❥ Chapter 9
Lyas POV
"Hast du heute vielleicht Zeit? Ich brauche ein neues Kleid für die Hochzeit meiner Cousine und ich dachte, du könntest meine Stylingberatung sein", fragt Maddie mich lächelnd in der Mittagspause.
Ich presse meine Lippen aufeinander und schaue ihr mit einem entschuldigten Ausdruck in die Augen. Ihr Lächeln verschwindet und sie schnaubt leise. "Ich habe einen Termin. Sorry, Maddie."
"Schon okay, wenn du nicht mitwillst. Aber du kannst mir das auch direkt sagen."
"Möchte ich doch", ich senke meine Stimme und beuge mich etwas näher zu ihr vor, "aber ich habe Therapie."
Ihre Augen weiten sich. "Oh sorry, das wusste ich nicht. Natürlich hat das Vorrang. Dann vielleicht morgen?", fragt sie mich hoffnungsvollem Blick.
Ich kann ihr nicht wieder absagen. Maddie ist meine beste Freundin und so sollte ich mich langsam auch wieder verhalten. Dafür habe ich sie den ganzen Sommer über hängen lassen. Also schenke ich ihr ein Lächeln. "Klar. Wir können sorfort nach der Schule los, wenn du willst."
"Ja, das wäre toll. Danke", sagt sie erleichtert.
Ich vermute, sie versucht wieder etwas Normalität in unseren Schulalltag zu bringen.
Meine Eltern und Mrs Jensen wären jetzt stolz auf mich. Mrs Jensen... Sie werde ich heute Nachmittag sehen und ich habe wirklich keine Lust darauf. Aber ich muss hingehen, da Mom oder Dad mich eigenhändig dorthinbringen werden. Wie immer.
Es klingelt und ich mache mich auf den Weg zu den letzten Unterrichtsstunden des Tages.
*
Mein Dad hat mir in einer SMS geschickt, in der steht, dass er mit seinem Wagen in einer Seitenstraße steht und auf mich wartet. Natürlich tut er das. Wahrscheinlich hat er heute Lya-Taxi-Dienst. In mein Handy vertieft, stoße ich plötzlich mit jemandem zusammen und meine drei Bücher, die ich zuvor aus meinem Schließfach geholt habe und jetzt in der anderen Hand halte, fallen mir herunter – und mein Handy. Halbes Chaos scheint es in meinem Leben wohl nicht zu geben.
"Mist... sorry", ich schaue zu der besagten Person hoch und bemerke, dass es Alec ist. War ja klar. Dieser Kerl bringt nur Unordnung in mein Leben.
"Tut mir Leid. Ich habe nicht", sein Blick findet meinen, "richtig hingesehen."
Wir lösen unsere Blicke voneinander und bücken uns, um meine Bücher aufzuheben. Schnell schnappe ich mir mein Handy, was zum Glück nichts abbekommen hat und stecke es in meine Tasche, ehe ich meine Bücher aufsammle. Alec hilft mir dabei und überreicht mir die Bücher.
"Hat dein Handy was abbekommen?", fragt er und in seinem Blick liegt etwas, das ich nicht wirklich deuten kann.
"Nein, alles okay. Danke." Ich schenke ihm ein kleines Lächeln.
"Kein Problem." Er erwidert mein Lächeln.
"Ähm.. ja, ich muss dann los. Bis dann", verabschiede ich mich schnell und drehe mich um.
"Bis morgen, Lya", gibt er mir zurück.
Alecs POV
Wo steckt sie nur wieder? Immer muss ich gefühlte Stunden auf Aurelia warten, obwohl wir zur selben Zeit Schulschluss haben. Ich schaue mich um und suche nach ihr, doch ich sehe ich nirgends. Also beschließe ich, in die Eingangshalle zu gehen. Vielleicht hat sie ja vergessen, dass wir uns kurz vor dem Schultor treffen wollte.
Ich kehre um und laufe in jemanden rein. "Mist... sorry."
"Tut mir Leid. Ich habe nicht", mein Blick findet den dieser Person und ich schaue ihr direkt in die Augen. Lya. Kurz vergesse ich, was ich sagen wollte, doch dann finde ich meine Worte wieder, "richtig hingesehen."
