Kapitel 6
Des Abends im Café Debout zu sitzen, die leckere Latte vom letzten Mal zu trinken und dabei Granny Manies berühmten Schokoladenkuchen zu essen, war ein wahrer Luxus, dass sie sich immer dann gönnten, wenn es unbedingt gebraucht wurde.
Manon stach mit der Gabel in den schokoladig aussehenden, dunkelbraunen Kuchen, der so fluffig und sündhaft gut aussah, brach einen mundgerechten Stück davon und schob ihn sich in den gierigen Mund, aus dem sofort ein verzücktes Stöhnen rauskam, kaum, dass der wunderbare Geschmack ihren Gaumen traf.
„Oh man!", seufzte Manon und schloss genießerisch die Augen. „Ist der herrlich!"
Ein breites Grinsen ihrer Freundin war die Antwort. Seitdem sie das Café betreten hatten, wirkte Ariana entspannter als die Stunden zuvor. Mit der Gabel zeigte sie auf ihre Freundin. „Ohja", stimmte sie ihr zu und ließ die Gabel im Kuchen versinken, um sich ebenfalls ein Stück zu gönnen. „Den könnte ich jeden Tag essen, aber sonst würde meine Waage mir den Hals umdrehen", kicherte sie.
Und wieder, sowie immer, wenn Ariana genau das sagte, verdrehte Manon die Augen.
„Also wirklich, Ariana, du kannst essen, was du willst und bist trotzdem schlank, was ich noch immer nicht verstehe." Es gab manchmal Tage, da verfluchte Manon Arianas guten Stoffwechsel.
Sie hätte ihn auch gerne.
„Manon", sagte Ariana warnend und schnalzte mit der Zunge. „Ich liebe es, Sport zu treiben, da ist es doch kein Wunder, dass ich nicht so schnell zunehme", deutete sie an. Hinzu kam, dass sie ansonsten gesund aß und sich nur selten von ungesunden Essen ernährte.
„Auch wieder wahr", murmelte Manon, aß noch ein wenig Kuchen und peinliches Schweigen entstand.
Sie bemerkte, dass ihre liebe Freundin wieder trübe Stimmung bekam und erinnerte sich wieder, weshalb sie eigentlich hier waren.
„Also los, erzähl schon, was war eigentlich mit dir los, dass du Hals über Kopf den Kursraum verlassen hast?"
Ein tiefes Seufzen erklang. War sie vor einer Sekunde noch besser gelaunt gewesen, so verfinstertet sich nun ihre Miene. Lustlos stocherte sie in ihrem Kuchen herum. „Es geht um zwei Männer", grummelte sie und seufzte erneut. „Juler nervt mich mit seinen ständigen Anrufen."
Genervt stöhnte die Dunkelhaarige auf und legte die Gabel auf dem Teller. „Er schon wieder. Was will er denn von dir?", fragte sie mit einem angefressenen Ton.
„Dieser Mistkerl will mich wieder daten. Und wahrscheinlich gleichzeitig noch drei andere Frauen am Start haben", murmelte Ariana und fuhr sich müde über das Gesicht. „Wenn das nur alles wäre ... aber seit einigen Tagen ... verfolgt mich dieser seltsame Mann fast schon", meinte sie und aß ihren Kuchen aus Frust.
Alarmiert sah Manon Ariana an.
„Ein Stalker?"
Hilflos zuckte die Blonde mit den Schultern. So richtig wusste sie es nicht. Immerhin hatte dieser ... Francesco es verneint. „Er ist plötzlich aufgetaucht und diese Zufallsbegegnungen sind höchst merkwürdig!", sagte sie eindringlich und verdrehte die Augen, als sie sich lautstark über ihn ausließ. Selbst die Begegnung bei Louis erzählte sie. „Er meinte, er sei Francesco Morel. Von dem habe ich aber noch nie etwas gehört! Er scheint ein elendiger Besserwisser zu sein, der sich scheinbar an Frauen ranmacht", grummelte sie und erstarrte, als ausgerechnet Francesco im Café Debout auftauchte! „Nicht schon wieder! Wenn man vom Teufel spricht!"
Zuerst glotzte Manon ihre Freundin an, die ihr etwas über einen Francesco erzählte, dessen Name ihr bekannt vorkam, dann drehte sie sich vom Platz um und wie als wäre soeben was überraschendes passiert, weiteten sich ihre Augen und wurden tellergroß.
Das sollte Francesco sein!!!
Der Wahnsinn, dachte Manon und starrte ihn weiterhin an.
