Die Tänzerin

Sie tanzten lange und ausgedehnt. Mothruit warf Areen in die Kurven, drehte und wirbelte sie um sich, bis ihre Haare wild um ihr Gesicht wehten und sich Areens Kleid aufbauschte. 

Die anfangs noch sanften Klänge der Geige wurden immer schneller und mit ihnen die Tänzer. Mothruit beugte sich nach vorne und blickte in die wunderschönen Augen der Elfe, die er liebte.

Die hellblauen Iriden glitzerten in dem spärlichen Licht voller Lebensfreude, graue und grüne Einsprengsel sammelten sich um Areens geweitete Pupillen. Mothruits Blick verweilte lange auf den Seelenfenstern seiner erwählten Kriegerin, bis sie weiter hinabschweiften über die sanft geschwungene Nase zu ihren feuchten Lippen. 

Sie waren nicht etwa groß und voll wie die der anderen Elfenfrauen, aber dennoch sahen sie so weich aus, dass es Mothruit sehr viel Widerstand brauchte, sie nicht zu kosten. Sie durften sich nicht auf einer Totenfeier küssen, zumindest nicht auf der von Jimday.

Der Feuerschwanz stellte sich wieder gerade hin und mit ihm Areen. Die Sterne waren inzwischen um einiges weitergezogen und die Nacht war dem Ende näher als dem Einbruch der Dunkelheit. 

Die Elfen begannen bereits, sich aufzulösen und nur noch wenige von ihnen tanzten noch immer. Jimdays Sarg stand noch immer an derselben Stelle, viele Opfergaben waren ihm zu Füßen gestellt und bestimmt hunderte Abschiedsworte vor ihm ausgesprochen.

Mothruit legte Areen einen Arm um die Schulter und zog sie zu sich heran. Bei der warmen Berührung ihres Körpers breitete sich in ihm ein brennendes Verlangen nach ihr aus. Sanft strich er ihr eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht.

„Habe ich dir schon einmal gesagt, wie wunderschön du eigentlich bist?", fragte er, während er sich in ihr verlor. Areen lächelte zaghaft. Sie antwortete nicht, stattdessen schlang sie ihre Arme um seine Hüfte. 

„Ich hatte keine Ahnung davon, was Liebe ist. Ich bin in meinem wahren Körper nicht dazu in der Lage, solch elfische Gefühle zu spüren. Als Feuerschwanz fühle ich nur Barbarisches. Den ständigen Durst nach Blut, das Verlangen, jemandes Lebenssaft zu trinken. Der Wunsch nach Rache an Rathrankar, der fast durchgehend meine Gedanken einnimmt. Der Drang, für Angst und Schrecken zu sorgen, meine Macht zu beweisen und all jene zu bestrafen, die mich nicht akzeptieren.

Weißt du wirklich, mit wem du dich da einlässt? Ich bin ein Monster, eine Albtraumgestalt, der Abschaum, der Verräter tötet und dessen Kopf auf dem Schwarzmarkt teuer verkauft wird...", raunte er gerade so laut, dass Areen ihn verstehen konnte. Sie legte ihm einen Zeigefinger an die Lippen.

„Sag so etwas nicht. Hätte ich die Wahl zwischen reichen, edlen, einflussreichen Elfen und dir, dann würde ich um jeden Preis dich wählen", flüsterte sie, ihre Augen auf sein Gesicht gerichtet.

...auf Irkandirs Gesicht. Diese Tatsache traf ihn heftiger als ein Pfeil. Seine Hände schlossen sich noch fester um Areens schmalen Körper, beinahe hatte er Angst, sie zu erdrücken.

„Das mit uns wird nicht gut ausgehen. Selbst wenn wir die Schlacht überleben würden, würde man uns... dich als Verräter jagen. Wir würden in ständiger Angst vor Feinden leben müssen. Wir könnten fliehen, in die Gebirge, die nur wir Feuerschwänze kennen. Aber unter den Meinen würde man unsere Liebe nicht akzeptieren können. Sie würden uns verstoßen und mich für schwach halten. Sie würden..."

Areen unterbrach seine finsteren Gedankengänge. „Was sollen deine Geschwister tun, Mothruit? Sie denken, Liebe sei etwas für Schwache, aber sie kennen nicht den Preis, den man dafür zahlt. Wenn man liebt, ist man stark. Man hängt sein Herz an jemanden und macht sich so verletzbar. Du bist der Mächtigste unter den Deinen, sie verstehen dich nur nicht."

Mothruit seufzte. Wenn er dem nur zustimmen könnte. 

Sanft drückte er seine Lippen auf Areens Scheitel und schloss die Augen. Sie waren die Letzten, die Einzigen, die jetzt noch hier waren. 

„Ich liebe dich", flüsterte die Elfe, stellte sich auf die Zehenspitzen und umschloss Mothruits Hals. Er knurrte leise, als er ihren verlockenden Duft von frischen Blüten und Seife aufnahm. Seine Hände streichelten über ihren Rücken.

„Sollen wir das wirklich tun? Ich habe Angst, die Kontrolle zu verlieren", murmelte er und drückte sein Gesicht in ihr volles Haar. 

„Ich will dich. Jetzt", forderte sie ebenso leise und schmiegte ihren Körper verlangend an seinen. Er verzog das Gesicht. Er wollte es nicht riskieren, wollte diese zarte Schönheit nicht zerstören. Was, wenn sie unter seiner Kraft zerbrechen würde wie eine einfache Vase? Wunderschön und doch so unpraktisch. Man verliebte sich in sie, nur um sie dann bei der ersten Unachtsamkeit zerbersten zu lassen.

Witternd sog er ihren Geruch ein. Areens Hände fuhren hoch zu seinem Kinn, zogen es zu ihr hinab. Mothruit seufzte und öffnete die Augen, um ihre Schönheit in sich aufzusaugen.

Doch als er seine Lider hob, sah er sie nicht. Anstelle ihres wunderschönen Aussehens sah er ihre Konturen, ihre Aura. 

Erschrocken sprang Mothruit zurück, als er seine Hände hob, um sich über die Stirn zu wischen, fühlte er kleine Federn. Ein Keuchen entrang ihm, er drehte sich um und atmete tief ein und aus. Sein Atem hallte ungewohnt laut und tief dröhnend in seinen Ohren wieder. 

„Ich bin nichts für dich", presste er dann außer Atem hervor, als er sich wieder etwas beruhigt hatte. Die Federn waren zurückgewichen und seine Sicht war wieder die eines Elfen, dafür aber war seine Stimme so tief, dass sie kaum zu verstehen war. Als er sich umdrehte, sah er Areens schockierten Gesichtsausdruck - trotz ihrer Versuche, ihn zu verbergen.

„Du bist meine Kriegerin, mehr nicht. Mehr darfst du nie sein, das Risiko, dich durch meine Ungezähmtheit zu verlieren, will ich nicht eingehen", schnaufte er und wandte sich ab, um nach wenigen Herzschlägen von der Lichtung zu gehen und sie alleine und bildhübsch im Mondlicht stehen zu lassen, damit sie den nächsten Tanz alleine tat. Einen einsamen Tanz, voller Wehmut, in dem sie sich wie der Wind drehte, die Arme ausgebreitet, und ihren Kummer weit in die Welt trug.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top