Kapitel 78.
Nur Gold ist wichtig, der Rest kann in die Wüste gehen und Verrecken
,,Das brauch' ich mit Sicherheit.", ertönte auch schon die Stimme des genannten grauhaarigen Zwerges, der nun hinter seinen kleinen, Braunhaarigen Bruder erschien und sich wie eine Wand neben ihm auf baute, die Arme vor der Brust verschränkt.
,,So sollte es nicht gemacht werden, oder?", wisperte Bofur leise in Noris Richtung, der ihm daraufhin nur ein Kopfschütteln zukommen ließ.
„Denkst du das, ja, Bofur?"
Die folgenden Geschehnisse beobachtete das Kelpie mit einer scharfen – für ein einfaches Tier viel zu Intelligenten – Aufmerksamkeit. Eine Aufmerksamkeit wie der eines Adlers, bevor sich dieser auf seine Beute, die möglicherweise ein kleines unschuldiges Kaninchen war, stürzte.
Nur hier waren es keine Kaninchen, ebenso wenig befand sich der Wasserdämon in einer jagt Position, noch lauerte er auf irgendwas, denn er war einfach nur neugierig. Also verharrte er wie eine Marmor Statue auf der Stelle.
Manche würden es vielleicht als "merkwürdig" oder "gruselig" betitelt, aber für Mare war es nichts Ungewöhnliches – konnte nicht jeder so hyperaktiv wie ein Halbblut sein. Auch wenn das Kelpie gestehen musste, dass wenn er zwischen Mensch und Demigott wählen müsste, er möglicherweise den Halbgott nehmen würde (vorausgesetzt es war das etwas geistig zurück gebliebene Kind einer unwichtigen Gottheit. Ansonsten wählte er lieber Menschen. Weniger ärger und Erklärungen).
Aber nein. Nein, es waren Zwerge – nichts was in sein Beute Schema passte.
Zu klein, zu haarig, zu stinkend – Mare hatte ein Mal in seinem Leben damit Erfahrung gemacht. Nie wieder. Nie, nie wieder. Das hatte er mit sich selbst vereinbart.
Trotzdem waren es zwei Probleme.
Und beide vom Kelpie betitelten "Probleme" glaubten ihrem Bruder keinem einzigen seiner Worte, die aus seinem Mund kamen. Was den Dieb – natürlich – in eine höchst unangenehme Lage brachte, aus der er nicht so leicht (schön wär's) heraus kam.
Familie war für Zwerge schon immer wichtig gewesen, während es für jemanden wie Mare eine unbekannte Bedeutung hatte, denn ein Kelpie wurde für gewöhnlich von Poseidon aus den Tiefen des Meeres geschaffen. Manchmal aber gab es auch Kelpie die geboren worden. Aber für eine solche Erklärung bräuchte man "Poseidons Handbuch für die kleinen Lieblings Wassertiere auf See und in der Tiefe", das er selbst verfasste und stolz allen präsentiert hatte, die ihm auch nur über den Weg gelaufen waren.
Athene hatte nur sehr passiv aggressiv mit den Augen gerollt als er es ihr spöttisch unter die Nase gehalten hatte, während Hades doch tatsächlich eine Ausgabe davon bei sich in der Unterwelt stehen hatte – natürlich würde er es leugnen.
Hin und wieder kam es aber auch als Foltermethoden für nervige Unterwelt-Plagegeister zum Einsatz (erstaunlich wie Sadistisch Hades das mühselige Werk seines kleinen Bruders dafür nutzte). Aber man war wirklich erstaunt wie schnell die verdammten Seelen, die auf den Feldern der Bestrafung, bettelten, sobald man gerade Mal bei Kapitel zwei angekommen war.
Wie auch immer. Schaute man bei Google nach, fand man unter diesem Titel – "Poseidons Handbuch für die kleinen Lieblings Wassertiere auf See und in der Tiefe" – ein Buch, eingebunden in bläulich-grünen Samt, von einem Bestimmten Poseidon W. Sea, der einmal im Monat im New Jersey SEA LIFE Aquarium Signierstunden gab. (Es kamen nicht viele, aber der Wille zählte und den Meeresgott machte es stolz.)
(Mare fand das höchst seltsam, hinterfragte das aber lieber nicht, da Götter schon immer schnell in ihrem Ego verletzt waren, sobald man sie in Frage stellte. Es gab schließlich viele Beispiele für dumme Menschen die sie hinterfragte und hinterher waren alle ihre Kinder Tot, so wie in Niobes Fall. Er wollte sich also einfach Schwierigkeiten mit dem Meeres Gott, und zugleich Schöpfer, sparen.)
