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In einer unscheinbaren Nacht ertönten hastige Schritte. Die Schreie einer Elfe schallten durch die Gänge und obwohl die Nacht ruhig war, so war es im großen Anwesen alles andere als friedlich.
Die Hochelfe, Sidaria Duskbrook, war gerade dabei ihr erstes Kind zu gebären und es verlief alles andere als gut.
Sie verlor viel Blut, sodass die Bediensteten alle Hände voll zu tun hatten. Zudem hatte man sehr wenige Heiler, die direkt unter der Führung des angesehenen Hochelfen, Jadas Duskbrook, standen.
Jener stand mit höchster Besorgnis neben seiner Geliebten und hielt ihre Hand, die immer schwächer wurde.
Der stolze Elf zitterte am ganzen Leib aus Angst die Liebe seines Lebens an das zu verlieren, was gar nicht sein durfte.
Dieses Kind...
Es war nicht so, dass Jadas und Sidaria es nicht wollten, im Gegenteil sogar! Das Paar sehnte sich bereits seit 150 Jahren nach nichts anderem und betete zu ihrer Gottheit ihnen jenen Wunsch zu erfüllen.
Doch die Anzahl an Seelen, zur Wiedergeburt, war bei den Hochelfen begrenzt und wenn keine Katastrophe bevor stand, so war es fast unmöglich ein Kind zu bekommen.
Dieses Kind jedoch glich einem unerwarteten Wunder. Oder war es gar ein Fluch?
Es hatte keine Zeichen, keine Visionen und keine Ankündigung gegeben, welche essenziell dafür gewesen wären.
Sidaria war, unerwartet, schwanger geworden.
Jeder im Anwesen munkelte und tuschelte bereits seit Monaten über jenes Unglück, dass dem Paar widerfahren war und man hatte Mitleid mit ihnen.
Ein Kind wurde nach Brauch feierlich von den Seehern verkündet, sodass es einjeder mitbekam. Und das glückliche Paar, um welches es sich dabei handelte, bestätigte schließlich, innerhalb eines Jahres, die erwartete Schwangerschaft.
Doch das war den beiden nicht widerfahren.
Um Gerüchte zu vermeiden, dass Sidaria fremd gegangen wäre, zog sich die Elfe zurück und aus Respekt für die Beiden, bestärkten die Bediensteten ihre Entscheidung, ließen die Außenwelt im Glauben, sie wäre an einer ihnen fremden Krankheit erkrankt.
All die Monate über hatte Jadas damit zu tun, den König, dessen Rechte Hand er war, zu beschwichtigen, welcher sich aufrichtig sorgte.
Dies gelang ihm auch ganz gut, denn er war schon immer ein sehr stolzer Elf gewesen, der sich nicht gerne unter die Arme greifen ließ.
Doch nun war er dabei eben jene Entscheidungen und seinen sturen Stolz zu bereuen.
Er stand hier, so hilflos, wie er es noch nie in seinem ganze Leben gewesen war. Jadas konnte nur die Hand seiner Liebsten halten und dabei zusehen, wie sie stetig schwächer wurde.
Er konnte rein gar nichts tun außer im stillen zu beten und sich zu fragen, was sie wohl verbrochen hatten, dass sie derart grausam bestraft wurden.
Als ihre Schreie langsam verstummten und sie nur noch leise wimmerte, hatte Jadas das Gefühl, dass seine Beine jeden Moment unter ihm nachgeben würden.
"Das Kind! Es atmet nicht!" kam panisch die Stimme einer Heilerin und sie eilte an einen Tisch, wo sie das neugeborene in ein Wasserbecken hielt und anfing ihre Heilmagie zu wirken.
Dies riss den Elfen aus seiner Starre und er eilte ihr nach. Er sah geschockt auf den kleinen blassen Körper, der schlaff im Wasser trieb.
Es war ein Junge.
"Kannst du ihm helfen?" fragte er aufgebracht und sah die Heilerin verzweifelt an.
Ihr lief der Schweiß von der Stirn bei der großen Anstrengung.
"Ich gebe mein bestes mein Herr." konnte sie nur sagen.
Jadas wollte schon weiter sprechen als hinter ihm ein Tumult los brach.
"Herrin! Herrin! Bitte öffnet eure Augen! Heiler helft ihr! Sie reagiert nicht!"
