《34》
„Unrecht hast du jedenfalls nicht, dennoch ist es schrecklich genug, dass meine Eltern morgen erscheinen werden. Ich weiß sogar nicht, wohin mit meinen Gedanken; schließlich überhäuft mich alles, und ich weiß nicht, wo ich anfangen soll!“ Ich drehte mich im Bett einmal um 180 Grad, sodass sich mein Kopf in die Matratze vergrub.
„Zwar scheint all dies zu viel zu sein, und man könnte den Anschein haben, dass man es nicht bewältigen kann, aber du hast Schlimmeres überstanden, und das wirst du auch jetzt überstehen können. Wir brauchen nicht zum Rennen, damit—“ Doch so schnell, wie ich mich umdrehte, stoppte ich ihre Aussage.
„Ich werde daran teilnehmen!“
Kurz danach nahm sie sich meine Fernbedienung in die Hand und schaltete den Fernseher an, wobei sie nach einem Film Ausschau hielt. „Ist ja schon gut. Du solltest dich erstmal beruhigen, damit du dich nicht noch irre machst.“ Alicija schien die Ruhe in Person zu sein und blieb bei einem Film stehen, den wir uns kurz darauf ansahen.
Die Gelegenheit nutzte ich ebenfalls und checkte mein Smartphone nach Nachrichten.
Chat
Mason: Als ihr gefahren seid, kam Samuel in die Halle, und ich habe ihm erklärt, dass er es Liv beichten soll. Am Anfang war er natürlich nicht begeistert, aber er wird es ihr in den nächsten Tagen sagen.
Falls was ist, ruf mich oder schreib mich an und baut keinen Scheiß, vor allem wenn meine Schwester dabei ist.
~Liebe dich
Chat Ende
Als ich die letzten beiden Wörter las, begann sich automatisch ein Grinsen auf meinem Gesicht abzuzeichnen.
Es war eine gute Entscheidung, dass Samuel in den nächsten Tagen mit Liv darüber reden wird. Dennoch weiß ich nicht, wie sie auf die Situation reagieren wird. Der Gedanke, dass ich die „Geheimnisse“ schon länger vor Liv verberge, brachte mir das Gefühl eines Klumpens in der Magengrube.
„Alles gut?“ riss Alicija mich aus den negativen Gedanken, und ich schilderte ihr die Situation. „Ich bin gespannt, wie sie reagieren wird. Dir muss aber bewusst sein, dass Liv früher oder später die Wahrheit erfährt.“ Ich legte mein Smartphone beiseite und blickte zum Fernseher.
„Liv ist meine beste Freundin, und ich habe Angst, sie zu verlieren.“ Auch wenn wir momentan Streit miteinander haben, bleibt sie dennoch meine beste Freundin. Alicija und ich unterhielten uns eine Weile, und ich musste zugeben, dass sie für jede meiner Ängste einen passenden und vor allem aufmunternden Satz parat hatte.
Doch als der Abend langsam einbrach, fuhr sie mit ihrem Motorrad nach Hause, um alles zu besorgen, was ich für das spätere Rennen benötige. In der Zwischenzeit räumte ich ein wenig mit Liv die Küche auf, damit wir morgen nicht allzu viel zu tun haben. Es herrschte eine Weile Stille zwischen uns, bis Liv sie schließlich unterbrach.
„Es tut mir leid, dass ich heute so grob war. Ich freue mich sehr für dich und Mason, vor allem über deine Veränderungen, aber die Sorge um dich ist größer als gedacht. Du sollst Spaß haben und Erfahrungen sammeln, doch das Gesamtpaket ist beunruhigend. Vielleicht muss ich mich erstmal an die neue Cecilia gewöhnen.“
Ich sah zu ihr und ein Grinsen zeichnete sich auf meinen Lippen ab. „Ich war vorhin auch nicht fair. Ich denke, wir haben in der Situation beide überreagiert, und ich kann dich in dieser Hinsicht verstehen. Schließlich bin ich nicht mehr die Cecilia mit Zopf und Bluse, sondern die Cecilia mit einem Tattoo und einem anderen Style.“ Sie kam näher und forderte mich auf, ihr das Tattoo zu zeigen.
