19. Besitzergreifend

»Ätzend. Einfach nur widerlich.«

Die Gruppe um mich herum lachte auf, während ich nur schnaubte.

»Ist doch so. Es ist einfach nur dumm. Wie kann man sich selbst so jemandem unterwerfen?«

»Ganz ruhig, Stegi. Manche mögen es eben.«

»Wie kann man so etwas mögen? Sich so einem Menschen auszuliefern. Das ist einfach nur ... argh.«

Mir fehlten die richtigen Worte. Nachdenklich und vollkommen verständnislos sah ich zu einer Gruppe Alpha und Omega, die ein paar Meter von uns entfernt standen. Ich kannte die meisten nur vom Sehen, sie gingen in unsere Jahrgangsstufe und ein Jahr unter uns, einer war sogar in unserer Klasse. Wofür ich dabei nur Verachtung übrig hatte war das Verhalten der drei Omega, die einfach nur wortlos neben ihren Alpha standen und sichtlich kein Mitspracherecht hatten. Ab und zu warfen sie sich gegenseitig Blicke zu, einer grinste kurz zu seinen Freunden, doch ansonsten wurden sie von den Alpha fast vollkommen ignoriert. Ach nein, nicht ganz. Gerade vergrub einer der Alpha sein Gesicht in den Haaren des Omega neben ihn, während seine Hand in dessen Hose wanderte. Erschrocken zuckte der Omega zusammen, bevor er seinem Alpha ein vorsichtiges und sichtlich ängstliches Lächeln schenkte. Die anderen Alpha schienen das ebenfalls als Anlass zu sehen, sich mit ihren Omega zu beschäftigen, der eine nahm in diesem Moment die Hände des Omegas neben ihm in seine, um sie dann unter sein Oberteil zu führen. Auf sein selbstsicheres Lächeln hätte ich am liebsten kotzen können. Genauso sehr hasste ich diesen überheblich strengen Blick des dritten Alphas, der eben seinen Omega mahnend auf die Finger schlug, als dieser an seinen Hals griff, um den ein breites Lederhalsband lag. Ja, diese Halsbänder waren das demütigendste überhaupt. Ich konnte immer noch nicht verstehen, warum der Großteil aller Omega sich freiwillig ein Halsband umlegen ließen, wie ein Hund, um sich damit als Besitz eines bestimmten Alpha zu kennzeichnen. Einfach nur lächerlich und demütigend. Aber tatsächlich schien ich einer der wenigen Omega zu sein, die das so sahen, denn man sah an dieser Schule so gut wie keinen gebundene Omega ohne Halsband. Eins stand fest: Ich würde mich niemals jemandem so ausliefern. Und schon gar keinem Alpha.

»Leute, bin ich der Einzige, der das echt mies findet, was dahinten läuft?«, unterbrach Tobi in diesem Moment meine Gedanken und nickte unauffällig wieder in die Richtung dieser Gruppe. Als ich mich wieder zu denen wandte, konnte ich sehen, wie gerade ein zweiter Alpha sich an einem der Omega zu schaffen machte, während der erste immer noch seine Hände mit denen des Omegas verschränkt unter seinem Oberteil liegen hatte. Beide Alpha hatten ein breites Grinsen im Gesicht, während der Omega sichtlich Mühe hatte, seine unwillige Miene zu verbergen, als der zweite Alpha von hinten um seine Hüfte griff und ihn an sich presste. Beide Alpha ließen ihre Gesichter langsam über Haut, Haare und Klamotten des Omega wandern und ich wusste, dass sie seinen Geruch aufsogen. Als ich zurück zu meinen Freunden sah, konnte ich wütende und traurige Gesichter erkennen. Besonders Tobi schien die Situation dort mitzunehmen, unruhig trat er von einem Bein auf das andere und ich konnte erkennen, wie verspannt sein Kiefer war.

»Das ist doch absolut unfair, was da abgeht! Das können die doch nicht machen!«, platzte er heraus, doch Mik schüttelte nur traurig den Kopf.