Wenn sie aber nicht grad Interesse an Arthur haben würde, dann würde sie diesen Leckerbissen hier nicht von der Bettkante stoßen.
Der besagte Mann starrte die Frauen einen Moment lang an. Intensiv. Vor allem Ariana, als würde er in ihre Seele sehen wollen. Das dauerte nur wenige Sekunden, bevor er sich wohl seiner Manieren besann und sich an einem Tisch niederließ, um zu bestellen.
„Siehst du?", wisperte Ariana ihrer Freundin zu und warf Francesco einen wütenden Blick zu. „Ich sag doch, das kann kein Zufall sein!"
Zwar hörte Manon ihrer Freundin zu, aber nicht so, wie die es wollte, denn sie konnte irgendwie nicht aufhören ihn anzustarren. Aber wer konnte das schon bei einem Mann wie er?
Ariana beobachtete ihre Freundin und seufzte. „Lass dich nicht von der Erscheinung beeinflussen, Manon!", warnte sie seufzend. „Du hast Arthur. Was läuft mit ihm eigentlich?", lenkte sie die unerfreuliche Unterhaltung auf Manon um.
Hastig drehte die Freundin sich um. „Was? Achso, Arthur! Ja, also ... er hat mich nach dem Kurs gefragt, ob wir zusammen ausgehen würden am Samstag. Ich habe zugesagt."
„Wirklich?", fragte Ariana überrascht und ihre Augen begannen zu strahlen. Hastig nahm sie Manons Hand und drückte sie. „Ich freue mich so sehr für dich! Das war der blonde, gut gebaute Mann, nicht wahr?" Tatsächlich hatte sie den anderen Anwesenden ein wenig Aufmerksamkeit geschenkt, doch nicht so wie sonst auch. Daher erinnerte sich Ariana daran, wie Arthur aussah.
Als sie allerdings sah, wie Manon die ganze Zeit zu Francesco sah, schnipste sie mit dem Finger vor ihrer Nase. „Hier spielt die Musik, Manon! Vergiss den Typen, der mich scheinbar stalkt. Er ist sicherlich ein Frauenheld, der jede Frau ins Bett bringen will. Nicht mehr und nicht weniger", sagte Ariana verächtlich.
Erneut drehte sich Manon zu Ariana um und sah sie an. „Selbst wenn sie so aussehen wie solche, sie müssen nicht unbedingt einen schlechten Charakter haben, wie du immer behauptest."
Und zum dritten mal schaute sie zu Francesco rüber, der eine Tasse schwarzen Kaffee von der jungen Kellnerin bekam, der er selbstverständlich Komplimente machte wegen der reizenden Bedienung, die es ihm brachte. Kichernd verschwand sie und nahm weitere Bestellungen am benachbarten Tisch auf.
„Ich finde ihn eigentlich manierlich", fiel Manon ein Urteil.
Ihre Freundin kräuselte nur die Nase. „Weiberheld fällt mir dazu nur ein. Werfen mit Komplimenten um sich, um sich einzuschmeicheln", murmelte Ariana kopfschüttelnd und vermied es, in Francescos Richtung zu sehen. „Wenigstens war er manierlich genug, mir meine Zeichnungen zurückzugeben." Das war das Einzige, was sie nett gefunden hatte. Alles andere war ihrer Meinung nach nur Einmischen in ihre Privatsphäre.
Nun reagierte ihre Freundin endlich und wandte ihre komplette Aufmerksamkeit nun wirklich ihr zu. „Er hat dir deine Zeichnungen wieder zurückgebracht?" Ihre Überraschung deutlich rauszuhören. „Wann?"
Nachdenklich musterte Ariana Manons hübsches Gesicht. „Du hast mir vorhin nicht zugehört, oder?", fragte sie vorsichtig, da sie ihrer Freundin alles berichtet hatte. Auch die erste Begegnung und wie er sie an ihrem Apartment aufgesucht hatte. „Warst du in Gedanken bei Arthur?"
„Ähh ...", überlegte Manon. „Vorhin noch ja, aber gerade ..." Und zum geschätzt vierten mal versuchte sie, wieder zu Francesco rüber zuschauen, blickte aber blitzschnell wieder zurück, weil er den Tisch, auf dem die beiden Freundinnen saßen, beobachtete.
