Kapitel 17

Nachdem wir geparkt hatten, an der Jimi Hendrix Statue und der Gedenkbank von Brandon und Bruce Lee vorbei kamen, führte mich Collin durch schmale, belebte Gassen im Künstlerviertel. Das Ambiente, die ganze Atmosphäre um uns herum wirkt so lebendig und berauschend. An fast jeder Straßenecke stehen Musiker. Es riecht nach frisch gebrühten Kaffee, Zigarren und Pfeifenrauch.

  „Hast du Hunger?“, erkundigt Collin sich schließlich, „Ich kenne hier ein ganz ausgezeichnetes Lokal.“

Nun erst fällt mir auf, dass ich Heute den ganzen Tag noch Nichts gegessen habe. Also nicke ich zustimmend.
  Collin führt mich zu einem kleinen Restaurant in einer abgelegenen Seitenstraße, das von Außen eher unauffällig erscheint.

  „Hier war ich schon ein paar Mal. Ein echter Insidertipp“, verkündet er mit einem Augenzwinkern, während er mir die Hand in den Rücken legt, um mich durch die Eingangstür zu schieben.

Die Einrichtung des gut besuchten Lokals ist einfach aber durchaus einladend und gemütlich. Es riecht köstlich nach gebratenen Zwiebeln und einem zarten Hauch Knoblauch.

   „Hi! Ein Tisch für Zwei?“, werden wir von einer jungen Frau mit auffällig  roten Lippen und zerrissenen Jeans angesprochen.

   „Ja, bitte am Fenster, falls es möglich ist“, antwortet Collin höflich bestimmend, worauf uns die Blondine durch den Raum an einen Platz lotst.

   „Hier bitte. Du bist natürlich eingeladen", sagt Collin als wir sitzen, wobei er mir die Karte reicht.

   „Nein, das wäre mir unangenehm.“

Doch Collin wirft mir einen strengen Blick zu, der klar macht, dass er keinen Widerspruch gelten lassen wird.

  „Ok, Danke“, murmle ich schnell und schenke ihm ein Lächeln.

Schweigend studieren wir die Karte bis die junge Bedienung wieder an unseren Tisch kommt.

  „Haben sie schon gewählt?“

  „Ja, einmal das Rindersteak mit Pommes und... “, fragend blickt Collin zu mir herüber.

  „Und dem Club Salat mit French Dressing, bitte“, vervollständige ich seinen Satz.

„Bringen Sie uns dazu noch eine Flasche Rotwein.“

Eifrig notiert sich die Bedienung unsere Bestellung und verlässt uns mit einem freundlichen Lächeln.
Und schon kurze Zeit später kehrt sie mit unseren Tellern und dem Wein, den sie uns in die Gläser gießt, an den Tisch zurück.
  Da vibriert mein Handy. Ein verstohlener Blick auf den Display zeigt mir einen aufblinkende Nachricht.
  Sie ist von Jadon.
Sofort bekomme ich einen Kloß im Hals, überlege, ob ich sie jetzt überhaupt lesen soll oder ob es besser ist zu warten bis ich alleine bin. Ich bin im Zwiespalt mit mir selbst und meine Neugier gewinnt. Bemüht beiläufig öffne ich Jadons Nachricht.
  "Ich vermisse dich", mehr steht nicht geschrieben.
So wenige Worte, die so Vieles sagen. Eine einzige Zeile, die zwar meine Entschlossenheit  nicht schmälert, so Vieles aber schwerer werden lässt.

  "Ist alles in Ordnung?", reißt mich Collin aus meinen Gedanken.

  "Ja, alles bestens", lüge ich, wobei ich mein Handy wieder in der Tasche verschwinden lasse.

Ich versuche mir Collin gegenüber nichts anmerken zu lassen, weil ich den Abend nicht verderben möchte. Es war wirklich schön und er hat sich soviel Mühe gegeben, mir alles zu zeigen. Da wäre es nicht fair, jetzt die Stimmung kippen zu lassen.   Schließlich hätte sich Collin nicht die Zeit nehmen müssen, mich herumzuführen. Das weiß ich zu schätzen.

  "Wie bist du eigentlich zu deinem Job in der Künstleragentur gekommen?", frage ich, während ich in meinem Salat herumstochern.

Es ist jedoch nicht nur, weil ich ablenken will, es interessiert mich wirklich.

