Kapitel 46

Ich hatte mir die Hölle immer als einen viel zu heißen, stickigen Ort vorgestellt, in dem es überwiegend schwarz und rot war. In meiner Fantasie hatte ich sogar Krater, mit daraus glühend heißen Flammen schießen, gesehen. Aber in Wirklichkeit fehlte all dieses. Es war eiskalt und alles war grau. Alles sah gleich aus und noch dazu hatte man dieses bedrückende Gefühl, dass es keinerlei Freude, Hoffnung, Liebe, eben alle guten Gefühle mehr gäbe. Es war nun wirklich kein Ort an dem man landen wollte. Und wenn ich die Wahl gehabt hätte, wäre ich sofort wieder zurück in meine sichere, schöne Welt, mit all meinen, doch so banal erscheinenden, Problemen, zurückgekehrt, aber ich hatte hier etwas zu erledigen und dass war es einen Dämon aufzuspüren, meinen Bruder aus seinen Fängen zu befreien, den Dämon zu besiegen und dann mit Kuro und meinem Bruder wieder zurückzukehren. 

Und wenn ich einen Dämon besiegen könnte, dann würde ich auch mein Herz von Marek lösen können!

Aber all dies stand noch in den Sternen. Denn Kuro und ich waren in der Hölle und wir hatten keine Ahnung wo genau wir waren, wo genau der Dämon war und wie wir zu ihm kommen würden. Wir waren in der Unterwelt und hier konnte man nicht einfach nach dem Weg fragen. 

"Wir müssen uns tarnen, ansonsten werden wir sofort entdeckt!", flüsterte Kuro und legte einen Tarnspruch um uns, sodass uns niemand mehr sehen konnte. Ich hatte aber trotzdem das Gefühl, dass all diese grauen, dürren Gestalten, die überall herum schlichen uns bemerkten und vielleicht auch sahen.

"Sie sehen und hören uns nicht", flüsterte Kuro, der mein Unbehagen bemerkte, "Aber sie spüren unsere Anwesenheit."

"Warum?", flüsterte ich vorsichtig zurück.

"Wir tragen Gefühle in uns, die diese verlorenen Seelen schon lange nicht mehr hatten. Du bist voller Hoffnung, dass du Asmoday besiegst und dann alles gut wird. Die Seelen spüren das."

"Was ist mit dir? Hast du keine Hoffnung, dass wir das alles schaffen und hier lebend wieder rauskommen?"

"Ich hätte deinen Optimismus gerne, aber ich habe nach Abigails Tod aufgehört zu hoffen, dass alles gut geht. Denn wenn ich nicht nach Hause zu meiner Freundin zurückkehren kann, dann hat es keinen Sinn in Hoffnung zu schwelgen. Das ist auch der Grund, warum ich so gut bin, in dem was ich tue. Ich habe keine banalen Gefühle, die mir die Sicht vernebeln und mich davon abhalten an mein Ziel zu kommen."

"Aber wofür hast du dann überhaupt ein Ziel, wenn es doch eh alles keinen Sinn hat?", fragte ich ihn herausfordernd.

"Weil dann wenigstens einer von uns beiden zu seinem Gefährten zurückkommen kann", meinte Kuro und sah mir dabei tief in die Augen. Kurz schämte ich mich, wie ich meinen Mentor, Trainer, Bruder, Lehrer und Freund so etwas fragen konnte, aber um die Frage zurückzunehmen, war es schon zu spät.

"Lass uns anfangen zu suchen. Ich denke nämlich nicht, dass ein mächtiger Dämon, wie Asmoday, sich hier unter den verlorenen Seelen aufhält."

"Stimmt. Er ist hinter dem Hügel, in seinem Schloss", hörten wir plötzlich eine männliche Stimme hinter uns. Kuro und ich machten uns beide bereit unseren unerwarteten Gast anzugreifen, bis wir feststellten, dass er ebenfalls ein schwarzer Hexer war. Kein Wunder also, dass er uns sehen und hören konnte.

