\/ Kapitel 18/\
Zwischen Sumpf und Baum, des Kronenhaupts
--☆☆☆--
Ruckartig warf sich Alexo zur Seite.
Für einen sehr langen, grauenhaften Moment dachte Jasmin, dass der Schlangenschädel ihn erwischt und unter sich begraben hatte. Alles was sie erblickte, war das dicke Mauerwerk an Schuppen, die im fahlen Licht den unheimlichen Glanz von fallenden Himmelskristallen besaßen, ein seidiger, kalter Glanz.
Der Nebel wirbelte um den langen Körper herum, dann, unmittelbar danach, tauchte der bekannte, braune Haarschopf wieder in ihrem Sichtfeld auf.
Er schien es mit einer Rolle aus der reichweite klingen artigen Zähne geschafft zu haben. Und es glich einem Wunder der Götter.
Fast hätte sie erleichtert aufgeatmet. Fast. Noch war es nicht vorbei.
Dünne Nebelschwaden wirbelten um ihn herum als würde Alexo sie magisch anziehen. Vielleicht tat er das auch, Jasmin wusste es nicht, ihr war immer noch schleierhaft, welche Gabe der Välsig besaß. Wer wusste schon, welche macht in ihm schlummerte? Eine Macht, verliehen von der Gottheit, die seine Linie schuf.
Raschelnd und knarrend rüttelten die auffrischenden Windböen an dem Geäst. Die Temperatur sank. Jasmin zitterte. Kälte krallte sich in ihr Fleisch, hungrig wie hundert Wyvern.
Der Geruch von Blut befleckte das Moor wie teures Duftwasser. Die Schreie eine grausige Melodie.
Alexos Honigbraune Haare flogen in alle Richtungen davon. Man hörte ihn fluchen. Wüste Beschimpfungen in einer Sprache, in welcher selbst die Hohenpriester der Tempel vor schreck in Ohnmacht gefällen wären. Dann breitete sich ein viel besserer Gedanke in ihrem Kopf aus.
Kurz stellte sie sich die entsetzten Gesichter der Aryś im Waisenhaus vor - für einen Moment alle Sorgen vergessen und die Lippen verzogen zu einem schwachen lächeln voller Genugtuung. Gerne hätte sie die strengen Leiterinnen so gesehen, entsetzt über die vielen Vulgären Worte einer einzigen Person. Aber wahrscheinlich wäre aus dem kurzen Schock schnell Zorn geworden mit dem Ende von einer Menge Prügel.
Trotz allem, es schien als ständen die Götter auf Alexos Seite - weder starb er, noch tauchten plötzlich die schrecklichen Leiterinnen des Waisenhaus auf. Es hatten jedoch nur wenige Fingerbreit gefehlt, dann... Der Välsig hätte wohl nur noch als Deko durchgehen können, hätte es ihn erwischt.
Was auch immer es ist, dachte Jasmin, Alexo Tolin scheint wirklich eine "Gottheiten" auf seiner Seite zu haben , - spott schlich sich bei diesem Gedanken mit ein - die ihn schütz und sich die Mühe macht, ihn am Leben zu erhalten.
Anders konnte es sich die blauäugige einfach nicht erklären, auch wenn sie sich sicher war, das wohl keine Gottheit, sondern mehr sein Glück hinter seinem Überleben steckte.
Bevor sie aber genauer über das - und das kommende - nachdenken konnte, riss sie fast eine Böe von den Füßen. Peitschend Schnitt der scharfe Wind durch ihr Gesicht, bereits die ersten tränen in den Augen als es die kälte unangenehm in ihre Haut biss.
Die Windgeister.
Sie heulten und tobten in dem herrschenden Chaos los, als wären sie selbst die Vorreiter des End.
Der Wind tobte mit einer haltlosen Macht durch ganz Argon, fegte durch die Nebelwälder, brachte das Geäst zum ächzen, quitschen und knacken. Was auch immer den jähen Zorn der Windgeister geweckt hatte, es schien keinen natürlichen ursprung zu haben.
(Jasmin konnte nicht erahnen, dass ausgerechnet Pianlor für den erwachten Zorn der Windgeister verantwortlich war.)
Eine Böe schnitt durch ihr Gesicht. Blonde Strähnen schlugen wie Peitschen hiebe um ihr Anlitz herum. Ihn ihren Ohren rauschte die Macht der spannungsgeladenen Atmosphäre, pulsierte durch sie hindurch wie ein Herzschlag, der nicht ihr eigener war. Auf ihren Armen richteten sich die Härchen auf.
Sie stemmte sich gegen den stürmenden Wind. Jasmins Nebenmann hob schützend die Arme, das Gesicht vor entsetzten verzerrt zu einer krotesken Maske.