  "Ich habe eigentlich Eventmanagement in Ohio studiert. Dort habe ich damals Abel kennengelernt. Er studierte Kunst und schaffte es, bereits während seines letzten Semester, seine eigenen Bilder auszustellen. Ich begleitete ihn natürlich zu seiner Ausstellungen, knüpfte Kontakte und lernte mehr über das  Business, das hinter dem Ganzen steckt", gibt Collin bereitwillig Preis, "Weißt du, Kimberly, manchmal kommen Dinge ganz anders, als man sie geplant hatte."

In seiner Stimme schwingt plötzlich etwas Dunkles mit. Er klingt ungewohnt wehmütig, was er allerdings schnell zu überspielen weiß.

  "Und du? Warum bist du Kunstvermittlerin?"

Diese Frage ist nicht schwer zu beantworten.

  "Ich liebe Kunst. Es ist eine Art Menschen etwas aus den Augen des Künstlers zu zeigen. Schon als kleines Mädchen habe ich meiner Mutter beim Malen zugesehen. Leider habe ich ihr Talent nicht geerbt, sondern nur die Leidenschaft dafür. Da war es das Naheliegendste in einer Galerie zu arbeiten."

Collin hört mir gebannt zu. Seine Augen sind weich und warm auf mich gerichtet, während ich spreche.

  "Ich weiß genau was du meinst", gibt er ungewohnt leise hinzu, „Schmeckt es dir denn nicht?".

Sofort hat sich sein Ton gefangen und er strahlt wieder diese faszinierende Unnahbarkeit aus.

  "Doch, es ist gut", antworte ich, bevor ich mir demonstrativ ein Stück Tomate in den Mund schiebe. Jedoch entgeht auch mir ich, dass Collin kaum etwas gegessen hat.

Es wird spät, sodass wir allmählich aufbrechen.
Die Straßen sind leer und die Fahrt zurück ist kurz.

  "Passt es dir, wenn ich morgen Nachmittag ins Büro komme?", möchte Collin wissen, als er vor meinem Appartement hält, worauf ich lediglich nicke.

Ich bin nervös, fühle mich gerade wie ein Teenager und will uns eine peinliche Situation zum Abschied ersparen.
  Collin schaltet den Motor und die Scheinwerfer aus. Schnell löse ich den Gurt, öffne die Tür und springe aus dem Auto. Hastig beuge ich mich noch mal zum Sitz um meine Tasche zu nehmen und bin bereit für einen schnellen Abgang.
  Doch Collin steht bereits vor mir, seine Hände rechts und links neben mir auf dem Verdeck abgestützt. Es gibt für mich kein Entkommen.

  "Es war ein schöner Abend", raunt er mit heißerer Stimme, die mir eine Gänsehaut beschert.

  "Das finde ich auch. Vielen Dank", hauche ich leise.

Mein Herz schlägt schneller und mein Magen zieht sich zusammen.
  Collins Gesicht wird zur Hälfte vom Mondlicht angestrahlt. Die andere Hälfte ist in Schatten getaucht, was ihn geheimnisvoll und noch markanter wirken lässt.
Plötzlich wird mir ganz warm und meine Knie werden weich.

  "Dann bis morgen, Kimberly."

Mehr sagt er nicht, geht zurück zur Fahrerseite und steigt ein.
  Perplex bleibe ich zurück. Ich weiß nicht was ich erwartet hatte aber ich fühle mich seltsam benommen, wie in einer Trance.
Ein plötzlicher Windstoß holt mich eisig zurück in die Realität. Hastig schließe ich auf und stapfe die Treppe nach oben.
  Einige Male atme ich tief durch. Mein in erstes ist völlig aufgewühlt und lässt mich, wie so oft in den letzten Wochen, keine Ruhe finden. Meine Emotionen spielen verrückt.

Immer wieder nehme ich mein Handy in die Hand, löse die Tastensperre und lese diese drei Worte. Jedoch bin ich nicht in der Lage ihm etwas zu antworten.
  Diese Nachricht verheißt für mich lediglich, dass Jadon wiederkommen wird und vielleicht schon früher als mir lieb ist.
  Ich habe Angst vor dem Moment, in dem er hier die Türe öffnet.
  Es ist ebenso sein zu Hause aber ich wünschte es wäre anders. Ich wünsche mir, dass er einfach geht und nicht mehr wieder in dieses Appartement kommt, ganz ohne Streit, ohne Worte, einfach fort.
  Dann könnte ich ganz von Vorne anfangen und mir etwas Neues aufbauen, ohne die Konsequenzen für etwas fürchten zu müssen, und könnte endlich wieder voll und ganz ich selbst sein. 


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