Kapitel 32 // ... auch wenn uns unsere Freunde nicht verstehen

"Beruhige dich, Arthur!" 

"Ich soll mich beruhigen?" Kurz lachte ich hysterisch, während mir die Tränen weiter über die Wangen rannen. "Ich werde mich nicht beruhigen! Ich bringe diese verdammten Dreckskerle um, das schwöre ich dir! Ich drehe ihnen ihre verfluchten Hälse um, bis es kracht! Sie sollen elendig verrecken! Damit kommen sie nicht davon! Niemals!" Ich explodierte förmlich vor Wut. Ich schrie jedes einzelne Wort und schlug wütend auf den Tisch vor mir. Ich wollte mich nicht beruhigen. Ich konnte nicht einmal einen klaren Gedanken fassen. Vielleicht war das alles nur ein Albtraum und ich würde gleich aufwachen. Das konnte einfach nicht wahr sein. 

"Nicht noch ein Mord, Arthur." Alberts Stimme war so ruhig wie eh und je. Für mich zu ruhig für einen so grauenhaften Moment. 

"Was willst du damit sagen?" Etwas an seiner Wortwahl passte mir ganz und gar nicht in den Kram. "Unterstellst du mir, meine eigene Frau ermordet zu haben? Meinst du das? Verdammt, ich war es nicht! Sie haben meine Claire getötet! Sie! Die Ferrans! Ich weiß es! Verflucht noch mal, sie dürfen nicht damit davonkommen! Ich will diese Drecksgestalten, diese Schuhabtreter, diese widerlichen Kakerlaken, dieser Dreck, auf den selbst Fäkalien geekelt reagieren, tot sehen! Sie dürfen nicht damit davonkommen!" 

"Fluchen wird dich auch nicht viel weiter bringen, Arthur." Detective Chief Inspector Albert Garvey lehnte sich weit im Stuhl zurück und verschränkte die Arme. Er zweifelte. Er zweifelte an meinem Wort. Er zweifelte an mir, seinem besten Freund für mehr als zwei Jahrzehnte. Wie konnte er nur? Wieso nur? Ich sagte die Wahrheit, verdammt! 

"Glaubst du mir nicht?" Meine Stimme zitterte und ich konnte die Hände nicht ruhig halten. Ich war in einem Albtraum gefangen, der jedoch vollkommen real war. Erst wurde meine Frau ermordet, dann wurde ich verhaftet und nun leugnete mein bester Freund die Wahrheit. 

"Arthur, verstehe mich bitte, ich darf dir nicht glauben. Als Polizist weißt du, dass man nur Beweisen glauben darf, und die sprechen ausnahmslos gegen dich. Als Polizist geht es nicht darum, ob du eine Person für einen Mörder halten kannst oder nicht. Es kannst nur du gewesen sein, so leid es mir tut. Du musst mich verstehen." 

"Das kann nicht wahr sein! Du bist mein bester Freund! Du weißt, dass ich es nicht war! Du kennst die Wahrheit!" 

"Arthur, solange ich deine Unschuld nicht beweisen kann, kann und darf ich dir nicht glauben. Und außerdem ..." 

"Außerdem was?" Ich drückte meine Fingernägel so fest es nur ging in den Tisch vor mir, um nicht aus Versehen Albert einen Schlag ins Gesicht zu verpassen. Ich konnte es einfach nicht fassen. Das war nicht möglich! 

"Außerdem kann ich es mir einfach nicht vorstellen, dass die beiden jemanden umbringen und dann wieder zurückkehren, um die Polizei auf dich aufmerksam zu machen. Es passt einfach nicht. Ihre wichtigsten Merkmale sind, dass sie niemals an einen Ort zurückkehren, dass sie niemals jemandem begegnen auf einem ihrer Verbrechen und dass sie niemals persönlich bei Polizisten einbrechen. Es ergibt einfach keinen Sinn, wieso sie plötzlich ihre Vorgehensweise ändern sollten, das hätte dir auch längst auffallen sollen." 

"Du glaubst mir kein Wort, nicht wahr?" Meine Stimme war brüchig und ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Natürlich, ich hätte alle Ausnahmen dieser Merkmale aufzählen können, von denen mir sicher einige eingefallen wären, hätte ich nur einen klaren Gedanken fassen können. Aber was brachte es schon? Er wollte mir nicht glauben, das wusste ich. 

"Doch, schon ..." 

"Aber?" 

"Schau mal, es gibt viele Verbrecher in Newcastle. Du weißt doch, letztens dieser Mann, der seinen besten Freund umgebracht hatte und nicht verurteilt wurde aufgrund mangelnder Beweise, wie wäre es mit dem? Sicher hat er kein Alibi und ein Motiv hat er auch. Mein Chef wäre sicher damit einverstanden. Zudem ergibt es viel mehr Sinn, wenn ein auffälliger Verbrecher demjenigen, der ihn beinahe ins Gefängnis gebracht hätte, eins auswischen will, als wenn zwei Menschen mit vielen einflussreichen Freunden ohne eine einzige Vorstrafe jemanden umbringen. Wenn überhaupt, dann könntest du ihnen nur ein paar Einbrüche nachweisen, keinen Mord und die Kriminaldirektion würde uns beide hinauswerfen. Und falls wir sie dafür verhaften lassen, und sie wirklich schuldig sein, aber freigesprochen werden ..." Albert senkte den Blick. 