Der schlagende Ast einer Sumpfzypresse brach mit einem lauten knacken und wirbelte wenige Meter durch die Luft, bis er sich in einem Baum ganz in der Nähe verfing. Grünliche Nadeln wirbelten über die Lichtung des Sumpfes.
,,Was ist das?!" Ihre Stimme riss der Sturm mit sich, begraben vom Donner, der in ihren Ohren schrillte wie splitterndes Glas.
Neben ihr brüllte der schwarzhaarige eine unverständliche antwort, packte sie am Arm und stemmte sich mit ihr zusammen gegen den Orkan.
Der heftige Wind schnitt den beiden Menschen scharf über die Haut; kalt und beunruhigend, als wäre es der Zorn der Götter persönlich, der über sie herviel.
Und das Böse Omen schien noch nicht fertig zu sein.
Unbewusst hielt Jasmin die Luft an, sobald sie sie vernahm; leise und gewispert.
Stimmen.
Im Wind.
Stimmen, die über das Firmament zu Jagen schienen, voller uralter Wut, so dunkel wie das erlöschen der Sonne - das Ende der Welt. Sie flüsterten und brüllten durcheinander, sodass sie nur Zusammenhanglose Wörter verstand, die überhaupt keinen Sinn machten:
...Fluch
Schicksal!
Fünf...
Tot des-
Sehe!
Magie!
Magie!
Magie!
Magie!
Die Worte dröhnten in ihrem Schädel. Der fremde - der irgendwie keiner mehr war, weshalb sie sich dazu entschloss ihn, bis sie seinen Namen wusste, Aryes zu nennen (was in der Klarensprache so viel wie Verbündeter hieß) - keuchte schmerzerfüllt und krümmte sich. Geistesgegenwärtig packte sie einen Oberarm, für den Fall, das er Anstalten machte zu fallen - nicht das sie den schlacksigen jungen halten könnte, aber der Wille zählte.
Von dem plötzlich heftigen Umschwung der Böen erfasst, geriet der auserwählte der Götter ins Taumeln. Ihr Herz raste panisch, als Jasmin nervös beobachteten, wie Alexo desorientiert zur Seite stolperte.
Sein - durch den Schlamm verklebtes - Haar klatschte ihm in Nassfeuchten Strähnen ins Gesicht, weswegen diese braune streifen auf seinen Wangen hinterließen, die wie frische Kriegsbemalung auf seiner Haut lag.
Er richtete sich weiter auf, schmutziges Wasser lief ihm in die Augen, weshalb er die Augen verengte. Er blinzelte es einfach weg - doch für einen verhängnisvollen Moment raubte es ihm die Sicht, was dazu führte, dass Layve seine Unaufmerksamkeit strafte.
Durch Jasmins Körper Jagte ein Schauer. In der Luft lag etwas merkwürdiges, was irrationalerweise ein wenig nach Zimmt duftete, würzig und frisch wie Citrus.
Der glänzende Schwanz der riesigen Kreatur erfasste ihn und riss ihn brutal zu Boden. Aber ansonsten jedoch ignorierte ihn die Schlange, stattdessen kroch das Wesen fauchend weiter in die Richtung der Lichtungsmitte, bevor es inne hielt und die beiden Sterblichen anblickte.
Der Wind ließ genauso plötzlich nach, wie der Zorn eines Drachen kam und ging. Die Welt beruhigte sich schlagartig und Aryes und Jasmin stolperten, durch den plötzlich fehlenden Wiederstand, nach Vorne.
Ein fauchen, zischelnd wie das knistern von glühend roten Flammen, entkam der Kreatur, die den Jungen neben ihr mit gierigen Blicken gerade zu verschlang, als wäre er die nächste Person auf seiner Liste.
Dünne, blutige fäden hingen an dem Kiefer der Schlange. Glühend rot hob sich das Blut von den Schuppen ab.
Eine rosane Zunge schnellte zwischen den Spitzen Zähnen hervor, die mächtige Eichen zermalmen konnten.
Der schreck lähmte die Blonde als das Monster auf sie zu geschlängelt kam.
Sie wusste ehrlich nicht, ob sie rennen, oder ausnahmsweise einmal auf Alexo hören sollte sich nicht zu bewegen - ersteres klang verlockender. Ihr dunkelhaariger Leidensgenosse mit dem ihr verliehenen Namen, Aryes, nahm ihr letzten Endes die Entscheidung ab, indem er ihren Oberarm schon wieder packte, ihn dabei versehentlich halb zerquetschte, so aufgeregt wie er war.
Wäre sie nicht halb unter Schock, würde sie ihn womöglich anschnautzen.
Scharf atmete sie ein. Eine neue Welle Adrenalin jagte durch ihre Adern.
