnte auf und ließ das Feuer in meiner Hand verblassen. Ein Monat war lang, zu lang. Jackie fasste mich an der Schulter. "Wir können Sie noch retten. Nimm mich mit, ich zeige dir den Weg."
Ich runzelte die Stirn.
"Du hast kein Pferd. Laufen dauert zu lange.",widersprach ich und verschränkte die Arme vor der Brust.
Die ehemalige Sklavin kniff die Augen zusammen. "Du hast auch keins. Mit was willst du reisen?"
Ich biss mir ertappt auf die Lippe. Das hatte ich vergessen. Noch nicht mal einer Viertelstunde vorher, hatte ich mein Pferd freigelassen.
"Ich...habe...andere Mittel", versuchte ich sie abzuschütteln, aber es misslang. Sie schüttelte den Kopf. "Ich komme mit dir, ohne mich findest du den Weg nicht."
Ich seufzte."Dann erschrecke dich bitte nicht"
Sie runzelte verwirrt die Stirn, nickte aber.
Ich konzentrierte mich, breitete die Arme aus und ließ meinen inneren Drachen hinaus.
Jackie stolperte zwei Schritte zurück, sagte aber nichts.
Ihre Miene blieb unverändert, als sie sagte: "Ich hatte so eine Vorahnung, aber das du gleich ein Drache bist....."
Ich breitete die Flügel aus. "Da wir keine Pferde haben und Laufen zu lange dauert, fliegen wir eben."
Jackie schluckte, sagte:"Sprechen kannst du auch noch" und kletterte auf meinen Rücken.
Ich nahm Anlauf, stieß mich ab und schnellte nach oben. Hastig flog ich über die Wolken, um keine Zielscheibe für Nevarians Schützen abzugeben. Das Mädchen auf meinem Rücken klammerte sich mit aller Kraft an meine Zacken und rührte sich nicht von der Stelle. So hatte ich es am liebsten. Trotzdem vermisste ich Philo, der auf unseren früheren heimlichen Ausflügen vor Aufregung immer hin und her gezappelt war. Jackie fühlte sich fremd und unangenehm an. Um die miese Stimmung etwas aufzulockern, fragte ich sie:
"Wieso hast du, als du den Mann getötet hast, gefordert, dass ich dir nichts tue. Du hattest mich in deiner Gewalt, du hättest mich einfach töten können. Dann könnte ich dir mit Sicherheit nichts mehr tun. Aber du hast es nicht. Warum?"
Eine lange Zeit blieb es still, dann antwortete sie mir nachdenklich:"Ich war eine lange Zeit in Nevarians Dienst und dort erzählte man mir nichts Gutes über dich. Du gilst als blutrünstig, todessüchtig und äußerst gefährlich. Es heißt: Wem der Lichtbringer hilft, wird sein nächstes Opfer sein. Wenn man selber dem Lichtbringer hilft, unterschreibt man direkt sein Todesurteil. Tötet man allerdings den Lichtbringer, dann wird man lebenslang in den Kerker gesperrt. Nevarian will dich um jeden Preis lebend. Er braucht deine Kräfte. Also könnte ich dich nicht töten, weil ich sonst selbst sterbe. Aber als du mich befreit hast... Mich, eine unbedeutende Sklavin, war ich mir auf einmal nicht mehr so sicher. Man kann nicht vorsichtig genug sein."
Ich schnaubte. "Du hast tatsächlich geglaubt, dass du mein nächstes Opfer wirst?!" Ein tiefes Lachen entsprang meiner Kehle.
Jackie machte ein finsteren Gesicht. "Du hast mir geholfen, also fühle ich mich verpflichtet, dir auch zu helfen. Damit mache ich mich allerdings strafbar und darf sterben gehen. Also bin ich sozusagen doch dein Opfer."
"Hey, ich habe dich nicht um Hilfe gebeten. Du hast dich dazu entschlossen.",verteidigte ich mich und peitschte mit dem Schwarz durch die Luft.
Auf meinem Rücken rutschte sie hin und her. "Ich weiß", murmelte sie, "Ich weiß"
Dann blieb es eine Weile still. Um diese Stille zu unterbrechen, fragte ich: "Wie hast du es eigentlich geschafft, dass Nevarian dich rausgeschmissen hat. Soweit ich weiß, behält er seine Sklaven für immer oder tötet sie, wenn er keinen Nutzens in ihnen sieht. Auf mich wirkst du aber noch lebendig"
Ich spürte, wie das Mädchen sich anspannte. "Ich wurde nicht rausgeschmissen. Ich bin geflohen"
"Geflohen?! Wie, um Himmels Willen, hast du das angestellt?"
"Ich war keine bedeutende Arbeitskraft. Bloß eine unter Vielen, die fürs Fenster putzen zuständig waren. Ich glaub, Nevarian hat es nicht einmal gemerkt, als ich mich in einem Wäschekorb versteckt habe und aus dem Schloss gebracht wurde. Danach bin ich in den Wald geflohen und wusste nicht wohin. Doch dann habe ich dich und die alte Frau entdeckt und hin euch einfach mal gefolgt."
"Du bist mir schon die ganze Zeit auf den Fersen gewesen?! Wieso hab ich das nicht bemerkt?"
