TOD

Meine zitternden Hände umklammern das Lenkrad, während ich planlos durch die Gegend fahre und versuche, das eben Geschehene zu verarbeiten.

Mein bester Freund und mein Schwarm.

Wie erbärmlich! Ich bin ein verfluchtes Klischee.

Ich schlage hart auf das Lenkrad und lasse einen Schrei raus.

Die Stille danach erinnert mich daran, dass ich vorher kein Wort zu Steve oder Lisa gesagt habe.

Kein Wort.

Aber was hätte ich auch sagen sollen?

Würde ich ihnen jetzt etwas zu sagen haben?

Die Wut keimt wieder auf, als ich die beiden vor meinem geistigen Auge sehe. Wie Steve Lisa küsst.

Ihre Lippen stiehlt. Das nimmt, was mir hätte gehören sollen.

Die Aufruhr und der Hass kriechen in jede Zelle meines Körpers, bis in die Fingerspitzen.

Wie konnte er mir das antun? Das ist die Frage, die mir ständig durch den Kopf geht. Warum?

Steve ist wie ein Bruder für mich, umso stärker fühle ich mich jetzt verraten.

Ich fahre blind durch die Gegend, nehme meine Umgebung kaum wahr. Aber das ist auch nicht wichtig, weil um diese Uhrzeit in unserem kleinen Dorf sowieso niemand mehr auf den Straßen ist.

Ich will auf etwas einschlagen, will meine Wut loswerden. Ich will verstehen.

In Ermangelung an Alternativen schlage ich wieder auf das Lenkrad ein.

Ich fühle mich so verletzlich, schwach. 'Wie eine Memme', höre ich Steves Stimme in meinem Kopf sagen und höre sein höhnisches Lachen.

Ohne es wirklich zu merken, drückt mein Fuß das Gaspedal tiefer. Der Wagen beschleunigt und ich habe das Gefühl, dass ich dadurch versuche zu fliehen. Vor dem, was passiert ist. Vor meinen Gedanken. Vor meiner Erinnerung.

Ich will diese Bilder nicht mehr sehen, aber trotzdem blitzen sie beständig in mir auf. Sie sind unauslöschlich in mir verankert.

Steves Arme um Lisa geschlungen. Ihr Lachen. Der leicht verträumte Blick. Der Kuss.

Plötzlich scheint sämtliche Wut aus mir zu entweichen und ich fühle mich einfach nur noch leer.

Ich möchte meinen Kopf auf das Lenkrad legen, die Augen schließen. Überrascht bemerke ich, dass meine Sicht verschwommen ist. Tränen. Ich weine. Verdammt, ich habe noch nie geweint!

Wütend blinzle ich, bekomme mich wieder unter Kontrolle. Aber ich konzentriere mich nur auf mich.

Und dann ist es plötzlich zu spät.

Ich sehe im Lichtkegel noch zwei Gesichter. Zu langsam versuche ich auf die Bremse zu treten.

Ich sehe das Entsetzen, als ihnen klar wird, was nun unweigerlich passieren wird.

Noch während ich auf die Bremse steige, spüre ich schon den harten Stoß, als mein Auto gegen den ersten Körper fährt. Er kracht auf meine Windschutzscheibe, die splittert.

Ich reiße das Lenkrad herum, verstehe nicht wirklich, was ich tue.

Auf einmal ist der Körper wieder weg und ich sehe einen Baum direkt vor mir, wie aus dem Nichts.

Der nächste Aufprall ist um einiges härter als der erste. Mein Kopf schlägt gegen das Lenkrad. Ich spüre etwas warmes über mein Gesicht laufen. Der Gurt hat mir so in den Körper geschnitten, dass es sich anfühlt, als wären sämtliche Rippen gebrochen. Mein Kopf dröhnt.

Trotzdem schaffe ich es, mich abzuschnallen. Auszusteigen. Zurück zur Straße zu torkeln.

Dort liegen Lisa und Steve.

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