Er sucht seine Auserwählte
Lyla
Es war an der Zeit unsere Ernte zu verkaufen, auch wenn es nicht sonderlich viel war, musste ich es wenigstens versuchen, noch ein bisschen Geld dafür zu bekommen.
Normalerweise kümmerte sich Vater selbst um den Verkauf, da er ein gutes Händchen dafür besaß, den Menschen Dinge anzudrehen, die sie eigentlich gar nicht benötigten. Doch heute musste Vater bei unserem Nachbarn auf dem Feld aushelfen mit Hilfe von ein paar Stallburschen. Somit traf es mich. Liv schien für geschäftliche Dinge nicht zu gebrauchen und Mutter musste selbst arbeiten, sodass Vater der Annahme war, ich würde das schon irgendwie hinbekommen.
Eigentlich gab es da auch überhaupt nichts einzuwenden, wäre da nicht meine natürliche Abscheu gegen die vielen Fremden, die sich durch unsere Stadt tummelten. Generell verbrachte ich meine Zeit lieber mit Vertrauten oder eben für mich allein. Menschenmassen versetzten mich nicht gerade in überschwängliche Freude.
Auf dem Markt, der sich schon jetzt in den frühen Stunden in seiner vollen Pracht ausbreitete, entdeckte ich meine alte Freundin Anna, die an ihrem gewohnten Stand ihr Gemüse verkaufte. Ich zog den Holzkarren intuitiv in ihre Richtung und lächelte sie an, als unsere Blicke sich begegneten.
Anna - eine Frohnatur vom Herrn, mit so viel Liebe und Güte beschenkt, dass ich nicht anders konnte, als sie zu mögen - war einfach viel zu gut für diese Welt. Auf ihrem Gesicht breitete sich ein strahlendes Lächeln aus und sie winkte freudig.
Da neben ihr noch Platz für einen Wagen war, ergriff ich mein Glück und parkte den Karren neben ihr. Neugierig musterte mich Anna und runzelte dann die Stirn, ehe ich etwas sagen konnte, kam auch schon die Frage: "Seit wann gehst du eure Ernte verkaufen?"
Ich zuckte mit den Schultern. "Ab heute, schätze ich" Im Eiltempo baute ich auf und verteilte die paar Dinge, die ich hatte : Ein wenig Milch, Salatköpfe - die nicht mehr die schönsten waren - und Maiskolben.
"Hast du was angestellt?", kicherte sie, als ich wohl wieder in den Sinn kam, wie viele Flausen ich früher im Kopf gehabt hatte. Streiche spielen und Menschen auf den Arm nehmen war nicht besonders selten gewesen, als es meiner Familie noch besser ergangen war.
"Nein", grinste ich. "Ich glaube, so langsam werde ich erwachsen"
Mein Lächeln erstarb bei dem Gedanken, dass es als Scherz gemeint war und doch der Wahrheit entsprach. Das schien auch Anna nicht zu ergehen, denn sie wurde augenblicklich ernst. "Hm, irgendwann ist das wohl so", kam es leise von ihr und ehe ich die Stimmung mit einem lockeren Spruch hätte auflockern können, kamen die ersten Käufer an den Stand und Anna bediente diese.
Anscheinend hatte sie nicht mit bekommen, wie ich mich mit meinem trotzigen Verhalten gegenüber dem alten Sack seine Befehle infrage gestellt und seine Autorität vor aller Augen untergraben hatte. Also beließ ich es lieber dabei.
Und schließlich hatte ich daraus gelernt: Prostest war in Ordnung - kindischer Trotz nicht.
"Lyla?", ertönte eine weibliche Stimme ungläubig. Mein Kopf fuhr hoch und ich deckte ein braunhaariges Mädchen, welches sich durch die herumstehenden schlich.
Beim Näherkommen erkannte ich sie: Es war Lilian Lancester. Meine Komplizen bei all meinen Schandtaten. Unglaublich, ich hatte sie seit Jahren nicht mehr gesehen. Freudestrahlend lief ich um den Karren herum und fiel in ihre Arme.
Eigentlich musste ich mir eingestehen, dass ich früher solche Neigung, welche beinhaltete Freunde und Familie zu umarmen oder sonst nahe zu sein, nicht vertreten hatte. Jedoch hatte meine Beziehung zu Jason meine Einstellung ein wenig verändert.
"Lilian, schön dich wohlauf zu sehen",meinte ich erleichtert und musterte sie von Kopf bis Fuß. Sie trug ein ordentliches, hellblaues Kleid mit einer weißen Schürze, hatte ihr Haar zusammengesteckt und ein weißes Band darin verflochten.