"Du hast Angst." 

"Ich habe Familie. Mein Leben würde ich vielleicht in Gefahr bringen, wenn, nein, falls ich dir glauben würde, aber nicht das meiner Frau und meiner drei Kinder. Und falls sie wirklich zu so einem Mord fähig wären ... Ich darf sie nicht in Gefahr bringen. Glaube mir, ich will dir wirklich helfen, aber du hättest dich aus dieser Sache heraushalten sollen." 

"Ich hatte auch eine Frau. Ich hätte wirklich gerne einmal Kinder bekommen. Aber das ist nun vorbei. Vorbei, verstehst du? Vorbei, verdammt nochmal! Alles ist vorbei!" Ich schlug auf den Tisch und sackte dann in mir zusammen. Ich sah sie vor mir, wie sie da im Garten lag. Leblose Augen und überall Blut. Ich konnte es nicht ertragen! Ich hätte etwas tun müssen! Doch nun war es vorbei. Einfach vorbei. 

"Arthur, bitte. Ich weiß, dass es nicht einfach für dich ist, aber du musst mich auch verstehen. Ich kann nicht einfach alles aufgeben für ein paar Verbrecher. Es steht zu viel auf dem Spiel. Mein ehemaliger Inspector sitzt nach diesem Fall in der Irrenanstalt, weil sie ihn für verrückt erklärt haben. Ich habe den Fall selbst aufgegeben, weil sie mit mir dasselbe machen lassen wollten. Du bist an diesem Fall zugrunde gegangen; reicht es nicht endlich? Wenn du nicht endlich aufhörst, dann bringen sie auch dich um, verstehst du das nicht?" Er schrie förmlich und auch ihm liefen Tränen über die Wangen. Er hatte Angst. Wahnsinnige Angst. Doch mir war das egal. Er hatte viel zu verlieren, ich hatte nichts mehr. Mein Leben war vorbei, so oder so. Nichts zählte mehr. 

"Ich verstehe. Ich verstehe es gut. Nur leider werde ich nicht darauf hören. Mir ist es egal, was mit mir geschehen wird. Ich habe nichts zu verlieren. Sie werden mich nicht besiegen. Niemals." 

"Bitte. Rache bringt niemandem etwas. Diesen Kampf kannst du nicht gewinnen. Ich bitte dich. Vielleicht könnte ich deinen Namen auch aus der Verdächtigenliste streichen, wenn du dafür Newcastle verlässt. Wir suchen dir eine gute Stelle, möglichst abgeschieden von der normalen Gesellschaft." 

"Glaubst du etwa, ich finde noch einen Job? Spätestens morgen prangt mein Name im Zusammenhang mit Mordverdacht auf allen Zeitungen der Umgebung, wenn nicht sogar in ganz England. Hier werde ich natürlich auch nicht bleiben können. Mein Haus wird vermutlich bis zum undefinierbaren Ende der Ermittlungen beschlagnahmt, ich bin das Polizeiauto los und kann mein ganzes Leben ganz von Vorne anfangen, während mich alle für einen Mörder halten. Nein, das mache ich nicht mit." 

"Du hast keine Wahl. Niemand auf der gesamten Welt wird dir glauben. Du hast verloren und du musst dich damit abfinden. Es gibt kein Zurück mehr. Vielleicht können wir in zehn Jahren, wenn alles vorüber ist und die Ferrans-Brüder sich hoffentlich im Ausland lukrativeren Geschäften gewidmet haben, darüber reden und ich könnte dich wieder hier anfangen lassen, aber wer weiß. Jetzt hast du auf jeden Fall keine Chance und ich kann und will dir nicht helfen, wenn ich dafür meine Familie in Gefahr bringen muss. Es tut mir leid." Er lehnte sich wieder zurück und blickte mich erwartend an. So war Freundschaft also, man nutzte die guten Zeiten vollkommen aus und ließ den anderen dann in den schlimmsten Zeiten fallen. Und ich hatte gedacht, dass ich auf ihn zählen konnte. Ich hatte ihn für mein Idol gehalten, für einen beinahe perfekten Menschen. Er war derjenige gewesen, der mich am Anfang auf diesen Fall angesetzt hatte. Ich hatte ihm vertraut. 

"Tschüss, lebe wohl." 

"Bis bald, Arthur." 

Ich blickte ihm in die Augen. Es wirkte, als würde er bereuen, was er gesagt hatte, doch das war nicht möglich. Er änderte seine Meinung nie, er bereute nie etwas. Es war vorbei. Endgültig. Egal, was ich nun tun würde, ich musste es alleine schaffen. 

"Nicht bis bald. Wir sehen uns nie wieder. Mach aus dem Fall, was auch immer du willst. Schreib mich auch meinetwegen als schuldig auf, mir ist es egal. Mir ist alles egal. Tschüss." 

"Tschüss." 

Ich nickte ihm noch kurz zum Abschied zu, bevor ich mich erhob und aus dem Raum ging. Rache war das einzige Wort, das mein Verstand noch zu fassen bekam. Rache. Ich würde nicht aufgeben. Mich bekam man nicht klein. Ich würde kämpfen bis zum letzten Blutstropfen. Ich würde siegen. Rache. 

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