Zwei weitere Heilerinen eilten zu Sidaria, welche ihr Bewusstsein verloren hatte und nur noch flach atmete.
Jadas drehte sich auf dem Absatz um und rannte zu ihr.
"Geliebte!"
Er packte sie verzweifelt an den Schultern.
"Meine Liebste! Ihr dürft mich nicht verlassen! Hört ihr! Sidaria ihr dürft mich hier nicht ohne euch lassen!"
"Mein Herr! Ihr behindert unsere Arbeit! Mein Herr beruhigt euch! Wachen! So hilft doch! Es tut uns leid mein Herr!"
Mehrere starke Elfen eilten herbei und zerrten ihren Herrn nach draußen, entschuldigten sich dabei.
Jadas schlug um sich, brachte einige zu Fall doch es waren zu viele und er nicht bei klarem verstand.
Als sich die Tür zwischen ihm und dem Wertvollsten was er besaß schloss, war es für ihn so, als haben sie ihn verlassen.
Das war selbst für den stolzen unerschütterlichen Jadas, welcher nie weder sein Gesicht noch seine Beherrschung verlor, zu viel. Seine Beine gaben unter ihm nach, seine Kräfte und sein Bewusstsein verließen ihn und er brach an Ort und Stelle in sich zusammen.
Als Jadas wieder zu Bewusstsein kam war das erste was er tat seine Geliebte aufzusuchen.
Er stürmte an jedem vorbei, nicht willens jegliche Auskünfte aus deren Mund zu hören. Der Elf musste es selbst sehen.
Ihm fiel ein ganzer Berg vom Herzen, als er das Lächeln seiner Sonne sah.
Sie war geschwächt, doch das wichtigste war, dass sie.
Er eilte zu ihr und kniete sich ans Bett, nahm ihre Hand in die seinen und küsste den Handrücken. Jadas war so erleichtert, dass er nicht anders konnte als zitternd Tränen der Freude zu vergießen.
"Mein Geliebter!" kam es schwach von ihr und sie fuhr ihm sanft durch das silberne lange Haar.
"Sprecht nicht meine Liebste. Ihr müsst euch schonen."
Als er sie ansah, war sein Herz drauf und dran zu brechen. Der Schmerz in ihren Augen war unerträglich für ihn.
"Mein Geliebter... Unser Kind! Was ist mit unserem Kind? Bitte sagt es mir mein Geliebter! Bitte! Warum gibt man mir unser Kind nicht?"
"Shhhi! Meine Liebe ich ertrage es nicht euch so zu sehen. Ich frage die Heiler. Ruht euch aus Liebste. Ich bin sofort wieder bei euch."
Sidaria nickte und Jadas verließ hastig den Raum.
Er suchte die Heilerinen auf, welche sich um das Kind kümmerten.
Eine der Frauen stand am Becken, in welchem der junge noch immer lag, hatte ihre Hände über ihm und heiliges Licht umgab den kleinen Körper.
"Sprecht! Wie steht es um meinen Sohn?"
Eine andere Heilerin kam müde zu ihm herüber und begann zu erklären.
"Er atmet, aber er ist sehr, sehr schwach. Die Seele in seinem Körper scheint nicht bei ihm bleiben zu wollen. Wir geben unser bestes, doch wann immer wir aufhören, ihn in heiliges Licht zu hüllen, entgleitet er uns."
"Was braucht ihr, um ihn zu retten?" fragte Jadas ruhig und bedacht.
"Mein Herr... Wir sind der Meinung ihn gehen zu lassen. Es war ein Irrtum. Seine Seele scheint sich offensichtlich nicht binden zu wollen."
"Was braucht ihr, um ihn zu retten?" fragte Jadas noch einmal eindringlicher.
Die Heilerin senkte ihren Blick.
"Ein paar große Jadesteine aus der Heiligen Quelle würden uns die Arbeit erleichtern. Wir wechseln uns bereits ab jedoch schwinden uns unsere Kräfte. Die Steine können das Wasser mit heiliger Energie bereichern und ihn weitestgehend stabilisieren. Es ist zwar keine Lösung, allerdings verschafft es uns ein wenig Zeit."
Jadas nickte und verließ den Raum, um umgehend einige Diener zum Tempel zu schicken.
Wochen vergingen, ohne dass sich der Zustand des Kindes zu besseren schien. Die Heilerinen taten alles erdenkliche, doch nichts schien eine Wirkung zu haben.