»Doch. können sie.«

»Sie sind Alpha. Sie dürfen alles.«, fügte ich hinzu.

»Aber ... Kann man da nichts machen? Ich meine, er fühlt sich da ganz eindeutig nicht wohl.«

Ehe ich reagieren konnte, stand Veni hinter Tobi und hatte seine Arme um ihn geschlungen.

»Ich befürchte, nein. Er ist gebunden. Damit können wir nichts tun. Und er wird gewusst haben, auf was er sich einlässt. Dass ihn zwar kein anderer Alpha ohne die Erlaubnis seines Partners mehr anfassen darf, dass er aber vollkommen seinem Alpha unterworfen ist. Er wusste das, als er sich gebunden hat und hat sich dafür entschieden. Aber das heißt, wir können nichts machen. Wir können uns nicht anmaßen, über einen gebundenen Omega bestimmen zu wollen.«

»Das ist doch unfair!«, brauste Tobi weiter auf und sah zu Veni, der seinen Kopf auf die Schulter des Kleineren gelegt hatte.

»Ich weiß nicht. Eigentlich hat es schon seinen Sinn. Ich meine, wie würde es dir denn gefallen, wenn du an einen Alpha gebunden wärest und auf einmal kommt ein anderer daher und erhebt Anspruch auf dich? Normal macht das schon Sinn. Aber man sollte halt dem Alpha vertrauen können, an den man sich bindet.«

Tobi nickte langsam und bedächtig.

»Gebunden wärest?«, wiederholte Dennis Venis Worte, so dass nur ich und Tim es hören konnten, »Sind die denn immer noch nicht zusammen?«

Ich zuckte bloß mit den Schultern und schüttelte dann den Kopf, während Tim im Flüsterton antwortete: »Nee, noch nicht. Rafi will auf den richtigen Moment warten, um Tobi zu fragen. Er hat immer noch Angst, dass er nein sagen könnte. Aber sie treffen sich heute Abend. Dann will er ihn bitten, sich an ihn zu binden.«

Ich schluckte, dachte an Tobis Eltern. Würde er ihnen davon erzählen?

Tim, der von diesem Dilemma nichts zu wissen schien, fuhr fort:

»Aber inoffiziell ... Schau sie dir an. Veni würde nicht mehr zulassen, dass irgendein anderer Tobi auch nur anschaut.«

Wir alle drei sahen zu unserem Pärchen, die immer noch aneinandergelehnt diskutierten, während Mik einfach nur neben ihnen auf einer hüfthohen Mauer saß und zuhörte.

»Rafi war schon immer ziemlich besitzergreifend. Wenn sie wirklich zusammen sind, dann wird er keinen Alpha mehr auch nur in Tobis Nähe lassen. Teilweise war er sogar bei mir misstrauisch, wenn ich mich seiner Meinung nach zu innig mit seinem Omega unterhalten habe.«, stimmte Tim mir zu.

»Er hatte schon mal einen Freund?«, hakte ich nach und Tim nickte, während er immer noch unsere besten Freunde beobachtete. Ich folgte seinem Blick und sah, dass Mik inzwischen geistesabwesend in unsere Richtung sah, ein leichtes Lächeln auf den Lippen.

»Ja. Schon zwei Mal. Und einen Beta. Aber so ernst wie bei Tobi war es ihm noch nie. Sei froh, dass du ein Omega bist. Sonst würde Rafi dich wohl nie wieder alleine mit Tobi lassen. Er kann schon ziemlich eifersüchtig sein. Aber trotzdem ist er ein super Freund. Ich hoffe, dass Tobi nicht irgendwann genervt von dieser besitzergreifenden Art ist. Es wäre schön, wenn es gut laufen würde bei ihnen. Sie hätten es verdient. Beide. Und sie sehen so glücklich aus.«

»Stimmt. Ich habe Tobi selten so ausgelassen erlebt. Zumindest nicht hier in der Schule, wo überall Alpha sind.«, stimmte Dennis zu.

