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"Vielleicht seit ihr einfach unterschiedliche Arten von Geistern. Ich habe echt keine Ahnung. Aber lass uns erst einmal eine Pause machen und nochmal durchatmen. Wir können morgen weitermachen. Es ist schon ganz schön spät geworden. Es ist schon dunkel draußen und du musst zurück in den Zirkus. Heute haben wir echt eine Menge herausgefunden, Mandrik" , versucht sie ihn zu ermutigen.

"Ich will einfach heute nicht weiter darüber nachdenken, okay?" , fragt er.

"Völlig okay" , sagt sie lächelnd.

"Soll ich dich nach Hause bringen?" , fragt sie.

"Witzig" , sagt er traurig. "Ich bin der Junge und sollte dich beschützen, wenn du nachts im Dunken nach Hause gehst. Ich will nicht, dass du da alleine rausgehst. Es gibt leider noch viel zu viele Idioten auf der Welt"

"Du bist jetzt aber sehr klischeehaft" , sagt sie.

"Bin halt auch schon sehr alt und wahrscheinlich hundert Jahre tot" , entgegnet er.

"Ich würde einfach gerne noch ein wenig hier bleiben und einfach nur neben dir liegen" , sagt er. Mist. Sie hätte am liebsten noch ein wenig ohne ihn weitergeforscht, damit sie ihm einiges ersparen kann, aber vielleicht ist es auch besser, wenn sie auch ein wenig Abstand bekommt und durchatmen kann. Die Geister sind ihr auch einfach zu gruselig, ohne Mandrik darüber zu lesen. Vor allem die Poltergeister jagen ihr große Angst ein, weshalb sie sehr froh ist, dass Mandrik heute Nacht scheinbar bei ihr bleibt. Sie legt sich ins Bett und schaut sich den Stapel der vielen Bücher aus der Biblothek an. Sie überlegt kurz, ob sie sich eines der Bücher noch als Einschlaflektüre vornehmen soll. Es könnte hilfreich sein, aber sie weiß nicht, ob sie sich jetzt so kurz vor dem Schlafen gehen noch damit beschäftigen will. Sie könnten einige wichtige Informationen enthalten, die ihr weiterhelfen könnten. An ausgedachten Geschichten muss doch auch ein Funke Wahrheit dran sein. Konnte jemand so viel Fantasie haben? Woher kommen all diese Gerüchte? Es musste einen Grund geben, eine Grundannahme, wie die Menschen auf ihre Geistergeschichten kommen. Vielleicht ist etwas davon wahr. Trotzdem entscheidet sie sich heute Abend gegen die Lektüre. Sie träumt wahrscheinlich sowieso schon von Geistern. Sie will einfach nur Mandriks Atem lauschen und dazu einschlafen. Er liegt neben ihr und hat die Augen schon geschlossen, sein Atem geht sehr lanngsam. Er scheint schon zu schlafen und sie schaut in sein schlafendes Gesicht und muss lächeln.

Am nächsten Morgen ist Mandrik verschwunden. Alana wacht allein in ihrem Bett auf und auch das ist okay, obwohl sie ein wenig enttäuscht ist. Das ist wohl der einzige Vorteil daran, ein Geist zu sein. Man kann nicht von seinen Eltern erwischt werden. Sie macht sich einen Kaffee, bevor sie sich eines der Bücher über Geister nimmt und das erste Kapitel liest, in dem noch nicht sehr viel über die Geister erzählt wird. Nach ein paar weiteren Kapiteln und zwei Kaffee, die Alana getrunken hat, taucht Mandrik aus der Wand auf.

"Hey" , sagt er lächelnd.

"Hey" , begrüßt sie ihn ebenfalls mit einem lächeln.

"Wir haben noch ein weiteres Sachbuch. Bist du bereir dafür?" , fragt sie.

"Bin mir nicht sicher, aber lass es uns angehen"

"Wir können jederzeit eine Pause einlegen, Mandrik. Wir können heute sonst auch etwas anderes machen." , schlägt sie vor.

"Nein. Ich weiß nicht, wann ich das nächste Mal verschwinde"

"Okay" , sagt sie und schlägt das Buch mit der Unterwelt auf. Die beiden saugen das ganze Wissen ein, doch das meiste bringt die beiden nicht weiter. Zwei Abschnitte finden die beiden nach einigen Stunden recherche doch noch.

"Schau Mal, würde das nicht auch auf euch passen?" , fragt Alana und liest den entsprechenden Absatz vor.

"Geschichten, Erzählungen und Legenden rund um das Thema Geister und Gespenster gibt es seit vielen Jahrtausenden in allen Kulturen überall auf der Erde. Auch heute noch berichten Menschen immer wieder, dass ihnen Geister begegnet sind oder dass sie Kontakt zu verstorbenen Personen aufnehmen konnten. Gleichzeitig gibt es Untersuchungen von Toten mit der sogenannten , bei der man den Energiekörper des Menschen sichtbar machen kann. Dadurch wird es in gewisser Weise möglich, die Seele eines Menschen zu beobachten. In den Versuchen konnte man feststellen, dass sich diese bei einem natürlich gestorbenen Menschen recht schnell entfernt. Innerhalb weniger Stunden ist daher nichts mehr erkennbar. Bei einem tragischen Unfall dauert es hingegen Tage und bei Mord oder Selbstmord sogar Wochen. All dies deutet darauf hin, dass es tatsächlich Wesen gibt, die auch ohne einen physischen Körper noch immer auf der Erde verweilen und die durchaus in der Lage sind, mit uns zu kommunizieren.