Sie bückt sich zu ihren Sachen und ich tue es ihr gleich, da ich ihr helfen möchte. Schließlich habe ich gute Manieren. Da sehe ich, wie sie ihr Handy vom Boden aufhebt und schaut, ob das Display kaputt ist. Der Bildschirm leuchtet auf und ich kann einen kurzen Blick auf ihr Sperrbild erhaschen. Darauf sehe ich sie und einen Jungen mit dunkelblonden Haaren, der ebenfalls in unserem Alter zu sein scheint. Ihr Freund sagt mir mein erster Gedanke und ein komisches Gefühl macht sich in mir breit. Ich tue so, als hätte ich nichts gesehen und frage, ob ihrem Handy etwas passiert ist, doch sie verneint mit einem kleinen Lächeln.
Unwillkürlich muss ich auch Lächeln. "Kein Problem", erwidere ich, als sie sich bedankt, dass ich ihr geholfen habe, ihre Bücher wieder aufzuheben.
Das ist wahrscheinlich das erste Mal seitdem wir uns kennen, dass wir uns so direkt in die Augen sehen. Ich wusste nie, dass graue Augen so aussehen. Bisher bin ich noch niemandem begegnet, der so eine Augenfarbe hat. Okay, eigentlich hat es mich auch nie so wirklich interessiert. Für mich war es immer nur eine Farbe. Aber Lyas Augen haben eine gewisse Tiefe in sich, die keine Augen einer 17 Jährigen haben sollten.
Doch bevor ich noch weiter darüber nachdenken kann, wendet sie sich schnell ab und verabschiedet sich von mir. "Bis morgen", antworte ich ihr uns sehe, wie sie immer weiterläuft.
"Alec?", stupst mich jemand an meiner Schulter an und holt mich wieder in die Realität zurück. Ich drehe mich um und sehe meine Schwester vor mir stehen.
"Da bist du ja endlich."
"Ich stehe schon etwas länger hier, aber ich wollte dich nicht bei deinem Flirtversuch mit dem Mädchen unterbrechen." Sie sieht mich mit ihrem typischen Aurelia-Blick an, der aus hochgezogenen Augenbrauen und einem Schmunzeln besteht und mir verdeutlicht, dass sie das gerade sehr amüsant fand. Ich kann nicht anders, als meine Augen zu verdrehen.
"Ich habe nicht geflirtet, sondern geholfen, ihre Bücher aufzusammeln. Das nennt sich Hilfsbereitschaft."
"Okay." Ihrer Stimmlage zu beurteilen, glaubt sie mir kein Wort. Was habe ich auch anderes erwartet.
"Können wir dann jetzt endlich nach Hause?", frage ich genervt.
"Ja, können wir. Mann, warum bist du denn jetzt so zickig?" Darauf antworte ich nicht und wir machen und auf den Weg nach Hause.
Lyas POV
Am Auto meines Dads angekommen, setze ich mich auf den Beifahrersitz und er fährt los.
"Wie war die Schule heute?", fragt er sich zu mir zuwendend, als er an einer roten Ampel stehenbleiben muss.
"Wie immer", lautet meine Antwort. Kurz und nichts aussagend. Wie immer scheiße oder wie immer ganz okay. Davon kann er sich eine Variante aussuchen. Meinetwegen auch die, die ihm besser gefällt.
Er nickt und wendet sich wieder dem Fahren zu, als die Ampel auf grün springt. Nach ungefähr einer Viertelstunde sind wir am Therapiezentrum angekommen und ich steige aus.
"Tessa kommt dich gleich abholen. Sie wird wieder auf dem gleichen Platz stehen wie beim letzten Mal."
Augenrollend drehe ich mich um. "Ernsthaft, Dad? Ich kann den Weg auch alleine laufen. Es ist ja dann noch nicht einmal dunkel."
Er legt seine Stirn in Falten. "Trotzdem. Tessa wird dich abholen. Dann wird es auch nicht zu spät."
Ich schlucke die Worte runter, die mir auf der Zunge liegen und gebe mich geschlagen. "Okay."
Dad scheint etwas erleichtert. "Gut. Dann bis später."
Ich lasse die Autotür hinter mir zufallen und gehe auf den Eingang zu. Here we go again. Wie sehr ich es hasse.