»Vielleicht braucht er auch genau so etwas. Einen Alpha, der immer und überall auf ihn acht gibt. Ich weiß, dass er Angst hat vor den Alpha hier. Das würde ihm helfen.«, fuhr er fort und nach einer kurzen Pause, wie als würde er überlegen, wandte er sich an mich:

»Du auch, Stegi. Wir merken doch, was du für eine Panik hast vor Max. Auch, wenn du es nicht zeigst.«

Ich sah halb erschrocken, halb wütend zu Dennis. Woher wusste er, wie sehr ich wirklich Angst hatte vor den Übergriffen der Alpha? Ich versteckte doch alles, ließ keine Rührung nach außen dringen.

»Dennis hat recht. Aber keine Sorge. Du versteckst es gut. Ich glaube nicht, dass es irgendjemand bemerkt hat, der dich nicht so gut kennt.«

Auch Mik war inzwischen zu uns gekommen und schien den letzten Satz mitbekommen zu haben. Nun sah er etwas unentschlossen auf den Boden und ließ sich schließlich nieder, bevor er kurz an Dennis' Arm zog, damit dieser sich neben ihn setzte. Auch Tim und ich setzten uns auf das kurze Gras.

»Wo sind Rafi und Tobi hin?«, wollte Dennis wissen und Mik erklärte mit einem anzüglichen Grinsen, dass Veni Tobi schonmal zum Klassenzimmer bringen wollen hatte. Ich merkte lachend an, dass er anscheinend gar nicht daran denken wollte, dass ich zum gleichen Klassenzimmer musste. So verabschiedeten wir uns alle wieder bis nach der Schule, als es zum Pausenende gongte und ich wollte mich gerade alleine auf den Weg zum Unterricht machen, als Tim nach dem Ärmel meines mal wieder viel zu großen Pullovers griff und mich zurückhielt. Mit einem Schritt stand er neben mir, bevor er erklärte, dass er mich begleiten würde. Ich zuckte mit den Schultern und zog den linken Mundwinkel zu einem schiefen Grinsen nach oben, da ich wusste, dass mein Widerspruch eh nichts nutzen würde. Seit mehreren Tagen schien Max es noch mehr auf mich abgesehen zu haben als sonst schon, was Mik, Dennis, Tim und Veni zum Anlass genommen hatten, mich und Tobi keinen Schritt mehr unbegleitet gehen zu lassen. Und auch wenn ich jedes Mal die Augen verdrehte, war ich meinen Freunden mehr als dankbar dafür.

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An Tim:

Hast du schon Mal die Kontrolle verloren?

Noch nicht zum Glück


Wie schaffst du es, Stegis Duft zu widerstehen?

Wenn du einen Kuchen riechst, der frisch aus dem Ofen kommt. Dann findest du doch auch, dass der toll riecht, oder? Und trotzdem heißt das nicht, dass du ihn essen MUSST, auch wenn du gerne würdest und es dir vielleicht nicht leicht fällt, es nicht zu tun. Verstehst du, was ich meine?


Wie riecht Stegi?

Irgendwie süßlich frisch. Aber man kann den Duft eines Menschen nicht beschreiben.


An Stegi:

Wie riecht Tim?

Nach Regen. Und noch viel mehr aber vor allem nach Regen.


Würdest du dich auf eine Beziehung mit Tim einlassen unter dem Versprechen, dass er nichts tut was du nicht willst, damit du ab deinem 18. nicht komplett aufgeschmissen bist?

Würdest du in einer Beziehung sein, die du gar nicht willst?


An das System:

Was passiert denn, wenn ein Omega noch länger als bis zu seinem 18. Geburtstag bei seinen Eltern wohnt?

Dann greift der Staat ein.


Warum gibt es diese Regelung, dass man sich als Omega bis zu seinem 18. Geburtstag fest gebunden haben muss?

Um den Druck, sich zu binden, auf die Omega zu erhöhen.


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