,,Hal tys reze' kas!" Alexos Stimme halte durch den Nebel und schnitt über die Lichtung wie ein Dolch aus Wasserstahl.
Der Mann mit dem Honigbraunen Haar hievte sich wieder auf die Beine, sein Gesicht vor schmerz zu einer grimasse verzogen - aber was auch immer er sagte, das Geschuppte-Wesen löste die silbrig-grünen Augen von dem Jungen.
Ein Krachender Donner erfüllte die Luft, lud sie auf, dass sie vor Energie nur so knisterte.
Jasmins Haare stellten sich auf.
Alexo zog sein Schwert mit einem klirren aus der Scheide.
Er erhob es zum Kampf.
Ein greller Blitz erhellte die angespannten Gesichtszüge des Välsig wie die Explosion einer Nova. Sie tauchten ihn in einen unheimlichen, weißlichen Schein, der ihn wie einen toten wirken ließ. Die Haut so bleich wie Papier und seine Gesichtszüge in Licht und Schatten scharf wie Messer.
Sein gezogenes Schwert leuchtete dagegen wie Tausend stürzende Sternschnuppen.
Jasmins Herz setzte aus, ihr Gesicht wurde, wenn es ging, noch blasser als Schnee, so dass sie einer Wasserleiche Konkurrenz machen konnte. Heftig blinzelte sie, versuchte ihr rassendes Herz zu regulieren, das mit voller Wucht gegen ihre Rippen pochte.
Vor ihren inneren Auge sah sie Alexos Gesicht, blass und leblos. Dann verschwand es. Wurde zu einem starren Gesicht. Das einer Leiche.
Und aus einer wurden viele.
Viel zu viele.
Die leblosen Körper säumten den Boden. Stapelten sich.
Plötzlich fand sie sich auf den rußigen Straßen Niwalics wieder. Straßen die einst belebt waren, jetzt aber voller Rauch. Dann wären da schreie. Panische Menschen, die sie zu erdrücken drohten.
Panisch holte sie Luft.
Ihre Lungen blieben leer.
Sie schnapte erneut nach Luft.
Nichts.
Wieder, wieder, wieder, wieder und wieder.
Die Luft erreichte nicht ihre Lungen. Ihr Blickfeld verengte sich. Schwarze Punkte tanzten vor ihren Augen wie flökchen
Jasmin taumelte zurück, fasste sich an die Kehle, versuchte zu atmen, doch sie erstickte. Rauch füllte ihre Lungen. Brennend. Kratzend. Der Tod hing in der Luft. Heftig holte wieder Luft. Der Rauch kratzte, ließ sie Würgen, die Welt verschwamm zu einer unklaren Masse.
,,-ey! Hey! Was ist los?"
Von irgendwo her kam eine dumpfe Stimme. Sie war so leise wie ein flüstern und schien von weit weg zu kommen. Zu weit, als wenn der jemand ihr helfen könnte. Sie war gefangen zwischen dunklen Rauch und leblosen Körpern.
Layve zischte schlängelnd auf sie zu. In ihren Augen sammelten sich verzweifelte Tränen.
,,Hör mir zu! Du mus-"
Erneut schnapte sie nach Luft, Atmete Rauch.
Wieder und wieder. Alles drehte sich und-
Ein brennender Schmerz entflammte auf ihrer Wange, pochte heiß über ihre Haut.
Überrascht riss sie die Augen auf, bevor sich ihre Sicht klärte wie das plötzliche abziehen von Sturmwolken. Sie starrte in blass blaue Augen.
Das schmale Gesicht von Aryes wurde rot wie ein Junge der von seiner Mutter beim Stehlen erwischt wurde.
,,Ich-ich es... Ver-verzeihung. Ich wo-wollte wirklich nicht... aber-" Er stotterte irgendwas zurecht und Jasmin brauchte einen Moment um zu begreifen das er sie geohrfeigt hatte.
Verwirrt blinzelte sie.
In ihrem Kopf herrschte Chaos.
Wildes, ungezähmtes Chaos. Laut wie eine Horde Nordmänner.
Ihr blieb jedoch keine Zeit etwas bissiges zu erwiedern, da etwas anderes, größeres, ihre Aufmerksamkeit auf sich zog.
Oh...
Ohhh. Nicht gut.
Ihr Magen schlug einen Salto, bevor er in ihre Kniekehle sackte.
Der schwarzhaarige fuhr herum. Sie sah wie das Blut aus seinem Gesicht wich.
Oh Dabje, fluchte sie vor sich hin.
Nein. Nein, nein nein nein nein-
Mit einem heftigen Ruck riss er sie zur Seite. Ihre Beine verharkten sich in einander. Aryes atmete zischend ein.