Er wird also von unseren Erinnerungen an unsere früheren Leben gereinigt. "

"Irgendwie komisch. Der Gedanke, dass ich keine Seele haben soll" , sagt er.

"Vielleicht ist die Seele bei euch ja auch noch vorhanden. Ihr seit bei unnatürlichen Ursachen ums Leben gekommen. Vielleicht sind es keine Tage, sondern Jahre, bis die Seele weggeht. Oder sie bleibt sogar bestehen und etwas anderes kommt aus dem Körper heraus" , versucht sie ihm irgendeine Erklärung zu liefern.

"Oder ich habe einfach keine Seele", erwidert er. Die Suche scheint ihn auch heute wieder mitzunehmen. Sie hätte den Rest alleine recherchieren sollen. Sie hat das Gefühl, dass er einer Depression nahe kommt, wenn er weiterhin darüber nachdenkt. Sie ist sich nicht sicher, ob Geister depressiv werden können.

"Diese Geister sind auch in der Lage, mit uns zu kommunizieren, Mandrik. So wie du!" , versucht es Alana noch einmal.

"Und ich kann mich an nichts aus meinem Leben erinnern. Das würde auch passen" , stellt er fest.

"Unterschiedlich starke Geister.

So wie es bei den Menschen auch unterschiedlich starke gibt, so gibt es auch unterschiedlich mächtige Geister. Diese können dementsprechend auch unterschiedlich stark in das Leben der Menschen eingreifen. Keiner dieser Geister, auch nicht der mächtigste, ist böse. Dennoch können sie durchaus unterschiedlich gefährlich für uns Menschen sein. Es ist wie im Tierreich. Es gibt keine bösen Tiere, aber es gibt Tiere, die für einen Menschen durchaus gefährlich werden können, wenn er nicht weiß, wie er mit ihnen umgehen kann. Auch bei uns Menschen ist es ja nichts anderes. Wenn ich aufgrund meiner Lebensthemen, meiner Gedankenausrichtung und meiner Glaubenssätze beispielsweise einen psychopathischen Killer anziehe, dann bedeutet das nicht, dass dieser Mensch böse ist. Er ist ebenso in seinen Lebensthemen verstrickt wie ich in meinen und auch er folgt nur dem Gesetz der Anziehung und des Spiegelns. Dennoch kann eine Begegnung mit ihm sehr wohl tödlich enden." , liest sie den nächsten Absatz vor.

"Vielleicht bin ich einfach nicht stark, nicht mächtig genug, um dich berühren zu können" , sagt er traurig und Alana hält das nicht länger aus.

"Okay, lass uns für heute aufhören mit der Recherche. Wir machen jetzt erst einmal etwas schönes"

"Warum?" , fragt er. Sie glaubt, dass er weiter recherchieren würde, auch wenn er dadurch in ein trauriges Loch fallen würde. Für sie.

"Weil ich nicht mehr kann ", sucht sie eine Ausrede. "Lass uns ein wenig spazieren gehen" , sagt sie. Die beiden müssten raus aus dem Zimmer. Heute ist auch sehr gutes Wetter, welches sie ausnutzen wollen. Mandrik stimmt sofort zu, weil er ihr alle Wünsche von den Augen ablesen würde. Er würde alles für sie machen, damit es Alana gut geht.

Die beiden nehmen eine Picknickdecke mit und setzten sich an den See, denn es ist wieder richtig gutes Wetter. Mandrik hat ein Kartenspiel aus dem Zirkus mitgenommen, welches sie beide berühren können. Die beiden setzten sich an den See, wo auch wieder viele andere Menschen sind, was ihn immer ein wenig versunsichert und Alana inzwischen auch, denn die Leute schauen sie seltsam an. Nun würden wahrscheinlich noch mehr Fragen aufkommen, wenn man die Karten schwebend in der Luft sieht. Sie fragt sich immer noch, ob man die Gegenstände, wie nun eben die Karten oder den Pullover, den sie anhat, sehen kann. Nachdem die beiden einige Stunden ungestört in einer der Ecken im Schatten eines Baumes entspannt haben, will Mandrik mit der Recherche weitermachen.

"Bist du sicher?" , fragt sie ihn und er nickt.

"Wollen wir nicht noch ein wenig hierbleiben? Es ist gerade so schön hier" , antworet sie daraufhin.

