Gloster II

Resigniert liess sich der Graf in den Kerker sperren. Immerhin hatte er Marianna gerettet und sie war in Sicherheit, hoffte er jedenfalls. Er konnte ja von Glück sagen, dass Caius ihm nicht gleich den Kopf abgeschlagen hatte! Nur Isadora war ausser sich, sie nervte schon wieder: wie kommen wir hier raus, du bist ein Schwächling, ecetera pp. Gloster schaute Ruth an und entschuldigte sich, dass er sie hatte schlagen müssen, sie weinte, aber nicht deswegen. Als Caius mit seinen Männern kam, um alle zu verhören, sagte sie die Wahrheit. Dafür durfte sie gehen, die anderen beiden natürlich nicht. Tage vergingen, wie Monate. Gloster wurde schwächer und schwächer, er wusste, nun würde er doch sterben, dieses Mal jedoch wollte er zufrieden sein und es akzeptieren.

Dann kam sie, Marianna. Sie sah müde und blass aus. Hinter ihr stand Caius, aber sein Gesicht zeigte verbissene Wut, so, wie Gloster sich den Blutkönig immer vorgestellt hatte. Anscheinend war jetzt der wahre Coriolanus zu Vorschein gekommen- was hatte ihn geweckt?

„Ich war geblendet."begann der Römer schnarrend, Gloster sah müde auf, seine Königin schaute ihn traurig an. „Vor Liebe, vor Sorge, dass ich das Naheliegende nicht gesehen habe. Den Verrat an mir, sicher, aber nun war ja alles wieder geklärt und ich hatte, wie immer, gesiegt! In meiner Hochzeitsnacht war ich völlig berauscht und am Morgen- ihr wisst, was passiert ist, sodass ich nicht nachsehen konnte, ob meine Braut unbefleckt war. Nun das hier..."

Er hielt das Taschentuch mit Mariannas Jungfernblut hoch, in das ein schnörkeliges „M" gestickt war, eindeutig aus ihrem Besitz. „Ich habe Marianna gefragt, ob sie es sich erklären kann. Nun, sie sagte, sie hätte es euch wohl geliehen, Graf Gloster. Und wahrscheinlich hattet ihr Nasenbluten. Warum aber solltet ihr es denn aufheben, zwischen Haarlocken und Geburtstagskarten eurer Königin? Ich habe sehr lange höflich nachgebohrt, aber sie schweigt, nun frage ich euch, jedoch nur ein einziges Mal, ansonsten muss ich meiner Gattin weh tun: Habt ihr Marianna in eurer Besessenheit von ihr Gewalt angetan?"

Gloster schaute seine Königin an, sie zerkaute ihre süße Unterlippe. „Ja."raunte er und senkte den Blick. „Sie hätte mich sofort verbannen müssen, aber..."

„Das hätte ich zu diesem Zeitpunkt niemals übers Herz gebracht."hauchte sie nun dazwischen. „Und es stimmt nicht, Caius. Ich habe ihn gebeten, es zu tun, damit...ich nicht so unerfahren vor dir stehe."

Isadora kicherte, Caius schaute sie scharf an. Dann packte er Marianna und schob sie zu Gloster ins Verlies. „Da könnt ihr nun weitermachen. Und ich überlege derweil, ob ich euch hinrichten lasse, aber zunächst sind wichtigere Dinge zu erledigen."schnappte er wütend.

„Caius!"flehte die Königin und hielt sich am Gitter fest: „Bitte, es ist doch nur..."

Er fuhr herum: „Nur? Denkst du, ich will zum Gespött der Leute werden? Deine Unschuld gehörte mir, du hast mich angelogen! "Wer sollte mich denn wollen", hast du gesagt!"

„Das meine ich aber auch. Außer alte Männer!"lachte Isadora hämisch, Caius schoss auf ihr Verlies zu und sie wich ängstlich zurück.

Er öffnete das Verlies, packte die Blonde an den Haaren und zog sie mit sich. Marianna rief: „Isadora kann nichts dafür, töte mich, wenn du...hmpf."

Gloster hielt Mariannas Mund zu. „Glaube mir, ohne sie sind wir besser dran."seufzte er.