Jadas erhob sich in einer Nacht aus seiner Meditation, nur um festzustellen, dass sich seine Frau erneut nicht neben ihm befand. Seit Wochen verbrachte sie ihre Tage und Nächte anstatt zu ruhen neben dem Kind, bis sie vor Erschöpfung zusammen brach, nur um sobald sie wieder konnte neben ihrem Sohn zu stehen.
Sie summte gerade leise vor sich hin, ein bekanntes schlaflied, und Strich immer wieder sanft über den Kopf des Jungen.
Sie bemerkte ihren Mann, sah jedoch nicht zu ihm herüber. Sie fing an zu sprechen, wagte es nicht ihre Augen von dem Jungen zu nehmen, als könne jener sterben, wenn sie nicht mehr hinsah.
"Ist er nicht ein hübsches Kind? So klein und Zart, wie eine unscheinbare Blume. Mein Liebster ich möchte ihm den Namen Dandelion geben. Meinst du er wird überleben, wenn ich das tue? Ein Löwenzahn ist auch so zerbrechlich und unscheinbar, aber er übersteht auch die härtesten Umstände. Meinst du, dass einer der unzähligen Götter ihn dann mit dieser Eigenschaft segnen würde, wenn ich ihm diesen Namen gebe und es mir von ganzem Herzen wünsche?" sie zitterte leicht.
Jadas tat es im Herzen weh und obwohl er überaus gewandt darin war, stets die richtigen Worte zu finden, so viel ihm hier nichts ein, was er hätte sagen können. Er schwieg deshalb lieber, um ihren Kummer nicht noch weiter zu verschlimmern.
"Sagt mein Geliebter, haben wir uns verschuldet? Waren wir zu egoistisch gewesen uns dieses Kind so sehr zu wünschen, dass es unseretwegen nun so leiden muss? Sagt es mir! Bitte sagt es mir! Was kann ich tun? Was nur? Mein Geliebter bitte schweigt nicht! Sagt es mir!"
Sie fing an zu weinen und Jadas konnte sie lediglich in den Arm nehmen und sie halten. Er selbst war ebenso den Tränen nahe, doch sein Gesicht blieb ungerührt, damit sie sich an ihn stützen konnte.
Jadas hatte schließlich damit angefangen heimlich Boten zu entsenden auf der Suche nach einer Lösung, um das Kind zu retten. Sidarias Zustand verschlimmerte sich täglich. Sie aß kaum, sprach immer weniger und wenn sie es tat, so wurden ihre Worte wirrer, als würde ihr allmählich der Verstand entgleiten. Sie war einst eine solch strahlende und gutmütige Persönlichkeit, deren Lachen nichts trüben konnte. Wie oft war sie schon seine Sonne in den dunkelsten Stunden gewesen? Wie oft hatte ihn ihre unendliche Ruhe aufgefangen, wenn er aufgebracht war?
Wie oft war es ihre Weisheit, die seinen Starrsinn zur Vernunft gebracht hatte?
Sie war nun nur noch ein Schatten, von all dem was sie einst ausgemacht hatte und es zeriss ihn innerlich, sie so unglücklich zu sehen.
Er tat alles daran dies zu ändern.
Täglich ging er zum Tempel und betete still. Immer noch im Glauben erhört zu werden.
Und schließlich schien es tatsächlich so, als habe man ihn erhört. Denn eines Abends wurde ein Mann in dunkler Robe zu ihm geführt, von dem es hieß er könne helfen.
Als Jadas das Gesicht des Fremden jedoch sah verhärteten sich seine Züge.
"Was willst du hier Fey?" fragte er, seine Stimme so kalt wie Eis.
"Sei mir gegrüßt! Dein Name?"
"Betitel mich als Herr."
Antwortet Jadas, trotzdem darauf bedacht höflich zu bleiben.
Der Fey lachte leise.
"Nun gut Herr. Ich bin hier, weil ich dein Kind retten kann."
"Dein Angebot schätze ich, jedoch kann ich nicht zulassen, dass..."
"Ihr könnt mein Kind retten?"
Sidaria stand plötzlich im Türrahmen. Und sowas wie Hoffnung flackerte in ihren Augen auf.
"Geliebte! Ihr dürft nicht..."