"Wir können doch auch hier mit der Recherche weitermachen" , erklärt er und sie gibt sich geschlagen. Sie will ihn beschützen, aber sie weiß, dass sie es nicht kann. Er will genauso, wie sie antworten. Die beiden haben noch ein anderes Heft aus der Bücherhalle mitgenommen, ein Buch über Geistermythen, die Mandrik nun vorliest. Sie haben wirklich alles mitgenommen, was ihnen in die Hände gefallen ist.


"Geister können sich auf verschiedene Arten zeigen, einschließlich auf Glaskugeln, hellen Streifen, dunklen Schatten, Nebeln und seltsamen Unschärfen. Ganzkörpererscheinungen sind möglich, aber höchst unwahrscheinlich." , liest er die erste Mythe vor.

"Sollten diese Mythen stimmen, wärst du äußerst selten" , grinst Alana. "Aber es sind eben auch nur Mythen und keine Fakten" , beendet sie den Satz.

"Kinder und Tiere sehen eher einen Geist, als ein erwachsener Mensch. Manche Kinder nehmen Geister als imaginäre Freunde wahr." , liest er den nächsten Satz vor. Wenn Alana nun gelesen hätte, hätten alle Menschen um sie herum sie gehört. Die Leute mussten wirklich nicht mitbekommen, worüber die beiden sprechen. Es hätte auch seltsam ausgesehen, wenn Alana sich selbst vorgelesen hätte.

"Gelte ich jetzt als Kind oder als erwachsene Person?" , fragt sie, denn eigentlich ist sie eine junge Heranwachsende. "Irgendwie eine coole Vorstellung, dass die imaginären Freunde in gewisser Weise doch existiert haben"

"Hattest du einen imaginären Freund?" , fragt er.

"Ich kann mich ehrlich gesagt nicht an einen erinnern" , gibt sie zu.

"Wenn eine Kerzenflamme blau brennt oder plötzlich ohne erkennbaren Luftzug erlischt, ist das ein sicheres Zeichen dafür, dass Geister in der Umgebung sind.", liest er vor. Er denkt kurz über den Satz nach, doch er kann sich nicht erinnern, jemals in der Nähe einer Kerze gewesen zu sein. Skylar hantiert immer mit Feuer, aber dies ist was anderes.

"Das könnten wir doch nachher ausprobieren" , schlägt er vor. Manche dieser Mythen müssen doch auf irgendetwas hindeuten, sie müssen doch irgendwo herkommen.

"Geister können oft hilfreich sein und sogar die Familien schützen, bei denen sie wohnen." , liest er vor und bestätigt es im nächsten Atemzug. "Das würde ich genauso unterschreiben, auch wenn ich bei keiner Familie wohne. Aber Geister beschützen die Menschen"

"Woran merkt man, dass ein Geist im Raum ist?

-Die Zimmertemperatur wechselt ganz plötzlich von warm nach kalt.

-Du hörst ein unerklärliches Knarren von deiner Treppe.

-Türen öffnen und schließen sich von selbst.

-Du hörst ein leises Flüstern, wenn niemand in der Nähe ist.

-Deine Haustiere fangen an, sich seltsam zu verhalten.

-Ein unerklärlicher, vielleicht muffiger Geruch liegt in der Luft" , liest Mandrik alle Fakten vor.

"Ich finde nicht, dass die Zimmertemperatur wechselst, wenn du bei mir bist. Und auch nicht, wenn ich bei den anderen Geistern bin. Meine Treppe hat auch noch nie geknarrt, wenn du da bist. Meine Tür schließt und öffnet sich nicht, weil du immer durch die Wand kommst. Das leise Flüstern kommt von dir" , sagt sie grinsend. "Ich habe keine Haustiere, aber es verhalten sich Tiere ja oft seltsam und bellen etwas an oder laufen verrückt durch die Wohnung oder so. Wie krass wäre es, wenn die einfach Geister sehen könnten" , erklärt sie.

"Stinke ich?" , fragt Mandrik und verzieht das Gesicht.

"Nein, du riechst gut und es liegt kein muffiger Geruch in der Luft. Ich liebe es, an deinem Pullover zu riechen, weil ich deinen Geruch so sehr mag" , gibt sie zu und bekommt rote Backen. "Du riechst nach Vanille"

"Geister können nachts auf deinem Bett sitzen, während du schläfst und dich beobachten. Du merkst es, wenn ein kalter Luftzug an deinem Gesicht vorbei fegt.", liest Mandrik den sechsten und letzten Mythos vor.

"Du sitzt oder liegst nachts neben mir im Bett, das stimmt. Aber ich habe noch nie einen kalten Luftzug gespürt" , erklärt sie und zuckt mit den Schultern. Diese Mythen haben die beiden nun nicht wirklich weitergebracht, aber sie müssen jedes bisschen Wissen aufsaugen, was sie eventuell weiterführen könnte. Die beiden bleiben noch fünf Minuten auf der Decke liegen, bevor Alana zusammenpackt und die beiden wieder zu ihr nach Hause gehen, da sie draußen schlecht in ihrem Computer recherchieren können und die restlichen Bücher auch bei ihr Zuhause liegen. Sie wollten mit dem raus gehen schließlich abschalten.

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