Marianna stiess ihn fort, er stöhnte und setzte sich.

„Du warst nie so."hauchte sie bestürzt. „Mord. Verrat, was ist passiert? Was ist mit uns passiert?"

„Caius Martius Coriolanus."seufzte er.

„Nein, er ist nicht..."setzte sie an, verstummte aber. „Ich verstehe es nicht. Er sagte, er liebt mich, ich sei aussergewöhnlich, und...nur, weil ich wegen dieser kleinen Sache gelogen habe? Es ist ja nicht mal alles passiert, was dazu gehört!"

Gloster lachte leise auf: „Du meinst ein Orgasmus?"

„Sei still. Diese dumme Sache zwischen uns hat alles zerstört!"

„Es tut mir leid."

„Und dann wolltest du mich töten!"

„Und dann hast du mich getötet."

„Du lebst!"

„Du auch."

Beide grinsten einander an, lachten, sie fiel ihm um den Hals. Hauchte: "Erst hat man es mir verschwiegen, aber Ruth hat es mir schließlich verraten, dass du mich vor Isadora geschützt hast. Du bist doch noch für mich da!"

„Ich bitte dich inständig um Vergebung, Marianna. Ich war geblendet von..."

„Liebst du sie?"unterbrach die energische Königin.

„Ich habe immer nur dich geliebt, das weißt du. Es tat gut, begehrt zu werden, auch, wenn es nur Berechnung war."

„Nein, keine Vergebung."seufzte Marianna. „Es ist nicht nötig. Du solltest mir vergeben, dass ich so ignorant dir gegenüber war. Ich habe dich immer als selbstverständlich hingenommen. Du hast...immer noch meine erste Locke!"

Gloster giggelte leise.

„Wie du geschrien und gebrüllt hast, wenn man dich kämmen wollte. Und die Amme war völlig verzweifelt, weil du durch deine Herumtoberei dauernd Kletten im Haar hattest und sie dann deine Haare abschneiden musste. Mit kurzen Haaren warst du glücklich. Ich hab dich immer Prinz Pups gerufen."

Marianna schmunzelte. „Weißt du noch, wie ich später mit dir darüber diskutiert habe, dass alle am Hof pupsen? Besonders die Cavendish?"

Beide lachten wieder, Gloster erwiderte: „Wie könnte ich das vergessen. Wir haben ein Pupsraten veranstaltet und dein Vater musste uns beim Abendessen ermahnen. Aber eines musst du mir vergeben...dass ich dich fett genannt habe. In Wahrheit bin ich verrückt nach deinem Körper, es war der blanke Neid, der aus mir gesprochen hat, weil du Coriolanus etwas gegeben hast, was mir verwehrt war. Er durfte dich berühren, küssen, schmecken. Du hast ihn berührt."

„Was tun wir, seit über dreißig Jahren?"lächelte sie und kraulte seinen viel zu langen Bart.

„Du weißt, wie ich es meine."seufzte er.

„Seit wann...sind deine Gefühle so?"

„Dem Fangspiel in den Katakomben."

Sie zog sich etwas zurück und japste: „Da war ich acht!"

„Und so süss! Ich war unbefriedigt, nur du...hast Freude in mir geweckt, plötzlich war da dieser Gedanke. Natürlich hätte ich dir nie etwas getan, und habe es nie, Marianna. Aber eben hättest du nicht mal lügen müssen. Ich habe dich mit Gewalt genommen."

„Hast du nicht, ich wollte es doch."

„Nicht so."

„Ich hätte mich niemals entspannen können, in dieser Nacht. Und nein, warum sollte ich dich an Caius ausliefern, es ist völlig gleich, wie es passiert ist, er hätte mich trotzdem verstoßen. Ich bin beschmutzt. Da ist er anscheinend sehr konservativ..."seufzte sie.

Gloster strich durch ihr Haar, das irritierenderweise nach Caius roch. „Liebst du ihn?"murmelte er.

„Hast du nicht zugehört? Du bist mein A und O, warst es schon immer, und ich habe mich...blenden lassen, von diesem Mann, der mir die körperliche Liebe gezeigt hat, mir süße Worte zugeflüstert hat, ja, mir sein Leben zu verdanken hat, aber beim ersten meiner Fehltritte sogleich das Handtuch wirft! Dabei war es nicht mal einer, wieviele Frauen haben es vor mir getan!"

