Kapitel 21 // ... auch wenn all die Lügen in Luft aufgehen

"Was sollte dann das alles? Wieso haben Sie plötzlich die Seite gewechselt? Wieso haben Sie mich nicht getötet?" 

"Was sollte Sie das angehen? Sie haben nicht immer alles zu wissen, zu bestimmen oder sonst was! Verflucht, es war einfach eine falsche Entscheidung! Es war eine falsche Entscheidung, überhaupt hierher zu kommen! Einfach alles war eine eine falsche Entscheidung!" 

Ich ließ mich auf den Boden sinken. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, geschweige denn, was ich denken sollte. Was war alles eine falsche Entscheidung? Würde alles, was noch geschehen würde, genauso falsch sein? Gab es dieses richtig und falsch überhaupt noch? Was war nur bloß aus mir geworden, dass ich an allem zweifelte? 

"Das heißt Sie haben aufgegeben." 

Ich schwieg. Beizeiten hatte ich schon aufgegeben und dennoch weitergekämpft. War es nun endgültig? Konnte ich überhaupt, so unwahrscheinlich es auch war, gewinnen? Hatte ich wirklich alles aufgegeben? 

"Ich erwarte eine Antwort", gab Lord Telleray mit weinerlich-trotziger Stimme von sich. Beinahe wie ein kleines Kind benahm er sich. Natürlich, für ihn war es auch einfach, er hatte schon vor Jahren aufgegeben. Er hatte sicher längst anerkannt, dass es sich nicht zu kämpfen lohnte. Wofür ich kämpfte, wusste ich nicht. Gerechtigkeit? Ein Mord konnte keine Gerechtigkeit sein. Rache? War es diese Rache wirklich wert, alles zu riskieren? Nein. Eine Überlebungschance? Doch wofür lohnte es sich für mich noch zu leben? Für nichts. 

"Sie haben es nicht als Frage formuliert." Ich wollte nicht antworten. Ich kannte keine Antwort. 

"Haben Sie aufgegeben?" 

"Wer weiß? Vielleicht, vielleicht auch nicht? Wofür lohnt es sich denn zu kämpfen? Ist das die Antwort, die Sie hören wollten? Ich habe keine bessere. Sagen Sie doch, wofür man nicht aufgeben sollte, wenn es etwas so Wichtiges überhaupt gibt. Ich vergaß, Sie haben doch schon aufgegeben." Ich starrte den Boden an und vergrub meine Hände in der trockenen Walderde. Ich wollte nicht mehr, ich konnte nicht mehr. Sicher hatte er auch keine Antwort. 

"Vielleicht dafür, dass sie nicht ewig davon überzeugt sind, dass jeder auf dieser Welt ihrem Wort gehorchen muss? Klingt aber auch nicht äußerst überzeugungskräftig." 

"Was sagten Sie da?" Solche geisteskranke Worte hätte ich nicht einmal ihm zugetraut. 

"Was meinen Sie?" 

"Ich meine diese 'jeder auf der Welt muss ihrem Wort gehorchen'-Zeug." 

"Ja, sie sind dieser Meinung. Weshalb fragen Sie nach?" 

"Das klingt absolut verrückt." 

"Es klingt mutig. Nur wer auch hohe Ziele hat, kann Erfolg haben. Geborenen Siegern kann nichts im Weg stehen und Verlierer sind nur dazu da, die Steine aus dem Weg zu räumen." 

"Haben Sie sich diesen unfassbaren Unsinn ausgedacht?" 

"Nein, Bill und Luis sind dieser Meinung. Haben sie es Ihnen etwa nicht erzählt?" 

Verwirrt dachte ich nach. Niemals hatten sie so etwas Verrücktes auch nur angedeutet. Eigentlich war es aber nur logisch, schließlich hatten sie von Beginn an nur Unsinn geredet. Was an ihrem Verhalten nicht hirnlos war, konnte ich nicht sagen. Jetzt verstand ich auch den ganzen Ausmaß davon, was sie von mir erwartet hatten. Ich konnte beweisen, dass sie Verbrecher waren und niemand sonst. Lord Telleray war ihr wohl bester Freund, dass sie ihm alles erzählten, weshalb er auch eine ungeheure Gefahr darstellte. Sie wollten mich gar nicht umbringen. Viel mehr schien es, als wäre ihr neuer Plan gewesen, dass ich für den Mord an Lord Telleray als schuldig erklärt werden würde. Doch wo keine Leiche, da kein Verbrechen. Jetzt galt es noch mehr, dass der Lord am Leben bleiben musste. Durch sein Wort konnte ich beweisen, was ich alles die Jahre zu beweisen versucht hatte. Vielleicht gab es doch noch einen Grund zu kämpfen. 

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