Kapitel 4 // ... auch wenn wir schon das Ende vor uns sehen
Ich wuchtete meinen Koffer über das Geländer, sodass er mit einem riesigen Tumult ins Erdgeschoss fiel. Nur eine Sekunde später flog mein Mantel hinterher, den ich vergessen hatte einzupacken. Ich hatte Geschimpfe erwartet oder wenigsten einen abwertenden Kommentar, doch außer dem Krach, den ich machte, war nichts zu hören. Es war beinahe langweilig, seit der Lord so durchdrehte. Das Einzige, auf das ich mich in diesem Schloss früher verlassen konnte, war sein ewiges Genörgel an allem Möglichen und jetzt fehlte es mir ein wenig. Es war hoffnungslos, er schien nichts machen zu wollen und nur auf sein Ende zu warten. Einfach verabscheuenswert. Wegen solchen Leuten, die sich nur von ihrer Angst leiten ließen, gewannen solche wie die Ferrans immer wieder. Und dabei brachte es absolut nichts, stundenlang herumzusitzen und zu heulen.
Mit viel Schwung schlitterte ich die Treppe hinunter, was wohl nicht gerade die beste Idee war. Immerhin, ich war ziemlich schnell unten, wenn auch nicht besonders sanft gelandet. "Und? Will der Lord nicht langsam seine Koffer packen?"
Keine Reaktion. Er starrte wie immer die Wand an und zitterte, als hätte er Schüttelfrost. Und dabei waren es hier drinnen ganze drei Grad plus. "Hallo? Ist ihr Gehirn schon aus dem Oberstübchen geflossen vor lauter Weinen oder sind die Stimmbänder vom Zittern geplatzt?"
Immer noch keine Reaktion. Wenigsten der Teller war leer, da hatte ich weniger zu abwaschen. "Also, da Sie mir nicht antworten, nehme ich mal an, dass Sie das nicht können, aber äußerst gerne auf diesen kleinen Urlaub fahren würden."
"Nein", antwortete er mit zitternder Stimme, "Ich werde nicht fahren. Nie im Leben. Ich will sie nie wiedersehen."
"Prima. Dann machen Sie sich schon auf einen Besuch bereit. Mit den beiden ist nicht zu spaßen, wie Sie wissen."
"Mein Leben ist auch so schon ruiniert."
"Selbstmitleid bringt da auch nichts. Bevor Sie aufgeben, könnten Sie ihnen wenigstens einmal so richtig auf die Fresse hauen."
"Dann machen Sie das ruhig."
"Mach ich doch. Wenn Sie also gerne ganz einsam in diesem riesigen Schloss sitzen möchten, während jederzeit Mörder anklopfen könnten, machen Sie das ruhig. Oder aber Sie kommen mit und wir knallen die beiden ab oder hauen ihnen wenigstens einmal so richtig auf die Klappe. Sie haben die Wahl. Und wie Sie sagen, Ihr Leben ist sowieso schon ruiniert."
"Meinen Sie, irgendetwas an dem, was sie sagten, ist auch nur in geringster Weise plausibel? Wieso sollte ich mich noch abmühen, wenn alles sowieso bald sein Ende findet?"
"Stellen Sie sich nur einmal vor, Sie sitzen hier ganz alleine und zittern vor sich hin. Tränen laufen Ihnen über die Wangen und Sie hoffen nur noch, dass alles bald zu Ende ist. Bei jedem Windstoß, der gegen das Schloss haut, glauben Sie, dann sich die Tür öffnet und wissen, dass jeder Moment Ihr letzter sein könnte. Sie werden hier einsam und allein sterben und niemand wird um Sie weinen. Sie werden so voller unnötiger Angst sein und es gibt dann nichts mehr, das Sie tun könnten. es wird qualvoll sein, zu warten. Und Sie werden monatelang hier liegen, wenn Sie erst tot sind, ohne dass jemand Sie bemerkt. Und ..."
"Also gut. Ich komme mit. Aber hören Sie mit diesem abscheulichen Schauergeschichten auf." Besser als seine Mitleidsbekunden für ihn selbst war es allemal.
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