/\ Kapitel 9/\

Verworrene Wege sind verwirrend, doch bringen sie einen manchmal auf Umwegen ans Ziel

Vorsichtig überwand sie die letzten Meter des Hangs zu Alexo, der wartend neben dem Felsen stand und ihn mit einem Wachsamen Ausdruck betrachtete, als könnte das Gestein jeden Moment zum Leben erwachen. Als könnte daraus plötzlich ein Golem werden, der ihnen beiden vielleicht helfen könnte, doch so war es nicht. Es war nur ein Stein. Und es würde auch für immer ein Stein bleiben, es seiden man verzauberte ihn.

Schließlich wandte er seinen Blick davon ab. Mit zügigen Schritten folgte er dem Trampelpfad, immer tiefer ins Tal, das sie dort erwarten würde, um den Weg durch die Sümpfe zu passieren. Jasmin seufzte leise, dabei setzte sie sich ebenfalls in Bewegung um ihm zu folgen, doch etwas -was sie aus dem Augenwinkel entdeckte- ließ sie für einen Moment inne Halten.

In feinen Linien pragte eine Art Symbol auf dem Felsen; eine Rune. Warum sie aber wusste was das war -den Grund kannte sie nicht einmal selbst, was in ihren Augen schon etwas seltsam war, jedoch nicht so seltsam wie ihre Albträume, die sie schon seid Kindertagen quälten.

Unsicher starrte sie das runde Symbol an, schien zu versuchen es zu ergründen, doch sie konnte es nicht, denn sobald sie versuchte es mit irgendwas in Verbindung zu verbringen, schien die Rune unscharf zu werden. Es war als läge das Zeichen plötzlich in mitten eines Sees und man versuchte sie durch die spiegelnden, sowie Wellen schlagende Oberfläche, zu erkennen. Unmöglich.

Ein Mensch war nicht in der Lage eine alt Magische Rune zu ergründen, es gab dabei nur wenige Ausnahmen; Jasmin war keine dieser Ausnahmen. Doch es war viel eher ihre Neugierde, als ein ernsthafter Versuch dies zu versuchen.

Unweigerlich fragte sie sich, ob der Välsig vielleicht in der Lage war sie zu Lesen. Möglich wäre es. Ihn aber jetzt zu fragen schien der blonden eher unpassend, denn, sie war sich sicher, von ihm keine Antwort zu bekommen, nicht nachdem Vorfall eben, der sie beide verstimmt hatte.

Ein schlechtes Gewissen begann sich bei ihr zu regen. Jasmin hatte Alexo vorgeworfen mit Schuld am Krieg zu sein, dabei kannte sie die genauen Umstände nicht einmal, ganz zu schweigen von seiner rolle darin. War es gerechtfertigt von ihr, das zu ihm gesagt zu haben? Sie wusste es nicht, spürte aber die Schuld umso deutlicher.

Die blonde warf einem letzten Blick auf das Symbol, bevor sie dem Braunhaarigen folgte, der jetzt einen ziemlich großen Vorsprung vorwies. Mit schnellen Schritten setzte sie ihre Füße über die alten Wurzeln, welche wie heimtückische Schlangen immer wieder aus dem weichen Waldboden ragten und den Weg beschwerlicher machten, während der wohl kaum benutzten Pfad sich vorbei an den zerklüfteten Felsen schlängelte.

Schon allein bei dem Gedanke an Schlangen, lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken. Aber im Herbst zogen sie sich zurück, denn gegen die eisige Kälte des Winters waren die geschuppten Reptilen nicht gewachsen. Allerdings gab es ein paar kleinere Ausnahmen unter ihnen -denen sie lieber nicht begegnen wollte.

Zweige knackten unter ihren dünnen Schuhsohlen, zerbrachen unter ihrem Gewicht so leicht wie die Blütenblätter einer Seathúsê, dessen bläulich-gelb gesprenkelten Kelchblätter schon bei dem kleinsten Frost Gefrorenen und wie Scherben zerbrachen, sobald man sie berührte.