„Ich miefe ganz schön, oder?"murmelte Gloster nun beschämt, weil Marianna wieder mit ihm kuschelte.

Nein, es war viel zu schön, das alte Gefühl wieder zu haben, und sie war untröstlich, dass sie mit sechzehn angefangen hatte, seine körperliche Nähe zu meiden. Weil da diese anderen Frauen gewesen waren, wenn er denn mal da gewesen war, die allesamt viel schöner als Marianna waren. Und nein, sie war Königin und durfte nicht mit dem Hofstaat knuddeln! Marianna murmelte:

„Du kannst nichts dafür, ich weiss, du legst sonst viel Wert auf deine Hygiene, Glos...komisch, ich hab dich nie gefragt, wie du mit Vornamen heisst?"

Er lachte leise: „Ralph."

„Ralph..."sprach sie so entzückend sanft aus, dass er sie küssen wollte, aber er stank ja.

Sie schauten sich an. Er streichelte ihr Gesicht, das so blass war, dass ihm ganz übel wurde. Er war schuld. Er hätte sie gleich retten müssen! Sie fuhr mit dem Finger an seinem Hals entlang. „Nun verstehe ich!"japste sie, erkennend. „Das Gift. Ich habe die Scherbe wieder heraus gezogen, damit sie den Blutstrom nicht verhindert und du schnell stirbst, aber das Gift in der Wunde hat dafür gesorgt, dass die Oberfläche sich schneller verkrustet und zusammen zieht und so hast du überlebt. Wenn ich sie an Ort und Stelle gelassen hätte, wäre es dein sicherer Tod gewesen. Nun, ich war in meiner Wut jenseits von logischem Denken. Ich schäme mich furchtbar..."endete sie leise.

„Es ist nachvollziehbar, Liebste. Lass uns doch aneinander vergeben, hm?"

Sie nickte und stupste mit der Nasenspitze an seine. „Meine kleine Heilerin."murmelte er.

„Giftmischerin!"kicherte sie. „Was nun, mein liebster Berater in energischen Dingen?"

Gloster schaute sie immer noch verliebt an. Er konnte kaum fassen, dass es so gekommen war, dass sie beide lebten und sie endlich wusste, was er für sie empfand, dass sie in seinen Armen lag und egal, ob wir hier sterben, dachte er, wir haben letztendlich zueinander gefunden. Andererseits wollte er, dass sie überlebte, wenigstens sie, aber er hatte wirklich keine Idee. Er fühlte sich müde, wenngleich ihre Anwesenheit ihm Auftrieb gab. Er sagte es ihr so, sie sprang auf und lief zum Gitter. Natürlich liess es sich nicht öffnen, ihre Haarnadel brach im Schloss ab.

„Ist es nicht merkwürdig still hier? Warum läuft niemand Patrouille?"fragte sie leise.

Gloster zuckte mit den Schultern, sie sah es nicht, weil sie ihm den Rücken zu drehte. Dann wandte sie sich um und lehnte sich stöhnend an das Gitter. Schaute ihn traurig an.

„Es ist vorbei, oder?"

„Gib nicht auf. Nicht du!"flüsterte er.

Sie legte ihre Hände auf ihren Bauch, der immer noch in das Stützkorsett gepresst war und schmerzte. Sie nickte. Gloster stand mühselig auf, kam auf sie zu und legte seine Hand auf ihre. Fiel auf die Knie und legte seinen Kopf vorsichtig auf ihren Bauch, schniefte leise.

„Warum hast du das getan?"flüsterte er. „Warum hast du dich über ihn geworfen? In dem Moment hat mein Herz ausgesetzt. Ich war so, so wütend auf dich, dass du für IHN sterben wolltest!"schluchzte er.

„Wie gesagt, hat er mein Herz in einer stürmischen Nacht erobert, und wie es scheint, auch meinen verdammten Verstand."knurrte sie. „Aber hätte es etwas geändert? Du hättest mich getötet, so oder so!"