Aber jetzt gerade fragte sich der Kelpie lieber, wie genau diese Situation aus Arten konnte. Denn der grauhaarige sah alles andere als glücklich darüber aus, das Nori versucht hatte ihren kleinen Bruder ab zu wimmeln.
Da standen sie; der eine jung, dazu noch ein halbes Kind und der andere, deutlich älter Zwerg, daneben, dessen Haar bereits ergraut war. In einer drohenden Geste hatte letztere die Arme verschränkt, den Blick finster auf die drei gerichtete, von denen er sich sicher war, das sie für den Höllen Lärm verantwortlich waren.
Ori und Dori starrten von einem kaum merklich nervösen Nori zu einem Bofur, der einen Gesichtsausdruck drauf hatte, als hätte man ihm mitten beim Kekse stehlen ertappt. Sein schon leicht vor Panik aufgerissenen Augen zuckten kurz runter zu seinem rot haarigen Bruder, Bombur, der aber auch keine Anstalten machte, irgendwie das Ganze erklären zu wollen.
Vielleicht überlegte der Huttragende Zwerg auch gerade, ob er sich nicht einfach von dem Wall stürzen sollte, um der unweigerlichen Konfrontation mit den anderen beiden zu entgehen...
Das Kelpie zog es zumindest in Betracht.
Elegant hob er den Kopf und ließ seine geschwungenen Ohren in die Richtung der beiden Neuankömmlinge Wippen, bevor er eines seiner schwarzen Öhrchen in Noris Richtung drehte, als er genannten leise schnaufen hörte. Dann aber murmelte er leise vor sich hin, so dass es nur sein neben Mann und das Pferd hören konnte.
,,Geh, mach das, weshalb du hier bist."
Er ließ es sich nicht zwei Mal sagen.
Mit einem Satz sprang der Hengst die Treppe runter, rutschte manchmal ein wenig auf den schmalen Steinstufen, kam auf festen Boden und verschwand mit einem sehr unwohlen Gefühl im Magen in einen der Gänge, in der Hoffnung, den richtigen erwischt zu haben.
*****
Um Zeit machten sich weder Götter, noch Monster sorgen, Thorin aber war weder das eine, noch das andere, aber trotzdem hatte er einfach sein Gefühl dafür verloren, je länger er auf seinem Thorn saß. Er war inzwischen nur noch ein Schatten seiner selbst. Die Haut erstaunlich blass, fast schon kränklich, die Augen getrübt von der Gier und einem gierigen Glanz, während unter ihnen Schluchtentiefe violette Schatten lagen.
Sein finsterer Blick schweifte abwesend durch den Saal als wäre er weit weg mit seinen verworrenen Gedanken, bis schließlich Schritte seine Aufmerksamkeit weckten. Es war Dwalin, der über eine der Geländer losen Brücken auf den dunkelhaarigen Zwerg zu gestiefelt kam. Jeder seiner Schritte halte in wie ein Unheilbringendes Echo wieder.
,,Seit wann lassen wir unsere eigenen Leute im Stich?", fragte er ihn mit leichten Nachdruck, während er die wenigen Stufen zum Podest des Thrones hoch lief. ,,Thorin... Sie sterben dort draußen."
Vor seinem König blieb er stehen, den sonst so ernsten und nüchternen Blick getaucht in Unverständnis, Hoffnung, Trotz und Verzweiflung.
Thorin, dessen fiebrig glänzende Augen und nebligen Gedanken wieder abgedriftet waren, richteten sich auf den tätowierten Zwerg, wobei es eher so wirkte als würde er ihn nicht sehen, sondern durch ihn hindurch gucken.
,,Es gibt Hallen um Hallen unter diesem Berg.", murmelte er mehr vor sich hin, bevor seine Stimme plötzlich an Festigkeit gewann, doch noch immer schien er noch nicht ganz bei sich zu sein. ,,Orte, die wir befestigen, sichern, verstärken können. Ja!"
Der König hob ein wenig die Stimme, bis er sich Ruckartig aus seinem Steinthron erhob. Kaum merklich kam er kurz ins Taumeln, als er sich seinem Freund gegenüber stellte.
,,Ja, das ist es."
Und wieder war sein Blick wo komplett anders, ebenso seine Gedanken, die sich um die Sicherheit seines Schatzes drehten. Ruckartig schnappte sein Kopf ohne Vorwarnung wieder zu Dwalin. ,,Wir müssen das Gold tiefer unter der Erde in Sicherheit bringen.", zischte Thorin in seine Richtung, bevor er auch schon herum fuhr und er davon lief.