Der schmale Pfad, der bergab führte, wurde schwieriger zu beschreiten. Er war steinig, links ging es steil bergab, unebene Felsen ragten immer wieder aus der Erde, bildeten scharfkantige Klippen, fast so wie der steile hang auf ihrer rechten, der genauso steil bergauf führte. Ihr Zeitgefühl hatte sie schon länger verloren, sie konnte weder sagen ob nun Vormittag oder Nachmittag war.

,,Wann sind wir da?"

Gelangweilt segelten ein paar bunte Blätter gegen Boden, als der wispernde Wind rauschend hindurch fuhr.

,,Ist nicht mehr weit.", kam die knappe Antwort. Ein schnaufen entwich der blonden, auf der Zunge eine Spitze Erwiderung, doch Alexo warf einen kurzen Blick über seine Schulter und sah sie scharf an, weshalb sie lieber schwieg. Sie hatte den Bogen schon zu sehr überspannt.

Erneut verfielen die beiden in ein bedrückendes schweigen, bis es von einem leisen knurren unterbrochen wurde, mit dem sich ihr Bauch bemerkbar machte, welcher sich schmerzhaft vor Hunger verkrampfte. Konzentriert richtete sie ihren Blick auf den Pfad zu ihren Füßen. Dennoch spürte sie den stechenden Blick aus grauen Augen, der Tiefe Narben in ihrer Haut zu hinterlassen schien, die niemals Verschwinden würden. Es ließ sie unangenehm Schaudern.

Ein leidendes seufzen kam von ihm. ,,Wir machen Rast. Sonst kann ich mir dein Gejammer noch Stunden anhören." Ohne nach ein Wort der Erklärung, steuerte er leicht vom Weg weg, zu einer der felsigen Klippen, die sich kaum einen Meter weg befand.

Zögerlich folgte sie ihm. Ungewollt rutschte sie ein paar Mal auf dem losen Boden, bis sie den von Moos überzogenen Stein erreichte und festen Boden unter den Füßen hatte. Schweigend beobachtete Jasmin, wie er sich einfach auf den unebenen, felsigen Untergrund fallen ließ.

,,Komm schon, wir haben nicht ewig Zeit, außerdem hast du vorhin die ganze Zeit um eine Rast gebeten. Jetzt machen wir Rast."

Die blonde spürte wie ärger in ihr Aufstieg, biss sich aber auf die Zunge, damit nicht eine unfreundliche Antwort Alexo umstimmen könnte. Möglich wäre es nämlich. Und sie würde es ihm auch zutrauen.

Schweigend verzog sie ihr Gesicht und ließ sich auf den Kühlen Boden fallen, weshalb ihre Muskeln schmerzhaft protestierten.

,,Man gewöhnt sich irgendwann daran.", kam es plötzlich knapp von ihm, den konzentrierten Blick auf die Tasche in seinem Schoß gerichtet, bis er einen schon ziemlich zerrupft aussehendes etwas aus der Tasche zog, was er mit einem dunklen Tuch um wickelt zu hatte. Jetzt aber wickelte er es ab. Es war halb rund, so groß wie seine Handfläche, gräulich und leicht an den Seiten eingedellt.

Man könnte fast meinen, ein kleines Kind hätte seinen Zorn an dem... Ding ausgelassen. Ungläubig war Jasmins Blick darauf gerichtet.

Was ist das?

Skepsis nistete sich wie stechenden Wespen bei ihr ein.

Als hätte der Braunhaarige ihre Frage gehört -vielleicht lag es auch an ihrem Blick- sah er sie für einen Moment belustigt an, doch sie könnte es sich auch nur eingebildet haben, den kaum eine Sekunden Bruchteil später, hatte er wieder den Kalten, harten Ausdruck im Gesicht. Erneut wandte er sich der Tasche zu, in der einen Hand immer noch das zerrupften etwas.

Aufmerksam betrachtete sie ihn. Seine Bewegungen waren geschmeidig, ohne das er es zu versuchen schien, es wirkte...natürlich. Keineswegs gezwungen, so wie sie es oft bei adeligen Familien gesehen hatte, die durch die Stadt stolziert waren, um allen zu präsentieren, das sie über ihnen standen.

