7. Eine Reise, Teil I
Als sie geendet hatte, trat Schweigen ein. Das Knistern des Feuers war das Einzige, was zu hören war.
„Warum brennt die Flamme? Ich sehe kein Holz." Über ein anderes Thema zu sprechen, war für Isa besser, als die Stille zu ertragen.
Azrean runzelte die Stirn. „Du weißt, was ich bin?" Als sie ihren Kopf schüttelte, klärte er sie auf. „Das ist ewiges Feuer."
Ihre Augen wurden groß. Es hatte gedauert, aber nun fiel bei ihr der Groschen. „Du bist ein Phönix."
Er nickte. „Wird euch in deinem Tempel nicht beigebracht, die Arten zu unterscheiden?"
Durch seine Verwunderung bemerkte Isa, wie begrenzt ihr Wissen war. Wie arrogant man in ihrem Tempel war, weil man dachte, dass sie nur Geschichten brauchten. Das Wissen, das im Netz verborgen war, hatten ihre Artgenossen auf ihren Reisen erworben und nicht dadurch, im Heiligen Hain zu bleiben. „Es wird für nicht nötig erachtet."
„Das ist Grundwissen", seufzte Az. „Wie überliefert ihr eure Geschichten korrekt, wenn ihr nicht wisst, mit wem und was ihr es zu tun habt?" Niemand hatte seitdem etwas von ihm oder seinen Angehörigen gehört.
Scham wallte in ihr auf. Dann entsann sie sich, dass man sie verstoßen hatte. „Das ist nicht mehr mein Problem." Man hatte sie als Außenseiterin behandelt, weil sie Wissen gesammelt hatte. Jetzt stellte sich heraus, dass sie gut daran getan hatte.
„Was hast du nun vor?"
Seine Frage erwischte sie eiskalt. „Keine Ahnung. Ich habe nicht weiter gedacht, als einmal die Gärten zu besuchen. Ich habe nicht damit gerechnet, den heutigen Tag zu erleben." Ihr fiel wieder ein, dass sie etwas bei sich trug. „Warte." Sie ging zu ihrem Mantel und durchsuchte ihn.
Mit trüber Miene kehrte sie zurück. „Ich fürchte, dass es das Meer nicht überlebt hat." Sie reichte ihm das Schreiben. „Das ist von der Vorsteherin des Tempels. Sie meinte, wenn ich schon sterbe, kann ich mich nützlich machen und eine Nachricht zu einem der Lords bringen."
Azrean wusste, dass er Samael von den Geschehnissen im Hain berichten sollte. Vielleicht hatte sich die Krankheit ausgebreitet und die Grenzen des Hains überschritten. Damit war das eine mögliche Bedrohung für sein Land. „Du hast dich dagegen entschieden."
Isa nickte. „Ja. Ich wollte einmal etwas für mich tun."
„Jetzt bist du gesund."
Seufzend richtete sie ihren Blick aufs Feuer. Was sollte sie tun? Sie rief sich in Erinnerung, was sie durchgemacht hatte. Wollte sie ein solches Schicksal anderen zumuten, nur weil sie verstoßen worden war? Das kam ihr schrecklich selbstsüchtig vor. „Kennst du dich außerhalb dieser Inseln aus?"
Er gab einen gequälten Laut von sich. „Diese Inseln sind seit Jahren unbewohnt."
„Warum bist du dann hier?"
„Um Ruhe zu haben."
„Oh." Sie würde sich nicht dafür entschuldigen, hergekommen zu sein. Wenn sie es genau betrachtete, waren sie beide aus demselben Grund hier.
Azrean ließ seine Flamme höher lodern. „Ruh dich aus. Wenn deine Kleidung trocken ist, bringe ich dich zu einem Baum."
Isa nickte, woraufhin er der Flamme Energie entzog. Sofort eroberte das Dämmerlicht die kleine Kammer. Während sie es sich bequem machte, verließ er den Raum. Gnesh folgte ihm auf den Fersen.
Gemeinsam durchstreiften sie die Insel. In dem Tal, in dem er zusammengebrochen war, blieb er stehen. Sam hatte recht behalten. Er musste seine Trauer zulassen. Aber wie sollte er trauern, wenn auf einmal ein fast totes Mädchen vor ihm auftauchte? Wenn er damit beschäftigt war, sie am Leben zu halten? Ihre Geschichte legte nahe, dass die Krankheit bald auch das Lager bedrohen würde. Zum Trauern war keine Zeit. „Wir müssen sie zu Sam bringen."
Gnesh schnaufte zustimmend.
Isa warf sich ihren Mantel über und sah ein letztes Mal zum Eingang der Höhle zurück. Hier hatte sie die Chance auf ein neues Leben bekommen. Auch wenn er sich darüber ausschwieg, war sie sich sicher, dass Azrean ihr geholfen hatte.