Sie ignorierte ihren Mann und rannte auf den Fey zu, nahm dessen Hand und kniete sich vor ihm nieder.
"Wenn ihr ihm wirklich helfen könnt... Wenn ihr wirklich mein Kind retten könnt..."
"Sidaria!"
Jadas eilte zu ihr und hob sie hoch, zerrte sie weg und hielt sie fest.
"Geliebter! Er kann helfen! Bitte! Ich bitte euch lasst ihn helfen! Mein geliebter! Ich bitte, nein ich flehe euch an!"
Jadas presste seine Kiefer aufeinander. Was sollte er bloß tun? Die Fey waren kein Volk mit dem er zu verkehren wagte.
Doch...
Jadas sah den fremden an.
"Was würdest dafür wollen uns zu helfen?"
Er musste jetzt einen Preis fest legen, ansonsten würde er sich später alles nehmen, was er als ebenbürtig empfindet.
"Kümmere dich nicht darum Herr. Ich bin es der hier eine Schuld begleicht. Dein Spross kommt mir somit sehr gelegen, denn wie du weißt, bevorzugen wir Fey beglichene Rechnungen. Du wirst mich nach der heutigen Nacht nie wieder zu Gesicht bekommen, darauf mein Wort."
Jadas sah ihn misstrauisch an und wollte schon beinahe fragen, um welche Schuld es sich hierbei handelte. Doch biss er sich schnell auf die Zunge. Es war schließlich unhöflich nach der Schuld zu fragen, wenn man nicht der Schuldner war und er war sich keiner Vereinbarung zwischen diesem Fey bewusst.
Er nickte schließlich.
"Nun gut, ich stimme dem zu."
"Sehr schön. Bringt mich zum Kind und lasst mich dann mit ihm alleine. Ich garantiere euch er wird morgen putz munter sein."
Jadas gefiel das ganz und gar nicht, doch er hat bereits zugesagt.
Man brachte den fremden wie aufgetragen zum Kind und ließ ihn dort alleine.
Nur Sidaria war es noch gewesen, die unruhig vor dem Zimmer auf und ab ging, nachdem sie sich wie so üblich von der Seite ihres Mannes geschlichen hatte. Jener war es bereits so gewohnt gewesen, dass er es in seiner Meditation kaum wahrgenommen hatte.
Sie war so unruhig gewesen, dass sie am liebsten rein gegangen wäre, doch noch konnte sie sich zügeln.
Als sie jedoch von drinnen ein weinen hörte konnte sie nicht anders als dem Ruf ihres Kindes zu folgen und stürmte herein.
Was sie jedoch sah ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren.
Der Fey sah sie an, sein Lächeln Schnitt sich von einem Ohr zum anderen und er wunk sie herbei.
"Was... Was..."
Sidaria wollte beinahe in Hysterie verfallen doch der Mann legte einen Finger auf die Lippen.
"Wenn du jetzt Lärm machst, kann es den Prozess stören und er stirbt."
Ein Knoten bildete sich in ihrem Hals, doch als das Kind wieder anfing zu weinen rannte sie zu ihm.
"Wird er leben?" fragte sie leise.
Der Fey nickte.
"Er ist zäh, obwohl er so dünn ist. Er hat bestimmt einen stattlichen Namen. Wie heißt er?"
"Er... Ich... Er hat noch keinen Namen."
Der Fey lächelte noch breiter.
"Kluge Frau. Er wird es vermutlich schaffen, allerdings ist es schwieriger als erwartet. Seine Seele ist nicht freiwillig hier. Selbst wenn ich seinen Körper rette besteht die Gefahr, dass ich ihn trotzdem verliere und nur eine lebende leere Hülle zurück lasse. Wie eine lebende Puppe."
Sidaria wurde noch blasser, als sie eh schon war.
"Aber... Ihr schafft das doch. Ganz bestimmt schafft ihr das!"
"Du kannst mir dabei helfen, dass es auf alle Fälle klappt."
Sidaria sah ihn an.
"Wie kann ich helfen?"
Der Fay lachte leise.
"Nun gut, wenn du darauf bestehst. Du kannst folgendes tun... Sidaria."
Sie riss panisch ihre Augen auf, als er ihren Namen aussprach.
In jener Nacht, verschwand der Fey spurlos, mit ihm zusammen Sidaria Duskbruck und gegen Morgen hörte man das weinen eines Kindes durch die Flure hallen.
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