In Gedanken bis zehn zählend schloss Ariana ihre Augen, um nicht auszuflippen. Konnte er sie nicht einfach in Ruhe lassen? Es wurde Zeit, ihm klipp und klar zu sagen, dass er damit aufhören sollte, doch irgendwie brachte Ariana den Mut nicht auf. Ihre Kraft auf endlose Diskussionen war im Moment nicht anwesend. „Vergiss ihn. Lass uns die Latte noch trinken und dann nach Hause gehen. Ich muss morgen ein Projekt für die Firma vorbereiten."
Nickend stimmte sie Ariana zu und aß ihren Rest Kuchen auf und trank noch einen Schluck von ihrer Latte. „Soll ich dir noch ein Stück Kuchen bestellen zum Mitnehmen? Ich denke mal, nach dem ganzen Stress mit Juler und diesem Leckerli Francesco, könntest du es gebrauchen."
Manon kannte Ariana gut und glaubte, es wäre eine gute Idee, damit sie sich nach den vergangenen paar Tagen, in denen sie dem Stress ausgesetzt gewesen war, entspannen konnte.
„Gute Idee. Den vertilge ich, sobald ich Frust habe", zwinkerte Ariana ihr zu und hob die Hand, damit die Bedienung kam. „Im Übrigem zahle ich. Das habe ich dir das letzte Mal versprochen, schon vergessen?" Es kam gar nicht in Frage, dass Manon erneut bezahlte! Entweder sie teilten sich die Rechnung oder luden den anderen ein. Beim nächsten Mal war es dann der andere, der bezahlte.
„Ich hab's nicht vergessen", sagte Manon und grinste ein wenig.
Es freute sie, dass Ariana wieder besserer Stimmung war und das, obwohl Francesco noch anwesend war.
Manon bemerkte, wie Ariana ihm zu ignorieren versuchte. Schon allein, weil sie einfach ihre Ruhe haben wollte.
Als die Bedienung kam und das Stück Kuchen eingepackt auf den Tisch stellte, bezahlte Ariana, bedankte sich und versicherte, dass alles zu ihrer Zufriedenheit gewesen war. Dann stand sie auf. „Komm, Manon", meinte sie lächelnd. „Es ist spät."
„Wie recht du doch hast", stimmte Manon ihr zu und stand auf, griff nach ihrer Jacke und zog ihn an.
Nochmal guckte sie zum Tisch und stutzte.
„Ähm, Ariana!"
„Was?", fragte sie und blieb stehen.
„Er ist weg."
„Hä? Gerade eben war er doch noch da", bemerkte sie verdutzt, zuckte dann aber mit den Schultern. Wahrscheinlich war er für Königstiger. Umso besser, wenn er nicht sah, wie sie gingen.
„Stimmt", sagte die Dunkelhaarige. „Er muss das Café bereits verlassen haben."
„Oder er ist sich erleichtern. Egal, gehen wir. Morgen wird ein anstrengender Tag."
Nach einer Weile trennten sich die Wege der beiden Freundinnen. Manon musste in einen anderen Stadtteil von Marseille, weshalb sie sich an der Kreuzung, an der sie sich meist trafen oder verabschiedeten, umarmten. „Bis morgen", meinte Ariana noch lächelnd, bevor sie in eine Seitengasse bog, um schneller zuhause zu sein. Hier war es ruhig, aber auch dunkel. Angst hatte Ariana nicht, da sie hier schon so oft durchgelaufen war.
Mit ihrem Kuchen in der Hand lief sie zügig voran, blieb jedoch stehen, als sie ein Geräusch wahrnahm. Eines, das nicht hierher gehörte und sie zusammenzucken ließ.
„Verrückt, Chérie, dass wir immer dann aufeinandertreffen, wenn wir es am wenigsten erwarten", erklang eine tiefe Stimme, die ihr mehr als nur bekannt war mittlerweile. Der tiefe Bariton Francescos konnte man einfach nicht vergessen, egal wie oft und wie sehr man es auch versuchte.
Er stand im Schatten, unter einem Ahornbaum gelehnt und starrte Ariana an, seine Augen leuchteten im Schein des Mondes, die sie unaufhörlich anstarrten. Heute trug er Jeans, ein weißes Shirt und teure Schuhe. Doch keine Jacke.
"Sie schon wieder!" Genervt verdrehte Ariana die Augen und drehte sich um. Wieso lauerte er ihr auf? Das hier war gewiss kein Zufall! Vielleicht war es besser, einen anderen Weg zu nehmen. "Lassen Sie mich endlich in Ruhe, Francesco!", sagte sie, wobei sie seinen Namen extra scharf betonte.
„Wie sollte ich Sie in Ruhe lassen, wenn Sie mir halb nachlaufen?"