"Wer bist du und was machst du hier?", fragte ich verwundert.

"Das selbe könnte ich euch fragen, ihr seid die Neulinge hier unten."

"Ich bin Kuro und das ist Luna und jetzt du."

"Ich bin Alois. Ich habe meine Gefährtin gesucht und gefunden. Leider ist sie die Tochter von Asmoday und er lässt sie nicht gehen. Eigentlich wollte er mich töten, aber ich konnte fliehen und jetzt lebe ich hier schon zwei Jahre und treffe mich heimlich mit Sapientia."

"Sehr passend. Du bist der Weise und sie die Weisheit",  meinte Kuro und interessierte sich gar nicht dafür, sich formell vorzustellen.

"Aber wie kommt es, dass Asmoday eine schwarze Hexe als Tochter hat."

"Sie ist nicht seine leibliche Tochter. Sie ist sehr mächtig und er hat sie ihren Eltern geraubt. "

Verschwörerisch sahen Kuro und ich uns an. Ich war also nicht sein erstes Opfer. Nur hatte ich mehr Glück als Sapientia.

"Kommt wir müssen los. Die Zeit vergeht hier anders als in der wirklichen Welt und wenn ihr nicht erst in drei Jahren menschlicher Zeit wieder zurückkehren wollt, dann müssen wir jetzt los. Es ist ein weiter Weg bis zum Schloss."

"Du willst uns einfach so helfen, ohne uns zu kennen und ohne zu wissen was unser Plan ist?"

"Ihr wollt Sapientias Bruder Broin zurück bringen. Also ich denke mal deinen Bruder, Luna. Und dafür müsst ihre euch mit Asmoday anlegen. Diese Ablenkung ist alles, was ich brauche, um Sapientia da rauszuholen und mit mir zurück auf die Welt zu holen. Es ist mir egal, was ihr mit Asmoday vorhabt, solange es nach zwei Jahren warten, nach Unterweltzeit, heißt, dass ich endlich mit meiner Weisheit in Freiheit leben kann."

Beeindruckt sah ich ihn an. Er war genauso optimistisch, dass am Ende doch alles gut gehen würde, wie ich. Und ich konnte für Kuro nur hoffen, dass er auch irgendwann seinen Optimismus und seine Hoffnung zurück finden würde.

"Wie schnell vergeht hier die Zeit?", fragte Kuro nach, der einfach die vorherigen Aussagen ignorierte.

"Langsamer als in der richtigen Welt. Ich bin seit zwei Jahren hier, dass wären ungefähr vier in unserer Welt."

Erschrocken sah ich die beiden Männer vor mir an.

"Das heißt wir haben nur eine Woche zeit, bevor Astrum Marek und somit dein schlagendes Herz tötet", flüsterte Kuro.

"Oh dann sollten wir uns definitiv ranhalten! Wir brauchen mindestens fünf, wenn nicht eher sechs Tage, um zum Schloss zu kommen!", rief Alois entsetzt aus, "Aber wie kann jemand dein schlagendes Herz in der Menschenwelt töten?"

"Das ist eine längere Geschichte", murmelte ich grimmig.

"Wir haben ein paar Tage Zeit, also kannst du gerne loslegen, dann lernen wir uns auch gleich ein bisschen kennen und ich verstehe, wieso Asmoday deinen Bruder und nicht dich bei sich hat, denn du bist sehr, sehr viel stärker, das merke ich schon von einem Kilometer abstand!", meinte Alois grinsend.

Irgendetwas kam mir nicht ganz richtig vor. Er war viel zu glücklich, als das er zwei Jahre in der Unterwelt festsaß, um auf seine Gefährtin zu warten, aber ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen und fing an zu erzählen, während ich versuchte unauffällig Kuro meine Bedenken, per Gedanken, mitzuteilen.

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