Sie sah aus wie eine Magd. Dann hatte sie also etwas Anständiges aus sich gemacht, ganz im Gegensatz zu mir. Ich wohnte noch immer Zuhause und wusste nicht, wie die Zukunft aussehen würde. Kein Verehrer, der für eine Heirat infrage kommen würde und auch keine Aussicht auf eine gute Berufung.
"Wo kommst du her?", fragte ich neugierig und warf erneut ein Blick auf das Kleid, das sie trug.
Etwas verlegen senkte Lilian den Blick und murmelte:"Vom Schloss" Meine Augen wurden groß, ehe sie fortfuhr:" Der Lieferjunge ist heute morgen nicht erschienen, deswegen haben sie mich und ein paar andere Bedienstete losgeschickt, um für das Fest einzukaufen"
"Du arbeitest im Schloss?", rutschte es mir entsetzt heraus. Sie sah auf und blickte mir beschämt entgegen. Damals waren wir nämlich nicht nur Komplinzen, sondern auch immer derselben Ansicht, dass die Königsfamilie nicht dem Wohl des Volkes diente - unserem Wohl.
Aber um zu überleben mussten wir Opfer bringen.
"Ein Fest?", fragte ich stattdessen neugierig. Ein Fest im Königshaus, ging es mir durch den Kopf, war der König nicht gerade erst beerdigt?
"Der Prinz wird gekrönt und läd dazu sogar einige Familien aus den Dörfern ein. In der Küche wird gemunkelt, dass er seine Auserwählte sucht", sagte sie mit einem verschwörerischen Ton in der Stimme. "Vielleicht bin ich es ja", fügte sie zwinkernd hinzu.
Widerwillig musste ich grinsen, denn sie war einfach unverbesserlich und dafür liebte ich sie. "Du liest zu viele Märchen", erwiderte ich kopfschüttelnd. Wir lachten. Als die Turmuhr zu läuten begann, verfiel Lilian plötzlich in Eile und verabschiedete sich von mir.
Als ich am späten Nachmittag nur noch mit den aller letzten Resten der Ernte nach Hause kam, klopfte Vater mir auf die Schulter und schien es nicht bereut zu haben, dass er mich losgeschickt hatte.
Die Männer hatten heute ebenfalls ihr Ziel erreicht und würden später noch ein Bier in der Kneipe trinken gehen, so berichtete Vater uns fröhlich. Seit der Prinz dem Volk Unterstützung zugesagt hatte, lief unser Leben wieder besser. Bald würden wir eine Holzlieferung bekommen, mit der wir unseren Stall neu errichten konnten. Zudem wurden uns mehr Nahrungsmittel zugesagt und Vater könne vielleicht doch noch unser Land verpachten, wenn auch nicht an den König.
"Die Mädchen und ich haben auch noch was Schönes vor", entgegnete Mutter mit einem strahlenden Lächeln auf den Lippen und ich verstand nicht ganz recht. Olivia neben mir, schien es ähnlich zu ergehen, denn sie sah Mutter nur fragend an.
Sie lachte. "Ihr müsstet eure Gesichter sehen. Oh Lucas, schau dir die Zwei an!" Vater drehte sich zu uns herum und lachte nun ebenfalls.
Seit wann waren denn alle auf einmal so fröhlich? Müssten wir nicht eigentlich hier sitzen und Trübsal blasen? Zwar wurde uns das Versprechen gegeben, uns zu unterstützen, aber wer wusste schon den genauen Zeitpunkt, wann die Hilfe eintraf. Es konnte Morgen schon soweit sein, aber auch erst in zwei Wochen. Bis dahin sollten wir sparsam sein.
"Mutter, was meinst du damit?", erklang Olivias Stimme neugierig.
Vater strich Mutter liebevoll über die Schulter und drückte glücklich ihre Hand. Das musste ein Traum sein. Sonst herrschte doch nie so eine heitere Stimmung im Hause Mightway - zumindest seit einer Weile.
"Es kam ein Brief", begann Mutter, mich und meine Schwester aufzuklären. "Genau genommen war es eine Einladung", setzte Vater hinzu und schlüpfte in seinen Mantel. "Was für eine Einladung?" Meine Verwirrung war kaum zu überhören. Ich verstand einfach nicht, warum sie so etwas so Großes daraus machten. Da musste mehr im Busch sein.
"Vom Prinz höchstpersönlich. Er lädt zu seiner Krönung ein."
Die Nachricht schockierte mich, die Luft blieb mir weg und es begann sich alles zu drehen, während Olivia drauflos plapperte, um mehr in Erfahrung zu bringen.
Eine Einladung. Vom Thronerben. Von Matthew. Zu seiner Krönung.
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