Francesco stieß sich vom Baum ab, beobachtete ihr Verhalten und ihre giftige Miene, als sie sich wieder zu ihm umdrehte.
„Ich laufe Ihnen gar nicht nach!", rief sie hysterisch und aufgebracht, zog sich aber vor Francesco weiterhin zurück. „Sie sind derjenige, der mir wie zufällig immer wieder über den Weg läuft!"
„Und Sie sind diejenige, der mich für den Teufel hält und behauptet, ich würde meine Manieren nur einsetzen, um Frauen klarzumachen."
Ariana schnaubte. „Was sonst soll ich von Ihnen glauben? Sie verfolgen mich, mischen sich in mein Leben ein und machen es mir nicht gerade leicht, ein anderes Bild von Ihnen zu bekommen", schoss sie zurück.
„Vielleicht es ja genau beabsichtigt", entgegnete er und kam ihr ein Stück näher, bis nur noch ein Meter Abstand zwischen ihnen herrschte. „Dass ich Sie immer wiedersehe und versuche, Ihnen näherzukommen." Und wieder rückte er ein Stück vor, während er sie weiterhin im Auge behielt. „Nur damit Sie mir endlich davonlaufen."
Schützend hielt sich die Blonde ihre Tasche vor die Brust. „Verziehen Sie sich oder ich rufe die Polizei", drohte sie ihm und ging rückwärts, bis sie beinahe über den Bordsteinrand stolperte und gegen die Wand prallte.
Dunkel kichernd sah er sie an, betrachtete ihr mutige Miene, die zu wanken begann.
„Süß, Chérie", sagte er und einen seiner Mundwinkeln hob sich. „Sie wollen die Polizei anrufen? Bitte, meinetwegen, doch Sie haben mir nur etwas mit der Drohung bestätigt."
„Und was?", wagte Ariana plötzlich unsicher zu fragen und spürte, wie ihr Herz schneller klopfte. Musste ausgerechnet dieser Mann so heiß aussehen? Es gelang ihr kaum, ihren Blick von ihm zu nehmen und das ärgerte sie.
Langsam, äußerst langsam, beugte sich Francesco zu ihr runter, bis nur noch wenige Zentimeter sie voneinander trennten und er ihr heftiges Atmen riechen konnte, das ihm leicht ins Gesicht blies.
Mhh, Schokolade!
Seine Nasenspitze streifte ihre, als er endlich weitersprach.
„Dass Ihr mich nicht ignorieren könnt."
„Was machen Sie da?", fragte Ariana schnaubend und drückte ihre Hände gegen seine Brust, um ihn von sich zu schieben.
Seine starke, warme Brust hob und senkte sich bei jedem Atemzug, den er tat und sein Atem streifte ihre Wange, wodurch eine sichtbare Gänsehaut entstand, die Francesco bemerkte.
„Ich denke, wir wissen es beide ... Ariana."
Und er kam ihr mit seinem Gesicht näher, bis es geschah.
Seine warmen Lippen, die jede Frau verführen konnten, berührten ihre und sie erstarrte. Dieser Kuss ... gehörte verboten! Noch nie war sie von jemanden geküsst worden, der sie vom ersten Moment verzauberte.
Es dauerte einige Sekunden, bis sich Ariana mit klopfenden Herzen besann und ihn grob von sich schob, um ihm eine Ohrfeige zu geben.
Trotz des harten Schlags lächelte er und sah zu ihr rüber, nachdem er sich vom Schlag erholt hatte.
„Der war spitzensahne, Chérie."
Demonstrativ wischte sich Ariana trotzig über ihre Lippen, anstatt ihm eine Ohrfeige zu verpassen, konnte das kribbelnde Gefühl dadurch jedoch nicht loswerden. Das ärgerte sie gewaltig. „Verschwinden Sie aus meinem Leben, Francesco. Ich habe kein Interesse an Männern wie Sie", rief sie wütend.
Noch eine lange, endlos lange Sekunde sah Francesco Ariana an, bevor er sich von ihr entfernte, sich von ihr abwandte und ging. Doch plötzlich hielt er mitten beim Gehen inne, drehte sich halb zu ihr um und sagte etwas, was sie mehr erschreckte, als sie zeigte. „Aber vielleicht an welche wie Juler."
Er wandte sich nun komplett ab und verschwand in der schwarzen Nacht.
Mit klopfenden Herzen sah sie ihm nach und musste sich erst einmal an die Mauer lehnen, um sich zu beruhigen. Wie konnte dieser Mistkerl es wagen, sie einfach zu küssen? Und woher wusste er das mit Juler?
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