Sie schien genauso begeistert von dem Werk zu sein wie ich, was mir einen Stein vom Herzen fallen ließ. In der Küche umhüllte ich das Tattoo mit neuer, frischer Folie und zog sie fest, damit die Folie gar nicht erst verrutschen konnte.
„Warum hast du Alicija vorhin so undeutlich bemustert? Leugnen brauchst du gar nicht, denn ich habe den Blick genau gesehen!“ Etwas verlegen blickte sie zu Boden, als ob es ihr schwerfiel, es mir zu erklären. „Ich habe nichts gegen Alicija, doch sie ist wirklich hübsch und hat mit allen Jungs echt guten Kontakt. Ich habe Angst, dass Samuel irgendwann Interesse an ihr findet, wahrscheinlich, weil ich nicht so hübsch und attraktiv bin wie sie.“ Da die Zewa-Rolle perfekt auf dem Tisch lag, schnappte ich sie mir und warf sie mit Schwung nach Liv.
„Geht’s noch?“ Sie wich meinem Wurf gekonnt aus, doch dann nahm ich die Tücher aus der Schublade und warf weiter nach ihr. „Wenn du so einen Müll von dir gibst, dann musst du mit den Konsequenzen rechnen!“ Sie hob erschlagen die Hände und stoppte sofort meine Angriffe auf sie. „Ist gut! Aber sie ist wirklich hübsch—“ Weiter bombardierte ich sie mit den Tüchern, bis sie mir den Krieg erklärte und die aufgefalteten Tücher vom Boden aufnahm und mich ebenfalls damit bewarf.
Plötzlich fielen wir beide ins Gelächter und mussten zugeben, dass wir lange nicht mehr so viel gelacht haben wie jetzt. Nachdem wir uns beruhigt hatten, legten wir die Tücher gefaltet wieder in die Schublade und rollten die Zewa-Rolle vom Boden zusammen.
„Liv, Alicija ist hübsch, aber sie will auf keinen Fall etwas von Samuel. Ich denke eher, dass sie Interesse an Matteo hat und nicht an Samuel. Außerdem bist du genauso hübsch, und ich frage mich ernsthaft, warum du so etwas von dir behauptest.“
„Um ehrlich zu sein, weiß ich es selbst nicht mal.“ Ich atmete kurz auf, bevor ich etwas sagen wollte, als es an der Haustür klingelte. „Erwartest du Besuch?“ fragte sie mich, was ich bejahte.
„Alicija hatte etwas Kleines vergessen, und anschließend würde sie mich mit zu Mason nehmen. Vielleicht komme ich heute Nacht heim, oder ich übernachte bei Mason.“ Währenddessen ging ich etwas schneller zur Tür, um die Person hereinzulassen.
Wie erwartet, stand Alicija mit einem Rucksack in der Hand vor der Tür. Sie hielt den Schlüssel in die Luft und wackelte erfreut mit den Augenbrauen. Ich umfasste ihr Handgelenk und zog sie ins Haus, wobei ich die Tür hinter uns schloss und sie weiter durch das Haus führte.
Wir gingen die Treppe hinauf und steuerten direkt mein Zimmer an, wo Liv inzwischen in ihrem eigenen Zimmer verschwunden war. Alicija stellte den vollbepackten Rucksack auf mein Bett und öffnete den Reißverschluss. „Woher hast du so schnell ein Motorrad bekommen?“ fragte ich interessiert, während sie den Schutzanzug aus dem Rucksack nahm.
„Ich hatte bei einem alten Bekannten noch etwas offen, das er mir schuldete. Außerdem sollten wir uns ein wenig beeilen, bevor es zu spät wird.“ Das war das Signal, dass ich mir die schwarze Schutzkleidung schnappte und anzog. Den Schlüssel steckte ich tief in eine der vielen Taschen und band daraufhin meine Haare zu einem strengen Zopf.
Schließlich, als wir uns auf den Weg machten, griffen wir zügig nach unseren Helmen und verließen das Haus. Direkt vor der Tür stand ein Motorrad, so pechschwarz wie die Dunkelheit der Nacht.
Alicija und ich stiegen auf das Motorrad, während sie mir Bescheid gab, dass das Rennen in der Nähe des Gardasees stattfinden würde. Nachdem dies geklärt war, hielt sich Alicija wieder an mir fest, und kurz darauf startete ich den Motor und wir fuhren los.