Ich betrete das scheußliche Gebäude und begebe mich in das Wartezimmer, in das mich die Frau an der Rezeption gebeten hat.
Nachdem ich kurz auf Mrs Jensen gewartet habe, sitze ich nun in ihrem Behandlungszimmer.
Sie sitzt mir gegenüber und hat wie immer einen Block auf ihrem Schoß und einen Stift in ihrer rechten Hand. "Wie geht es dir, Lyana?", fragt sie mich in ihrer typischen Therapeutenstimmlage.
"Na ja, ganz okay, denke ich. Schulstress und so." Nervös knete ich meine Hände im Schoß. Mrs Jensens Blick fällt darauf und sie beginnt, etwas aufzuschreiben. Kurz ist es still, bis sie ihrem Blick hebt und mir in die Augen sieht.
"Wie läuft es denn so in der Schule bisher? Die erste Woche ist ja fast schon rum."
"In Ordnung." Da sie darauf nicht antwortet, ergänze ich meine Aussage noch etwas. "Na ja, das Abschlussjahr ist nicht gerade leicht, wie Sie wissen."
"Ja, das stimmt. Es ist ziemlich viel, was von euch abverlangt wird. Prüfungen, Colleges, andere Schulaktivitäten und noch ein Privatleben." Clevere Überleitung zu meinem Problem. Darin scheint sie echt gut zu sein, dass muss ich ihr lassen. „Wie läuft es denn momentan in deinem Privatleben?"
Ich zucke mit den Schultern. "Es ist nichts besonderes passiert, also... gut schätze ich."
Ob sie nicht irgendwann die Geduld mit mir verliert? Ob diese Frau überhaupt ausrasten kann, so ruhig wie sie immer vor uns sitzt?
"Das ist schön. Wie geht es dir denn damit, dass du diese erste Woche ohne Nick verbracht hast?"
Oh. Diese Frau bringt es direkt auf den Punkt, ohne wichtige Zeit zu verlieren. Sie formuliert es so, als würde er bald wiederkommen... Ein Kloß bildet sich in meinem Hals und hindert mich daran, die Worte herauszulassen.
Mrs Jensen hilft mir, das Antworten zu erleichtern. "Bist du denn am ersten Tag gemeinsam mit Maddie zur Schule gegangen?"
"Ja, bin ich. Es war... komisch", gebe ich zu und spüre, dass die Finger meiner rechten Hand schon taub werden, weil ich sie zerquetsche, also lasse ich sie los.
"Inwiefern war es komisch für dich?" Sie setzt aufrecht in ihren Sessel und scheint bereit, das aufzuschreiben, was ich sagen werde.
Ich spiele an meinem Armband und versuche nun so, meine innere Anspanung etwas zu reduzieren. "Schon seit dem Beginn der Highschool laufe ich jeden Tag den selben Weg und das immer mit Nick. Jetzt, nach 3 Jahren diesen Weg mit jemand anderem zu gehen, gibt mir das Gefühl, als würde etwas fehlen. Und das tut es ja auch." Mrs Jensen notiert sich etwas und sieht danach wieder zu mir.
"Aber du hast es durchgezogen und das ist gut." Sie lächelt zuversichtlich.
"Ja, vielleicht. Ich meine, ich kann ja nichts daran ändern, auch wenn ich es gerne würde." Ein bittere Tatsache.
Mrs Jesnsen nickt. "Gut. Akzeptanz ist ein wichtiger Schritt. Und wie läuft es im Unterricht so?"
Ich atme tief durch. "Irgendwie unangenehm, weil jetzt ein neuer Mitschüler auf Nicks alten Platz sitzt."
Sie macht sich wieder Notizen. "Was empfindest du dabei, dass jemand anderes diesen Platz besetzt?"
"Wut", ist das erste, das mir in den Sinn kommt und ich spreche es aus, ohne darüber nachzudenken. Bei dem Gedanken an Alec neben mir spüre ich, wie leichte Wut in mir brodelt.
"Das ist verständlich. Schließlich bist du noch nicht bereit dazu, dass jemand neues seinen Platz einnimmt. Auch wenn es "nur" der Stuhl in der Schule ist." Sie unterstreicht das nur mit Anführungszeichen. Ja, meine These scheint bestätigt. Sie kann anscheinend wirklich in mich hinienschauen.
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