Sie fielen.
Aber nicht tief.
Die beiden stürzten ungelenk mit einem platschen in den Schlamm der Lichtung - der fremde neben ihr mit dem Gesicht in der nassen Erde des Bodens.
Ihr hingegen wurde die Luft aus den Lungen gepresst, weshalb sie überrascht ächzte. In ihrem Schädel pochte der süßliche Schmerz eines grimmigen Lachens.
Würgend und Dreckspukend hob der dunkelhaarige Ruckartig den Kopf an und wischte sich grob den Matsch aus den Augen.
Aryes Pupillen weiteten sich, als er unter seinen verklebten Wimpern hervor lugte.
Zischend, mit hervor schnellender Zunge, erhob sich der schwarze Schädel mit dem Langen Körper entgültig aus dem düster, gräulichen Gewässer des Sumpfs. Es ließ das Wasser wilde Wellen schlagen, auf dessen düsteren spitzen sich weiße Schaumkrönchen türmten, so dass es wie Schlagsahne aufschäumte.
(Schlagsahne. Eine Erfindung eines neugierigen Beckers aus Acaerith. In kürzester Zeit war er berühmt und wurde als persönlicher Bemevav - Backmeister - des Kaisers eingestellt.)
Die schmutzigen Finger des Jungen zuckten. Seine blass blauen Iriden sprühten vor Energie. Er hob im Liegen seine verdreckte Hand in Richtung des Geschuppten Körpers, eine Geste, die er schon tausende Male zu vor gemacht haben musste.
Sofort schien sich die Luft mit Vibrationen zu füllen, gleich einem flimmern, wie jenes, das erschien wenn die goldenen Sonnenstrahlen im Hochsommer auf die schwarze Dachziegel der Häuser Niwalics herab schienen - was jetzt ja nicht mehr möglich war, wie Jasmin bitter feststellte.
Eine verbrannte Stadt und ihre toten Einwohner. Wenn das nicht in ein Buch gehörte von Abenteuern und Totschlag, dann wusste sie auch nicht weiter.
Als hätten die Schicksale es gehört tat sich was in der Luft.
Sehr unruhig flackernd baute sich eine dünne, durchsichtige Wand vor ihnen, aus dem nichts heraus, auf. Ein schwaches silber-bläuliches Glühen warberte um dieses etwas herum, das sich zwischen ihnen und der Riesenschlange erhob.
Zittrig rang die Blonde nach Atem.
Ihr Magen kribbelte seltsam. Nicht wie ein normales Kribbeln, wenn man jemanden mochte, oder das Kribbeln wenn man kurz vorm Erbrechen war. Es war... anders.
Ob nun gut oder schlecht konnte sie unmöglich beurteilen.
Während der dunkelhaarige - Aryes - weiterhin seine komplette Konzentration in sein tun - Jasmin hatte keinen Schimmer was er überhaupt tat - steckte und sich eine kleine Konzentrationsfalte zwischen seinen Brauen bildete, glitt die Riesige Schlange flink an ihnen vorbei - erzeugte eine sich bewegende Wand aus schimmernden Schlangenschuppen - fast so als wäre es ihr egal das die beiden dort waren - auch wenn sie zuvor Aryes wie ihre nächste Mahlzeit angestarrt hatte.
Sie glitt weiter.
Die dichten Nebelwolken teilten sich um die riesige Gestalt. Es war wie ein Pforte die sich nur für das Wesen öffnete.
Ein grollend, lauter Donner folgte dem Blitz.
Der Junge stieß ein angestrengtes keuchen hervor. Seine Arme zitterten.
Die Pferde scheuten, ihre Flanken bedeckt von schäumenden Angstschweiß.
Knackend Bach der Ast des Baumes. Holz splitterte. Die graue Stute jagte mit wirbelnden Hufen davon. Wie ein gespenstisch weißer Vorhang aus Silber und grau flatterte ihre Mähne als sie zwischen den Bäumen des Moores verschwand.
Der Kastanienfarbene Hengst bäumte sich mit aufgerissenen Augen auf. Seine Zügel verfingen sich in einer knorrigen, herausstehenden Wurzel, die sich zu Jasmins schrecken bewegt hatte und sich nun um das Leder der Zügel schlang.
Wild vor Angst warf sich das Pferd dagegen. Panik durchtränkte seine Handlungen.
Aber...
Der Baum lebt. Die Bäume... leben. Der Wald lebt. Der Wald lebt. Der Wald lebt. Der Wald lebt. Der Wald lebt. Wald... Lebt.
Eine Lawine wilder Gedanken brach über ihren Kopf ein.