Auf der Fahrt nutzte ich die Gelegenheit, um an meiner Technik zu feilen und weiterhin an meiner Sicherheit zu arbeiten. Je näher wir dem Strand kamen, desto lauter wurden die Musik und das Dröhnen der Motoren. Ich bremste das Motorrad etwas ab und fuhr immer langsamer und näher an die Veranstaltung heran.
„Lass mich gleich an der Seitenstraße absteigen, damit niemand Verdacht schöpft.“ Ein paar Meter fuhr ich weiter, bis ich Alicija absteigen ließ, und ab diesem Moment war ich auf mich allein gestellt.
„Fahr geradeaus weiter und lass dich nicht beirren. Ich habe dich die ganze Zeit im Blick und werde dich anmelden. Wenn jemand blöde Bemerkungen macht, ignorier sie.“ Ich nickte und entfernte mich von Alicija. Direkt danach bog ich in eine Kurve ab, um die Menge der Motorräder zu umgehen.
Ich bemerkte die ganzen Menschen, die an ihren Motorrädern standen und jeden musterten, der an ihnen vorbeifuhr. Weitere Menschen machten mir Platz, damit ich mich weiter durchfiltern konnte, bis ich auf ein Motorrad stieß, auf dem ich schon einmal gesessen hatte.
Mason, der entspannt gegen sein Motorrad gelehnt stand und von einer Gruppe Menschen umgeben war, bemerkte mich zunächst nicht.
„Wer ist das denn?“ hörte ich eine bekannte Stimme, und sofort war die Aufmerksamkeit auf mich gerichtet, was meine Nervosität deutlich steigen ließ. Im Rückspiegel erkannte ich Alicija, die sich der Gruppe anschloss und sichtlich mit Mason diskutierte. Wahrscheinlich verlangte er eine Erklärung, warum sie nicht bei mir sei.
Ich brachte das Motorrad zum Stehen, ließ den Ständer ausfahren und blieb wartend sitzen.
Nur wenige Meter trennten mich von der Camorra, und ich erhielt hin und wieder undeutliche Blicke. Kaum dass meine Gedanken wieder abschweiften von der Realität, sprach mich ein fremder junger Mann an, der mich abrupt aus meinen Gedanken riss.
„Wie heißt du?“ war seine erste Frage, doch ich antwortete ihm nicht.
„Bist nicht so gesprächig, hm?“ Er zog sich eine Zigarette aus der Schachtel und zündete sie an.
„Willst du vielleicht uns ein wenig Gesellschaft leisten?“ Er schaute zu der Gruppe hinüber, zu der ich auf keinen Fall gehen wollte.
Mein Blick fiel auf sein Handgelenk, und es war eindeutig das Zeichen eines Camorra-Mitglieds. „Mann, Nelson! Wenn sie nicht möchte, dann möchte sie nicht!“ sagte plötzlich Alicija hinter mir, und ich bemerkte, wie die gesamte Gruppe, inklusive Mason, ihr gefolgt war.
Alicija strich sich die Haare aus dem Gesicht und bemerkte schnell, wie angespannt die Situation war. „Habe ich Honig am Arsch kleben, oder warum seid ihr mir gefolgt?“ Ich fühlte mich wirklich unwohl, und es hätte nur einer gebraucht, der die Kappe meines Helms hochschob, und sie würden mich erkennen.
„Alicija, ich bin Single, also lass mich flirten“, sagte Nelson und legte einen Arm um mich, den ich jedoch schnell von mir schüttelte. Wie gerufen ertönte eine kräftige Stimme vom Mikrofon, und die Camorra wandte sich wieder von mir ab, während die Teilnehmer mit ihren Motorrädern auf die Fahrbahn traten.
Psychisch und physisch war ich bereit, doch aus dem Nichts griff plötzlich jemand ruckartig nach meiner Taille. „Teufelchen, verschwinde von der Bahn!“ flüsterte er mir ins Ohr, wobei seine Worte wie Regentropfen auf meinen Hals auftrafen.
„Euch ist schon bewusst, dass ich den Helm und den Anzug meiner Schwester erkennen würde“, sagte Mason, der erst entspannt klang, aber mit jedem Wort ernster wurde.
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Hallöchen! 😊
Was meint ihr? Wie wird Liv reagieren, wenn sie von der Camorra bescheid weiß? 🤔
xoxo Hannah
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top