„Nein, der Plan war, dich fortzuschaffen. Niemals hätte ich dich töten können, Marianna!"

„Fortschaffen."schnaubte sie.

Plötzlich hörten sie Schritte, Gloster richtete sich auf und schob seine Königin hinter sich. Doch sie, wie sie nun mal so war, knurrte nur und stellte sich neben ihn, er seufzte resigniert.

„Wohin?"flüsterte sie, während sie warteten, was nun kam.

Wer kam. Es waren leichte Schritte, aber keine Trippelschritte, wie die von Isadora. Vielleicht Ruth, dachte Marianna.

„Belazur. Mit mir."raunte Gloster zurück.

Marianna seufzte und stellte sich vor, wie ihr lieber, treuer Gloster plötzlich zu ihrem strengen Bewacher wurde und das war gar keine so unschöne Vorstellung! Denn natürlich hatte er ihr weh getan, in der Nacht der Entjungferung, aber sie war ja nicht zimperlich und hatte sich mehr geärgert, dass nicht das eingetroffen war, was sie sich erhofft hatte- dass er sie befriedigte. Und dass er sich an ihr befriedigte, was...

„Lothar!"rief sie erfreut, der Diener machte: „Schhh!"

Der blonde, schöne Mann nahm ihre Hände durch das Gitter. „Marianna..."hauchte er ehrfürchtig, „Verzeiht mir, dass ich nicht eher gekommen bin."

„Oh, es ist früh genug."blinzelte die Königin.

„Coriolanus ist auf nach Wildhain, er holt Thomas. Lucius wacht über uns und...die neu ernannte Königin Isadora."erzählte Lothar und holte einen Schlüssel aus der Tasche. „Ich musste warten, bis Lucius zu Bett gegangen war, Isadora versucht gerade, ihn zu verführen...ich sagte ihr, dass er sie wunderschön fände und wir haben nicht viel Zeit, bis es da oben Tumult gibt."

„Was ist mit den Kerkerwachen?"fragte Gloster, als Marianna durch die Gittertür schlüpfte.

„Die haben nicht mal gemerkt, dass ich den Schlüssel ausgeliehen habe. Sind gleich zur Lady Orlanda gelaufen, ich sagte, sie sei wieder in Angst und bräuchte ihre Manneskraft. Nun kommt, bevor sie wieder zurück sind!"

„Wir fliehen durch den Geheimgang."lächelte Marianna.

„Hier unten ist einer?"wunderte sich Lothar, Gloster grinste nur, blieb aber in der Zelle stehen.

„Gloster!"hauchte Marianna.

„Flieht nur, dann kann ich sie vielleicht noch etwas ablenken. Außerdem habe ich die Freiheit nicht verdient. Ich habe..."

Marianna, stöhnte, ging zurück. Nun jaulte Lothar.

„Ich gehe nicht ohne dich, Ralph."sagte Marianna sanft. „Dann sterbe ich lieber hier."

„Kommt jetzt, alle beide!"zischte Lothar.

Stimmen waren zu hören. Anscheinend prahlten die Wächter damit, was sie bei Lady Orlanda angestellt hatten. Nun liefen Gloster und Marianna doch los, Lothar verwischte die Spuren und schloss das Gitter wieder. Als er hörte, dass sich die Klappe des Geheimganges schloss, ging er langsam nach oben.

„Nun, ihr wart aber schnell."sagte er zu den Wachen, die blickten beschämt auf ihre Füsse.

„Es waren uns schon andere Wachen zuvor gekommen."murmelte der Jüngere der beiden.

„Warum wartet ihr nicht, bis sie fort sind? Ihr wisst doch, die Lady ist unersättlich..."blinzelte der hübsche Diener, die Wachen schauten sich an. „Keine Sorge, die beiden da unten sind schon sehr geschwächt und gehen euch nicht flöten."setzte er hinzu.