Jasmin musste gestehen, das sie diesen Leuten manchmal die Kehfüh -ein schreckliches Fieber mit juckenden Ausschlag, dessen Nachfolgen noch Jahre danach vom betroffenen zu spüren waren- an den Hals gewünscht hatte, wenn die Tage Mal wieder schlechter waren, doch dann rief sie sich immer das Bild der freundlichen Dame ins Gedächtnis, die so Warmherzig war, um sie bei sich aufzunehmen; ein armes verwaistes Junges Mädchen, das keine Vergangenheit, und Zukunft hatte. Doch Aylona hatte ihr ein Dach überm Kopf geboten, ihr sogar gezeigt, dass nicht alle Menschen schlecht waren.

Und immer nach diesen Schlechten Gedanken, da meldete sich ein schlechtes Gewissen, und ihr Seelensplitter -die stimme der Vernunft, die so gut wie ein jeder besaß- sich zu Wort.

Ohne es zu merken, wanderten ihre Augen zu dem Gesicht ihres Begleiters, das gar nicht mal so unansehnlich war, wie sie leider feststellte.

Das Blut muss er noch gestern Abend abgewaschen haben, stellte sie überrascht fest, denn bis jetzt war ihr das nicht aufgefallen -dabei war es kaum zu übersehen gewesen.

Jedoch vielen ihr noch mehr Kleinigkeiten auf, die ihr vorher nicht wirklich aufgefallen waren; wie der viel zu harte Zug um seine Wundwinkel herum, die leicht zuckende, angespannte Kiefermuskulatur, das permanente zusammen kneifen seiner Lippen, welche dadurch noch etwas schmaler wirkten, aber dennoch so manch junge Frauen Schwach werden ließ. Völlig unbewusst glitt ihr Blick weiter nach oben. Die blauäugige registrierte den leicht nach außen gewölbten Nasenrücken, die kalten, grauen Augen, umrahmt von langen, dunklen Wimpern, zusammengezogene Augenbrauen, in dessen Mitte eine kleine Falte entstand, gepaart mit dem leichten Runzeln seiner Stirn, das eindeutig ihr galt, wie sie in der nächsten Sekunde ertappt feststellte, da seine Augen sie fragend ansahen.

Unauffällig gemustert hatte Jasmin ihn nicht gerade, doch nun begannen ihre Wangen unangenehm zu brennen. So ruhig wie möglich wandte sie den Blick von ihm ab, richtete ihn stattdessen auf ihre schmutzigen Hände, die sie betrachtete. Erde klebte unter ihren eingerissenen Fingernägeln.

,,Das ist Bekaretd. Es schmeckt zwar nach nichts, doch es stillt den Hunger.", riss er sie aus ihren Gedanken, weshalb sie nickend weiterhin ihre schmalen Finger betrachtete. Auch jetzt meldeten sich der Seelensplitter in ihr wieder.

,,Verzeiht." Jasmin traute sich nicht den Kopf zu heben, aus Angst, diesen kalten und berechnenden Blick zu begegnen, der ihr keinen Einblick in irgendwas gab. Sie hatte manchmal das Gefühl mit einer Wand zu Reden. Weder konnte sie Einschätzen was er dachte, noch wie er wohl gerade fühlte. Es stand seine undurchdringliche Eisen Mauer dazwischen.

Alexo schien ihre leise gemurmelten Worte aber gehört zu haben. Das Gefühl, als hätte sich eine Schlinge um ihren Hals gelegt, umfing sie, die nun anfing ihr langsam die Luft zum Atmen zu nehmen. ,,E-es war nicht gerecht Euch die Vorwürfe zu machen...Herr Tolin."

Jasmin zögerte seinen Nachnamen auszusprechen, zum einen weil sie sich nichtmehr sicher war, ob sie sich richtig erinnerte, und zum anderen, weil sie noch nie jemanden mit dem Familien Namen angesprochen hatte. Sie selber hatte ja nicht mal einen Familienamen. Sie wusste ja nicht mal, ob Jasmin der Name war, den ihre Eltern ihr gegeben hatten, oder es die Aryś -die Frauen die für das Waisenhaus verantwortlich waren- waren, die ihr diesen Namen gaben.

Es schien als würde sie immer zu im Dunkeln Tappen, Jasmin kam nicht voran, egal was machte, sie drehte sich im Kreis, immer wieder und wieder.