Sie wollte sich einfach nur in Luft auflösen. Weg sein. Zuhause sein - wo auch immer Zuhause war.
In panischer angst bäumte sich das braune Tier erneut auf, die Hufe wild umher wirbelnd.
Layve zischte.
Es klang fast schon spöttisch in Jasmins Ohren.
Als wenn er sich lustig macht, kam ihr in den Sinn.
Konnte sich eine Schlange spöttisch anhören?
Sie wusste es nicht. Was sie aber wusste, war das alles in ihrem innerem nach Flucht schrie.
Die Schuppen des Mächtigenkörpers stießen gegen die glühende Wand. Risse zogen sich wie knirschendes Glas über die Oberfläche. Layve schlängelte an ihnen vorbei. Das Schild begann zu flackern.
Hinter ihren Rücken erklang ein gellender Schrei.
Laut, laut, laut, laut.
Jasmin zuckte.
Er vibrirte durch ihre Knochen, glitt ihre Wirbelsäule kriechend hinab, während das Kribbeln über ihre Haut sprang wie Funken.
Es war wieder da.
Diese unbekannte Kraft, die durch sie hindurch jagte wie Blitze durch den Nachthimmel. Die Ränder ihrer Sicht wurden unscharf, das Blut rauschte wie Wasserschnellen durch ihre Adern hindurch und schien gewaltsam ihr Herz anzuspornen, welches heftig in ihrer Brust wummerte.
In ihr erwachte wieder dieser... Instinkt.
Es flutete ihre Sinne, schärfte sie wie ein Krieger sein Schwert.
Und es jagte ihr eine heiden angst ein.
Vorhin wollte sie nichts lieber als den Instinkt heraufzubeschwören, jetzt fürchtete sie sich mehr vor ihm, als dass sie ihn brauchte, denn seit sie aus dem Rausch der Macht gestürzt war, war alles was sie fühlte blankes Entsetzen.
Was diese Macht auch war, es umklammerte sie wie eine Krankheit. Allein das Gefühl des Unwohlseins blieb zurück - und von Macht. Unbesiegbarkeit.
Panik breitete sich erneut in ihrem Herzen aus.
Sie stemmte sich dagegen, versuchte dieses Kribbeln auf ihrer Haut zu vertreiben, sich zu verschließen. Jasmin wehrte sich, wollte das es dahin zurück ging, woher es gekommen war. Aber diese Macht schien das zu tun, was es wollte.
Weg. Weg. Weg! Geh weg!
Etwas schien ihre verzweifelten Versuche zu amüsieren, so wie ein Gaukler der die Leute hinterrücks während seiner Vorstellung bestahl um sich dann über die lustig zu machen.
Ihr Schädel begann schmerzhaft zu pochen; stechend und scharf.
Heftig einatmend versuchte die blauäugige den Schmerz zu verdrängen, was genauso viel gebracht hätte, wie wenn sie Alexo einen Witz über Bienchen und Blümchen erzählt hätte.
Sie fasste sich an ihren Pochenden Schädel. Ihre Hände verhedderten sich in ihrem Haar.
Alles war zwecklos.
Verloren.
So verloren.
Verbitterung breitete sich in ihrem Herzen aus.
Dann ergriff ein zittern ihre verschmierten Hände. Die junge Frau krümmte ihre von der kälte, nassen und steifen Finger, in dem verzweifelten Versuch, das schütteln zu unterdrücken.
Der weiße Nebel wurde Dichter - aber vielleicht bildete sie es sich auch nur ein.
Es überforderte sie. Alles überforderte sie. Sie wollte am liebsten weinen. Schrein so laut wie sie konnte. Rennen so weit sie konnte.
Dem entkommen was hier vor sich ging und dessen Erklärung ihr fehlte.
Oder sich in das Sumpfwasser werfen und einfach nur ertrinken, um diesen nicht endenden Albtraum zu entkommen. Sie hatte dazu ein starkes Verlangen Alexo zu schlagen (einfach nur so), den jungen an zu blaffen und sich dann zu ertränken, damit sie endlich ihre Ruhe hatte. Doch sie tat es nicht. Zum einen, weil sie nicht sterben wollte, zum anderen war sie sich sicher, das ihre Zeit noch nicht gekommen war.
Noch nicht zu mindestens.
Vielleicht aber, so dachte sie, werde ich allmählich verrückt von dem ganzen hin und her.
Vielleicht war sie es auch nur leid der gefahr ins Auge zu blicken, keine Kontrolle über ihr eigenes Leben zu haben.
Vielleicht wollte sie aber auch nicht mehr dem ganzen hier schutzlos gegenüber stehen - in ihrem Fall liegen, aber es war das selbe.