Nun flitzten die Männer los. Lothar seufzte schwer und hoffte, dass er nicht aufflog, aber nun war großes Geschrei zu hören. Nicht nur hatte Lord Orlanda seine Frau inflagranti mit zwei Wachen erwischt, dazu machte Isadora Theater, die Lucius wohl aus seinem Zimmer geworfen hatte. „Ich bin die Königin! Was ist das für ein Lärm hier?"schalt sie die Lady, die halbnackt im Flur lag, an den Haaren von ihrem Gemahl aus ihren Gemächern gezerrt. Und dieser Trubel sollte noch die halbe Nacht andauern, sodass Gloster und Marianna Zeit genug hatten, durch den langen Gang zur Brücke vor den Toren der Stadt zu fliehen.

Doch da standen sie nun. Schwach, aber frei.

„In der Stadt können wir uns nicht verstecken. Dort suchen sie uns zuerst."seufzte die zerzauste Königin im zerrissenen Kleid.

Gloster, der im Gras sass, blickte bewundernd zu ihr auf. Sie lächelte ihn schief an. Eine Träne lief an ihrer Wange hinunter.

„Vertrieben. Aus meinem eigenen Schloss!"hauchte sie, er richtete sich auf und umarmte sie.

„Packt euch, Gesindel!"rief ein Wächter, der die Brücke, unter der sie standen, ablief.

Gloster legte seinen Arm so über Mariannas Kopf, dass er andere Mann sie nicht erkennen konnte. So verwegen sie auch aussah, ihr leuchtendes Haar und ihr Puppengesicht würden sie verraten, befürchtete er.

„Komm..."murmelte er und zog sie die Böschung hoch, zur Strasse.

Sie durften sich auch nicht zu auffällig verhalten. Hier liefen viele Lumpengestalten herum und bettelten die vorbeifahrenden Händler an. Die Hand seiner Königin war kühl und klein in seiner, er drückte sie. Sie weinte immer noch.

„Die Hunde sind tot."hauchte sie.

„Ich weiss. Lancashire..."setzte er an.

Marianna nickte.

„Wir bleiben beim ursprünglichen Plan."seufzte Gloster nun.

„Was meinst du?"

„Ich bringe dich nach Belazur."

„Und lässt diese intrigante Sch..."begann Marianna hitzköpfig, er griff um ihren Schädel und hielt ihren Mund zu.

Passanten schauten das Paar neugierig an.

„Spricht man so mit seinem Gatten?"zischte Gloster gefährlich und Marianna wurde heiss.

Doch dann küsste er ihren Schopf und sie lehnte sich an ihn: „Verzeih mir."

„Ich habe dir die Pestbeule an den Hof gebracht..."seufzte er.

„Und ich die Cholera in Form eines eingebildeten Römers."

Beide lachten und er war versucht, sie zu küssen, aber immer noch standen sie vor Dreck, nun noch mehr. Schon komisch, dachte er, all diese feinen Damen, die sich aufgeregt hatten, wenn er ein wenig verschwitzt gewesen war, was ja nun beim Liebe machen natürlich war, und sie, die Königin selbst, störte sich nicht an seinem Aufzug. Das ist Liebe, dachte er. Wieder kam eine Erinnerung.

                                                                                   ***

Er stand in den Kellergewölben und wartete. Hörte sie schon leise keuchen, hinter dem Gitter, aus dem Schacht heraus, eine Ratte piepste und sie fluchte leise. Und dann erschien ihr Gesicht in dem Rechteck vor ihm, sie schrie vor Schreck auf und er grinste.

„Euer Vater wollte das halbe Land überrennen lassen. Ich konnte ihn gerade so davon abhalten."tadelte Gloster und nahm das Gitter raus.

Die Prinzessin drehte sich behände und schlüpfte aus dem Gang. Stand vor ihm und blickte auf. Er sah, dass der graue Staub in ihrem Gesicht mit feinen Linien ihrer Tränen durchzogen war.

„Was ist los?"murmelte er, die Zwölfjährige legte ihren Kopf an seine Brust.

„Ich sah kleine Kinder sterben..."flüsterte sie, selbst noch Kind.

„Ihr wart nicht in diesem Teil der Stadt, Prinzessin?"schnappte Gloster und nahm ihr Kinn, schaute sie durchdringend an.

„Ich konnte es nicht glauben..."

„Du Trotzkopf. Denkst du, wir übertreiben?"fauchte er, nun verzog sie ihr Gesicht und er stöhnte, drückte sie wieder an sich. „Du musst zum Heiler."