Er sah sie ruhig an. ,,Woher der plötzliche Sinneswandel?"

Die blauäugige zuckte leicht mit den Schultern, so, als wüsste sie es nicht, doch sie kannte den Grund ihrer Entschuldigung ganz genau.

Mit einem unerwarteten Ruck riss der grauäugige plötzlich den Kopf herum, was Jasmin erschrocken zucken ließ, während seine behandschuhte Hand zum Heft des Schwertes schnellte, aber im nächsten Moment erstarrte er, als hätte er sich plötzlich in Stein verwandelt. Die Welt schien plötzlich zum Stillstand gekommen zu sein. Nichts regte sich. Alles hielt die Luft an; pflanzen, Tiere, sogar Argon selbst schien das zu tun.

Scharf atmete er ein, was bei Jasmin ein mulmiges Gefühl auslöste, und sie verunsichert zurück ließ.

Vorsichtig drehte sie ihren Kopf.

Schlagartig wurde ihr Mund trocken, wie als stände sie bei praller Sonne mitten in einem Meer aus goldenen Wüstensand, als sie das Wesen entdeckte, welches die beiden aus runden, sanftmütigen, Onyx schwarzen Augen betrachtete.

Was auch immer es war, es hatte die Größe eines mittelgroßen Ponys, dabei war der gesamte, Pferde ähnliche Körper, mit bläulichen, glänzenden Schuppen bedeckt. Vier verzweigte Hirschgeweihe aus hellem Elfenbein, die leicht zueinander gebogen waren, säumten den breiten Kopf mit den fein nach oben geschwungenen Ohren und den Kräftigen, scharfen, nadelähnlichen Reißzähnen, welche ganz vorne eher an die Hauer eines Wildschweins erinnerten, die nach oben und unten gebogen waren.

Die Füße sahen wie die eines Ochsen aus, mit dem Unterschied, dass die klauen geschwungener und deutlich schmaler waren, dazu kam die feuerrote Löwenmähne, um den Hals des Tieres, sowie der echsenartige Schweif mit den flammenartigen Stacheln.

Weiße Nebelschwaden waberten um das Mystische Wesen herum, schienen sich langsam aber stetig zurück zu ziehen.

Ihr Blick zuckte zurück zu Alexo. Die grauen Augen waren vor schockt geweitet, und langsam begann sich in Jasmins Körper Panik zu regen. Doch dann viel ihr der faszinierte Ausdruck in seinem Gesicht auf. ,,Ein Qilin. Beeindruckend, ich hab noch nie eines aus der Nähe gesehen."

,,Was ist ein Qilin?", brachte sie heraus, dabei schwankte ihre Stimme gefährlich zwischen Neugier und Unsicherheit umher. Er schüttelte den Kopf, dabei betrachtete er das Wesen -das Qilin- eingehend.

Als hätte das Tier seinen Namen gehört, drehte es den breiten Kopf erst in seine Richtung, bevor es sie dann mit dem Warmen Ausdruck in aus den runden Augen betrachtete. Ihre Anspannung viel abprubt von ihr ab, als sich ihre blicke kreuzten, es war, wie als hätte ein Fluss es sanft davon gespült und über ein unebener Kiesbett davon getragen. Nur das Gefühl von Wärme und Geborgenheit durchströmte ihren Körper, weshalb eine angenehme Gänsehaut ihren Rücken hoch kroch.

Es stieß einen sanften, grummelnden laut aus, bevor es leichtfüßig davon sprang. Flink wie ein Reh Jagte es durch den Nebel den steilen Hang hoch, sprang mit eleganten, fließenden Bewegungen über jedes Hindernis, was sich in seinem Weg befand, erklimmte wie ein Widder die unebenen Felsen, dann war es auch schon außer Sichtweite. Verschwunden in den Wäldern, die verborgen im Nebel lagen.

Die Begegnung war Geisterhaft. Übernatürlich. Magisch.

,,Bei den Dämonischen Monstern! Was war das?!" Sie wusste nicht, ob sie fasziniert, oder verschreckt sein sollte. Letztlich entschied sie sich für ersteres.

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