Der Wald schien neben Layve noch schneller zum Leben zu erwachen. Knarrend und ächzend bewegten sich die Bäume in einem Unsichtbaren Takt, während der Schrei eines Ejkru das Chaos durch brach.
Im nächsten Moment riss sie beide jemand auf die Beine. Starke Finger schlangen sich um ihre Arme.
Der schwarzhaarige junge verlor mit einem überraschten laut die Konzentration und die von ihm geschaffene, dünne Wand aus Silber-blau zerbarst zu Tausenden Scherben die verglühten wie herabfallende Sterne, bevor sie den Boden auch nur berühren konnten.
Erschrocken schnappte Jasmin nach Luft. Ihr Herz beschläunigte noch etwas mehr.
Bummbummbumm
bummbumm
bummbummbumm
bumbum
Während es ihre Rippen maltretierte, rauschte das Blut wie ein riesiger Wasserfall durch ihre Venen. Das Prickeln auf ihrer schmutzigen Haut schien sich zu verstärken. Für einen kurzen Moment erstarrte sie voller Panik, ehe die junge Frau reagierte.
Sie riss ihren Arm aus den festen Griff und fersenkte ihren Elbogen in der Seite ihres Angreifers.
Ein erstickter laut folgte einem knurrenden Fluch.
Erschrocken gefror sie in ihrer Bewegung ein.
,,Was zum Slik!", keuchte Alexo überrascht, während Jasmin vor Schreck die Augen Aufriss, als der Välsig sich vor krümmte. In seinem Gesicht zeichnete sich Schmerz und Überraschung ab, das ebenso die Zeichnung auf einem Kunstwerk hätte sein können, dessen Künstler einen Hang zum Sadismus hatte.
,,Du... Verzeihung.", nuschelte sie leise vor sich hin, unwissend wie sie auf diese Situation, in diesem Chaos, reagieren sollte.
,,Götter, bei dir braucht man keine Feinde fürchten.", stellte Aryes mit einem gespielt begeisterten lächeln fest, der zwischen den beiden erwachsenen hin und her sah. Bis er zumindest dem Geschrei Aufmerksamkeit schenkte und schlagartig erblasste.
Jasmin und Alexo folgten seinen Blick.
,,Ohhhh.", stieß sie langezogen hervor.
,,Zeit zu gehen."
,,Wartet! Ich muss noch wissen wo-"
,,Keine Zeit!", fauchte Alexo ihm entgegen. Seine Augen blitzten wie silberne Speere im trüben Licht der Nacht.
,,Später! Nicht jetzt!"
,,Aber-!" Da packte der Välsig den jungen aber schon am Kragen seiner schlammigen Kleidung und zerrte ihn und Jasmin mit sich.
Weg von dem Gewässer.
Weg von der Riesigen Schlange, Layve. Weg von dem grausamen Schrei.
Layve zischelte. Es klang seltsam zufrieden.
Die drei rannten über die Lichtung.
Durch den dichten Nebel erkannten sie kaum die eigene Hand vor Augen, dennoch jagten sie über diese, als wäre eine Horde Dämonen hinter ihnen her.
Jasmins Herz wummerte panisch in ihrer Brust, ihre Füße flogen über den unebenen, aufgeweichten Boden.
Ihr Sichtfeld verschwamm an den Rändern zu düsteren Schatten.
Die Dunkelheit lag bereits bleiern über dem Verédun.
Ihr einziger Leitfaden in der Finsternis war das gleißende Licht der Blitze, die das geschwärzte Himmelszelt erleuchteten wie der Segen der Götter die treuen Gläubigen der Tempel.
Ein Leuchtfeuer für verlorene.
Und sie waren verloren.
In Jasmins Ohren rauschte es. Ihre Muskeln arbeiteten mit einer ihr unbekannten Kraft, die sie bisher nur ein einziges mal wirklich gekostet hatte.
Schon nach wenigen Metern hielt sie ohne Probleme mit Alexos Flotten Tempo mit, während der schwarzhaarige mit den blass blauen Iriden eher vom Välsig hinterher gezert wurde, als das er wirklich mit hielt.
Ihre Stiefel rutschten auf der durchweichten Wiese der Lichtung. Sie strauchelten, begleitet von den Schmatzgeräuschen, die die drei Paar Schuhe von sich gaben.
Doch anstatt langsamer zu werden, behielten sie ihre halsbrecherische Geschwindigkeit bei. Gemeinsam sprinteten sie an Layves umher peitschenden Schwanz vorbei, druckten sich weg als sie weiter auf den Wald zu hetzten, der fürs erste ihre "Sichere" Zuflucht sein sollte - wobei er so Sicher war, wie ein Lebendiger Wald nur sein konnte.