Ungläubig blinzelte Dwalin perplext. Seine komplette Haltung verkrampfte, als er die Worte seines Freundes und Königs verarbeitete. Er konnte es nicht fassen, aber die leise Stimme in seinem Hinterkopf, die ihn erstaunlicher Weise an Ares erinnerte, sagte klar und deutlich, dass der... Gott – oder was auch immer er jetzt sein sollte – wohl Recht hatte. Dieser Zwerg war nicht mehr der Thorin, den er kannte. Er existierte nicht mehr. Zurück war diese Version geblieben, eine verrückte Hülle voller Gier.
Ares hatte es gesagt, mehr als einmal; Thorin war wahnsinnig. Ohne Verstand oder Verständnis. Alles was ihm noch wichtig zu sein schien war das Gold.
Innerlich fluchte Dwalin. Ihm wäre es am liebsten wenn der Kriegsgott hier auftauchen würde und seinem König ungefiltert seine Meinung ins Gesicht zu schnauzen, um diesen wieder in die Wirklichkeit zu holen.
Natürlich könnte er das auch selbst machen... doch trotz allem war das immer noch sein König. Und eben jener konnte ihn schnell mal von seinem Schädel Erlösen.
,,Hast du nicht gehört?", sagte er stattdessen fassungslos, sammelte sich mühselig, und eilte ihm hinter her.
Tatsächlich blieb der Herrscher des Erebor gleich wieder stehen.
Er konnte es wenigstens mit vernunft versuchen, auch wenn er irgendwie nicht glaubte, dass das helfen würde.
,,Dain ist umstellt. Sie werden geschlachtet."
,,Viele sterben im Krieg. Ein Leben ist wertlos. Aber ein Schatz wie dieser lässt sich nicht in verlorenen Leben aufwiegen. Er ist es wert. Ist alles Blut wert, das wir vergießen.", erwiderte Thorin in dieser kratzig rauen Stimmlage, die schon viel zu lange kein Wasser mehr hatte, als er Dwalin nach einem Moment antwortete.
Fast schon konnte man glauben lauschte dem Gold, welches in diesen Hallen verweilte.
Aber vor allem stimmte es den Zwerg mit den Tattoos traurig, dass er solche Worte, die er vor allem ihm nicht zugetraut hatte, hören ließ. Denn nach dem Smaug den Einsamen Berg in Besitz genommen hatte, mussten die Zwerge umso mehr zusammen halten, und so hatte sich Thorin als eine Person bewiesen, der sein Volk und dessen Zukunft sehr wichtig war.
Jetzt schien aber nur noch das Gold zu zählen. Gold. Mehr nicht.
Es machte den etwas kleineren Zwerg traurig. Kaum merklich sackten seine sonst so straff gehaltenen Schultern herab. ,,Du sitzt hier in diesen gewaltigen Hallen und trägst auf deinem Kopf eine Krone. Doch du bist ein Geringerer, als du es je warst. Und Ares hat das wohl noch vor uns allen erkannt."
Dumm und riskant, doch gesagt war gesagt.
Zum ersten Mal seit seiner Anwesenheit schien Thorin ihn direkt in die Augen zu sehen – wenn auch immer noch so, als würde er durch ihn hindurch gucken, aber zu mindestens hielt er Augen Kontakt.
,,Sprich nicht mit mir, als wäre ich irgendein unbedeutender Zwergenfürst. Als wäre ich immer noch... Thorin Eichenschild. Und Ares, der und seine Schwester sollten sich lieber gegenseitig umbringen. Es wäre eine Erlösung für alle!" Er stieß ein krächzendes lachen aus, als würde ihn diese Tatsache tatsächlich ein klein wenig aus diesem Dämmerzustand holen. Doch genauso schnell verstummte er auch wieder. Stattdessen reagierte er plötzlich völlig gereizt, weshalb er in einem lächerlich wahnwitzigen Bogen sein Schwert aus der Scheide riss und ihn an brüllte.
,,ICH BIN DEIN KÖNIG!"
Durch den Schwung taumelte der schwarzhaarige mit Krone zur Seite, die schwere Rüstung in der Farbe von glänzendem Gold erschwerte es ihm sein Gleichgewicht zu halten – vielleicht hatte es aber auch damit zu tun, dass sich langsam sein Mangel an Nahrung bemerkbar machte.
Aber vielleicht wäre das der Perfekte Moment gewesen, an dem sich Dwalin von dem Podest in die weite Tiefe des Erebors stürzen könnte.
Er tat es nicht.
Aus mehreren Gründen, natürlich. Einer davon war, dass er einfach noch keine Lust zum Sterben hatte. Angst aber hatte er keine vor Thorin, nur Sorge um eben jenen.
Nein, Angst hatte er wirklich keine, denn er antwortete ziemlich nüchtern, aber trotzdem mit viel überzeugung und Nachdruck, auf Thorins Wutausbruch.
,,Du warst immer mein König. Und das hast du früher auch gewusst."
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