„Bereit?"
Sie wandte sich ihrem Begleiter zu. Er trug nur Hose und Hemd. Die Sachen, in denen sie geschlafen hatte, waren in seiner Reisetasche verstaut. Das Biest stand neben ihm. „Ja."
„Steig auf Gnesh."
Sie erstarrte. Sie sollte sich auf die Bestie setzen? „Das ist ein Scherz."
„Mir ist nicht nach Scherzen zumute." Er deutete auf seinen Begleiter. „Steig auf. Wir sind schneller, wenn wir nicht auf dich warten müssen."
„Na hör mal, so langsam bin ich nicht."
Azrean hatte genug. Er umfasste ihre Hüften und hob sie auf Gnesh. „Festhalten."
Bevor Isa von dem Tier klettern konnte, setzte es sich in Bewegung. Mit einem erstickten Schrei krallte sie sich in das zottelige Fell. Die Landschaft raste an ihr vorbei. Sie waren so schnell, dass sie Azrean aus den Augen verlor.
Am Strand war er auf einmal wieder da. Mit zitternden Gliedern kletterte sie von Gnesh. „Bist du geflogen?" Schließlich war er ein Phönix.
Seine Antwort bestand aus einem Schnaufe n. „Ich bin kein Vogel." Als sie den Mund aufmachte, seufzte er. „Wir können nicht fliegen. Und es gibt auch keine Vogelgestalt. Wir können uns in Asche verwandeln und die Temperatur um uns herum verändern. Damit erzeugen wir Wind."
„Und der trägt dich durch die Luft?" Isas Augen wurden groß. „Das ist klasse!"
Er warf ihr einen langen Blick zu. „Du musst noch eine Menge lernen."
Nach einer kurzen Verschnaufpause überredete er Isa, sich von Gnesh auf das Festland bringen zu lassen. Da ihre Kleider sich dabei mit Wasser vollsogen, mussten sie am Ufer einen zusätzlichen Stop einlegen. Dafür wählte er ein Gasthaus, das nicht weit von ihrer Route entfernt lag.
Während Isa sich in dem angemietet Zimmer umzog, begab Az sich in den Schankraum. Gnesh hatte den Befehl, bei ihr zu bleiben. So war sie nicht ungeschützt, wenn sie in den Wald ging, um sich zu regenerieren.
Im Wirtsraum fand sich das übliche Klientel wieder. Eine Gruppe Feiernder aus der Umgebung, ein paar Kaufleute mit Wachschutz und einige Streuner. Die Wirtin nickte ihm zu, als er sich an den Tresen setzte.
„Das Mädchen, mit dem Ihr reist, war vor einigen Tagen schon einmal hier", begann sie im Plauderton.
Es war offensichtlich, dass sie nach Informationen fischte. „Habt Dank für Eure Sorge, Wirtin." Er bestellte sich etwas zu Trinken. Anschließend suchte er sich einen Platz, von dem aus er das Geschehen im Blick hatte.
Die Reisenden zogen sich früh zurück, kurz darauf gingen auch die Feiernden. Übrig blieb die Gruppe, bei der seine Alarmglocken schrillten. Für ihn stellten sie keine Gefahr dar. Dennoch ließ er sie nicht aus den Augen. Der vorsichtige, angespannte Blick, den die Wirtin ihnen zuwarf, war Grund genug.
Nach einer Weile kam Isa hinunter. Sie hatte sich seine Stiefel geborgt und so hoch geschnürt, dass sie ihr bis zu den Knien gingen. Da ihre Sachen trockneten, trug sie wieder seine Tunika. Mit einem Stoffband hatte sie sie sich so gebunden, dass es wie ein Kleid aussah. Einzig die hochgekrempelten Ärmel wiesen darauf hin, dass ihr die Kleidung nicht gehörte.
„Ich hätte Ersatzkleidung mitnehmen sollen", flüsterte sie. Dabei wanderte ihr Blick zu den anderen Gästen.
Azrean entging nicht, dass sie sich verspannte. „Geh ruhig nach draußen."
Sie warf ihm einen abschätzenden Blick zu. Er hatte den Eindruck, dass sie in diesem Moment entschied, ob sie ihm vertraute. Schließlich nickte sie und schlich gebückt zur Tür hinaus.
Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und wartete. Etwas würde geschehen, das lag in der Luft.
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Hallöchen :)
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Für die unter Euch, die Vampire mögen, es gibt ein weiteres, neues Projekt von mir. Ist zwar schon etwas älter, aber neu auf Wattpad. Schaut mal rein bei "Blaues Blut".
Liebe Grüße
Ama
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