Jasmins Atem überschlug sich. Ihr Herz stolperte. Im Augenwinkel blitzte etwas grell auf, begleitet von dem hellen Blitz, der über den Bewölkten Himmel schnitt.
Alexo reagierte schneller als sie. Schneller als der Aryes.
Schneller als ein normaler Mensch.
Er riss die blauäugige herum, seine schmutzigen Haare streiften ihre Stirn und hinterließen bräunlich-rote Streifen. Jasmin roch den Schweiß, den markanten Duft des Blutes und den erdigen Geruch des Drecks, der an ihm klebte wie... Naja, Dreck halt.
Sie stolperte voller überraschung gegen seine Brust, ehe sie empört zu einer Beleidigung an setzte. Bevor sie aber etwas heraus brachte, stieß Alexo sie heftig zur Seite, das es ihr kurz den Atem verschlug.
Überrascht keuchte sie auf.
Schmerz pochte in ihren Nervensträngen.
Als nächstes krachte die Blonde gegen den Jungen (dessen Namen sie immer noch nicht kannte) - welcher wiederum überrascht ächzte als sie gegeneinander prallten und Jasmins Hinterkopf schmerzhaft mit seinem Kiefer kolidierte (,,Aua! Du dämlicher Arsch von einem Välsig!" - ,,Hey! Das tat weh!").
Alexo schaffte es gerade noch rechtzeitig sein Gewicht nach hinten zu verlagern, so, dass das Silberne etwas knapp an ihm vorbei rauschte wie ein Blitz der von den Göttern herabgeschleudert wurde.
Was es auch war; es hinterließ einen blutigen Schnitt auf Höhe seines Wangenknochens.
Auf dem zerschlagenen Gesicht des Mannes zeichneten sich Schlamm- und Blutspritzer wie kleine Seen auf kantiger Landschaft ab, doch aus dem Schnitt, dort wo sich Haut und Haut, Fleisch und Fleisch trennten und Glutrote Quellen zum Vorscheinen kamen, da floss ein Rinnsal scharlachroter Bachläufe, die einen blutig roten Flussstrom Abgaben. Rot floss aus der Verletzung heraus über seine Wange. Rot.
Rot, rot, rot, rot.
Rot wie Blutstein.
Rot wie Rubine.
Rot wie die Blüten einer Feuerrose.
Rot wie die Haare einer Veela bei Sonnenuntergang.
So rot wie das Gewandt der Statue der Totengöttin Ziva die in Valeien stand; einen Kranz aus schwarzer und weißer Rosen auf dem Haupt, den eisernen Schlüssel ihres unendlichen Reiches in der linken Hand - ein davon inspiriertes Bild hing im Salon des Herrenhauses, in dem Aylona bis zu ihrem tot lebte.
Es war ein Symbol dafür, das der Tod in Wirklichkeit kein Mann, sondern eine Frau war. Eine Frau dessen Temperament lodernden Flammen glich an denen man sich leicht verbrennen konnte.
Jasmin hatte einmal gefragt, warum sie ausgerechnet ein Bildnis der Göttin des Todes dort hängen hatte.
Die grauhaarige, korpulent Frau hatte gelacht.
,,Oh, kleines liebes Schätzchen. Ich weiß das du so fest an die Götter glaubst, wie alte Klatschweiber beim Tee nur von Gebäck schwärmen und keinen Tratsch erzählen."
Aylona hatte mit dem Kopf geschüttelt.
,,Aber glaube mir, Kind, wenn die Welt ein Ende findet, die Männerfront schließlich versagt und in sich zusammenstürzt, dann ist Ziva die Totengöttin da - bereit dich vor die Wahl der Wiedergeburt zu stellen oder ein Leben bis zum End in ihren Hallen.
Und während die Männer jammern und klagen, besitzen wir Frauen die stärke weiter zu machen. Ob im tot oder im Leben."
Sie lächelte die Blondhaarige warm an, eine graue Locke wieder an ihren Platz schiebend.
,,Denn bedenke, an der Seite jedes starken Mannes, da steht eine noch stärkere Frau hinter ihnen. Und das sagt dir eine alte, verschrobene Widwe, die sieben mal verheiratet war."
Selbst Monate nach Aylonas tot, dachte sie manchmal noch an ihre ganzen Weisheiten und die Dinge, die sie ihr noch hätte mitgeben können, wäre sie nicht an Fricôrphoria erkrankt.
Bei dem Gedanken walte Trauer auf, die in der Situation nichts zu suchen hatte.
Gebannt konnte sie nur auf das rote Rinsal sehen, dass über seine Wange lief...
Rot und... Rot und... Rot...-
Alexo stieß einen Wüsten Fluch aus.
,,Verfickte scheiße!", grollte er.