Jackie antwortete nicht darauf, sondern fuhr fort:"Ich bin mit euch in die Stadt gekommen und wurde gleich darauf von Sklavenhändler gefangen genommen. Wärst du nicht gewesen, wäre ich wahrscheinlich schon wieder ein Sklave. Deshalb will ich nie mehr in diese Stadt zurück. "
Ich tauchte unter den Wolken durch und landete auf einer kleinen Lichtung im Wald. Sie stieg ab und schaute mich verwirrt an.
Ich schüttelte entschuldigend den Kopf:"Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, aber wir werden wohl oder übel nochmals in die Stadt gehen. Wir haben keinen Proviant, geschweige denn Wasser."
Als ich ihren geschockten Gesichtsausdruck sah, bot ich ihr an, allein zu gehen. Sie nickte dankbar, setzte sich unter einen Baum und versprach zu warten.
Mit einem beklommenen Gefühl marschierte ich zurück in die Stadt. Eine Kapuze verhinderte grob, dass Leute mich erkannten,dennoch wurde mir flau, als ich das Tor passierte. Zu meinem Nachteil war es herrlichter Tag.
Mit gesenktem Kopf und schlurfenden Schritten betrat ich dem nächstbesten Laden in meiner Nähe und kaufte dort Reiseproviant, zwei gefüllte Wasserflaschen und ein Taschenmesser. Der Besitzer stellte keine Fragen, gab mir das Wechselgeld und ich verließ das Geschäft. Hastig lief ich weiter. Mein nächstes Ziel war eine Näherei. Dort kaufte ich eine große Tasche, in die ich den Proviant stopfte.
Nun hatte ich alles zusammen. Den Ausgang der Stadt fest im Visier beschleunigten sich meine Schritte. Ich wurde das Gefühl nicht los, beobachtet zu werden. Und ich lag richtig.
Keine zehn Meter vor dem Tor legte sich plötzlich eine Hand auf meinen Mund und Nase und jemand fasste mich an der Schulter. Noch bevor ich etwas dagegen unternehmen könnte, wurde ich in eine Seitengasse geschleppt und gegen die Wand gedrückt. Meine Hände nach hinten gerissen.
Ein Schatten löste sich aus der Dunkelheit und kam auf mich zu. Drei weitere Männer begleiteten ihn. Ich schnappte überrascht nach Luft, als ich den Sklavenhändler erkannte.
Über seinen gelölbten Bauch spannte sich ein dreckiges Jackett und seine mit hohem Absatz versehenen Schuhe klackten auf dem Pflaster. "Na, wen haben wir denn da? Ein junges Mädchen, das bereit ist zu arbeiten. Gerade jetzt, wo eine meiner liebsten Arbeitskräfte verschwunden ist", sagte der Mann und sein kehliges Lachen hallte durch die Gasse.
Ich verengte die Augen unter meinem Mantel zu schmalen Schlitzen. "Ihr seid ein widerwärtiges Monster, das Kinder arbeiten lässt. Jackie war nur eine ihrer Sklaven."
Der Mann verstummte. "Dann warst das also du, die das Gör befreit hat." Er grinste. "Na dann, weiß ich schon, was ich mit dir mache."
Er drehte sich um und machte eine Handbewegung. Die drei Männer kamen auf mich zu und grinsten abfällig.
In mir brodelte der Zorn. Ich spürte, wie mein innerer Drache tobte und herausgelassen werden wollte. Der Mann, der hinter mir stand und mich festhielt, wurde unruhig.
"Lass mich los", zischte ich gefährlich.
Er gehorchte nicht, doch ich fühlte, wie er sich anspannte.
Sein Griff verstärkte sich.
Wie du willst
Mit einem gewaltigen Tritt gegen sein Schienbein ging er zu Boden und ließ mich los. Ich sprang auf, riss mir die Kapuze vom Kopf und ballte die Hände zur Faust. Zwei aus Drachenmagie geladene Kugeln erhoben sich aus den Fäusten.
Die drei Männer erstarrten augenblicklich.
"Der Lichtbringer",flüsterte einer voller Furcht und hob die Hände.
Der Sklavenhändler drehte sich um, auf seiner Stirn glänzten Schweißperlen. "Ich...krieg...dich",wisperte er und seine Stimme klang gereizt.
Ich trat vor. "Das glaube ich eher nicht"
Wie ein Blitz schleuderte ich die Drachenmagie auf die Männer, wandelte zum Drachen und erhob mich in die Luft.
Wie ein Affe sprang ich von Hausdach zu Hausdach.
Hinter mir brüllte der Sklavenfänger: "Der Lichtbringer. Der Lichtbringer!"
Seine Schreie weckten die ganze Stadt und im Nu hetzten mir die alle Soldaten in diesem Umfeld hinterher.
Rutschend und keuchend kam ich auf der Lichtung an. Jackie sprang auf, nahm mir dir Tasche ab und fragte: "Was ist passiert?!"
"Steig auf!", rief ich außer Atmen und breitete die Flügel aus. Die ersten Pfeile schossen bereits aus dem Gebüsch und lautstarke Stimmen näherten sich.
So schnell es ging stieg ich in die Luft und durchbrach die Wolkendecke.
"Was, zum Teufel, hast du gemacht?!", fragte Jackie fassungslos und klammerte sich an meine Zacken.
Ich schnaubte empört. "Ich? Gar nichts!"
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