„Ich habe mich ferngehalten und meinen Umhang und das Tuch ins Feuer geworfen, bevor ich in den Gang gekrabbelt bin. Gloster...können wir denn nichts tun?"

„WIR tun schon einmal gar nichts, Marianna!"

„Ich will das nicht. Ich will da draussen sein und helfen."brummte sie.

„Nun, wir können uns nicht aussuchen, als was wir geboren werden."raunte er und strich durch ihr Haar, obwohl er etwas ängstlich war, dass sie infiziert war.

Sie sollte in die Wanne! Sanft schob er sie in Richtung Treppe. Ein Diener kam vorbei, als sie oben angekommen waren, Gloster beauftragte ihn, den König zu benachrichtigen, die Prinzessin hätte sich im Keller versteckt und sei beim Lesen eingeschlafen. Dann brachte er sie in ihr Gemach und ließ Wasser in die Wanne. Sie zog ihr Kleid aus, als wäre der ältere Mann nicht da, oder er wäre jemand, dem es gleich war, wie Ruth oder Mariannas Kammerdienerin Violetta, doch er spürte, dass sie gerade nicht Herr ihrer Sinne war, sie ließ sich in das warme Wasser gleiten. Er räusperte sich und wollte gehen, aber sie reckte ihre Hand aus.

„Was wäre eure liebste Bestimmung gewesen?"lächelte sie ihn an.

Dein Gatte zu sein, dachte er. Dann würde ich dich jetzt kräftig einseifen, dich streicheln, bis all die Trauer versiegt. Aber nein, er würde nie mehr tun als das. Sein Cousin aus Düsterburg hatte eine kindliche Wohlgeborene geheiratet, weil es so bestimmt worden war, und hatte nichts Besseres zu tun gehabt, als sie in der Hochzeitsnacht zu zerreissen. Sie war an ihren Verletzungen gestorben. Gloster wurde übel.

„Gloster? Wo seid ihr?"fragte das Mädchen in der Wanne.

Er hielt ihre feuchte Hand, während er auf dem Wannenrand hockte, sie verhakten ihre Finger ineinander, wie so oft.

„Ich weiss es nicht. Genau hier, schätze ich."lächelte er.

„Ist das die Antwort auf die erste Frage?"

Er nickte. „Wo sollte ich schon anders sein, als bei euch?"

„Auf dem Schlachtfeld?"kicherte sie.

„Um Himmels Willen!"

„Auf einem Ährenfeld?"

„Nein."murmelte er.

„Auf einem Schiff?"

„Lasst es. Verwirrt mein einfaches Gemüt nicht weiter!"

Sie lachte, so süss.

„Nun, ich kann mich euch ohne mit der Nase in Büchern steckend auch nicht vorstellen. Von wegen, einfaches Gemüt!"kicherte sie.

„Seht ihr. Und mir geht es genauso mit euch."

„Lesen kann ich auch als Heilerin, da muss ich sogar sehr viel lesen."schmunzelte sie. „Aber ich müsste immerzu Medizinbücher lesen, also ist es wohl doch besser, Prinzessin zu bleiben."

Er hatte nicht zugehört, denn ihm war aufgefallen, dass ihr Geschlecht nun behaart war. Das letzte Mal hatte er es gesehen, als sie fünf gewesen war und er hatte helfen müssen, das keifende, völlig verdreckte Mädchen in die Wanne zu bekommen, weil Violetta völlig überfordert gewesen war. Damals war dieser Gedanke aber noch nicht da gewesen...

„Gloster?"flüsterte Marianna, fast ängstlich.

Er sprang auf und lief davon. Rannte in sein Zimmer, schloss sich ein, obwohl niemand es wagen würde, ihn zu stören, aber er fühlte sich nicht gut dabei. Schäbig, abartig, doch abwenden konnte er es nicht, nun zwang er sich, dabei nicht an ihren niedlichen Busch zu denken, an ihre süsse Stimme...Gloster...hätte sie so gepiepst, wenn er sie angefasst hätte? Er kam, nur bei der Vorstellung, wie seine Hand ins Wasser geglitten war. 

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