Seine Hand schnellte zu seinem Schwert, aber bevor er es befreien konnte, zischte erneut ein silbernes etwas an ihm vorbei.
Ein Satz nach hinten rettete ihm sein Leben.
Dann jagte noch etwas durch die Luft. Silbern wie die blitze am Himmel.
Doch jetzt raste es direkt auf Aryes und Jasmin zu, deren Augen sich entsetzt weiteten.
Bevor die silberne Waffe sowohl die Blonde als auch den dunkelhaarigen unter die Erde bringen konnte, blieb sie vor den beiden mitten in der Luft hängen, umgeben von einem grünlichen Glühen, was an sanfte Nebelschwaden erinnerte.
Überrascht keuchte sie auf.
Die Spitze des Silberstahl-Messers war nur eine Handbreit von ihrem Gesicht entfernt - für ihren Geschmack viel zu nah, doch die Waffe rührte sich nicht, sondern hing weiterhin in der Luft ohne sich zu bewegen.
Zischend Steiß der Junge die Luft aus. Das Messer erbebte.
Seine Handfläche zeigte zum scharfen Gegenstand hin, bedeckt mit Schlamm. Er krümmte die Finger, der Dolch schwankte wie ein betrunkener, bevor er wieder still hielt. Schweiß sammelte sich auf seiner Stirn. Ein Beben ging durch seinen Körper.
Alexo riss im gleichen Moment sein Schwert aus der Scheide.
Jasmin zuckte durch das Geräusch kaum merklich zusammen, dann fasste sie sich und klaubte den Silbernen-Gegenstand einfach aus der Luft. Er drückte gegen sie, schien zu versuchen sich doch noch in ihren Schädel bohren zu wollen, aber sobald sich ihre Finger vollständig um den kühlen Griff schlossen, schien die Schwerkraft wieder ein zu setzten.
Durch ihren Arm ging ein Ruck, der Dolch leistete Wiederstand, dann- nichts.
Hinter ihr stieß der schwarzhaarige ein leises, erschöpftes seufzen aus.
,,Da sag Mal einer, Magie wäre leicht.", murrte dieser leise vor sich hin.
Er wurde ignoriert.
Durch die Nacht zuckte ein Blitz. Es donnerte laut. Regen gab es noch immer nicht.
,,Büreccer!"
Alexos Stimme donnerte wie ein Blitzschlag über die Lichtung. Unterdrückter Hass schwang mit; alt und tief. Seine Augen glühten förmlich wie verglühende Sternschnuppen, er schien am rande seiner Beherrschung zu stehen die er vorher mit einer Eisernen Maske aufrecht gehalten hatte.
Oh.
Jetzt war es vorbei, erkannte die Blonde mit dem Hauch von entsetzten.
Ihr Herz machte einen erschrockenen satzt, sie umklammerte den Dolch fester.
Neben sie trat Aryes; einen Kopf größer als sie, schlacksig und so wie er den herrannahenden Onoresh an blickte, wohl sehr ähnliche Gefühle wie Alexo hegte, wenn auch eher zögerlich.
Alexo wiederum setzte an, dem älteren Krieger entgegen zu stürmen - getrieben von tiefliegender Wut -, welcher jedoch flink für sein Alter die Richtung geändert hatte und stattdessen auf das Panische Pferd zu hielt.
Er flieht, erkannte sie.
Durch Alexo ging ein Ruck.
Dem Impuls folgend streckte sie den Arm aus. Sie bekam seinen Mantel zu fassen. Das glitschige Leder rutschte ihr fast durch die Fingern, aber irgendwie schaffte sie es den Mantel nicht zu verlieren.
Mit Mühe stemmte sie sich gegen den Braunhaarigen Mann, spürte wie er sie zwei Schritte mit zog, ehe er ihr einen Mörderischen Blick zu warf, der sie wohl auf der Stelle getötet hätte, wenn er in der Lage dazu gewesen wäre.
Stattdessen machten sie sich wieder auf den Weg in den Wald, einen letzten Blick auf den davon reitenden Ejkru werfend.
,,Ich bin übrigens Loptr. Loptr Celwydd, fals es euch interessiert."
~~~
Valeien - eine Stadt in Drendawia.
Fricôrphoria - Eine Erkrankung des Herzens, Unerforscht und hochgradig tödlich.
Ein etwas verspätetes Weihnachtsgeschenk! Aber ich hab es ENDLICH fertig, nach monatelangen umschreiben und unzufrieden sein, hab ich es geschafft!
Frohe Weihnachten!
(Und noch mehr Charakter aesthetics weil ich noch was als Entschuldigung brauche, da so lange kein Update mehr kam 😅)
Jasmin
von Niwalic
Alexo
Tolin
Loptr
Celwydd
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